Demenz und der Verlust des Zeitgefühls: Ein umfassender Überblick

Demenz ist ein Oberbegriff für verschiedene neurophysiologische Erkrankungen, von denen die Alzheimer-Krankheit die häufigste ist. Sie beeinträchtigt nicht nur die geistigen Fähigkeiten, sondern auch die Wahrnehmung, das Verhalten und das Erleben der Betroffenen. Eines der besonders belastenden Symptome ist der Verlust des Zeitgefühls, der weitreichende Folgen für den Alltag und die Lebensqualität der Erkrankten hat.

Was ist Demenz?

Demenz ist definiert als ein krankheitsbedingter, erworbener Verlust von Leistungen der höheren Gehirnfunktionen. Dies betrifft kognitive Fähigkeiten wie Erkennen, Gedächtnis, Orientierung, Sprache, Lernen und Planen, aber auch emotionale und soziale Kompetenzen. Die Alzheimer-Demenz (Morbus Alzheimer) ist eine fortschreitende neurodegenerative Erkrankung, die mit dem Abbau von Nervenzellen im Gehirn einhergeht.

Symptome und Anzeichen einer Demenz

Die Symptome einer Demenz sind vielfältig und können sich im Laufe der Zeit verstärken. Es ist wichtig zu beachten, dass nicht jede Vergesslichkeit gleich eine Demenz bedeutet. Normale Vergesslichkeit unterscheidet sich von der Vergesslichkeit bei Demenz durch bestimmte Merkmale:

  • Vergesslichkeit: Jeder vergisst mal etwas und erinnert sich später wieder daran. Menschen mit Demenz vergessen häufig, erinnern sich nicht mehr und stellen immer wieder die gleichen Fragen, obwohl sie die Antwort schon mehrfach erhalten haben. Das Einspeichern neuer Informationen fällt dem Gehirn immer schwerer.
  • Verlegen von Gegenständen: Gesunde Menschen können sich erinnern, wo sie einen Gegenstand zuletzt gesehen haben. Menschen mit Demenz erinnern sich nicht daran oder erfinden eine eigene Geschichte darüber, wie sie den Gegenstand verloren haben könnten. Sie legen Dinge an völlig ungeeignete Plätze und finden sie nicht wieder.
  • Probleme bei der Beurteilung von Situationen: Menschen mit Demenz können Situationen nicht mehr richtig einschätzen, beispielsweise die Aufsichtspflicht über ein Kind vergessen oder unangemessene Kleidung tragen.
  • Probleme beim abstrakten Denken: Das Verständnis für Zahlen und deren Bedeutung geht verloren. Betroffene wissen nicht mehr, was Telefonnummern bedeuten oder wie sie diese nutzen können. Die Fähigkeit zur Erarbeitung von Lösungsmöglichkeiten und -strategien geht zunehmend verloren.
  • Schwierigkeiten bei Alltagsaktivitäten: Selbst einfache Aufgaben wie Kochen werden nicht mehr richtig bewältigt. Menschen mit Demenz können ein Essen kochen, aber vergessen, es zu servieren oder dass sie es überhaupt gekocht haben. Atypische Störungen äußern sich bei alltäglichen Handlungen wie Kochen, beim Anziehen oder Autofahren.
  • Sprachprobleme: Betroffene haben Schwierigkeiten, die richtigen Worte zu finden, verwenden unpassende Füllworte und bilden Wortschöpfungen. Wohl jeder kennt das Gefühl, wenn einem das Wort auf der Zunge liegt. So ergeht es Alzheimer-Betroffenen häufig. Nur, dass ihnen zunehmend die einfachsten Worte nicht mehr einfallen, sie unpassende Füllworte verwenden und ihre Sätze immer kürzer werden. Ebenfalls treten Wortschöpfungen auf.
  • Orientierungsschwierigkeiten: Zu Beginn äußern sich diese an unbekannten Orten, indem man sich verläuft oder nicht mehr nach Hause findet. Zunehmend treten Orientierungsprobleme auch an bekannten Plätzen auf, die als fremd empfunden werden.
  • Verlust des Interesses: Demenzkranke Menschen verlieren häufig das Interesse an Hobbys, können Arbeiten nicht mehr zu Ende bringen und sind freudlos bei jeglicher Art von Aktivität.
  • Persönlichkeitsveränderungen: Vor allem starke Persönlichkeitsänderungen sind häufig ein Zeichen für eine Demenz.

Der Verlust des Zeitgefühls bei Demenz

Eines der Kernsymptome der Demenz ist der Verlust des Zeitgefühls. Dies beginnt oft mit dem Vergessen von Terminen und dem Unvermögen, nahe zurückliegende Erlebnisse und Gespräche abzurufen. Der Verlust des abstrakten Denkens führt dazu, dass das Zeitgefühl verloren geht und Tageszeiten nicht mehr richtig gedeutet werden können. Im weiteren Verlauf der Erkrankung kann dies zu einer Desorientierung im größeren zeitlichen Rahmen führen. Betroffene wissen nicht mehr, welcher Tag, welche Tageszeit oder welche Jahreszeit gerade ist.

Ursachen für den Verlust des Zeitgefühls

Die Ursachen für den Verlust des Zeitgefühls bei Demenz sind vielfältig. Eine wichtige Rolle spielt der Hippocampus, eine Hirnregion, die für die Speicherung und den Abruf von Informationen zuständig ist. Ist der Hippocampus geschädigt, leidet auch das Zeitgefühl. Der Hippocampus speichert und ruft Informationen ab - etwa zu Straßen, Gebäude oder anderen Orientierungspunkten. Er hilft zudem bei Entscheidungen, wohin man als Nächstes geht. Ist der Hippocampus geschädigt, leidet auch das Zeitgefühl.

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Auch der parietale Kortex (Scheitellappen), der Sinneseindrücke verarbeitet, spielt eine Rolle bei der räumlichen und zeitlichen Orientierung. Schäden in diesem Bereich erschweren die räumliche Orientierung. Wie stark Orientierungsprobleme auftreten, hängt von der Demenzform und dem Krankheitsstadium ab.

Zudem können pathologische Vorgänge im Gehirn dazu führen, dass Nervenzellen sich auflösen und somit die Orte oder Pfade, wo Erinnerungen gespeichert wurden, beeinträchtigt werden. Deswegen ist bei einer Demenzerkrankung zunächst vor allem das Kurzzeitgedächtnis beeinträchtigt. Länger zurückliegende Erinnerungen bilden eine Gedächtnisspur, einem ausgetretenen Pfad vergleichbar. Ich finde den Weg auch noch, wenn er ein bisschen überwuchert ist. Bin ich ihn indes nur einmal gegangen, sind die Spuren am nächsten Tag weg.

Auswirkungen des veränderten Zeitempfindens

Die Folgen eines veränderten Zeitempfindens sind vielfältig und beeinflussen den Alltag der Betroffenen erheblich. Sobald sich das Zeitempfinden ändert, spiegelt sich das in den Kleinigkeiten wider. Welcher Tag war heute nochmal? Welchen Wochentag haben wir? Doch dies kann sich schnell ausweiten, zur veränderten Wahrnehmungen von Tag und Nacht oder der Jahreszeiten.

  • Desorientierung: Betroffene können sich in ihrer Umgebung und in der Zeit nicht mehr zurechtfinden. Sie verirren sich selbst an vertrauten Orten und wissen nicht, welcher Tag oder welche Jahreszeit ist.
  • Beeinträchtigung des Kurzzeitgedächtnisses: Das Kurzzeitgedächtnis wird durch die Demenzerkrankung stark beeinträchtigt. Die Nervenzellen lösen sich auf und somit der “Weg” zur Erinnerung. In unserem Langzeitgedächtnis wurden mehrere dieser Wege angelegt, wodurch wir uns besser erinnern können. Daher erinnern sich Demenzerkrankte eher an die Vergangenheit. Was heute oder gestern war, ist dann nicht so präsent.
  • Veränderte Wahrnehmung der Vergangenheit: Die Vergangenheit wird präsenter, und Betroffene können sich als jünger oder sogar als Kind erleben.
  • Verlust des "inneren Ankers": Menschen mit Demenz verlieren allmählich ihren "inneren Anker", der ihnen hilft, sich in ihrer Umgebung und in der Zeit zurechtzufinden. Auch wenn sich die Symptome ähneln, erleben die Betroffenen das "Nicht-mehr-fassen-Können" ihrer eigenen Realität ganz individuell.

Umgang mit dem veränderten Zeitgefühl im Alltag

Um Menschen mit Demenz im Alltag zu unterstützen, ist es wichtig, frühzeitig Maßnahmen zu ergreifen und den Alltag an die Bedürfnisse der Betroffenen anzupassen.

Frühzeitige Diagnose und Routinen

Sollten Sie als Angehörige*r merken, dass jemand in Ihrem Umfeld immer mehr Dinge vergisst und oft die gleichen Fragen stellt, lassen Sie dann die Symptome schnellstmöglich abklären. Nicht immer muss eine Demenzerkrankung vorliegen. Sollte dies jedoch der Fall sein, dann kann die Demenz nie früh genug erkannt werden. Zudem kann dann schnell damit begonnen werden, Routinen einzuführen. Routinen helfen Demenzerkrankten beim Navigieren des Alltags. Je länger diese Routinen durchgeführt werden, desto besser bleiben sie im Gedächtnis. So kann das Gefühl des Kontrollverlustes für Betroffene etwas eingeschränkt werden.

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  • Tägliche Rituale: Führen Sie so früh wie möglich tägliche Rituale ein. Die Mahlzeiten sollten immer um die gleiche Uhrzeit eingenommen werden. Nach dem Mittagessen steht zum Beispiel ein kleiner Spaziergang an, usw. Demenzerkrankte, die sich tagsüber mehr bewegen, haben nachts häufig weniger Probleme mit dem Schlaf.
  • Merkzettel und Kalender: Hängen Sie in der Wohnung kleine Merkzettel und große Kalender sowie deutlich lesbare Uhren auf. Eine zentrale Demenzuhr, wie die DayClock, kann bei der Navigation des Alltags helfen.
  • Fotobücher: Diese können helfen, Erinnerungen wieder hervorzurufen.
  • Jahreszeitliche Rituale: Da auch das Gefühl für die Jahreszeiten verloren geht, helfen auch hier Rituale wie Musik oder spezielle Gerichte und Düfte. Machen Sie Aktuelles zum Thema, wie im Winter beispielsweise die Kälte, und fragen Sie nach, wie die Betroffenen dies früher erlebt haben. Dies schafft Anknüpfungspunkte und regt zum Gespräch an.
  • Klare Tagesstruktur: Eine klare Tagesstruktur kann helfen, Orientierung zu geben: Tageslicht, frische Luft und feste Abläufe am Tag, Ruhe und gedimmtes Licht am Abend.
  • Realitätsorientierungstraining: Ziel des Trainings ist es, den Betroffenen durch regelmäßige Orientierungshilfen - wie Informationen über Zeit, Ort oder Personen - dabei zu unterstützen, sich in ihrer Umgebung besser zurechtzufinden. Dadurch fühlen sich die Betroffenen sicherer und können ihren Alltag besser bewältigen.

Hilfsmittel und Technologien

Es gibt verschiedene Hilfsmittel und Technologien, die Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen den Alltag erleichtern können.

  • Demenzuhren: Die DayClock Demenzuhr ist ein geeignetes Hilfsmittel, wenn das Zeitempfinden gestört ist. Auf dem Display wird deutlich der Wochentag, der Tag, der Abschnitt des Tages sowie die Uhrzeit angezeigt. Dies hilft bei der Orientierung im zeitlichen Rahmen. Zudem können Sie sich wiederholende Erinnerungen einstellen, um an Termine oder Routinen zu erinnern.
  • Fotoalben und Musik: Lassen Sie die schönsten Momente immer wieder zurückkommen. Mit der gratis App können Angehörige auch selbst Fotos und Nachrichten an die DayClock senden, sodass auch Aktuelles auf der Uhr zu sehen ist. Eine neue Funktion ist das Abspielen von YouTube-Videos. Wir haben bereits erwähnt, dass auch Musik wieder schöne Erinnerungen hervorrufen kann. Machen Sie sich das zu Nutze und lassen Sie Betroffene in den tollsten Erinnerungen schwelgen.
  • Videoanrufe: Damit man immer in Kontakt bleiben kann, auch wenn man gerade nicht vor Ort sein kann, hat die DayClock eine Videoanruf-Funktion. Tätigen Sie unbegrenzt viele Anrufe und bleiben Sie in Kontakt miteinander.

Kommunikation und Umgang

Die Kommunikation mit Menschen mit Demenz erfordert Geduld und Einfühlungsvermögen.

  • Langsam und deutlich sprechen: Verwenden Sie einfache Sätze und vermeiden Sie komplizierte Begriffe.
  • Vertraute Abläufe: Halten Sie sich an bereits vertraute Abläufe, wie zum Beispiel Aufstehen, Frühstücken, Anziehen oder Duschen. Diese Routinen geben der erkrankten Person Sicherheit und Vertrautheit.
  • Positive Aktivitäten: Versuchen Sie, möglichst täglich Aktivitäten einzubauen, die gut tun, wie zum Beispiel gemeinsame Spaziergänge oder Zeit für soziale Kontakte oder Hobbys.
  • Angst vermeiden: Aktivitäten, die Angst auslösen könnten, sollten behutsam und in kleinen Schritten vorbereitet werden. So behält die erkrankte Person die Übersicht über die Situation, und Angst und Panik entstehen weniger schnell.
  • Biografische Erinnerungen: Halten Sie biografische Erinnerungen des Menschen mit Demenz lebendig. In fehlenden Erinnerungen liegt häufig der Grund für das unverständliche Verhalten der Menschen mit Demenz.
  • Empathisches Spiegeln: Wähnt der demenzerkrankte Mensch sich etwa in der Schulzeit, kann man fragen, ob er gerne zur Schule gegangen sei oder Freundinnen hatte. Oft ist dann plötzlich wieder Aktivität da, und Betroffene erfahren Selbstwirksamkeit und positive Gefühle. Das ist ganz wesentlich.
  • Emotionale Verbindungen: Abstrakte Begriffe wie "Düsseldorf" oder "Oktober" werden von Menschen mit Demenz zunehmend schlechter verstanden. Oft erleichtern emotionale Verbindungen das Verständnis, wie "die Stadt, in der deine Tochter wohnt" oder "der Monat nach deinem Geburtstag".

Unterstützung für Angehörige

Die Pflege eines Menschen mit Demenz ist eine große Herausforderung, die sowohl körperlich als auch emotional belastend sein kann. Es ist wichtig, dass Angehörige auf ihre eigene Gesundheit achten und sich Unterstützung suchen.

  • Selbstpflege: Sorgen Sie gut für sich selbst. Das Pflegen einer Person mit Demenzerkrankung fragt körperlich und mental viel. Manchmal kann es für Betroffene bereits helfen, einfach da zu sein. Soziale Kontakte werden immer wichtiger, je weiter der Kontrollverlust fortschreitet. Schließlich gehen die Emotionen bei einer Demenz nicht verloren und sind vielleicht sogar noch stärker. Bleiben Sie miteinander in Verbindung.
  • Zeit für sich: Angehörige benötigen Zeit für sich, fürs Durchatmen, für die Selbstpflege. Das ist ganz wichtig, denn nur wenn sie zu sich selber schauen, können sie der demenzerkrankten Person beistehen.
  • Professionelle Hilfe: Es gibt verschiedene Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen, die Angehörigen von Menschen mit Demenz Unterstützung anbieten.

Neue Therapieansätze

Die Forschung im Bereich Demenz macht stetig Fortschritte. Seit 2023 stehen zwei Antikörper zur ursächlichen Behandlung der frühen Alzheimer-Demenz zur Verfügung. Ursächlich bedeutet: Sie bauen aktiv Amyloid-Plaques ab. Das sind Eiweißablagerungen im Hirn, die bei der Entstehung der Krankheit eine zentrale Rolle spielen. Diese Therapien können jedoch nur wirken, wenn sie frühzeitig eingesetzt werden. Voraussetzung ist eine frühe Diagnose.

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