Demenz ist eine Erkrankung, die vorwiegend ältere Menschen betrifft, aber auch in jüngeren Jahren auftreten kann. Es ist ein Trugschluss zu glauben, dass nur ältere Menschen an Demenz erkranken. Besonders die Alzheimer-Krankheit und die Frontotemporale Demenz (FTD) können bereits in jüngeren Jahren beginnen. In Deutschland leiden fast zwei Millionen Menschen an Demenzerkrankungen, wobei die Tendenz mit der alternden Bevölkerung steigt.
Was ist Demenz?
Demenz ist kein einzelnes Krankheitsbild, sondern ein Oberbegriff für ein Muster von Symptomen. Die häufigste zugrundeliegende Erkrankung ist Morbus Alzheimer. Zu den Symptomen gehören Gedächtnisverlust, Verminderung im Planen und Problemlösen, Verwirrung und Desorientierung sowie Sprachstörungen. Experten sprechen von Demenz im jüngeren Lebensalter, wenn Symptome vor dem 65. Lebensjahr auftreten.
Ursachen von Demenz im jungen Alter
Die Ursachen für Demenz im jüngeren Lebensalter sind vielfältig. Während im höheren Lebensalter meist die Alzheimer-Krankheit und Durchblutungsstörungen des Gehirns die Ursache sind, sind im jüngeren Alter seltenere Demenzursachen relativ häufiger vertreten.
- Alzheimer-Krankheit: Proteinablagerungen in und um Nervenzellen im Gehirn führen dazu, dass die Zellen ihre Funktion nicht mehr erfüllen können und absterben. Bei der Alzheimer-Erkrankung sind es die beiden Proteine Beta-Amyloid und Tau, die an und in den Nervenzellen verklumpen und diese nach und nach absterben lassen. In fortgeschrittenen Stadien lässt sich das auch im MRT unterscheiden, weil man die Regionen sieht, in denen der Nervenzellverlust stattfindet.
- Frontotemporale Demenz (FTD): Nervenzellen im Stirnhirn (Frontallappen) und im Schläfenlappen (Temporallappen) sind betroffen. Der Frontallappen steuert wichtige Funktionen wie Sozialverhalten und Affektkontrolle, der Schläfenlappen das Sprachverständnis. Hier sind es mehrere Proteine, die beschädigt sein können und Ablagerungen bilden, allen voran die Verbindung TDP-43.
- Genetische Gründe: Spielen bei jüngeren Patienten eine deutlich größere Rolle als bei spät einsetzenden Demenzen. Nicht immer bedeutet das, dass die Krankheit familiär vererbt ist.
- Depressionen: Da gibt es Gedächtnisdefizite, die sich auch wieder lichten, wenn die Depression ausbehandelt ist.
- ADHS: Auch Erwachsene mit ADHS kommen häufiger mal zu uns in die Gedächtnisambulanz. Und dann stellt sich raus, dass sie schon ihr ganzes Leben lang Probleme mit dem Gedächtnis haben, was dann eigentlich ein Aufmerksamkeitsdefizit ist.
- Alkoholismus: Kann Nervenzellen im Gehirn absterben lassen.
- Wiederholte Schädelhirntraumata: Durch Sportverletzungen können Nervenzellen im Gehirn absterben lassen. Auch vorerst unbemerkte kleine Schäden können in der Summe das Gehirn belasten. Verzicht auf Kopfbälle und ein Fahrradhelm schützen das empfindliche Gehirn.
- Neurodegenerative Erkrankungen: Werden durch Krankheiten ausgelöst, die einen Verlust von Nervenzellen im Gehirn verursachen. In den meisten Fällen geschieht das durch Veränderungen und Ablagerungen von körpereigenem Eiweiß, sogenannten "Plaques".
Ein Forschungsteam an der University of Exeter hat sich intensiv mit Anzeichen und Ursachen früher Demenz beschäftigt und 15 Faktoren herausgearbeitet, die - neben einer genetischen Veranlagung - statistisch gesehen die Anfälligkeit für Demenz bereits in jungen Jahren befördern.
Symptome und Herausforderungen
Die Symptome einer Demenz in jungen Jahren können sich auf verschiedene Weise äußern, ähnlich wie bei einer Demenz in späten Jahren, aber mit einigen Besonderheiten. Dazu können gehören:
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- Veränderungen der Wachsamkeit und Aufmerksamkeit sowie Phasen der Verwirrung.
- Bewegungsprobleme wie verlangsamte Bewegungen, Steifheit in Armen und Beinen.
- Gedächtnisverlust und kognitiver Abbau.
- Verhaltens- und Persönlichkeitsveränderungen.
- Sprach- und Kommunikationsschwierigkeiten.
- Beeinträchtigung der visuellen Wahrnehmung.
- Schwierigkeiten beim Planen, Organisieren und Treffen von Entscheidungen.
- Emotionale Verflachung, Antriebslosigkeit und Wesensveränderungen.
Die Diagnose der FTD kann schwierig sein. Erstens tritt sie früher als andere Demenzen auf, oft ab Mitte 40, in wenigen Fällen sogar noch früher. Zweitens verwechselt man sie aufgrund der Symptome oft mit psychischen Störungen. Die Persönlichkeit und das Sozialverhalten verändern sich, Betroffene werden etwa reizbar, taktlos, enthemmt oder auch ganz teilnahmslos.
Da das Erkennen der Symptome bei jungen Menschen schwierig ist, sollten Betroffene und Angehörige nicht zögern, bei Bedenken eine Ärztin oder einen Arzt aufzusuchen. Die Diagnose von Demenz bei jungen Menschen ist allerdings eine diagnostische Herausforderung, weil es viele Krankheiten mit ähnlichen Symptomen gibt.
Diagnose
Zur Diagnose einer Demenz im jungen Alter sind verschiedene diagnostische Methoden notwendig. Es muss auch immer eine Bildgebung dazugehören. Bei Alzheimer sind wir schon so weit, dass wir diese Amyloid-Verklumpungen und beginnend auch das Tau mit einer Sonde nuklearmedizinisch nachweisen können. Das kann dann umgekehrt auch ein Ausschlusskriterium sein. Und eigentlich gehört auch die Nervenwasseruntersuchung dazu, um nochmal entzündliche Erkrankungen auszuschließen. Dazu kommt immer eine neuropsychologische Untersuchung, bei der man verschiedene kognitive Domänen abklopft.
Leben mit Demenz im jungen Alter
Eine Demenz im jungen Alter stellt Betroffene und ihre Familien vor besondere Herausforderungen.
- Beruf: Wenn eine Demenz früh im Leben auftritt, stehen die Betroffenen meist noch im Berufsleben. Im Beruf stellt sich die Frage, ob die Möglichkeit besteht, zunächst weiterzuarbeiten - eventuell in einem weniger anspruchsvollen Arbeitsbereich oder mit reduziertem Stundenumfang. Unter Umständen muss die (Früh-)Rente beantragt werden.
- Familie: Oft leben Kinder mit im Haushalt und es bestehen finanzielle Verpflichtungen. Für die Kinder ist es - je nach Alter - schwierig, zu verstehen und zu akzeptieren, wenn ein Elternteil an einer Demenz erkrankt. Eine früh einsetzende Demenz hat auch tiefgreifende Auswirkungen auf die Beziehung in Ehe und Partnerschaft.
- Finanzen: Beide Veränderungen im Berufsleben sind mit finanziellen Einbußen verbunden.
- Soziale Stigmatisierung: Menschen mit Demenz erkennt man nicht auf den ersten Blick. Problematisch ist auch, dass die meisten Pflege- und Betreuungsangebote nicht auf die Bedürfnisse von jüngeren Menschen mit Demenz ausgerichtet sind.
Unterstützung und Behandlung
Demenzerkrankungen sind von Fall zu Fall verschieden. So lassen sich auch die Lebenserwartung und der Verlauf der Krankheiten nicht pauschal festmachen. Heilbar sind weder die Frontotemporale Demenz noch Alzheimer. Letzteres ist inzwischen gut erforscht, und es gibt zunehmend Mittel und Wege, den Krankheitsverlauf zu verzögern und die Symptome zu lindern.
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- Medikamentöse Behandlung: Bei Medikamenten haben sich Antidementiva, Antidepressiva und Neuroleptika gut bewährt. Sie werden jeweils gegen die Demenzsymptome selbst, begleitende Ängste und psychotische Verhaltensweisen eingesetzt. Der pflanzliche Wirkstoff Gingko biloba ist durchblutungsfördernd und kann sich bei leichter Symptomatik positiv auf das Denkvermögen auswirken.
- Nicht-medikamentöse Behandlung: Gesprächstherapien, die bei Depressionen oder Ängsten helfen, und verschiedene Behandlungsformen wie die kognitive Stimulationstherapie, die bei den Symptomen helfen.
- Lebensstil: Durch körperliche und geistige Fitness, gesunde Ernährung und regelmäßige soziale Kontakte lässt sich das Risiko für eine Erkrankung außerdem minimieren. Ein gesunder und aktiver Lebensstil mit körperlicher Betätigung, einer ausgewogenen Ernährung und dem Verzicht auf übermäßigen Alkoholkonsum und Rauchen kann den Betroffenen helfen, gut mit Demenz zu leben.
- Therapieangebote: Inzwischen gibt es auch vereinzelte Therapieangebote, die speziell auf FTD-Patienten zugeschnitten sind, beispielsweise logopädische Übungen.
- Unterstützung: Es ist wichtig, dass junge Menschen mit Demenz Zugang zur richtigen Unterstützung haben, einschließlich speziell für sie entwickelter Dienste und der Möglichkeit, andere Menschen in ähnlichen Situationen zu treffen.
Prävention
Generell gilt, quer durch alle Altersgruppen: "In den letzten Jahren hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass Demenz mit zwölf spezifischen, veränderbaren Risikofaktoren wie Rauchen, Blutdruck und Hörverlust zusammenhängt. Man geht heute davon aus, dass bis zu vier von zehn Demenzfällen weltweit mit diesen Faktoren zusammenhängen“, erörtert Leah Mursaleen (Leiterin der klinischen Forschung bei Alzheimer's Research UK) in der Pressemitteilung.
Die Vermeidung aller schädigenden Faktoren könnte bis zu 40 Prozent des Risikos senken und dazu beitragen, den kognitiven Abbau zu bremsen.
- geringe Bildung in jungen Jahren (7 Prozent)
- unbehandelte Schwerhörigkeit (8 Prozent)
- Hirnverletzungen (3 Prozent)
- Bluthochdruck (2 Prozent)
- Alkoholkonsum (1 Prozent)
- Adipositas mit BMI über 30 (1 Prozent)
- Rauchen (5 Prozent)
- Depression (4 Prozent)
- Soziale Isolation (4 Prozent)
- Bewegungsmangel (2 Prozent)
- Luftverschmutzung (2 Prozent)
- Diabetes (1 Prozent)
Die Faktoren 2 bis 6 sind wirksam, wenn sie bereits im mittleren Lebensalter berücksichtigt werden. Die Vermeidung der Faktoren 7 bis 12 kann in jedem Lebensalter zur Risikoreduktion beitragen, auch im höherem Lebensalter.
Es lohnt sich, den Kopf lebenslang vor Stößen und Stürzen zu bewahren. Auch Gedächtnistrainig, Stressbewältigung und ausreichend Schlaf haben schützende Wirkungen. Wichtig für Herz und Hirn sind gesunde Blutgefäße und ein gesunder Blutdruck. Bewegung senkt hohen Blutdruck und hilft, frisches Blut ins Gehirn zu schicken.
Kinderdemenz
Demenzerkrankungen können auch im jüngeren Alter entstehen. Auch Kinder und Jugendliche können von fortschreitenden neurodegenerativen Erkrankungen des Gehirns betroffen sein. Mehr als 250 verschiedene Erkrankungen sind mittlerweile bekannt, die die kognitiven Fähigkeiten von Kindern beeinträchtigen. Diese zusammenfassend als „Kinderdemenz“ bezeichneten Erkrankungen zählen zu den seltenen Krankheiten. Beispiele sind die zerebrale Form der X-chromosomalen Adrenoleukodystrophie (X-ALD), die Metachromatische Leukodystrophie (MLD), die Neuronalen Ceroidlipofuszinosen (NCL), das Alpers Syndrom und die Nieman-Pick-Krankheit Typ C.
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Ursache für Kinderdemenz sind erbliche Gendefekte, die oftmals einen gestörten Stoffwechsel im Gehirn zur Folge haben. Das kann bedeuten, dass wichtige Bausteine für den Aufbau, die Erhaltung und die Funktion von Hirngewebe und Nervenzellen fehlen. Oder toxische Stoffwechselprodukte werden nicht ordnungsgemäß abgebaut und lagern sich ab.