Demenz im Krankenhaus: Konzepte für eine verbesserte Versorgung

Die steigende Zahl älterer Menschen, die aufgrund des demografischen Wandels Krankenhäuser aufsuchen, führt zu einem erhöhten Bedarf an demenzsensiblen Handlungskonzepten. Krankenhäuser stehen vor der Herausforderung, immer mehr Menschen mit Demenz zu behandeln. Modellprojekte und Evaluationen zeigen jedoch, dass das Krankenhaus mit seinen Rahmenbedingungen ein Umfeld darstellen kann, das Demenz sogar noch verstärkt.

Die Problematik: Demenz und Krankenhausalltag

Menschen mit Demenz, die im straff organisierten Krankenhausalltag ohne Beschäftigung und Ansprache auf sich alleine gestellt sind, zeigen häufig herausforderndes Verhalten. Dieses Verhalten kann für alle Beteiligten zur nervlichen Zerreißprobe werden und für die Patientinnen und Patienten nicht selten mit gravierenden Folgen verbunden sein. Vor dem Hintergrund der steigenden Belastung des klinischen Personals ist der Handlungsbedarf groß.

Zunehmende "Geriatrisierung" und ihre Folgen

Aufgrund des demographischen Wandels sind Krankenhäuser von einem „Geriatrisierungsschub“ betroffen mit der Folge, dass auch immer mehr Menschen mit Demenz dort Hilfe suchen. Hinzu kommt, dass Demenzkranke häufiger in Kliniken eingewiesen werden als ältere Menschen ohne kognitive Einschränkungen. Dies wird u. a. darauf zurückgeführt, dass auch kleinere somatische Erkrankungen bei Demenzkranken aufgrund von Komplikationen schwerwiegender ausfallen können und dass Hausärzte häufiger zu Einweisungen neigen, wenn eine Symptomatik aufgrund einer eingeschränkten Kommunikationsfähigkeit nicht sicher eingeordnet werden kann. Die häufigsten Gründe für eine Krankenhauseinweisung von Menschen mit Demenz sind Infektions- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen, gefolgt von Stürzen, Verletzungen, Vergiftungen und Frakturen.

Die im Auftrag der Robert-Bosch-Stiftung durchgeführte GHoSt-Studie bestätigte, dass Demenzen und kognitive Störungen in Akutkrankenhäusern mittlerweile zum Arbeitsalltag gehören. Von den rund 1.500 untersuchten über 65-jährigen Patientinnen und Patienten zeigten 19,8 % leichte und 20,2 % schwerere kognitive Beeinträchtigungen. Die Gesamtprävalenz einer komorbiden Demenz betrug 18,4 %, darunter waren 6,8 % der Untersuchten leicht, 6,6 % mittelschwer und 5 % schwer erkrankt. Umgerechnet bedeutet dies, dass in deutschen Krankenhäusern täglich 23.000 Personen mit manifester Demenz und zusätzlich 24.000 Personen mit leichten kognitiven Störungen behandelt werden.

Im Rahmen einer Prüfung des Umsetzungsstands der Nationalen Demenzstrategie hat das Deutsche Krankenhausinstitut die Einschätzung des Patientenaufkommens mit dem Krankheitsbild Demenz bzw. mit kognitiven Störungen mittels einer repräsentativen schriftlichen Befragung aktualisiert. Auf der Grundlage von Kodierdaten oder alternativ nach Schätzung der Kliniken lag die Gesamtprävalenz in den Allgemeinkrankenhäusern bei 16,2 % für das Jahr 2020. Dabei lässt sich die etwas niedrigere Rate im Vergleich zur GHoSt-Studie vermutlich auf fehlerhafte Schätzungen durch die Befragten zurückführen und darauf, dass kognitive Störungen nur kodiert werden, wenn sie im Stationsalltag auffallen.

Lesen Sie auch: Fortgeschrittene Demenz: Ein umfassender Überblick

Krankenhäuser als "gefährliche Orte" für Menschen mit Demenz

Krankenhäuser sind „gefährliche Orte“ für Demenzkranke - diese Einschätzung setzt sich in Fachkreisen, aber auch in den Medien zunehmend durch. Ein Krankenhausaufenthalt ist in der Regel nicht erfreulich - bei Menschen mit Demenz bedeutet diese besondere Situation in fremder Umgebung und ohne Bezugspersonen einen kaum erträglichen Ausnahmezustand. Bei Demenzkranken, die im straff organisierten Krankenhausalltag ohne Beschäftigung und Ansprache auf sich alleine gestellt sind, entwickeln sich in der Folge häufig eskalative Situationen und unerwünschte Vorkommnisse. Die Patientinnen und Patienten beschließen z. B., nach Hause zu gehen, rufen ständig oder sie lösen sich aus Langeweile die Verbände. Damit gefährden sie sich selbst und stellen den Behandlungserfolg in Frage. Solche Situationen sind für die Betroffenen, das Personal und beteiligte Angehörigen sehr belastend und können negative Konsequenzen für die Patientensicherheit haben. Zudem kann die Würde der Demenzkranken Schaden nehmen, wenn Behandlungen mit Fixierungen oder Sedierungen erzwungen werden.

Insbesondere Pflegekräfte, die den intensivsten Kontakt zu Patientinnen und Patienten mit Demenz haben, sind bei ihrer täglichen Arbeit somit mit vielfältigen Belastungen konfrontiert. In einer Studie im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung gaben 82 % der Pflegekräfte in Akutkrankenhäusern an, immer häufiger mit demenzkranken Menschen zu tun zu haben. Aber nur 30 % dieser Befragten fühlten sich für den Umgang mit dieser Personengruppe ausreichend qualifiziert. Unsicherheiten treten vor allem bei nicht kognitiven Symptomen auf, die auch als „herausforderndes Verhalten“ bezeichnet werden und die zu den am schwierigsten zu bewältigenden Pflegesituationen zählen. Rund vier von fünf Personen mit Demenz zeigen im Akutkrankenhaus ein solches Verhalten. Dabei treten sogenannte expansive Symptome wie Schlafstörungen, motorische Unruhe, Reizbarkeit und Aggressivität besonders häufig auf. Die höchste Belastung des Personals geht von psychotischen Symptomen, darunter vor allem von Wahnvorstellungen, aus. Diese kommen jedoch mit weniger als 10 % der Demenzkranken deutlich seltener vor.

Unerwünschte Vorkommnisse und ihre Folgen

Die Ergebnisse einer Analyse zur Patientensicherheit zeigten, wie häufig unerwünschte Vorkommnisse den Stationsalltag belasten. In der beteiligten unfallchirurgischen Abteilung traten in der Wartelistengruppe vor Installierung der Betreuung im Durchschnitt fast 28 unerwünschte Vorkommnisse pro Person und Aufenthalt auf. Dabei waren diese Ereignisse vielschichtig: Während ein Teil erhebliche Gefährdungen der Patientensicherheit darstellten, etwa im Fall von Stürzen, Delirien oder beim Entfernen von Kathetern oder Zugängen, führten andere zu deutlichem Mehraufwand in Pflege und Behandlung, etwa wenn sich Patientinnen und Patienten immer wieder an- oder auskleideten oder ihren Kot verteilten.

Durch demenzsensible Ansätze wie die Betreuungsangebote im Rahmen von SEBKam werden Menschen mit Demenz auf präventive Weise vor solchen unerwünschten Vorkommnissen während eines Krankenhausaufenthalts geschützt. Damit sind diese Aufenthalte für Betroffene und ihre Bezugspersonen weniger belastend und negative Outcomes können reduziert werden. Als wichtiger Nebeneffekt wird zudem das Krankenhauspersonal entlastet, was auch vor dem Hintergrund des allgegenwärtigen Personalmangels an Bedeutung gewinnt.

Demenzsensible Handlungskonzepte: Ansätze zur Verbesserung

Für die Etablierung demenzsensibler Handlungskonzepte in Krankenhäusern gibt es aber keine einfachen Rezepte. Ein wesentlicher Schritt besteht darin, die Handlungssicherheit der Beschäftigten im Umgang mit Menschen mit Demenz zu stärken. Neben Fragen des allgemeinen Umgangs und der Anpassung kommunikativer Techniken sind spezielle Empfehlungen für den Umgang mit herausforderndem Verhalten sowie für das Ernährungs- und Schmerzmanagement hilfreich. In diesem Kontext spielt die Leitung eine Schlüsselrolle, um sicherzustellen, dass Wissen auf der Grundlage bestehender Fachkonzepte aufgebaut wird.

Lesen Sie auch: Wechselwirkungen zwischen Schmerzmitteln und Demenz

Wissensaufbau und Schulungen für das Personal

Mangelndes Wissen über Erscheinungsformen und Auswirkungen der Krankheit führen bei Beschäftigten im Krankenhaus nicht nur zu einer großen Ratlosigkeit, sondern auch zu Aggressionen, wenn etwa bestimmte Verhaltensweisen nicht als typischer Ausdruck der Demenz, sondern als bewusst gesteuerte Böswilligkeit fehlinterpretiert werden. Andererseits kann das gut gemeinte Bemühen, die demenzkranken Menschen durch ständige Richtigstellungen wieder an die „Normalität“ heranzuführen, bei den Kranken zu Aggressionen führen und die Symptome der Demenz sogar verstärken. Um die Handlungssicherheit im Umgang mit Menschen mit Demenz zu stärken, ist demnach ein Wissensaufbau für alle Beschäftigten erforderlich.

In niedrigschwelligen Schulungsformaten wie der Demenzpartner-Initiative der Deutschen Alzheimer Gesellschaft, die sich eher an Laien richtet, wird mittlerweile Grundlagenwissen über Demenzen und über hilfreiche Umgangsstrategien vermittelt. Für beruflich mit der Personengruppe Befasste gibt es darüber hinaus fachlich basierte Umgangskonzepte, die zu mehr Handlungssicherheit im Umgang beitragen sollen.

Wertschätzende und Personenzentrierte Ansätze

Eine Hauptströmung solcher Umgangskonzepte ist die Validation, unter der man eine wertschätzende und akzeptierende Grundhaltung im Umgang mit demenzkranken Menschen versteht. Ein weiteres bedeutsames Konzept stellt die Person-zentrierte Pflege nach Kitwood dar, bei der die Person mit Demenz in den Mittelpunkt des Geschehens rückt und nicht die Person mit Demenz. Die Bedürfnisse der Menschen sollen ermittelt werden und als Grundlage einer verstehenden Pflege und Betreuung dienen. Neben den beschriebenen Ansätzen können im Akutkrankenhaus auch Elemente anderer Pflegekonzepte in Anteilen in den Umgang mit den kognitiv eingeschränkten Menschen sinnvoll eingebunden werden. Zu nennen sind z. B. die Mäeutik, die stark auf intuitive Elemente setzt, die Basale Stimulation, in deren Zentrum die Berührung steht, sowie die Biographiearbeit.

Umgang mit herausforderndem Verhalten

Der Umgang mit herausforderndem Verhalten ist eine der anspruchsvollsten Aufgaben bei der Pflege von Menschen mit Demenz und stellt eine hohe Belastung für Pflegende, Ärztinnen und Ärzte sowie Angehörige dar. Menschen mit herausfordernden Verhaltensweisen müssen zudem intensiv betreut werden. Das Bundesgesundheitsministerium hat bereits im Jahr 2006 Rahmenempfehlungen zum Umgang mit herausforderndem Verhalten bei Menschen mit Demenz in der stationären Altenhilfe herausgegeben, die sich auf den akutstationären Bereich übertragen lassen. Empfohlen werden u. a. eine verstehende Diagnostik zur Identifizierung von Bedingungsfaktoren und der Einsatz von Assessment-Instrumenten zur systematischen Aufdeckung und Dokumentation von herausforderndem Verhalten.

Leider gibt es für den Umgang mit herausforderndem Verhalten jedoch keine einfachen Rezepte. Es handelt sich um ein besonderes „Ausdrucksverhalten“ als Reaktion auf verschiedenste Formen von Unwohlsein oder Unbehagen. Mögliche Ursachen sind z. B. unentdeckte Schmerzen, Hunger und Durst, Stress und beängstigende Umgebungsfaktoren, soziokulturelle Hintergründe, Situationen pflegerischer Unterversorgung, Nebenwirkungen einer ungeeigneten Medikation oder eine inadäquate Kommunikation.

Lesen Sie auch: Ursachen und Behandlung von Zittern bei Demenz

Für die Einordnung von herausforderndem Verhalten ist eine Vielzahl von Assessments mit unterschiedlichen Schwerpunkten entwickelt worden. Gut handhabbar erscheint die „Serial Trial Intervention“ (STI), die bereits in einigen Krankenhäusern, aber auch in Pflegeeinrichtungen eingesetzt wird. Die STI ist theoretisch fundiert und ermöglicht die Erkennung unbefriedigter Bedürfnisse und daraus resultierender herausfordernder Verhaltensweisen. Auch eine deutsche Version des Verfahrens (STI-D) liegt vor. Die STI-D besteht aus einer strukturierten Abfolge von Assessments und Interventionen mit Begleitmanual und beginnt mit der Erfassung spezifischer Verhaltensänderungen. Zu den Zielen der STI-Methode gehören neben der systematischen Erkennung von herausfordernden Verhaltensweisen und deren Ursachen die Bedürfnisbefriedigung, eine Reduktion der Verabreichung von Psychopharmaka und eine Reduktion von Schmerzen.

Bei der Anwendung der STI steht meist am Anfang, zu prüfen, ob basale körperliche Bedürfnisse unbefriedigt sind. Dazu zählen z. B. Hunger bzw. Durst, Obstipationsprobleme oder Schmerzen. Zu berücksichtigen ist auch, ob sich Vitalwerte im Normbereich bewegen, sich Infekte ankündigen oder ob Medikamente Unwohlsein erzeugen. In einem weiteren Schritt können Auslöser in der Umgebung gesucht werden, wie z. B. zu grelles Licht oder eine zu starke Geräuschkulisse. Wenn das herausfordernde Verhalten durch systematische Assessments nicht ausreichend reduziert werden kann, sollten weitere Experten hinzugezogen werden, um die Ursachen weiter zu ergründen und spezifischere Maßnahmen einzuleiten.

Konzepte auf Ebene des Krankenhausmanagements

Der Aufbau eines demenzsensiblen Krankenhauses erfordert jedoch mehr Initiative, als die Handlungskompetenzen der einzelnen Mitarbeitenden zu stärken. Die Etablierung demenzsensibler Strukturen und Prozesse ist eine kontinuierliche Managementaufgabe, bei der die Leitungskräfte für die erfolgreiche Umsetzung und nachhaltigen Verankerung eine Schlüsselrolle einnehmen. Dabei wird auf die Darstellung des Delir-Managements verzichtet, weil diesem wichtigen Thema im Krankenhaus-Report ein gesonderter Beitrag gewidmet ist.

Praxisleitfaden und seine Bausteine

Mit einem aktuell vom Saarbrücker Institut für Sozialforschung und Sozialwirtschaft (iso) entwickelten Handlungsleitfaden will die Robert Bosch Stiftung zudem Impulse setzen, damit demenzsensible Krankenhäuser bundesweit Standard werden. Der Praxisleitfaden basiert im Wesentlichen auf einer Analyse des Förderprogramms „Demenz im Krankenhaus“ der Robert Bosch Stiftung und soll Kliniken dabei unterstützen, demenzsensible Strukturen und Prozesse, angelehnt an die jeweiligen lokalen Gegebenheiten und Bedürfnisse, aufzubauen. Grundlage bilden insbesondere 17 von der Stiftung geförderte Projekte in Krankenhäusern aus verschiedenen Regionen Deutschlands. Neben diesen Praxisbeispielen wurden weitere Quellen ausgewertet, darunter Dokumente und Literatur zum Thema sowie Erkenntnisse aus dem ebenfalls von der Robert Bosch Stiftung geförderten Studiengang zur Demenz und zum Graduiertenkolleg „Menschen mit Demenz im Akutkrankenhaus“.

Die im Leitfaden beschriebenen Gestaltungswege umfassen zehn Bausteine. Beginnend mit dem Wissensaufbau werden Themen wie Delir-Management, Konzepte für spezielle Abteilungen und für die Notaufnahme, Angehörigenarbeit und Umgebungsgestaltung dargestellt. „Bei den Bausteinen geht es eigentlich immer um sechs wesentliche Elemente: die Sensibilisierung und Bildung des Personals, die Strukturierung von Tagesabläufen, die Intensivierung persönlicher Zuwendungen vor allem in Krisensituationen, baulich-räumliche Anpassungen, die Sicherstellung therapeutischer Maßnahmen sowie die Vernetzung nach außen“, fasst Prof. Dr. rer. medic. Michael Isfort, stellvertretender Vorsitzender des geschäftsführenden Vorstands beim Deutschen Institut für angewandte Pflegeforschung, zusammen. Kurzchecks zur Selbsteinschätzung vor jedem Baustein sollen es den Krankenhäusern erleichtern, sich einen schnellen Überblick über den Umsetzungsstand zu verschaffen.

Schlüsselrolle der Führungskräfte

Eine Schlüsselrolle beim Aufbau demenzsensibler Krankenhäuser kommt nach Auffassung der Verfasser den Führungskräften zu. Ihre Aufgabe sei es, Ziele und Handlungsprinzipien im Umgang mit Menschen mit Demenz im Unternehmensleitbild zu verankern und mit Ärzten, Stationsleitungen und Pflegekräften Gespräche zu führen, in denen zu den Krankheitsbildern Demenz und Delir konkrete Zielvereinbarungen getroffen werden. „Demenzsensibilität erreicht man nur mit einer grundsätzlichen Haltungsänderung des gesamten Personals. Voraussetzung hierfür sind grundlegende Kenntnisse über die Erkrankung“, so Dr. rer. nat. Winfried Teschauer von der Deutschen Alzheimer Gesellschaft, Landesverband Bayern. Dies ließe sich nicht mit einer zweitägigen Demenzfortbildung oder mit einer Checkliste zum Abarbeiten ändern. „Individuelles Fallverstehen und eine verstehende Diagnostik werden gebraucht und der Umgang mit diesen Menschen muss erlernt und immer wieder geübt werden“, betont Teschauer.

Eine Empfehlung des Leitfadens lautet daher, strukturierte Fort- und Weiterbildungen im Umgang mit den Krankheitsbildern Demenz und Delir für alle haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als Pflichtveranstaltung anzubieten, angefangen von den Beschäftigten am Empfang bis hin zum Rettungsdienst. Jedes Krankenhaus sollte zudem einen Demenzbeauftragten benennen. Darüber hinaus hätten sich Demenzkoordinatoren auf den Stationen bewährt, um die Veränderungen nachhaltig zu sichern, so die Verfasser. Als besondere Herausforderung bezeichnen sie den Umgang mit Ernährung, Schmerz und charakteristischem Verhalten demenzkranker Patienten wie Aggressivität, Agitation, sexuelle Enthemmung, disruptive Vokalisation, Apathie und Depression. Hier gelte es, insbesondere Mangelernährung diagnostisch abzuklären und zu vermeiden. Das Erfassen und die Bewertung von Schmerzen wiederum solle möglichst durch eine direkte Befragung der Betroffenen erfolgen.

Finanzielle Aspekte und Delir-Prävention

„Für die Krankenhäuser selbst wird die Versorgung Demenzkranker zu einer finanziellen Herausforderung“, betonen die Verfasser. Dies sei beispielsweise der Fall, wenn die geplanten Liegezeiten überschritten würden oder wenn Komplikationen aufträten wie Delirien. So erhöhten sich bei einem Delir die Gesundheitskosten um den Faktor 2,5 bei zugleich geringerer Überlebensdauer der Patienten. Daher müsse der Fokus auf der Vorbeugung und frühzeitigen Behandlung eines Delirs liegen, angefangen mit einem Kurzscreening im Rahmen der stationären Aufnahme, um Risikopatienten zu identifizieren, über delirsensible Narkose- und Operationsverfahren bis hin zur Einbeziehung von geschulten Altenpflegekräften und Angehörigen. „Der Hauptrisikofaktor für das Erleiden eines Delirs, auch ohne Operation, ist übrigens eine Exsikkose“, sagt Dr. med. Simone Gurlit, Anästhesistin am St. Franziskus-Hospital Münster und Pionierin im Bereich Delir-Management. Dies klinge banal, käme aber leider auch im Krankenhaus immer wieder vor.

Beispiele guter Praxis und Initiativen

Zahlreiche Projekte haben sich dem Problem, dass Krankenhäuser nicht immer optimal auf demenziell erkrankte Patienten vorbereitet sind, bereits angenommen und Lösungsvorschläge erarbeitet. Im Saarland haben sich fünf katholische Krankenhäuser an dem Modellprojekt Dem-i-K (Demenz im Krankenhaus), beteiligt, das eine bessere Versorgung von Demenzpatienten in Akutkrankenhäusern zum Ziel hat. Es wurden Konsiliar- und Liaisondienste eingerichtet, welche mit Fachärzten für Geriatrie, Psychiatrie und Neurologie sowie mit einer Fachaltenpflegekraft für Psychiatrie ausgestattet sind. Im Zentrum stand der Aufbau eines demenzbezogenen Hintergrundwissens beim ärztlichen und pflegerischen Personal sowie ärztliche Konsile zur Erkennung und besseren Behandlung von Demenzen und Delirien. Dieses Projekt wurde 2013 mit „Dem-i-k plus“ fortgeführt, das sich auf die sektorübergreifende Versorgung demenzkranker Patientinnen und Patienten nach einem Krankenhausaufenthalt durch aufsuchende und trägerübergreifende Dienste konzentrierte. „Menschen mit Demenz im Krankenhaus“, dritte Phase des Kooperationsprojekts mit zehn Kliniken (2014 bis 2017). In Nordrhein-Westfalen wird das Programm „Förderung der Umsetzung demenzsensibler Versorgungsprojekte“ / „Blickwechsel Demenz NRW“ vom Paritätischen NRW durchgeführt. Die Alzheimer Gesellschaft Niedersachsen e.V. und die Landesvereinigung für Gesundheit und Sozialmedizin e.V. haben seit 2006 Tagungen zum Thema veranstaltet. „Doppelt hilft besser bei Demenz“ Das Projekt wurde vom Krankenhaus Lübbecke sowie der regionalen Alzheimergesellschaft Leben mit Demenz - Alzheimergesellschaft Kreis Minden-Lübbecke e.V. durchgeführt. Das Krankenhaus Lübbecke ist Teil der Mühlenkreiskliniken, einem Verbund von insgesamt fünf Kliniken mit Standorten in Minden, Lübbecke, Rahden und Bad Oeynhausen. Wissenschaftlich begleitet wurde das Projekt im Zeitraum vom 1.1.2009 bis zum 31.12.2010 vom Deutschen Institut für angewandte Pflegeforschung e.V. in Köln.

Initiativen und Strategien auf Bundesebene

Vorläufer der Nationalen Demenzstrategie ist die Allianz für Menschen mit Demenz, die in den Jahren 2014 bis 2018 die Agenda „Gemeinsam für Menschen mit Demenz“ umgesetzt hat. Deren Weiterentwicklung wurde im Koalitionsvertrag verankert und mit der Nationalen Demenzstrategie umgesetzt. Ziel der Nationalen Demenzstrategie ist es, die Situation von Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen in Deutschland in allen Lebensbereichen zu verbessern. Besonders soll der Blick auf die Maßnahmen der Nationalen Demenzstrategie gerichtet werden, die für die Alltagsgestaltung, die gesundheitliche und pflegerische Versorgung von Menschen mit Demenz von Bedeutung sein können. Hierzu gehört auch, dass Krankenhäuser demenzfreundlicher werden sollen. Wie auch im Rahmen der Allianz für Demenz ist die Deutsche Krankenhausgesellschaft einer der Gestaltungspartner der Nationalen Demenzstrategie. Vier Handlungsfelder stehen im Mittelpunkt der Nationalen Demenzstrategie - für den Krankenhausbereich ist besonders Handlungsfeld 3 „Die medizinische und pflegerische Versorgung von Menschen mit Demenz weiterentwickeln“ relevant. Die DKG hat im Rahmen der Nationalen Demenstrategie eine Abfrage zu Good Practice Modellen durchgeführt, die einen Einblick in die weitere Umsetzung auf dem Weg in demenzfreundlichere Krankenhäuser geben sollen.

Eine zentrale Maßnahme der Agenda ist das Bundesmodellprogramm „Lokale Allianzen für Menschen mit Demenz“. Das bundesweite Förderprogramm hat zum Ziel, dass sich Partner in Lokalen Allianzen vernetzen, um durch konkrete Maßnahmen in der Kommune Einfluss darauf zu nehmen, dass Demenzkranken und ihre pflegenden Angehörigen nicht ausgegrenzt werden, sondern verständnisvoll und einfühlsam ihren Bedürfnisse entsprechend akzeptiert werden und dort, wo erforderlich, individuelle Hilfe und Unterstützung erfahren. Von 2012 bis 2016 sind in fünf Bewerbungs- und Auswahlverfahren insgesamt 500 Projekte als Hilfenetzwerke für Menschen mi Demenz und ihre Angehörigen initiiert worden. Sie haben unterschiedliche Träger und vielfältige inhaltliche Schwerpunkte.

Ganz aktuell wurden die Ergebnisse einer Fachkonferenz zum Thema „Demenz und Krankenhäuser“ in einer Handreichung gebündelt. Die Broschüre bietet umfangreiche Informationen sowie Verweise und Links auf Projekte, Studien, Konzepte und Internetseiten. Sie will sensibilisieren, informieren und anregen. Die Konferenz und die Broschüre wurden vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend mit dem Ziel gefördert, die vom Bundesmodellprogramm „Lokale Allianzen für Menschen mit Demenz“ aufgegriffene Thematik sichtbar zu machen und die Ergebnisse über die Allianz für Demenz weiter zu den Entscheidungsträgern der Kliniken zu transportieren. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft ist ein wichtiger aktiver Gestaltungspartner der Allianz. Auf der Fachkonferenz wurden Handlungsbedarfe formuliert, die in die Arbeit der Nationalen Demenzstrategie einfließen sollen.

Eine weitere Maßnahme der Agenda war die Entwicklung einer Informationsbroschüre für demenzkranke Patienten und deren Angehörige bzw. Bezugspersonen über Herausforderungen und Möglichkeiten während eines Krankenhausaufenthaltes. Die Deutsche Krankenausgesellschaft hat diese Aufgabe gemeinsam mit der Deutschen Alzheimer-Gesellschaft umgesetzt und einen Flyer für Angehörige von Menschen mit Demenz entwickelt. Gleichzeitig wurde ein Informationsbogen für Patienten mit einer Demenz bei der Aufnahme ins Krankenhaus entwickelt.

Die Kampagne „Demenz-Partner werden“ ist ein Projekt der Deutschen Alzheimer-Gesellschaft e.V. Es handelt sich um eine bundesweite Aufklärungskampagne im Rahmen der Initiative Demenz-Partner, die gemeinsam mit dem Bundesministerium für Gesundheit und dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gestartet wurde. Demenz-Partner haben einen Kurs zum Thema Demenz besucht oder bieten solche Kurse an.

Was Angehörige tun können

Noch sind viele Krankenhäuser in Deutschland nur unzureichend auf die besonderen Bedürfnisse von Menschen mit Demenz vorbereitet. Umso wichtiger ist es, dass Angehörige und gesetzliche Betreuerinnen und Betreuer von Menschen mit Demenz den Krankenhausaufenthalt gut vorbereiten und dem Klinikpersonal wichtige Tipps zum Umgang mit ihren Angehörigen mit Demenz geben.

Weisen Sie das Krankenhauspersonal explizit darauf hin, dass Probleme aufgrund einer Demenzerkrankung auftreten können. Hilfreich ist hierbei der „Informationsbogen für Patienten mit einer Demenz bei Aufnahme ins Krankenhaus“, auf dem besondere Bedürfnisse und Verhaltensweisen der Erkrankten beschrieben werden können. Zu diesem Bogen gibt es das Begleitheft „Patienten mit einer Demenz im Krankenhaus“, das sich an das Personal der Kliniken wendet. Wechseln Sie sich dabei mit anderen Familienmitgliedern und weiteren vertrauten Personen ab. Fragen Sie nach der Möglichkeit zum Rooming-in, damit Sie auch über Nacht in der Klinik bleiben können. Manchmal lässt sich das auch als Einzelfalllösung umsetzen. Wenn ein Arzt oder eine Ärztin die medizinische Notwendigkeit der Begleitung im Krankenhaus bescheinigt, übernimmt die Krankenkasse die Kosten für das Rooming-in.

Fragen Sie bei den zuständigen Ärztinnen und Ärzten nach, falls Sie den Eindruck haben, dass es der erkrankten Person plötzlich schlechter geht oder sie evtl. sedierende Medikamente erhält. Wenn Sie eine Vollmacht haben oder vom Gericht als Betreuerin oder Betreuer bestellt worden sind, haben Sie ein Recht auf Einsicht in die Krankenunterlagen.

Als Angehörige von Menschen mit Demenz können Sie Krankenhäuser dabei unterstützen, die Versorgung von Patientinnen und Patienten mit der Nebendiagnose Demenz weiter zu verbessern, indem Sie mit den Verantwortlichen ins Gespräch gehen.

tags: #demenz #im #krankenhaus #konzepte