Ein Krankenhausaufenthalt kann für ältere Menschen eine traumatische Erfahrung sein, die zu Verwirrung und sogar Demenz führen kann. Während einige ältere Menschen im Krankenhaus regelrecht aufblühen, reagieren andere mit Verwirrung, dem sogenannten Delir. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen für diese krankenhausbedingte Verwirrung oder Demenz und zeigt Möglichkeiten der Prävention und Behandlung auf.
Einleitung
Viele Angehörige berichten von ähnlichen Erlebnissen: Geistig klare ältere Menschen werden ins Krankenhaus eingeliefert und entwickeln innerhalb weniger Tage Verwirrtheit und bauen zunehmend ab. Diese Verwirrung ist oft eine Folge des Krankenhausaufenthalts selbst und nicht zwangsläufig auf das Alter zurückzuführen.
Ursachen krankenhausbedingter Verwirrung
Die Ursachen für krankenhausbedingte Verwirrung oder Demenz sind vielfältig:
1. Medikamente und Medikamentenwechselwirkungen
Wer im Krankenhaus liegt, hat meist ein Gesundheitsproblem. Oftmals ist die Kombination aus Schmerz- und Beruhigungsmitteln ein Auslöser für Verwirrtheitszustände. Sedativa, Diuretika und Anticholinergika können ebenfalls zu Verwirrtheit, Demenzsymptomen und Delirium führen. Bei älteren Menschen ist es üblich, viele Medikamente gleichzeitig einzunehmen, was das Risiko von Wechselwirkungen erhöht.
- Sedativa: Benzodiazepine (Wirkstoffe enden auf -am oder -pam, z. B. Diazepam) können paradoxe Reaktionen auslösen und sich im Blut anreichern, was zu Verwirrung führt.
- Diuretika: Werden bei Bluthochdruck, Herzschwäche oder Niereninsuffizienz eingesetzt und können Verwirrtheitszustände auslösen.
- Anticholinergika: Werden bei Inkontinenz, Morbus Parkinson und chronisch obstruktiven Lungenerkrankungen eingesetzt. Sie können die Blut-Hirn-Schranke überwinden und Verwirrtheit auslösen oder verstärken.
- Weitere Medikamente: Antihistaminika, Antidepressiva (Trizyklika), Antipsychotika, Schmerzmittel (Tramadol, Morphin u. a.), Medikamente gegen Magengeschwüre (Cimetidin, Ranitidin) können ebenfalls Verwirrtheit auslösen.
Es ist wichtig, eine Liste aller Wirkstoffe, Dosen und Einnahmezeitpunkte zu erstellen und diese ins Krankenhaus mitzunehmen, um Wechsel- und Nebenwirkungen zu erkennen. Auch der Entzug gewohnter Medikamente kann zu Problemen führen.
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2. Andere Auslöser abseits von Medikamenten
Abgesehen von Medikamenten und Medikamentenwechselwirkungen kann sich ein Delirium auch infolge anderer Auslöser entwickeln:
- Infektionen: Besonders häufig im Krankenhaus, insbesondere Harnwegsinfekte durch Harnkatheter.
- Einschlägige Vorerkrankungen: Demenz, Parkinson oder Schlaganfall können die Wahrscheinlichkeit einer Verwirrung im Krankenhaus erhöhen.
- Weitere Faktoren: Knochenbrüche oder Organversagen können ebenfalls eine Rolle spielen.
3. Krankenhausroutine und -umgebung
Die Krankenhausroutine kann für ältere Menschen sehr belastend sein:
- Untersuchungen und Anwendungen: Oft ohne Rücksicht auf die natürliche Scham der Patienten.
- Schlafstörungen: Ständige Unterbrechungen durch Personal, Zimmerkollegen, Lärm und ungewohnte Umgebung.
- Fremde Umgebung: Permanente Anwesenheit fremder Menschen, was besonders für sensible ältere Menschen belastend sein kann.
Diese Erlebnisse können langfristig zu einer posttraumatischen Belastungsstörung führen. Die krankenhausbedingte Verwirrtheit kann Monate nach der Krankenhausentlassung anhalten und das Risiko für eine tatsächliche Demenz erhöhen oder eine schon begonnene Demenz beschleunigen.
Das Delir: Eine akute Störung der Gehirnfunktion
Das Delir ist eine akute Störung der zerebralen Funktion mit multifaktorieller Ätiologie. Die Inzidenz variiert je nach Patientenkollektiv. Während ein Drittel der internistischen Patienten über 70 Jahre ein Delir im Krankenhaus entwickeln, liegt die Inzidenz bei chirurgischen Patienten zwischen 5,1 % und 52,2 %, abhängig vom Eingriff. Bei Intensivpatienten tritt in 30-80 % der Fälle ein Delir auf.
Ein Delir ist mit einer erhöhten Letalität, längeren Aufenthaltsdauer im Krankenhaus und einem schlechteren Behandlungsergebnis verbunden. Jeder Delirtag senkt die 1-Jahres-Überlebenswahrscheinlichkeit um circa 10 %. Zudem beeinflusst ein Delir die kognitive Leistungsfähigkeit und führt zu erhöhter Pflegebedürftigkeit.
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Diagnose des Delirs
Die Diagnose des Delirs ist nicht einfach, da das klinische Erscheinungsbild sehr variabel ist. Leitsymptom ist eine Bewusstseins- und Aufmerksamkeitsstörung, begleitet von einer Denkstörung, die akut beginnt und fluktuierend verläuft. Die Störung darf nicht durch andere neurokognitive Ursachen (z. B. Demenz) oder die Auswirkungen einer körperlichen Erkrankung verursacht sein.
Man unterscheidet drei Phänotypen:
- Hypoaktives Delir (30 %)
- Hyperaktives Delir (5 %)
- Delir vom Mischtyp (65 %)
Das hyperaktive Delir ist anhand der Symptome rasch diagnostizierbar, während das hypoaktive Delir und der Mischtyp schwieriger zu erkennen sind. Validierte Screeningverfahren wie die Confusion Assessment Method for the ICU (CAM-ICU) und die Intensive Care Delirium Screening Checklist (ICDSC) können helfen.
Maßnahmen zur Delirprävention
Multiple Faktoren können das Auftreten und die Schwere eines Delirs beeinflussen. Eine nichtmedikamentöse, multidimensionale Delirprävention kann die Delirrate signifikant senken. Diese Strategie umfasst:
- Frühmobilisation
- Reorientierung
- Optimierte Flüssigkeits- und Nahrungszufuhr
- Schlafverbesserung
- Adäquate Schmerztherapie
- Vermeidung einer Polypharmazie
Diese Vorgehensweise kann die Delirinzidenz um 44 % senken.
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Reorientierung
Reorientierende Maßnahmen sollten rasch nach der Klinikaufnahme beginnen:
- Sehen und Hören optimieren
- Gut sichtbare Uhren und Kalender aufstellen
- Angehörige einbinden
- Zimmerwechsel vermeiden
- Für eine hohe Konstanz der betreuenden Pflegepersonen sorgen
Frühe Physio- und Ergotherapie
Frühe Physio- und Ergotherapie können die Delirrate senken und die Rückkehr in ein selbstständiges Leben fördern.
Adäquater Schlaf-Wach-Rhythmus
Schlafunterbrechungen durch pflegerische und ärztliche Maßnahmen, unangebrachte Beleuchtung und eine nicht angepasste Gesprächslautstärke müssen minimiert werden. Augenmasken und Ohrstöpsel können die Schlafqualität verbessern.
Vermeidung einer Polypharmazie
Die Medikation sollte kontinuierlich überprüft und nicht dringend benötigte Medikamente abgesetzt werden. Die Priscus-Liste kann hierbei hilfreich sein.
Medikamentöse Prophylaxe
Die prophylaktische Gabe von Haloperidol, Cholinesteraseinhibitoren und Antipsychotika wird nicht generell empfohlen. Dexmedetomidin scheint eine vielversprechende Substanz zur Delirprävention zu sein.
Delirtherapie
Bei einem manifesten Delir sollte zunächst nach möglichen Ursachen gesucht werden (Infektionen, Substanzentzug, Elektrolytstörungen, Blutzuckerentgleisungen, Schmerzen, Hypoxie). Neben der Beseitigung der Ursachen ist eine nichtmedikamentöse Therapie wichtig: Frühmobilisation, Förderung der kognitiven Aktivität, Reorientierung und Verbesserung des Schlafes.
Was passiert, wenn ein Delir nicht behandelt wird?
Wenn keine Maßnahmen gegen ein Delir getroffen werden, verschlechtert sich die Situation für die Betroffenen. Die Ein-Jahres-Überlebensrate sinkt je Delirtag um zehn Prozent. Der Allgemeinzustand verschlechtert sich und die Gefahr von Komplikationen (z. B. Sturz) steigt. Gegebenenfalls müssen Betroffene in einer Langzeit-Pflegeeinrichtung untergebracht werden.
Praktische Tipps für Angehörige
- Medikamentenliste: Fertigen Sie vor einem geplanten Krankenhausaufenthalt eine Medikamentenliste für Ihren Angehörigen an.
- Aufklärung: Bestehen Sie auf genaue Angabe der verabreichten Medikamente und erkundigen Sie sich, ob diese ein Grund für die Verwirrung sein könnten.
- Zeit verbringen: Verbringen Sie so viel Zeit wie möglich bei Ihrem kranken Angehörigen im Krankenhaus und sorgen Sie dort für viel Zuwendung und Abwechslung.
- Unterstützung: Geben Sie Ihrem Angehörigen das Gefühl, dass jemand da ist, der aufpasst, der mit den Ärzten spricht, mit dem Pflegepersonal ein gutes Verhältnis aufbaut, der sich kümmert und das Familienmitglied nicht einfach fremden Händen überlässt.
- Keine voreiligen Entscheidungen: Lassen Sie sich auf keinen Fall einreden, Ihr Familienmitglied sei ab sofort dement und müsse in ein Pflegeheim.
- Häusliche Betreuung: Nehmen Sie Ihr Familienmitglied nach der Entlassung mit nach Hause, geben Sie ihm dort nur die wirklich notwendigen und verträglichen Medikamente und betreuen Sie es in dessen eigenen vier Wänden.
Demenzsensible Krankenhäuser
Krankenhäuser sind herausgefordert, in zunehmendem Maße Menschen mit Demenz zu behandeln. Das Krankenhaus mit seinen Rahmenbedingungen kann jedoch ein demenzförderndes Milieu darstellen. Es ist wichtig, die Handlungssicherheit der Beschäftigten im Umgang mit Menschen mit Demenz zu stärken und demenzsensible Handlungskonzepte zu etablieren.
Wissensaufbau und Schulungen
Mangelndes Wissen über Erscheinungsformen und Auswirkungen der Krankheit kann zu Ratlosigkeit und Aggressionen führen. Es ist ein Wissensaufbau für alle Beschäftigten erforderlich. Schulungsformate wie die Demenzpartner-Initiative der Deutschen Alzheimer Gesellschaft vermitteln Grundlagenwissen über Demenzen und hilfreiche Umgangsstrategien. Fachlich basierte Umgangskonzepte wie die Validation und die Person-zentrierte Pflege nach Kitwood tragen zu mehr Handlungssicherheit bei.
Umgang mit herausforderndem Verhalten
Der Umgang mit herausforderndem Verhalten ist eine der anspruchsvollsten Aufgaben bei der Pflege von Menschen mit Demenz. Es handelt sich um ein besonderes „Ausdrucksverhalten“ als Reaktion auf Unwohlsein oder Unbehagen. Es gibt keine einfachen Rezepte, aber eine verstehende Diagnostik zur Identifizierung von Bedingungsfaktoren und der Einsatz von Assessment-Instrumenten sind hilfreich.
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