Die frontotemporale Demenz (FTD), früher auch als Morbus Pick bekannt, ist eine seltene Form einer Demenz, die sich durch einen Abbau von Nervenzellen im Stirn- (Frontal-) und Schläfenlappen (Temporal-) des Gehirns auszeichnet. Diese Bereiche sind entscheidend für die Steuerung von Verhalten, Persönlichkeit, Sprache und sozialen Interaktionen. Im Vergleich zur Alzheimer-Demenz tritt die FTD oft in einem jüngeren Alter auf, meist zwischen dem 45. und 65. Lebensjahr, kann aber auch zwischen dem 20. und 85. Lebensjahr beginnen.
Was ist die Frontotemporale Demenz?
Die Frontotemporale Demenz (FTD) umfasst eine Gruppe von Demenzen, die durch den Verlust von Nervenzellen im Stirnlappen (Lobus frontalis) und im Schläfenlappen (Lobus temporalis) des Gehirns gekennzeichnet sind. Nach ihrem Erstbeschreiber Arnold Pick wird sie auch als Morbus Pick bezeichnet.
Es handelt sich um eine der selteneren Demenzformen, die allerdings bereits im jüngeren Alter auftreten kann. Meistens bricht sie zwischen dem 45. und 65. Lebensjahr auf, frühestens aber bereits im 20. Lebensjahr.
Der für Demenzen typische Gedächtnisverlust tritt oft erst im Verlauf auf. Bei einer Frontotemporalen Demenz stehen im Anfangsstadium Verhaltensstörungen und Persönlichkeitsveränderungen im Vordergrund, bei einigen Verläufen eher Sprachstörungen.
Ursachen der Frontotemporalen Demenz
Die genauen Ursachen für den Untergang von Nervenzellen bei der FTD sind noch nicht vollständig geklärt. Es wird angenommen, dass genetische Faktoren eine Rolle spielen, da ein Teil der FTD-Fälle erblich bedingt ist und familiär gehäuft auftritt. Etwa 10-15% aller frontotemporalen Demenzen sind genetisch bedingt, vor allem die Verhaltensvariante. In diesen Fällen können Mutationen in Genen wie C9orf72, GRN oder MAPT gefunden werden.
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In den betroffenen Nervenzellen lagern sich häufig krankhafte Proteine ab, die die Zellfunktion stören. Solche Ablagerungen wurden erstmals vom Prager Neurologen Arnold Pick beschrieben und heißen deshalb "Pick'sche Körper".
Übermäßiger Alkoholkonsum kann ebenfalls zur Entstehung einer frühen Demenz beitragen, da Alkohol ein Nervengift ist, das bei übermäßigem Konsum zum Absterben von Nervenzellen im Gehirn führen kann.
Forschende des DZNE suchen nach den molekularbiologischen Ursachen für den Nervenzelltod bei frontotemporaler Demenz. Außerdem untersuchen sie den Zusammenhang zwischen Amyotropher Lateralsklerose (ALS) und FTD.
Symptome der Frontotemporalen Demenz
Die Symptome der FTD sind vielfältig und hängen davon ab, welche Gehirnbereiche betroffen sind. Grundsätzlich werden zwei Hauptvarianten unterschieden:
Verhaltensvariante (bvFTD)
Bei der verhaltensbetonten Variante stehen Veränderungen im Verhalten und der Persönlichkeit im Vordergrund. Typische Symptome sind:
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- Persönlichkeitsveränderungen: Die Betroffenen wirken oft unkonzentriert, desinteressiert und achtlos. Sie vernachlässigen Familie und Freizeitinteressen, werden träge und gleichgültig.
- Sozialverhalten: Takt- und Empathielosigkeit, Enthemmung und Distanzlosigkeit.
- Affektlabilität: Unkontrollierte Gefühlsausbrüche.
- Auffälliges Essverhalten: Veränderte Vorlieben, Heißhunger auf Süßigkeiten.
- Vernachlässigung der Körperhygiene.
- Fehlende Einsicht: Die Betroffenen erkennen oft nicht, dass ihr Verhalten ungewöhnlich ist.
Sprachvariante (PPA)
Bei den sprachbetonten Varianten stehen Sprachstörungen im Vordergrund. Es werden drei Unterformen unterschieden:
- Semantische Variante: Schwierigkeiten, Bezeichnungen und Gegenstände in Einklang miteinander zu bringen. Die Person hat Schwierigkeiten, Wörter zu verstehen.
- Nicht-flüssige/agrammatische Variante: Schwierigkeiten, flüssig zu sprechen, Sätze zu bilden und Grammatikfehler. Die Person hat Schwierigkeiten, flüssig zu sprechen.
- Logopenische Variante: Probleme beim Finden der richtigen Wörter. Die Person hat Wortfindungsprobleme.
Weitere Symptome
Im weiteren Verlauf der FTD können auch Gedächtnisstörungen auftreten, die jedoch oft nicht so ausgeprägt sind wie bei der Alzheimer-Demenz. Mit der Zeit verlieren Betroffene beider Varianten zunehmend ihre Fähigkeit, im Alltag zurechtzukommen, einige werden bettlägerig und pflegebedürftig.
Es können auch neurologische, körperliche Symptome auftreten, die man eher von Parkinson kennt: Die Körperhaltung ist verändert, eine Gangstörung liegt vor oder Patienten gehen nach vorne gebeugt.
Auch Schlafstörungen und Müdigkeit können bei der Frontotemporalen Demenz auftreten.
Diagnose der Frontotemporalen Demenz
Die Diagnose der FTD kann eine Herausforderung sein, da die Symptome vielfältig sind und oft mit anderen Erkrankungen verwechselt werden können. Der Diagnoseweg umfasst in der Regel folgende Schritte:
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- Anamnese: Erhebung der Krankengeschichte und Erfassung der Symptome.
- Körperliche und neurologische Untersuchung.
- Neuropsychologische Tests: Bewertung der kognitiven Fähigkeiten, des Verhaltens und der Sprache.
- Bildgebende Verfahren: MRT oder CT des Gehirns, um strukturelle Veränderungen in den Frontal- und Temporallappen zu erkennen. Mit einer Positronen-Emissions-Tomografie (PET) kann beispielsweise eine veränderte Stoffwechselaktivität im Stirn- und Schläfenbereich nachgewiesen werden.
- Liquoruntersuchung: Ausschluss anderer Erkrankungen.
- Gentest: Bei familiärer Häufung der FTD.
Therapie der Frontotemporalen Demenz
Bislang ist keine Heilung der FTD möglich. Die Behandlung konzentriert sich auf die Linderung der Symptome und die Verbesserung der Lebensqualität der Betroffenen.
Medikamentöse Therapie
- Antidepressiva: Können bei Verhaltensauffälligkeiten wie Depressionen, Reizbarkeit oder Zwanghaftigkeit helfen.
- Neuroleptika: Können bei Unruhe, Aggression oder psychotischen Symptomen eingesetzt werden.
- Weitere Medikamente: Je nach Bedarf können weitere Medikamente zur Behandlung von Schlafstörungen, Angstzuständen oder anderen Begleitsymptomen eingesetzt werden.
Nicht-medikamentöse Therapie
- Psychosoziale Interventionen: Beratung und Unterstützung für Betroffene und Angehörige.
- Ergotherapie: Training von alltagspraktischen Fähigkeiten.
- Logopädie: Verbesserung der Kommunikationsfähigkeit.
- Physiotherapie: Erhalt der körperlichen Beweglichkeit.
- Musik-, Kunst- und Tanztherapie: Förderung des emotionalen Ausdrucks und der Entspannung.
- Anpassung der häuslichen Umgebung: Schaffung einer sicheren und unterstützenden Umgebung.
- Aktivitätstraining: Bei Passivität kann ein gezieltes Aktivitätstraining erfolgen. Die mäßige Stimulation wird durch Spaziergänge, aber auch Tanz und Musik oder bestimmte Kunstformen erreicht.
Es ist wichtig, die häusliche Umgebung an die speziellen Bedürfnisse des Betroffenen anzupassen.
Unterstützung für Angehörige
Die Pflege und Betreuung von Menschen mit FTD kann sehr herausfordernd sein. Angehörige benötigen daher Unterstützung und Entlastung. Es gibt verschiedene Möglichkeiten der Unterstützung, wie z.B.:
- Gesprächsgruppen: Austausch mit anderen Betroffenen.
- Beratungsstellen: Informationen und Unterstützung.
- Tagespflege: Entlastung der Angehörigen tagsüber.
- Ambulante Pflege: Unterstützung im häuslichen Umfeld.
- Stationäre Pflege: Bei Bedarf einer Rund-um-die-Uhr-Betreuung.
Aktuelle Forschung
Die Forschung zur FTD konzentriert sich auf die Entdeckung der Ursachen, die Entwicklung neuer Therapien und die Verbesserung der Diagnostik. Einige aktuelle Forschungsschwerpunkte sind:
- Genetische Studien: Identifizierung von Genen, die mit der FTD in Verbindung stehen.
- Biomarker-Forschung: Suche nach Biomarkern, die eine frühe Diagnose ermöglichen.
- Entwicklung von Medikamenten: Erforschung von Medikamenten, die den Krankheitsverlauf verlangsamen oder stoppen können.
- Therapeutische Maßnahmen: Hier wird z.B. untersucht, wie psychosoziale Interventionen für die Pflege und Betreuung von Menschen mit frontotemporaler Demenz verbessert werden können.
- KI-gestützte Sprachtests: Das Deutsche Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) entwickelt KI-gestützte Sprachtests, um minimale sprachliche Veränderungen als Frühindikatoren für FTD zu identifizieren.
Für eine große FTD-Studie des DZNE werden daher fortlaufend und bundesweit Menschen mit (möglicher) FTD sowie deren blutsverwandte Angehörige gesucht, um Ursachen der Erkrankung zu erforschen.
Leben mit Frontotemporaler Demenz
Die Diagnose FTD ist eine große Herausforderung für Betroffene und ihre Angehörigen. Es ist wichtig, sich frühzeitig über die Erkrankung zu informieren, sich Unterstützung zu suchen und реаistische Erwartungen zu haben.
Tipps für den Umgang mit FTD
- Informieren Sie sich: Verstehen Sie, was Frontotemporale Demenz ist, welche Symptome sie verursacht und wie sie sich im Laufe der Zeit entwickeln kann.
- Treffen Sie frühzeitig rechtliche Vorkehrungen: Erstellen Sie rechtzeitig Vollmachten und Verfügungen.
- Passen Sie die Kommunikation an: Formulieren Sie möglichst einfache Sätze.
- Schaffen Sie Routinen im Alltag: Ein geregelter Tagesablauf gibt Patienten mit FTD Sicherheit und kann dazu beitragen, Verwirrung zu reduzieren.
- Schaffen Sie ein demenzgerechtes Zuhause: Passen Sie das häusliche Umfeld Ihres betroffenen Angehörigen Stück für Stück an, um eine Wohlfühlatmosphäre zu erzeugen und die Sicherheit zu erhöhen.
- Bleiben Sie geduldig: Veränderungen im Verhalten und in der Persönlichkeit können sehr belastend sein - gerade für die Angehörigen.
- Achten Sie bei allem auch auf sich selbst: Vergessen Sie Ihre eigene Gesundheit und Ihr Wohlbefinden nicht.
- Schaffen Sie positive Momente: Versuchen Sie, trotz aller Herausforderungen auch schöne Momente miteinander zu erleben.
Frühe Diagnose entscheidend
Wirken können derartige Therapien nur, wenn sie zum richtigen Zeitpunkt zum Einsatz kommen. Voraussetzung ist eine frühe Diagnose.