Ursachen für das Ausspucken von Essen bei Demenz

Schluckbeschwerden, in der Fachsprache Dysphagie genannt, können bei Demenzerkrankten ein häufiges Problem darstellen. Sie erschweren nicht nur die Nahrungsaufnahme, sondern beeinträchtigen auch den Genuss und das Wohlbefinden, was besonders im Alter von Bedeutung ist. Die Ursachen für diese Schluckstörungen sind vielfältig und reichen von neurologischen Veränderungen bis hin zu altersbedingten Einschränkungen.

Was ist Dysphagie?

Dysphagie bezeichnet eine Störung des Schluckvorgangs, bei der feste Nahrung und/oder Flüssigkeiten nicht mehr problemlos in die Speiseröhre und den Magen transportiert werden können. Es ist wichtig, Dysphagie von gelegentlichen Schluckbeschwerden zu unterscheiden, die beispielsweise im Rahmen einer Erkältung auftreten können. Bei einer Dysphagie liegt jedoch eine chronische Störung vor, die eine Anpassung der Ernährung und oft auch pflegerische Maßnahmen erforderlich macht.

Ursachen von Schluckstörungen bei Demenz

Bei Demenz kommen zu den alterstypischen Ernährungsproblemen spezifische Herausforderungen hinzu. Viele Studien belegen einen engen Zusammenhang zwischen Gewichtsverlust und Alzheimer-Krankheit. Oftmals geht der Diagnose ein ungewollter Gewichtsverlust voraus, möglicherweise als Folge von Vergesslichkeit oder einer gestörten zentralen Regulation von Appetit und Hunger.

Kognitive und neurologische Faktoren:

  • Vergesslichkeit: Demenzkranke vergessen möglicherweise, dass sie bereits gegessen haben oder dass sie überhaupt essen müssen.
  • Erkennungsstörungen: Lebensmittel werden nicht mehr als solche erkannt, oder die Situation bei Tisch wird nicht mehr verstanden.
  • Ablenkbarkeit: Kognitive Störungen können dazu führen, dass Betroffene sich nicht auf das Essen konzentrieren können und leicht ablenkbar sind.
  • Verlangsamtes psychisches Tempo: Die Kranken können sich schlecht auf neue Situationen, wie eine Mahlzeit, einstellen.
  • Zerstörung von Gehirnzentren: Im Spätstadium der Alzheimer-Demenz können Kauen und Schlucken nicht mehr möglich sein, da die Gehirnzentren, die diese Vorgänge koordinieren und steuern, zerstört sind.
  • Schluckreflexbeeinträchtigung: Die Beeinträchtigung des Schluckreflexes ist ein Symptom der fortschreitenden Demenz.

Sensorische Veränderungen:

  • Veränderte Geschmackswahrnehmung: Die Geschmacksempfindungen können sich verändern, oft werden süße Speisen bevorzugt, während bittere oder salzige Speisen abgelehnt werden.
  • Geruchsstörungen: Mit zunehmendem Alter degenerieren die Riechnerven, was die Geruchswahrnehmung erheblich beeinträchtigt und zu Irritationen und einem Gefühl der Entfremdung führen kann.

Motorische Probleme:

  • Schwierigkeiten beim Umgang mit Besteck: Die Handhabung von Besteck wird vergessen, oder Messer und Gabel werden als bedrohlich empfunden.
  • Stereotype Bewegungen: Stereotype Bewegungen wie Wischen, Aufstehen und Hinsetzen verbrauchen viel Energie, was den Energiebedarf erhöht.
  • Schluckstörungen: Im weiteren Verlauf der Demenz kann es zu Schluckstörungen kommen.

Weitere Faktoren:

  • Mangelndes Hunger- oder Durstgefühl: Menschen mit Demenz empfinden oft kein Hungergefühl, was zu einer reduzierten Nahrungsaufnahme führt.
  • Medikamente: Schluckstörungen können auch eine Nebenwirkung von Medikamenten sein.
  • Psychische Faktoren: Psychische Belastung, Angst oder Depressionen können ebenfalls zu Appetitlosigkeit und damit zu einer geringeren Nahrungsaufnahme führen.
  • Zahnprobleme: Ein schlechter Zustand der Zähne oder ein schlecht sitzendes Gebiss können das Essverhalten beeinflussen.
  • Mangelnde Flüssigkeitszufuhr: Viele Senioren vergessen schlicht zu trinken, was zu Dehydration führen kann.

Auswirkungen von Schluckstörungen

Schluckstörungen können schwerwiegende Folgen für die Gesundheit und Lebensqualität von Demenzkranken haben:

  • Mangelernährung: Eine unzureichende Nahrungsaufnahme führt zu Mangelernährung, was Muskelabbau, Schwäche und Mobilitätsverlust zur Folge hat.
  • Dehydration: Zu wenig Flüssigkeit begünstigt Exsikkose, erhöhte Sturzneigung, Elektrolytentgleisung und Verwirrtheit.
  • Aspirationspneumonie: Durch das Eindringen von Nahrung in die Atemwege kann es zu einer Lungenentzündung kommen.
  • Gewichtsverlust: Viele Studien belegen, dass Gewichtsverlust und Alzheimer-Krankheit in engem Zusammenhang stehen.
  • Erhöhte Infektionsanfälligkeit: Eine Mangelernährung kann die Infektionsanfälligkeit erhöhen.
  • Beeinträchtigung der Pharmakotherapie: Eine Mangelernährung kann die Pharmakotherapie erheblich beeinflussen, insbesondere bei Arzneistoffen mit hoher Plasmaeiweißbindung.
  • Reduzierte Lebensqualität: Schluckstörungen beeinträchtigen den Genuss am Essen und Trinken und somit die Lebensqualität.

Diagnose von Schluckstörungen

Um die Ursache der Schluckprobleme zu finden, ist eine genaue Anamnese und Diagnostik erforderlich. Dabei werden folgende Aspekte berücksichtigt:

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  • Beschreibung der Beschwerden: Bestehen die Beschwerden ständig oder gibt es besondere Auslöser? Verschluckt sich der oder die Betroffene schon am eigenen Speichel oder vor allem beim Essen oder Trinken? Kommt es zu Husten oder gar Erstickungsanfällen? Trat ein Gewichtsverlust auf? Gibt es Anzeichen für Mangelerscheinungen oder Austrocknung? Ist schon häufiger eine Lungenentzündung aufgetreten?
  • Ärztliche Untersuchung: Für die Diagnostik im Nasen-Rachen-Raum und im Kehlkopfbereich sind HNO-Ärzte die richtigen Ansprechpartner, für Nervenfunktionsstörungen sind es Neurologen, für die Diagnostik der Speiseröhre Gastroenterologen.
  • Apparative Diagnostik: Besteht der Verdacht auf ein Hindernis in der Speiseröhre, sorgt eine Magenspiegelung für Klarheit. Weitere diagnostische Verfahren sind die flexible endoskopische Evaluation des Schluckens (FEES) und die Videofluoroskopie.

Maßnahmen zur Unterstützung bei Schluckstörungen

Abhängig von der Ursache und der Schwere der Dysphagie gibt es unterschiedliche Maßnahmen, um die Nahrungsaufnahme zu erleichtern und Komplikationen zu vermeiden:

  • Anpassung der Ernährung:
    • Konsistenzanpassung: Breiförmige oder angedickte Speisen und Flüssigkeiten sind leichter zu schlucken. Es gibt verschiedene Konsistenzstufen, die je nach Bedarf angepasst werden können.
    • Vermeidung problematischer Speisen: Harte, krümelige, klebrige oder faserige Speisen sollten vermieden werden.
    • Nährstoffdichte Kost: Es sollten energie- und nährstoffdichte Speisen angeboten werden, um eine ausreichende Versorgung sicherzustellen.
    • Kleine Portionen: Für lange Mahlzeiten reicht die Konzentration oft nicht, daher sollten kleine Portionen angeboten werden.
    • Süße Speisen: Da Demenzkranke oft eine Vorliebe für Süßes haben, können auch herzhafte Gerichte süß abgeschmeckt werden.
  • Schlucktraining: Logopäden können mit gezielten Übungen die Schluckmuskulatur stärken und die Schluckkoordination verbessern.
  • Anpassung der Essenssituation:
    • Entspannte Atmosphäre: Mahlzeiten sollten in entspannter Atmosphäre, mit viel Zeit und in Ruhe stattfinden.
    • Feste Rituale: Feste Rituale dienen der Orientierung und können die Mahlzeiten erleichtern.
    • Appetitanregung: Geräusche (Gong, Tellerklappern) oder Gerüche (frisch gemahlener Kaffee, Brot im Brotbackautomat) können auf die Mahlzeit aufmerksam machen.
    • Gute Beleuchtung und farbige Kontraste: Seh- und Wahrnehmungsstörungen erfordern eine gute Beleuchtung des Esszimmers und deutliche farbige Kontraste zwischen Geschirr, Tischdecke und Speisen.
    • Gemeinsames Essen: Bei einer Demenzerkrankung essen Betroffene mehr und besser, wenn sie mit anderen gemeinsam am Tisch essen.
  • Hilfsmittel:
    • Spezialbesteck: Es gibt Besteck mit dicken, rutschfesten Griffen, vertieften Löffelschalen oder speziell gebogenes Besteck.
    • Sicherheitstrinkbecher: Sicherheitstrinkbecher helfen, Verschlucken zu vermeiden, indem sie kontrollierte Flüssigkeitsmengen abgeben.
  • Mundpflege: Eine sorgfältige Mundpflege kann Munderkrankungen vorbeugen, die die Nahrungsaufnahme zusätzlich erschweren.
  • Flüssigkeitszufuhr sicherstellen: Getränke sollten den Tag über regelmäßig angeboten und an mehreren Stellen in der Wohnung positioniert werden. Farbige Becher werden besser wahrgenommen und animieren zum Trinken.
  • Basale Stimulation: Basale Stimulation bezeichnet die gezielte und systematische Förderung von Wahrnehmung und Kommunikation auf elementarer Ebene.
  • Künstliche Ernährung: Bei stark ausgeprägter Dysphagie kann eine künstliche Ernährung notwendig sein, um eine ausreichende Versorgung mit Nährstoffen und Flüssigkeit sicherzustellen.

Verhaltensempfehlungen für Betreuende

  • Beobachtung: Beobachten Sie das Essverhalten des Betroffenen genau und achten Sie auf Anzeichen von Schluckstörungen.
  • Kommunikation: Kommunizieren Sie überwiegend nonverbal mit dem Kranken, nehmen Sie häufig Augenkontakt auf und signalisieren Sie den köstlichen Geschmack der Speisen durch Ablecken der Finger oder genüssliches Schmatzen.
  • Vorbildfunktion: Bei fortgeschrittener Erkrankung hat die mitessende Person oft eine Vorbildfunktion.
  • Synchronisation: Synchronisieren Sie Ihre Bewegungen mit denen des Kranken und stören Sie ihn nicht durch abrupte Wechsel.
  • Kein Druck: Üben Sie keinen Druck aus, wenn der Kranke das Essen ablehnt oder die Mahlzeit nach wenigen Happen beendet.
  • Erinnerungen wecken: Mithilfe vertrauter Gerüche (Parfüm, Deospray) und mit Koseworten können Sie die Erinnerungen des Kranken wecken.
  • Führen der Hand: Beim Füttern sollte das Essen nach Möglichkeit durch das Führen der Hand (des Arms) des Kranken verabreicht werden, um das Öffnen des Mundes reflektorisch auszulösen.
  • Bestreichen der Lippen: Bei Weigerung, den Mund zu öffnen, hilft oft das Bestreichen der Lippen mit einer schmackhaften Flüssigkeit.
  • Bestreichen des Halses: Wenn Demenzkranke vergessen zu schlucken, kann man sie durch Bestreichen des Halses stimulieren.
  • Kenntnis der Essbiografie: Die Kenntnis der Ess- und Trinkbiografie ist wichtig, um dem Menschen vertraute und angenehme Speisen anbieten und den Ablauf der Mahlzeit einfach strukturieren zu können.

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