Die Diagnose einer Demenzerkrankung wirft zahlreiche Fragen bezüglich der zukünftigen Betreuung, finanziellen Unterstützung, notwendigen rechtlichen Schritte und Möglichkeiten der Vorsorge auf. Dieser Artikel beleuchtet die wichtigsten rechtlichen Aspekte im Zusammenhang mit Demenz, um Betroffenen und ihren Angehörigen eine umfassende Orientierung zu bieten.
Frühzeitige Regelungen treffen
Solange die Geschäftsfähigkeit besteht, sollten Betroffene ihre Wünsche und Vorstellungen bezüglich der Vermögensverwaltung, zukünftigen Pflege, Erbschaften und medizinischen Maßnahmen äußern und festlegen. Diese Verfügungen können in einer Vorsorgevollmacht und einer Patientenverfügung schriftlich formuliert und in bestimmten Fällen notariell beurkundet werden. Es ist ratsam, frühzeitig das Gespräch mit Vertrauenspersonen oder der Familie zu suchen, um diese Wünsche und Vorstellungen zu besprechen.
Berufstätigkeit und Demenz
Menschen mit Demenz, die weiterhin berufstätig sein möchten, sollten das Gespräch mit ihren Vorgesetzten suchen. Möglicherweise können Aufgabenbereiche verändert oder die Wochenarbeitszeit reduziert werden, um den Anforderungen gerecht zu werden. Wenn eine Rückkehr in den Beruf nicht mehr möglich ist, kann Krankengeld (bis zu 78 Wochen) und anschließend eine Erwerbsminderungsrente beantragt werden.
Autofahren und Demenz
Auch wenn das Autofahren für viele Menschen mit Demenz Unabhängigkeit bedeutet, ist es wichtig zu erkennen, wann die Erkrankung so weit fortgeschritten ist, dass die Betroffenen sich und andere gefährden. Bei fortgeschrittener Demenz kann der Führerschein von der Straßenverkehrsbehörde entzogen werden. Ärzte sind in diesem Fall von ihrer Schweigepflicht entbunden und haben das Recht, die Behörde auf die jeweilige Demenzsituation hinzuweisen.
Wahlrecht
Das Wahlrecht ist ein elementares Bürgerrecht und darf auch von Menschen mit Demenz ausgeübt werden. Unterstützung beim Ausfüllen des Wahlscheins ist erlaubt.
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Vorsorgevollmacht
Mit einer Vorsorgevollmacht bevollmächtigt man eine Vertrauensperson, Entscheidungen zu treffen und im Namen des Vollmachtgebers zu handeln, wenn dieser krankheitsbedingt nicht mehr dazu in der Lage ist. Die bevollmächtigte Person kann Entscheidungen im Rahmen von medizinischen Behandlungen treffen, die finanziellen Angelegenheiten regeln und einen Platz in einem Pflegeheim suchen. Eine Vorsorgevollmacht kann verfasst werden, solange noch Geschäftsfähigkeit vorhanden ist. Anders als ein gesetzlicher Betreuer ist der durch eine Vorsorgevollmacht Bevollmächtigte dem Betreuungsgericht gegenüber nicht rechenschaftspflichtig. Viele Banken verlangen eine gesonderte Vollmacht oder spezifische Formulare für ihre Transaktionen. Es ist daher ratsam, sich direkt mit der betreffenden Bank in Verbindung zu setzen, um die notwendigen Unterlagen für die Abwicklung von Bankgeschäften im Rahmen einer Vorsorgevollmacht zu erhalten.
Betreuungsverfügung
In einer Betreuungsverfügung kann eine Person benannt werden, die im Falle der eigenen Entscheidungsunfähigkeit als Betreuer eingesetzt werden soll. Das Gericht prüft dann, ob die Bestellung eines Betreuers erforderlich und die vorgeschlagene Person geeignet ist. Im Unterschied zur Vorsorgevollmacht, steht die Betreuung unter gerichtlicher Aufsicht. Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass man für die Erstellung einer Betreuungsverfügung nicht unbedingt eine volle Geschäftsfähigkeit benötigt. In einer Betreuungsverfügung kann auch festgehalten werden, wer keinesfalls für eine Betreuung in Betracht gezogen werden soll. Zusätzlich können Wünsche geäußert werden, die ein gesetzlicher Betreuer berücksichtigen soll. Die Betreuungsbehörde des Amtes für Soziales und Jugend berät persönlich zu diesen Themen und stellt Vordrucke zur Verfügung.
Rechtliche Betreuung
Eine Betreuung entsprechend dem Betreuungsgesetz wird notwendig, wenn keine Vorsorgevollmacht vorliegt oder diese nicht ausreichend ist. In diesem Fall bestellt das Betreuungsgericht eine geeignete Person, vorrangig Angehörige, zum rechtlichen Betreuer. Der Wunsch einer betroffenen Person für den Einsatz eines rechtlichen Betreuers hat Vorrang und soll vom Betreuungsgericht berücksichtigt werden.
Aufgabenkreise der Betreuung
Vom Gericht eingesetzte rechtliche Betreuer übernehmen nicht automatisch die Sorge für alle Angelegenheiten ihrer Schützlinge. Stattdessen wird das Gericht ihnen bestimmte Aufgabenkreise zuweisen. Sind Menschen mit Demenz beispielsweise nicht mehr allein in der Lage, ihre Finanzen zu regeln, wird ihnen lediglich ein Betreuer oder eine Betreuerin für den Aufgabenkreis "Verwaltung des Einkommens und Vermögens" zur Seite gestellt.
Antragstellung und Verfahren
Liegt für einen Demenzerkrankten keine Verfügung oder Vollmacht vor, sollte beim zuständigen Betreuungsgericht ein Antrag auf rechtliche Betreuung gestellt werden. Um die gesetzliche Betreuung für eine demenzerkrankte Person zu beantragen, muss ein formeller Antrag beim zuständigen Betreuungsgericht eingereicht werden, wobei ein ärztliches Attest oder Gutachten über den Gesundheitszustand der Person beigefügt werden sollte. Jede Person ist berechtigt, eine rechtliche Betreuung anzuregen - auch Betroffene selbst. Ein formloser Situationsbericht reicht aus, um prüfen zu lassen, ob diese Maßnahme nötig ist oder nicht. Wer lieber einen förmlichen Antrag stellen möchte, kann auch die Vordrucke des Betreuungsgerichts nutzen. Betreuungsverfahren sind recht aufwendig und brauchen Zeit - mehrere Monate sind keine Seltenheit.
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Pflichten des Betreuers
Verstößt ein Betreuer gegen seine Pflichten, indem er zum Beispiel finanzielle Mittel missbraucht, so wird er dafür haftbar gemacht. Dies dient dem Schutz des Betroffenen und stellt sicher, dass die Betreuung verantwortungsvoll und im Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben geführt wird. Grundsätzlich ist ein gesetzlicher Betreuer dem Gericht rechenschaftspflichtig. Das heißt, dass die Aktivitäten dem Betreuungsgericht gegenüber offengelegt werden müssen.
Patientenverfügung
Alle ärztlichen Maßnahmen bedürfen der Einwilligung der an Demenz erkrankten Person. Krankheitsbedingt können diese Einwilligungen eines Tages nicht mehr gegeben werden. Deshalb ist es wichtig, durch eine Patientenverfügung im Vorfeld wichtige Dinge festzulegen, wie zum Beispiel die Frage, ob man in einem lebensbedrohlichen Zustand künstlich ernährt oder beatmet werden möchte. Die Patientenverfügung ist ein Vorsorgedokument, das im späteren Stadium einer Demenzerkrankung sehr wichtig werden kann. In späteren Stadien der Erkrankung können Betroffene oft nicht mehr klar kommunizieren, welche medizinischen Behandlungen sie wünschen oder ablehnen.
Testament
In einem Testament bestimmt man, was nach dem Tode mit dem Geldvermögen, Immobilien usw. geschehen soll. Es muss mit Datum versehen und eigenhändig geschrieben und unterschrieben sein. Um sicherzugehen, kann man dies bei einem Notar erledigen. Ein Testament können Menschen mit beginnender Demenz machen, solange sie noch testierfähig sind. Testierfähig ist, wer die Bedeutung der Inhalte des Testaments noch einsehen und entsprechend handeln kann.
Haftpflichtversicherung
Für an Demenz erkrankte Personen ist es sinnvoll, eine Haftpflichtversicherung abzuschließen. Wenn eine solche Versicherung bereits besteht, sollte die Versicherungsgesellschaft über die Erkrankung informiert werden. Viele Versicherungen bieten die Mitversicherung von „nicht deliktfähigen“ erwachsenen Personen an. Bei Bekanntwerden der Diagnose Demenz sollte die Haftpflichtversicherung des Betroffenen informiert werden. Das Verschweigen der Diagnose kann im Schadensfall zu einem Haftungsausschluss führen.
Haftung bei Schäden
Personen, die durch eine Vorsorgevollmacht oder als rechtliche Betreuer eingesetzt wurden, können im Falle eines Schadens haftbar gemacht werden. Wer nachweisen kann, dass alles Zumutbare getan wurde, um die Aufsichtspflicht zu erfüllen und Schadensfälle zu verhindern, muss keinen Schadensersatz leisten.
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Schwerbehindertenausweis
Ein Schwerbehindertenausweis bringt steuerliche und nicht-steuerliche Vorteile wie Ermäßigung der Kfz-Steuer, ggf. Anspruch auf einen Behindertenparkplatz, Freifahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln, Befreiung von der Rundfunkgebühr sowie Zuschüsse zur Wohnraumanpassung.
Finanzielle Hilfen
Wenn die Leistungen der Pflegekasse nicht ausreichen, um den tatsächlichen Hilfebedarf abzudecken, besteht Anspruch auf „Hilfe zur Pflege“ durch das Sozialamt. Das eigene Einkommen und eventuell vorhandenes Vermögen muss allerdings zunächst eingesetzt werden. Ehepartner und Kinder sind bei ausreichend hohem Einkommen zum Unterhalt verpflichtet. Kinder werden bei dieser Form der Sozialhilfe aber erst ab einem Jahreseinkommen von mehr als 100.000 Euro zur Unterstützung herangezogen (§ 94 SGB XII).
Geschäftsunfähigkeit
Geschäftsunfähigkeit ist ein rechtlicher Begriff, der beschreibt, dass eine Person aufgrund ihres geistigen Zustands nicht in der Lage ist, rechtlich bindende Verträge oder Geschäfte selbstständig abzuschließen. Geschäfte, die von geschäftsunfähigen Personen getätigt werden, sind grundsätzlich nichtig. Die meisten rechtlichen Probleme infolge der Demenz resultieren daraus, dass die kognitiven Fähigkeiten des erkrankten Menschen schwinden und er selbst das nicht wahrhaben kann. Bei Geschäftsunfähigkeit können Rechtsgeschäfte, z.B. unüberlegte Käufe, rückgängig gemacht werden. Erklärungen eines geschäftsunfähigen Menschen sind nichtig, das heißt, sie gelten nicht.
Einwilligungsvorbehalt
Wird die Geschäftsunfähigkeit einer Person gerichtlich festgestellt, so sind alle von ihr abgeschlossenen Geschäfte rechtsunwirksam. Es kann jedoch ein Einwilligungsvorbehalt angeordnet werden, der im Betreuerausweis vermerkt wird. Das erleichtert die Überprüfung und Anfechtung von Rechtsgeschäften und dient dem Schutz des Betroffenen, indem sichergestellt wird, dass alle wichtigen Entscheidungen unter Aufsicht und mit Zustimmung des Betreuers getroffen werden. Ein Richter kann beispielsweise bestimmen, dass Geschäfte ab einem gewissen Betrag nur durch oder mit nachträglicher Genehmigung des gesetzlichen Vertreters rechtswirksam sind. Ohne diese Zustimmung sind die Geschäfte dann ungültig. Diese Regelung, bekannt als Einwilligungsvorbehalt, bezieht sich jedoch nur auf die Bereiche, in denen die Betreuer aktiv sind.
Selbstbestimmung und Verwahrlosung
Das Recht auf Selbstbestimmung, auch im Zusammenhang mit Demenzerkrankungen, ist ein grundlegendes Menschenrecht. Demnach hat jeder grundsätzlich das Recht, eigene Entscheidungen zu treffen, auch wenn diese von anderen als unkonventionell oder schädlich betrachtet werden. Allerdings gibt es Grenzen, insbesondere wenn die Gesundheit oder Sicherheit der Person ernsthaft gefährdet ist. Der Demenzerkrankte hat ein Recht auf Verwahrlosung und kann bis zu einem gewissen Grad selbst entscheiden, wie er Hygiene und Ordnung in seinem eigenen Leben handhabt.
Notvertretungsrecht für Ehegatten
Das Notvertretungsrecht ermöglicht es Ehegatten, in Not- und Akutsituationen vorübergehend, also zeitlich begrenzt, auch ohne Vollmacht den durch Unfall oder Krankheit handlungsunfähigen Ehegatten zu vertreten. Dieses Notvertretungsrecht beschränkt sich ausschließlich auf Entscheidungen, die die Gesundheitssorge und damit eng zusammenhängende Angelegenheiten betreffen. Das setzt voraus, dass die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt bestätigt, dass der zu vertretene Ehegatte aufgrund von Bewusstlosigkeit oder einer akut auftretenden Bewusstseinstrübung diese Angelegenheiten rechtlich nicht selber regeln kann. Wurde in einer Patientenverfügung oder Vorsorgevollmacht eine andere Person als der Ehepartner befugt, tritt das Notvertretungsrecht nicht in Kraft.
Nichteheliche Lebensgemeinschaften
Nichteheliche Lebensgemeinschaften oder auch eheähnliche Gemeinschaften unterliegen keinen rechtlichen Regelungen. Deshalb sind hier Vollmachten, Testament und eventuell vertragliche Vereinbarungen (Partnerschaftsvertrag) besonders wichtig. Eine Eheschließung ist nur möglich, solange Menschen mit Demenz noch ehefähig, also vor allem geschäftsfähig sind.
Elternunterhalt
Da laut Gesetz Ehegatten und Verwandte ersten Grades verpflichtet sind, einander Unterhalt zu gewähren, müssen je nach finanzieller Situation erst die Ehepartner und dann die Kinder einspringen, wenn Rente und gesetzliche Zahlungen für die Gesamtkosten der Pflege nicht ausreichen. Grundsätzlich sind Kinder ihren Eltern zum Unterhalt verpflichtet; selbst dann, wenn sie lange nicht in Kontakt gestanden haben. Ab einem Jahresbruttoeinkommen von 100.000 Euro sind Kinder zum Unterhalt verpflichtet. Schwiegertöchter und -söhne sind den Schwiegereltern nicht zum Unterhalt verpflichtet.
Unterstützung und Beratung
Die Betreuungsbehörde des Amtes für Soziales und Jugend berät persönlich zu diesen Themen und stellt Vordrucke zur Verfügung. Informationen über die Rechtslage zu freiheitsentziehenden Maßnahmen wie z.B. Bettgittern oder sedierenden Medikamenten bei Demenz finden Sie unter Demenz > Freiheitsentziehende Maßnahmen. Menschen mit geringem Einkommen können bei rechtlichen Fragen gegebenenfalls Beratungshilfe nach dem Beratungshilfegesetz (BerHG) erhalten. Hierzu muss in der Regel ein Antrag beim örtlich zuständigen Amtsgericht gestellt werden. Es gibt zahlreiche Beratungsstellen, Selbsthilfegruppen und professionelle Pflegedienste, die Angehörige und Betroffene unterstützen können. Die Deutsche Alzheimer Gesellschaft e.V. bietet umfassende Informationen und Unterstützung für Menschen mit Demenz und ihre Familien.
Reform des Betreuungsrechts
Ab dem 1. Januar 2023 gelten die neuen Regelungen des reformierten Betreuungsrechts. Es hebt stärker als bisher das Recht auf Selbstbestimmung der betreuten Person hervor. Der gerichtlich bestellte Betreuer oder die gerichtlich bestellte Betreuerin hat vielmehr eine Unterstützungsfunktion. Diese Funktion verpflichtet, der betreuten Person die Besorgung ihrer Angelegenheiten durch eigenes, selbstbestimmtes Handeln zu ermöglichen. Wird die Selbstbestimmung der betreuten Person eingeschränkt beziehungsweise nicht ausreichend berücksichtigt, können Pflichtverletzungen der Betreuungsperson besser erkannt und sanktioniert werden.
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