Demenzerkrankungen sind komplexe Erkrankungen des Gehirns, die mit zunehmenden kognitiven Störungen wie Vergesslichkeit einhergehen. Obwohl Demenz häufig mit älteren Menschen in Verbindung gebracht wird, können Demenzerkrankungen auch im jüngeren Alter entstehen. Von einer Demenz im jüngeren Lebensalter spricht man, wenn die ersten Symptome vor dem 65. Lebensjahr auftreten. Grundsätzlich können alle Demenzformen auch vor dem 65. Lebensjahr auftreten.
Demenz im jüngeren Lebensalter: Eine besondere Herausforderung
Menschen unter 65 Jahren sind häufiger von Demenzformen betroffen, die sich auf das Verhalten und die Persönlichkeit auswirken, wie zum Beispiel Frontotemporale Demenz. Obwohl sich die Symptome nicht wesentlich von denen einer Demenz im höheren Lebensalter unterscheiden, bleiben frühe Demenzen oft zunächst unerkannt. So kommt es vor, dass jüngere Menschen mit Demenz erst Jahre nach Auftreten der ersten Symptome richtig diagnostiziert und behandelt werden.
Verschiedene Faktoren spielen dabei eine Rolle:
- Demenz wird oft mit Vergesslichkeit gleichgesetzt. In jungen Jahren wird eine Demenz nicht vermutet.
- Selbst Ärztinnen und Ärzte führen Symptome wie Vergesslichkeit oder auffälliges Verhalten häufig zunächst auf Depressionen, Burnout, Stress oder Beziehungsprobleme zurück.
- Jüngere Menschen mit Demenz kommen erst gar nicht in die ärztliche Praxis - sei es, weil sie sich „nicht krank“ fühlen, sei es, weil sie aus Angst vor der Diagnose das Arztgespräch meiden.
- Es kann zwei bis vier Jahre dauern, bis jemand zum Facharzt kommt und die entsprechenden Untersuchungen gemacht werden. Mit 55 oder 60 Jahren denkt man bei Vergesslichkeit nicht unbedingt an Demenz.
Betroffene und Angehörige sollten daher auffällige Wesensveränderungen, Sprachprobleme oder psychische Beeinträchtigungen immer ernst nehmen und ärztlich abklären lassen. Je früher eine Demenzerkrankung erkannt wird, desto größer sind die Chancen, den Krankheitsverlauf zu verzögern, Symptome zu lindern und die Lebensqualität zu verbessern. Erste Anlaufstelle für die Diagnosestellung ist die hausärztliche Praxis. Demenzerkrankungen können und sollen in jedem Lebensalter behandelt werden.
Die Diagnose Demenz ist für jeden Betroffenen ein Schock. Für Jüngere, die mitten im Leben stehen, ist die Diagnose jedoch oft noch belastender als für ältere Erkrankte. Sie müssen sich nicht nur mit der einer unheilbaren, fortschreitenden Krankheit, sondern auch mit den damit verbundenen Veränderungen auseinandersetzen.
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Zu den besonderen Herauforderungen gehören:
Die Akzeptanz der Diagnose: Demenzerkrankungen sind für Jüngere schwerer zu akzeptieren. Sie schämen sich, wollen es nicht wahrhaben und glauben, es müsse eine Heilung geben.
Der Verlust des „alten Lebens“: Die eigenen Finanzen regeln, Kinder oder Eltern zu betreuen, Verantwortung im Beruf übernehmen - das bisherige Leben aufgeben zu müssen, ist im jüngeren Lebensalter nur sehr schwierig zu bewältigen.
Die Auswirkungen auf die Familie: Familien von jungen Erkrankten müssen akzeptieren, dass sich mit der Diagnose die gesamte Lebenssituation verändert. Besonders hart für Partnerinnen und Partner ist der schleichende Verlust von Gemeinsamkeiten, von Erinnerungen, von der Möglichkeit, gemeinsame Sorgen zu teilen. Zwar ist der Mensch noch da, doch das alte Gegenüber geht verloren.
Stigmatisierung im Alltag: Menschen mit Demenz erkennt man nicht auf den ersten Blick. Problematisch ist auch, dass die meisten Pflege- und Betreuungsangebote nicht auf die Bedürfnisse von jüngeren Menschen mit Demenz ausgerichtet sind. Gerade wenn das Zusammenleben im gewohnten Zuhause nicht mehr möglich ist, sind sie oft gezwungen in Pflegeheime umzuziehen, in denen alles auf ältere Seniorinnen und Senioren ausgerichtet ist. Das beginnt bei der Gestaltung und Ausstattung der Räume über den Tagesablauf bis hin zum Angebot an sozialen und sportlichen Aktivitäten. Hinzu kommt, dass den Jüngeren in den herkömmlichen Einrichtungen der wichtige Kontakt zu Gleichaltrigen fehlt.
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Genetische Aspekte der Alzheimer-Krankheit
Viele Menschen fragen sich: Ist Alzheimer vererbbar? - insbesondere wenn in der Familie bereits Fälle bekannt sind.
Die Antwort lautet: Ja, Alzheimer kann eine Erbkrankheit sein, jedoch ist die erbliche Form sehr selten und betrifft nur etwa ein Prozent aller Erkrankten. In den übrigen 99 Prozent der Fälle tritt die Alzheimer-Krankheit von allein (sporadisch) auf, wobei das Alter den größten Risikofaktor darstellt. Eine besonders hohes Risiko für Alzheimer haben Menschen mit Down-Syndrom.
Nur etwa ein Prozent aller Alzheimer-Fälle ist eindeutig erblich bedingt. Es sind bisher drei Gene bekannt, die für diese Form verantwortlich sind. Wenn eines dieser Gene Mutationen aufweist, bricht die Alzheimer-Krankheit in jedem Fall aus. Betroffene erkranken häufig früh, zwischen dem 30. und 65. Lebensjahr. Die Krankheit wird autosomal-dominant vererbt, das heißt wenn ein Elternteil das mutierte Gen besitzt, gibt es eine 50-prozentige Wahrscheinlichkeit, dass auch die Kinder das Gen erben und somit erkranken.
Bei 99 Prozent aller Alzheimer-Erkrankungen ist das Alter das größte Erkrankungsrisiko. Meist treten die Symptome erst nach dem 65. Lebensjahr auf. Allerdings scheint es auch einen genetischen Einfluss zu geben. Auch wenn das Alter der größte Risikofaktor ist, kann die Veränderung des Apolipoprotein Epsilon 4 (ApoE4)-Gens das Erkrankungsrisiko erhöhen. Allerdings führt diese genetische Veränderung nicht zwangsläufig zu einer Erkrankung. Das ApoE4-Gen könnte bei bis zu 25 Prozent aller Alzheimer-Fälle eine Rolle spielen. Weitere Gene wurden identifiziert, die das Alzheimer-Risiko erhöhen können.
Prof. Dr. Sascha Weggen erklärt: „Die Veränderungen des Gehirns unterscheiden sich bei der sporadischen und familiären Alzheimer-Form nicht. Zudem ist der Verlauf beider Varianten sehr ähnlich. Dies spricht dafür, dass die Krankheitsmechanismen der seltenen familiären Formen und der häufigen sporadischen Alzheimer-Krankheit sehr ähnlich sind.“
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Familiäre Alzheimer-Krankheit (FAD)
Eine Form der Alzheimer-Krankheit ist die Familiäre Alzheimer-Krankheit (FAD), die allerdings nur etwa 5 Prozent aller Fälle umfasst. Inzwischen sind zumindest drei Gene identifiziert worden, die dazu führen können, dass Menschen bereits im jüngeren Alter (unter 60 Jahren) an Alzheimer erkranken.
Wenn in einer Familie Alzheimer aufgetreten ist und die Erkrankten noch relativ jung waren (unter 60 Jahren), besteht ein höheres Risiko, dass in der Familie die familiäre Alzheimer-Krankheit (FAD) vererbt wird. Anhand einer Blutuntersuchung des Betroffenen beziehungsweise der Kinder kann festgestellt werden, ob eine genetische Mutation vorliegt. Medizinisch ist das machbar. Ethisch wird oft zu bedenken gegeben, ob man das persönliche Risiko wirklich wissen will. Denn eine Heilung gibt es für Alzheimer bislang nicht.
Interview mit Prof. Dr. med. Lars Bertram zum Thema Vererbung der Alzheimer-Krankheit
EinBlickDemenz hat den Experten Prof. Dr. med. Lars Bertram, Professor für Genomanalytik an der Universität zu Lübeck und Leiter der Lübecker Interdisziplinären Plattform für Genomanalytik (LIGA), zum Thema Vererbung der Alzheimer-Krankheit befragt:
- Wodurch ist die familiäre Form der Alzheimer-Krankheit gekennzeichnet und wie häufig ist sie?
Von genetischer Seite lässt sich die Alzheimer-Krankheit in eine monogene und eine polygene Form aufteilen. „Monogen“ bedeutet durch eine einzige Genveränderung, auch Mutation genannt, ausgelöst. Bei der „polygenen“ Form spielen mehrere genetische Risikofaktoren, auch Polymorphismen genannt, eine Rolle. In beiden Fällen spielen also Gene eine Rolle. Allerdings sehen wir eine typische „Vererbung“ über die Generationen hinweg nur bei der „monogenen“ Form, die auch häufig die familiäre Form der Alzheimer-Krankheit genannt wird. Bei dieser Form reicht eine einzige Veränderung in der Erbsubstanz (Mutation), um die Erkrankung auszulösen.
Diese familiäre Alzheimer-Krankheit beginnt vergleichsweise früh, meist vor dem 60. Lebensjahr. Glücklicherweise sind nur etwa 1% aller Alzheimer-Fälle „monogen“ und von einer dieser seltenen Mutationen verursacht.
- Bei einem Elternteil wird in jungen Jahren die Diagnose familiäre Alzheimer-Krankheit gestellt. Was bedeutet dies für die Kinder? Wird die familiäre Form der Alzheimer-Krankheit immer vererbt?
Wenn bei dem Elternteil eine „monogene“ Ursache der Alzheimer-Krankheit, also eine bekannte Mutation, nachgewiesen wurde, liegt die Wahrscheinlichkeit, diese Mutation als Nachkommen ebenfalls zu tragen bei 50%. Dies kann nur im Zuge einer genetischen Untersuchung zweifelsfrei festgestellt werden, die immer erst nach einer humangenetischen Beratung stattfinden darf. Je nach Art der Mutation kommt es aber in Mutationsträgern nicht immer zwangsläufig zum Ausbruch der Erkrankung, da einige Varianten eine verminderte „Durchschlagskraft“ (medizinisch „Penetranz“) haben. Trotzdem ist die Wahrscheinlichkeit als Mutationsträger an der Alzheimer-Krankheit zu erkranken sehr hoch.
- Die altersbedingte Form der Alzheimer-Krankheit kommt weitaus häufiger vor. Hier spielen genetische Risikofaktoren (Polymorphismen) eine Rolle. Was ist über das Apolipoprotein-E (ApoE)-Gen bekannt und ist es für den klinischen Alltag relevant?
Das ApoE-Gen ist quasi der Bauplan für ein Eiweiß, das im menschlichen Körper bestimmte Fettmoleküle, sog. Lipoproteine, transportiert. Eine bestimmte Variante des ApoE-Gens, die „Epsilon-4-Variante“, kommt weitaus häufiger bei Alzheimer-Erkrankten vor als in der Normalbevölkerung. Das bedeutet, dass die ApoE-4-Variante ein erheblicher Risikofaktor für das Auftreten einer Alzheimer-Krankheit im Alter ist. Auch bei Trägern von Mutationen der monogenen Alzheimer-Krankheit kann das gleichzeitige Vorliegen der Epsilon-4-Variante den Beginn der Erkrankung noch weiter beschleunigen.
Dennoch gibt es viele, z. T. sehr hochbetagte Menschen, die trotz des Tragens der Epsilon-4-Variante ohne kognitive Beeinträchtigungen leben und nicht an Alzheimer erkranken. Die ApoE Epsilon-4-Variante ist also - anders als die monogenen Auslöser der Alzheimer-Krankheit - nur ein „Risikofaktor“ der Erkrankung. Das bedeutet, das Risiko an Alzheimer zu erkranken ist zwar erhöht, allerdings gibt es viele Menschen, die trotzdem keinen Alzheimer entwickeln. Das ist vergleichbar mit Zigarettenrauchen und Lungenkrebs: Zigaretten sind zwar der wichtigste Risikofaktor für die Entwicklung von Lungenkrebs, allerdings erkranken nicht alle Raucher daran.
Im klinischen Alltag der Patienten im Rahmen der Abklärung von Hirnleistungsstörungen und Demenz bringt die Bestimmung des ApoE-Genotyps derzeit keine für die Diagnose oder die Therapie relevante Information. Sie wird daher von den Leitlinien momentan nicht empfohlen. Des weiteren sollte der ApoE-Genotyp nicht als voraussagende genetische Diagnostik für die Nachkommen quasi „durch die Hintertür“ missverstanden werden.
- Neue wissenschaftliche Studien berichten zudem über polygene Risikofaktoren bei der altersbedingten Form der Alzheimer-Krankheit. Was hat es damit auf sich?
Die oben beschriebene ApoE Epsilon-4-Variante ist einer von vielen (griechisch „poly“) genetischen Risikofaktoren der „polygenen“ Form der Alzheimer-Krankheit und in Bezug auf seine Effektstärke der mit Abstand wichtigste. Neben ApoE Epsilon-4 gibt es zahlreiche weitere Genveränderungen, die das Risiko an Alzheimer zu erkranken erhöhen können. Derzeit sind knapp 80 solcher genetischen Veränderungen bekannt. Allerdings ist dies ein intensiv beforschtes Feld, und es ist damit zu rechnen, dass in den nächsten Jahren noch viele weitere derartige „Risikogene“ entdeckt werden.
- Was genau wird bei einer prädiktiven genetischen Diagnostik gemacht? In welchen Fällen wird dies durchgeführt?
Die prädiktive - also „voraussagende“ - genetische Diagnostik hat das Ziel, nach bestimmten, krankheitsauslösenden Mutationen noch vor Beginn der Erkrankung zu suchen und - sollte eine derartige Mutation festgestellt werden - den Patienten ausführlich zu seinem Krankheitsrisiko und möglichen Therapieoptionen aufzuklären. Leider befindet sich die Entwicklung heilender oder zumindest den Krankheitsprozess dauerhaft aufhaltender Therapien im Bereich der Alzheimer-Krankheit noch am Anfang, so dass Träger einer nachgewiesenen Alzheimer-Mutation mit der genetischen Diagnose konfrontiert werden, ohne dass sie den Verlauf der Erkrankung wesentlich beeinflussen können.
- Was bedeutet es, positiv auf eine Genmutation der Alzheimer-Krankheit zu testen? Wird die Krankheit in jedem Fall auftreten?
Träger einer Mutation erkranken mit einer hohen Wahrscheinlichkeit an Alzheimer. Je nach Art der Mutation kann diese Wahrscheinlichkeit nahezu 100 % sein, mitunter aber auch weniger. Hierüber kann nur eine ausführliche humangenetische Beratung aufklären. Gleichzeitig zu einer Alzheimer-Mutation können auch protektive, also risiko-mindernde Veränderungen des Erbguts vorliegenden, die den Effekt der Alzheimer auslösenden Mutation abschwächen. Dies äußert sich dann in einem späteren Beginn der Erkrankung.
- Manche Eltern machen sich aufgrund der familiären Vorgeschichte Sorgen darüber, ob ihr Kind Träger einer seltenen Genmutation ist, und möchten vorsorglich eine voraussagende Gendiagnostik ohne das Wissen des Kindes durchführen lassen. Braucht man dazu die Einwilligung der zu testenden Person?
Bei Minderjährigen dürfen genetische Tests nur dann vorgenommen werden, wenn präventive oder therapeutische Maßnahmen möglich sind, die es bei der Alzheimer-Krankheit wie oben beschrieben noch nicht gibt. Bei volljährigen Kindern müssen diese selbst zustimmen. Eine prädiktive genetische Testung muss von einer eingehenden humangenetischen Beratung begleitet werden. Im Falle der Alzheimer-Krankheit ergibt sich die Besonderheit, dass Mutationsträger derzeit ohne konkrete bzw. durchschlagende Therapieoption bleiben. D.h. durch das Ergebnis der genetischen Testung wissen sie zwar, dass sie höchstwahrscheinlich irgendwann an Alzheimer erkranken werden, können aber nichts tun, um dieses Schicksal zu verhindern. Diese Situation stellt sich in nicht wenigen Fällen als große Belastung heraus und kann auch andere Krankheiten, z. B. Depressionen, verursachen oder begünstigen. Betroffene, also volljährige Kinder von Eltern mit einer nachgewiesenen Alzheimer-auslösenden Mutation, sollten sich daher vor Durchführung der genetischen Testung unbedingt ausführlich beraten lassen und dies, bzw. die Konsequenzen eines möglicherweise positiven Tests, auch mit ihren Angehörigen, insbesondere eigenen Kindern besprechen.
- Derzeit gibt es nur wenige Möglichkeiten, die Alzheimer-Krankheit aufzuhalten. Doch es wird derzeit nicht zur Vorbeugung eingesetzt. Wem nützt das Wissen, eine Genmutation zu tragen, die später die Alzheimer-Krankheit auslösen kann?
Derzeit nützt dieses Wissen wie ich eben dargestellt habe leider noch niemandem. Aktuell kann und sollte man lediglich Vorkehrungen für das Eintreten der Alzheimer-Krankheit treffen, z. B. mittels Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht. Allerdings gibt es im Bereich der Alzheimer-Therapieentwicklung derzeit in der Tat einige neue und vielversprechende Ergebnisse. Wenn die Alzheimer-Krankheit ausbricht, dann gehen diesem Zustand bereits mehrere Jahre oder gar Jahrzehnte an pathologischen, d.h. krankmachenden, Veränderungen im Gehirn der Patienten voraus. Sobald diese jahrelangen Prozesse verlässlich therapeutisch verhindert oder zumindest verzögert werden können, ist das Wissen über das Vorliegen einer Alzheimer auslösenden Mutation wertvoll, weil diese Medikamente dann gezielt zur Vorbeugung eingesetzt werden können. Wir alle in der klinischen, aber auch grundlagenorientierten Alzheimer-Forschung hoffen, dass dieser Moment nicht mehr in allzu ferner Zukunft liegt, und die neuesten Ergebnisse der Therapieforschung stimmen uns optimistisch.
Weitere genetische Aspekte und Risikofaktoren
Da jedoch nicht alle genetischen Einflussfaktoren bekannt sind, können auch Stammbäume helfen, das familiäre Risiko abzuschätzen. Insgesamt fanden die Forscher in der Datenbank 4436 Personen mit einem Alzheimervermerk auf dem Totenschein. Entsprechend ergibt sich für erstgradig Verwandte von Alzheimerkranken ein 73 Prozent erhöhtes Risiko, selbst mit dieser Demenzform zu sterben. Bei zwei erstgradig Verwandten mit Alzheimer vervierfacht sich das Risiko, bei vier ist es knapp 15-fach erhöht. Hier ergibt sich erst ein signifikant erhöhtes Risiko bei mindestens drei Betroffenen - dieses ist dann zweieinhalbfach höher als erwartet. Besonders ungünstig sind nach diesen Daten auch Kombinationen wie ein erkrankter Verwandter ersten Grades und zwei Verwandte zweiten Grades. Das Alzheimerrisiko ist anders, wenn zwei von zwei Geschwistern oder zwei von zehn erkranken, auch müssten Geburtsjahrgang, Erkrankungsalter und Geschlecht berücksichtigt werden.
Neben genetischen Faktoren spielen auch andere Risikofaktoren eine Rolle bei der Entstehung von Demenz, darunter:
- Alkoholmissbrauch
- Schlaganfall
- Diabetes
- Herzerkrankung
- Vitamin-D-Mangel
- Schwerhörigkeit
- soziale Isolation
Deutlich wird: Nicht nur die körperliche, sondern auch die psychische Gesundheit spielt eine wichtige Rolle bei der Prävention von Demenzerkrankungen.
Frontotemporale Demenz (FTD)
Bei etwa 15 Prozent aller Demenzformen handelt es sich um eine Frontotemporale Demenz (FTD). Diese Demenzform ist auch als Picksche Krankheit bekannt. Das Institut für Humangenetik der Universität Bonn schätzt, dass etwas zehn bis 15 Prozent der FTD vererbbar sind. In diesen Fällen wird oft beobachtet, dass mehrere Mitglieder der Familie von der Erkrankung betroffen sind.
Die frontotemporale Demenz (FTD) ist eine seltene Form einer schnell fortschreitenden Demenz. Sie macht Schätzungen zufolge zusammen mit der Alzheimer-Demenz die Mehrzahl aller Demenzerkrankungen unter 65 Jahren aus. Kennzeichnend bei der FTD ist, dass Nervenzellen speziell im Stirnhirn (Frontallappen) und im Schläfenlappen (Temporallappen) untergehen. In diesen Gehirnbereichen werden wichtige Funktionen gesteuert: Zu den Aufgaben der Frontallappen gehören unter anderem das Sozialverhalten und die Verhaltenskontrolle, die Temporallappen sind unter anderem für das Sprachverständnis von Bedeutung.
Im Vergleich zur Alzheimer-Demenz bricht die FTD früher aus: meist zwischen dem 45. und 65. Lebensjahr. Die Altersspanne bei der frontotemporalen Demenz ist jedoch breit: Die Erkrankung kann auch deutlich früher oder später auftreten - zwischen dem 20. und 85. Lebensjahr. Da die FTD häufig vor dem 65. Lebensjahr ausbricht, gehört sie zu den frühbeginnenden Demenzen.
Die Symptome sind von Patient zu Patient zum Teil sehr unterschiedlich - abhängig davon, in welchem Gehirnbereich Nervenzellen absterben. Bei der verhaltensbetonten Variante der frontotemporalen Demenz zeigen sich zuerst Veränderungen im Verhalten und der Persönlichkeit: Anfangs wirken die Betroffenen oft unkonzentriert, desinteressiert und achtlos. Sie kommen Aufgaben nur noch eingeschränkt und ohne Sorgfalt nach. Viele ziehen sich zurück, vernachlässigen Familie und Freizeitinteressen, werden träge und gleichgültig. Im Sozialverhalten fallen viele durch Takt- und Empathielosigkeit auf. Gefühlsregungen können von den Betroffenen nicht mehr kontrolliert werden: sie sind enthemmt und distanzlos. Manche Patienten entwickeln ein auffälliges Essverhalten, viele lassen ihre Körperhygiene schleifen. Im weiteren Verlauf kann es zu sprachlichen Beeinträchtigungen wie Wortfindungs- und Grammatikstörungen oder Problemen beim Sprachverständnis kommen. Schließlich kommen Gedächtnisstörungen zum Krankheitsbild hinzu. Diese sind jedoch lange Zeit nicht so ausgeprägt wie bei der Alzheimer-Demenz.
Bei den sprachbetonten Varianten der frontotemporalen Demenz stehen Sprachstörungen im Vordergrund. Veränderungen der Persönlichkeit und des Verhaltens können sich dazugesellen. Mit der Zeit verlieren Betroffene beider Varianten zunehmend ihre Fähigkeit, im Alltag zurechtzukommen, einige werden bettlägerig und pflegebedürftig. Eine Heilung ist bislang nicht möglich. Medikamentöse Therapien helfen, Verhaltensauffälligkeiten zu mildern. Dies ist auch das vorrangige Ziel nichtmedikamentöser Therapien.
Bislang ist nicht im Detail geklärt, wie es zum Untergang der Nervenzellen kommt. Ein Teil der frontotemporalen Demenzen ist erblich bedingt und Fälle treten familiär gehäuft auf (familiäre FTD). Auch ein Teil der ohne familiäre Häufung auftretenden frontotemporalen Demenzen kann im Zusammenhang mit genetischen Veränderungen stehen. Insgesamt sind etwa 10-15% aller frontotemporalen Demenzen genetisch bedingt, v. a. die Verhaltensvariante.
Vaskuläre Demenz und Lewy-Body-Demenz
Eine vaskuläre Demenz ist die Folge von Beschädigungen an Blutgefäßen im Gehirn. Ursächlich dafür ist in vielen Fällen ein Schlaganfall, Bluthochdruck oder andere Grunderkrankungen wie Diabetes und Herzerkrankungen. Es gibt eine genetische Mutation, die das Risiko für eine vaskuläre Demenz stark erhöht.
Bislang sind keine Risikofaktoren für eine Lewy-Body-Demenz bekannt. In wenigen Familien wird die Lewy-Body-Demenz allerdings infolge von Veränderungen im Erbgut hervorgerufen.
Prävention und Früherkennung
Bewegung ist ein wesentlicher Faktor, um das Risiko für eine Demenz zu verringern. Man kann damit sogar eine erblich bedingte Veranlagung ausgleichen. Während das Risiko für eine Familiäre Alzheimer Krankheit (FAD) recht einfach feststellbar ist, sieht es bei der „gängigen“ Alzheimer-Krankheit bislang anders aus. Das Problem: Alzheimer wird oft erst diagnostiziert, wenn die Symptome bereits fortgeschritten sind.
Im Jahr 2021 kam in den USA ein Bluttest zur Diagnosestellung von Alzheimer auf den Markt. Der Precivity AD-Bloodtest erfasst unter Berücksichtigung des Alters und einer genetischen Komponente das Verhältnis zweier Proteinvarianten von Amyloid-Beta. Der Bluttest gilt als sehr zuverlässig und übertrifft in seiner Genauigkeit Diagnosetechniken wie bildgebende Verfahren („Bilder vom Gehirn“), die die Krankheit oft erst spät erkennen.
Forschung und Therapie
Die Alzheimer-Demenz kann zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht geheilt werden. Es gibt jedoch in der Demenz-Therapie Behandlungen, Medikamente und andere Maßnahmen, die die Symptome lindern und das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen sollen.
In den letzten Jahren haben immer wieder Studien zu neuen Alzheimer-Impfstoffen Aufsehen erregt. Aktuell ist der Wirkstoff Protollin ein besonders vielversprechender Kandidat. Der Impfstoff, der über die Nase verabreicht wird, soll körpereigene Abwehrkräfte mobilisieren, um gegen Ablagerungen an Nervenzellen vorzugehen. Eine erste Humanstudie, das heißt Tests an Menschen, läuft seit 2021 in den USA. Die Studie hat allerdings nur 16 Teilnehmer. Etwas weiter ist die Forschung beim Wirkstoff AADvac1. Dieser Wirkstoff greift bestimmte Proteine im Gehirn an und verhindert deren Verklumpung. So soll die Abnahme der geistigen Fähigkeiten verhindert werden. Zu diesem Wirkstoff gibt es bereits mehrere Studien, die die prinzipielle Wirksamkeit in Bezug auf die Proteine und deren Verklumpung belegen.
Ja, Leqembi wurde in Deutschland am 15.04.2025 zur medikamentösen Behandlung von Menschen mit leichten kognitiven Beeinträchtigungen und im Frühstadium der Alzheimer-Demenz zugelassen.
Epigenetik und Pflegegrad
In der sogenannten Epigenetik wird untersucht, wie Lebensgewohnheiten oder Umweltbedingungen weitervererbt werden können. So können Ernährungsgewohnheiten oder traumatische Ereignisse an die Kinder- oder Enkelgeneration weitergegeben werden.
Alzheimer ist nicht heilbar und führt früher oder später zu einem erhöhten Unterstützungs- und schließlich auch Pflegebedarf. Finanzielle Unterstützung erhalten pflegebedürftige Menschen durch die Erteilung eines Pflegegrads.