In Fachkreisen wird immer wieder ein Zusammenhang zwischen Schwerhörigkeit und dem individuellen Demenz-Risiko diskutiert. Tinnitus, ein Symptom, das sich durch unangenehme Geräusche im Ohr äußert, kann dabei ein erstes Warnzeichen sein, dass mit dem Gehör etwas nicht stimmt. Dieser Artikel beleuchtet die möglichen Verbindungen zwischen Tinnitus, Schwerhörigkeit und Demenz, basierend auf aktuellen Forschungsergebnissen und Erkenntnissen.
Schwerhörigkeit und ihre Auswirkungen auf das Gehirn
Hörstörungen beeinflussen die kognitiven Fähigkeiten negativ. Fehlen die akustischen Reize von außen und die Interaktion mit der Umwelt, kann die Gehirnleistung nachlassen. Der akustische Cortex, der im Gehirn für die Verarbeitung von Höreindrücken zuständig ist, ist unmittelbar mit Gebieten verknüpft, die für Lernen und Gedächtnis zuständig sind. Bei Menschen, die schlecht hören, verändern sich die Lernvorgänge im Gehirn, wodurch das Abspeichern von Informationen erschwert wird. Dieser Abbau von Gehirnleistung findet in jedem Lebensalter statt, wenn das Gehör nicht richtig funktioniert, und ist ein altersunabhängiger Prozess. Je stärker die Schwerhörigkeit ausgeprägt ist, desto schneller wird die kognitive Leistungsfähigkeit in Mitleidenschaft gezogen.
Tinnitus als Begleiter von Schwerhörigkeit
Tinnitus ist keine eigenständige Erkrankung, sondern ein Symptom, das durch verschiedene Einflussgrößen und Erkrankungen ausgelöst wird. So kann unter anderem ein Hörsturz oder ein Knalltrauma zu den unangenehmen Geräuschen im Ohr führen. Auch Schwerhörigkeit und Tinnitus hängen zusammen: Bei einem Großteil der Menschen, die schlecht hören, entsteht irgendwann das Pfeifen im Ohr. Tinnitus ist ein häufiger Begleiter einer Hörminderung beziehungsweise einer Schwerhörigkeit und oftmals ein erster Hinweis auf eine beginnende, bisher unerkannte Schädigung des Gehörs. Viele, die wegen Tinnitus einen Arzt aufsuchen, bekommen eine verminderte Hörleistung diagnostiziert. Tinnitus selbst macht jedoch nicht schwerhörig.
Tinnitus als mögliches Frühwarnsignal für Demenz
Eine Studie deutet darauf hin, dass bei Patienten mit einem bereits vorhandenen Tinnitus im Vergleich zu Patienten ohne Tinnitus ein 63 % höheres Risiko besteht, im Alter von 30 bis 64 Jahren von einer Demenz betroffen zu sein. Diese Analysen deuten darauf hin, dass ein Tinnitus wie ein Frühwarnsignal der Entstehung einer Demenz interpretiert werden könnte.
Weitere Risikofaktoren und Begleiterkrankungen
Schwerhörigkeit und Tinnitus gehen häufig mit Schlaf- und Konzentrationsstörungen, Stress und unter Umständen auch Depressionen einher. Viele Betroffene ziehen sich zurück und sind sozial isoliert. Die Möglichkeiten, sich mit anderen auszutauschen und aktiv zu sein, sind stark eingeschränkt. Für die kognitive Leistungsfähigkeit ist das ein Risiko. Das Ohrgeräusch beeinträchtigt nicht nur das Gehör, sondern auch Psyche, Schlaf und soziale Aspekte. Ein Tinnitus zieht oft weitere Erkrankungen nach sich. Neben Hörminderungen treten psychische Leiden wie Depressionen, Angst- und Belastungsstörungen sowie somatoforme Störungen auf. Diese Multimorbidität hat weitreichende Folgen auf kognitiver, emotionaler, sozialer und psychologischer Ebene. Kognitive und emotionale Beeinträchtigungen wie Konzentrationsprobleme oder negative Selbstwahrnehmung stehen bei Tinnituskranken häufig im Vordergrund. Auf der Verhaltensebene sind Beziehungsprobleme und soziale Isolation typisch. Schlafstörungen, Stress und psychische Belastungen verstärken die Problematik zusätzlich.
Lesen Sie auch: Fortgeschrittene Demenz: Ein umfassender Überblick
Was kann man tun?
Wer Tinnitus wahrnimmt, sollte einen Hörtest machen und auch in Folge sein Hörvermögen regelmäßig kontrollieren lassen, damit eine Beeinträchtigung frühzeitig erkannt und entsprechend behandelt wird. Je früher ein Nachlassen des Hörvermögens erkannt und entsprechend behandelt wird, etwa durch die Verwendung von Hörgeräten, desto besser ist das für das Gehirn. Studien haben gezeigt, dass die Leistungsfähigkeit des Gehirns von Schwerhörigen gegenüber normal Hörenden deutlich schneller nachlässt. Selbst bei einer leichten Hörminderung sind Beeinträchtigungen möglich. Hörgeräte können die akustischen Fähigkeiten unterstützen und helfen in vielen Fällen auch, die Ausprägungen des Tinnitus zu verbessern. Wenn man sich als Schwerhöriger für ein Hörgerät entscheidet, dann hat man oftmals auch etwas gegen den Tinnitus getan. Denn bekommt das Hörsystem wieder Stimulation, weil ein Hörgerät getragen wird, tritt der Tinnitus bei rund 80 Prozent auch wieder in den Hintergrund. Falls das nicht erfolgt oder ausreicht, kann bei einem chronischen Tinnitus eine sogenannte multimodale Therapie helfen. Dabei wird individuell über Beratungsgespräche diagnostiziert, was zur Auslösung oder Verstärkung des Tinnitus beigetragen hat. Es werden Techniken unter anderem zur körperlichen Entspannung und zur Stressregulation vermittelt. Zudem wird den Betroffenen erklärt, dass sie selbst etwas gegen das Ohrgeräusch tun müssen und es keine "Pille" gibt, die man einfach einnehmen kann.
Die Rolle von Hörgeräten und Cochlea-Implantaten
Wenn Kinder oder ältere Menschen durch ein Hörgerät oder andere Möglichkeiten wie ein Cochlea-Implantat wieder gut hören, dann kehren sich die negativen Veränderungen im Gehirn wieder um. Das Gehirn besitzt die Fähigkeit, sich durch Anregungen und Reize von außen, wieder neu zu organisieren. Unsere Ohren versorgen uns mit lebenswichtigen Funktionen aus der Umwelt: Sie warnen uns vor herannahenden Autos, helfen uns, Entfernungen abzuschätzen und Emotionen zu transportieren. Wenn das Gehör nachlässt, ist ein gut angepasstes Hörgerät wichtig. Denn nur wer gut versteht ist gerne in Gesellschaft und kann richtig an Gesprächen teilnehmen. Trotzdem kostet es viele Überwindung den ersten Schritt zu machen - mancher hat noch technische Ungetüme im Gedächtnis. Dabei sorgen moderne Geräte nicht nur für besseres Musik- und Sprachverständnis - auch die Optik ist wichtig.
Schwerhörigkeit als modifizierbarer Risikofaktor für Demenz
Eine Hörstörung im mittleren Alter ist mit 7 % der größte modifizierbare Risikofaktor einer Demenz. Und auch ein Tinnitus geht mit einer höheren Wahrscheinlichkeit für kognitive Abbauprozesse einher, vor allem exekutive Funktionen und das Kurzzeitgedächtnis fallen darunter. Ein Drittel der Demenzerkrankungen könnte mit Schwerhörigkeit zusammenhängen - besonders bei Menschen mit bereits erhöhtem Risiko. Die Studienautoren untersuchten Daten von mehr als 2.400 Erwachsenen im Alter von 65 Jahren und älter, die über einen Zeitraum von fast 10 Jahren begleitet wurden. Die zentrale These: Wenn Menschen bereits andere Risikofaktoren für Demenz mitbringen - wie etwa Bluthochdruck, Diabetes, Rauchen oder niedrige Bildung - kann eine unbehandelte Schwerhörigkeit den kognitiven Abbau zusätzlich beschleunigen. In der Subgruppe der Personen mit erhöhtem Demenzrisiko war unbehandelter Hörverlust bei etwa 33% der später auftretenden Demenzfälle potenziell mitverantwortlich. Diese Erkenntnis unterstreicht die Notwendigkeit frühzeitiger audiologischer Interventionen - vor allem bei Menschen mit bereits bekannten Risikofaktoren. Die neue Publikation ergänzt die Ergebnisse einer Meta-Analyse aus dem Jahr 2022 (JAMA Neurology), die Hörverlust bereits als einen der stärksten modifizierbaren Risikofaktoren für Demenz identifiziert hatte. Für die Hörakustikbranche bedeutet diese Entwicklung vor allem eines: Die präventive Bedeutung von Hörsystemen könnte in der medizinischen Versorgung älterer Menschen weiter an Relevanz gewinnen.
Lesen Sie auch: Wechselwirkungen zwischen Schmerzmitteln und Demenz
Lesen Sie auch: Ursachen und Behandlung von Zittern bei Demenz
tags: #Tinnitus #Demenz #Zusammenhang