Schluckbeschwerden, in der Fachsprache Dysphagie genannt, sind ein häufiges und oft unterschätztes Problem, insbesondere bei älteren Menschen und solchen mit Demenz. Sie können die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen und zu schwerwiegenden gesundheitlichen Komplikationen führen. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen, Symptome, Diagnose und Behandlung von Schluckbeschwerden im Zusammenhang mit Demenz, um Betroffenen und ihren Angehörigen ein umfassendes Verständnis und praktische Hilfestellungen zu bieten.
Was ist Dysphagie?
Der Begriff Dysphagie bezeichnet eine Störung des Schluckvorgangs, bei der feste Nahrung und/oder Flüssigkeiten nicht mehr problemlos heruntergeschluckt werden können. Es handelt sich um eine schmerzfreie Störung. Im Gegensatz dazu steht die Odynophagie, die schmerzhafte Schluckstörung. Je nach Schweregrad kann die Nahrungsaufnahme erschwert oder sogar unmöglich sein, was zu Mangelernährung und Dehydration führen kann. Dysphagie ist keine eigenständige Krankheit, sondern ein Symptom, das auf verschiedene zugrunde liegende Ursachen hinweisen kann.
Der komplexe Schluckvorgang
Beim Schlucken sind zahlreiche Organe und Muskeln beteiligt, darunter Lippen, Kiefer, Zunge, Gaumen, Kehlkopf und der Schließmuskel der Speiseröhre. Diese arbeiten koordiniert zusammen, um Nahrung und Flüssigkeit vom Mund in den Magen zu transportieren. Der Schluckvorgang lässt sich in drei Phasen unterteilen:
- Orale Phase: Hier wird die Nahrung zerkleinert und mit Speichel vermischt, um einen schluckfähigen Brei zu bilden.
- Pharyngeale Phase: Der Nahrungsbrei wird in den Rachen transportiert, wobei der Schluckreflex ausgelöst wird. Gleichzeitig wird die Luftröhre verschlossen, um zu verhindern, dass Nahrung in die Atemwege gelangt.
- Ösophageale Phase: Der Nahrungsbrei gelangt in die Speiseröhre und wird durch Muskelbewegungen (Peristaltik) in den Magen befördert.
Störungen in einer dieser Phasen können zu Schluckbeschwerden führen.
Ursachen von Schluckbeschwerden bei Demenz
Schluckbeschwerden treten häufig bei Menschen mit Demenz auf, insbesondere im fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung. Dies liegt an verschiedenen Faktoren:
Lesen Sie auch: Fortgeschrittene Demenz: Ein umfassender Überblick
- Neurologische Veränderungen: Demenz führt zu Veränderungen im Gehirn, die die Koordination der Muskeln beeinträchtigen können, die am Schluckvorgang beteiligt sind. Ein Schlaganfall ist eine häufige Ursache für Schluckstörungen im Alter, da Störungen des Nervensystems, im Rückenmark oder im Gehirn das Zusammenspiel der Muskeln und Organe im Schluckprozess beeinträchtigen können.
- Kognitive Beeinträchtigungen: Menschen mit Demenz können Schwierigkeiten haben, den Schluckvorgang bewusst zu steuern oder sich daran zu erinnern, wie man richtig schluckt. Im Verlauf einer Demenzerkrankung gehen die kognitiven Fähigkeiten verloren, die dazu notwendig sind. Menschen mit Demenz haben oft bereits in der ersten Schluckphase Probleme.
- Veränderte Essgewohnheiten: Demenz kann das Hunger- und Durstgefühl verändern, was zu einer unzureichenden Nahrungsaufnahme führen kann.
- Motorische Probleme: Im fortgeschrittenen Stadium der Demenz können motorische Fähigkeiten wie der Umgang mit Besteck oder die Bewegung vom „Löffel zum Mund“ verloren gehen, was die selbstständige Nahrungsaufnahme erschwert.
- Begleiterkrankungen: Erkrankungen wie Parkinson, Multiple Sklerose oder Schlaganfall, die häufig mit Demenz einhergehen, können ebenfalls Schluckbeschwerden verursachen.
Symptome von Schluckbeschwerden
Die Symptome von Schluckbeschwerden können vielfältig sein und je nach Ursache und Schweregrad variieren. Zu den häufigsten Anzeichen gehören:
- Häufiges Verschlucken, Husten oder Räuspern beim Essen oder Trinken
- Nahrung oder Flüssigkeit läuft aus dem Mund oder der Nase
- Ein Gefühl, dass Nahrung im Hals stecken bleibt
- Schwierigkeiten, den Schluckvorgang einzuleiten
- Verlängerte Essenszeiten
- Feuchte oder gurgelnde Stimme nach dem Schlucken
- Wiederholtes Schlucken ohne erkennbaren Grund
- Gewichtsverlust oder Anzeichen von Mangelernährung
- Wiederkehrende Lungenentzündungen
- Vermehrte Speichelproduktion oder Schwierigkeiten, Speichel zu schlucken
Es ist wichtig, diese Anzeichen frühzeitig zu erkennen und ärztlichen Rat einzuholen, um Komplikationen zu vermeiden.
Diagnose von Schluckbeschwerden
Die Diagnose von Schluckbeschwerden umfasst in der Regel eine umfassende Anamnese, eine körperliche Untersuchung und verschiedene diagnostische Tests.
- Anamnese: Der Arzt wird nach den spezifischen Symptomen, der Krankengeschichte und möglichen Risikofaktoren fragen. Notizen aus dem Pflegealltag können hierbei sehr hilfreich sein.
- Körperliche Untersuchung: Der Arzt untersucht den Mundraum, die Zunge, den Rachen und den Kehlkopf, um mögliche Ursachen für die Schluckbeschwerden zu identifizieren.
- Schlucktests: Hierbei wird die Fähigkeit des Patienten, verschiedene Konsistenzen von Nahrung und Flüssigkeit zu schlucken, beobachtet.
- Flexible Endoskopische Evaluation des Schluckens (FEES): Ein flexibles Endoskop wird durch die Nase eingeführt, um den Schluckvorgang in Echtzeit zu beobachten.
- Videofluoroskopie: Eine Röntgenuntersuchung mit Kontrastmittel, um den Schluckvorgang детально darzustellen.
Je nach Ursache der Dysphagie kommen unterschiedliche Spezialisten in Frage. Am besten sprechen Sie zunächst mit dem bereits behandelnden Arzt oder dem Hausarzt des Betroffenen, der Sie dann an einen passenden Spezialisten verweisen kann. Die Diagnose erfolgt durch speziell ausgebildete Logopäden, die vom HNO-Arzt, Neurologen oder Hausarzt überwiesen werden.
Behandlung von Schluckbeschwerden
Die Behandlung von Schluckbeschwerden zielt darauf ab, die Schluckfunktion zu verbessern, Komplikationen zu vermeiden und die Lebensqualität des Betroffenen zu erhöhen. Die Therapie richtet sich nach der Ursache und dem Schweregrad der Dysphagie.
Lesen Sie auch: Wechselwirkungen zwischen Schmerzmitteln und Demenz
- Schlucktherapie: Logopäden entwickeln individuelle Übungsprogramme, um die Muskeln zu stärken, die am Schluckvorgang beteiligt sind, und die Koordination zu verbessern. Durch das Training von Muskeln und Organen, die beim Schlucken beteiligt sind, können Sie die Nahrungsaufnahme erleichtern. Ziel des Schlucktrainings ist es, mit gezielten motorischen Übungen die Abläufe einer funktionsfähigen Nahrungsaufnahme bewusst zu machen, zu korrigieren und zu stärken.
- Anpassung der Ernährung: Die Konsistenz der Nahrung und Flüssigkeit wird an die individuellen Bedürfnisse des Betroffenen angepasst. Bei ausgeprägten Schluckstörungen kann pürierte oder passierte Kost hilfreich sein. Empfehlenswert ist weiche, aber nicht zu flüssige Kost. Damit die Ernährung nicht zu einseitig und langweilig wird, können Sie ruhig auch Nahrungsmittel pürieren, bei denen Sie das sonst nicht tun würden. Pürierter Schweinebraten? - Kein Problem. Hauptsache es schmeckt und macht Appetit. Das Hinzufügen von Andickungsmittel ist bei Festnahrung oft gar nicht notwendig. Bei Getränken hingegen schon. Manche Andickungsmittel haben einen leichten Eigengeschmack, der in Kombination mit Wasser noch unangenehm durchkommen kann. Besser schmecken da oft angedickte Saftschorlen oder Tees, die diesen Geschmack leicht überdecken.
- Haltungskorrektur: Eine aufrechte Körperhaltung beim Essen und Trinken erleichtert den Schluckvorgang. Ist der von Dysphagie Betroffene bettlägerig, sollten Sie ihn zu jeder Mahlzeit und auch zum Trinken in eine aufrechte Liegeposition bringen.
- Medikamentöse Behandlung: In einigen Fällen können Medikamente eingesetzt werden, um die Speichelproduktion zu reduzieren oder die Muskelentspannung zu fördern. Manche Begleiterscheinungen von Dysphagie lassen sich mit bestimmten Wirkstoffen abmildern. So kann zum Beispiel das Risiko einer Lungenentzündung (Pneumonie) mit bestimmten Medikamenten verringert werden. Andere Medikamente verringern konkret den Speichelfluss, wenn dieser verstärkt auftritt und eine gesundheitliche Gefahr darstellt.
- Chirurgische Eingriffe: In seltenen Fällen kann ein operativer Eingriff notwendig sein, um Hindernisse in der Speiseröhre zu beseitigen oder die Schluckfunktion zu verbessern. Wenn Mund, Rachen oder Speiseröhre physisch blockiert sind und deshalb keine Nahrung weitertransportiert werden kann, bietet sich manchmal ein operativer Eingriff an.
- Ernährungssonde: Wenn die orale Nahrungsaufnahme nicht mehr möglich ist, kann eine Ernährungssonde eingesetzt werden, um den Körper mit Nährstoffen zu versorgen. Bei schwerer Dysphagie oder wenn die orale Nahrungsaufnahme blockiert ist, bleibt oft nur die Ernährung über klinische Sonden. Beide Varianten können auch in der häuslichen Pflege eingesetzt werden.
Praktische Tipps für den Umgang mit Schluckbeschwerden bei Demenz
Neben den medizinischen und therapeutischen Maßnahmen gibt es eine Reihe von praktischen Tipps, die den Umgang mit Schluckbeschwerden bei Demenz erleichtern können:
- Schaffen Sie eine ruhige und entspannte Essensumgebung: Vermeiden Sie Ablenkungen wie Fernsehen oder laute Gespräche.
- Nehmen Sie sich Zeit für die Mahlzeiten: Eile kann zu Verschlucken führen. Menschen mit Schluckstörungen brauchen Zeit und Ruhe zum Essen.
- Bieten Sie kleine Portionen an: Dies erleichtert das Kauen und Schlucken. Statt der klassischen drei Hauptmahlzeiten empfiehlt sich die Verteilung auf mehrere kleine Mahlzeiten über den Tag, da dies die Kalorienaufnahme erleichtert.
- Achten Sie auf die Konsistenz der Nahrung: Vermeiden Sie Mischkonsistenzen wie Suppen mit Einlage, da diese schwer zu schlucken sein können. Die Anpassung der Nahrungskonsistenz muss individuell erfolgen.
- Bieten Sie weiche, leicht kaubare Speisen an: Gekochtes Gemüse, püriertes Obst oder Joghurt sind gute Optionen. Weit verbreitet im Alter sind Verdauungsprobleme bis Verstopfung (Obstipation). Gründe dafür sind unter anderem zu wenig Bewegung und mangelnde Flüssigkeitszufuhr.
- Verwenden Sie Hilfsmittel: Spezielles Besteck mit dicken Griffen oder Tellerranderhöhungen kann die selbstständige Nahrungsaufnahme erleichtern. Bei einer nachlassenden Beweglichkeit der Hände und Arme kann spezielles Geschirr die Nahrungsaufnahme erleichtern. Es gibt Besteck mit dicken, rutschfesten Griffen, vertieften Löffelschalen oder speziell gebogenes Besteck.
- Achten Sie auf eine gute Mundhygiene: Regelmäßiges Zähneputzen und die Reinigung der Mundhöhle können das Risiko von Infektionen reduzieren. Munderkrankungen wie beispielsweise Zahnfleischentzündungen und Mundsoor können die Nahrungsaufnahme zusätzlich erschweren. Eine sorgfältige Mundpflege kann Munderkrankungen wie diese vorbeugen.
- Bieten Sie Getränke regelmäßig an: Achten Sie darauf, dass der Betroffene ausreichend trinkt, um Dehydration zu vermeiden. Getränke sollten den Tag über regelmäßig angeboten und an mehreren Stellen in der Wohnung positioniert werden. Das Trinkgefäß und das Getränkeangebot können für die Trinkbereitschaft eine Rolle spielen. Farbige Becher werden besser wahrgenommen und animieren zum Trinken. Schnabeltassen sind nur geeignet, wenn keine Schluckbeschwerden bestehen, da Getränke sonst unkontrolliert in Mund und Rachen fließen können.
- Beziehen Sie den Betroffenen in die Essenszubereitung ein: Dies kann den Appetit anregen und positive Erinnerungen wecken. Es kann hilfreich sein, Menschen mit Demenz in die Speisenzubereitung mit einzubeziehen. Durch verschiedene Gerüche werden positive Erinnerungen geweckt. Durch Aktivitäten wie Kochen können motorische Fähigkeiten erhalten bleiben.
- Berücksichtigen Sie veränderte Geschmacksvorlieben: Menschen mit Demenz entwickeln häufig eine Vorliebe für süße Speisen. Die Geschmacksempfindungen bei Demenz können sich verändern, oft werden süße Speisen bevorzugt. Bittere oder salzige Speisen werden teilweise als unangenehm empfunden und deshalb abgelehnt. Neben dem Geschmack wird oft auch die Temperatur der Nahrung nicht mehr gut wahrgenommen.
- Nutzen Sie Fingerfood: Fingerfood ermöglicht Menschen mit Demenz, ihre Selbstständigkeit beim Essen länger zu bewahren.
- Sicherheitstrinkbecher: Sicherheitstrinkbecher helfen, Verschlucken zu vermeiden, indem sie kontrollierte Flüssigkeitsmengen abgeben.
Die Rolle der Angehörigen und Pflegekräfte
Angehörige und Pflegekräfte spielen eine entscheidende Rolle bei der Betreuung von Menschen mit Demenz und Schluckbeschwerden. Sie sind oft die ersten, die Veränderungen im Essverhalten oder Anzeichen von Schluckbeschwerden bemerken. Es ist wichtig, dass sie sich über die Erkrankung informieren, die oben genannten Tipps umsetzen und eng mit dem medizinischen Fachpersonal zusammenarbeiten.
Die Rund-um-die-Uhr-Betreuung von Menschen mit Demenz führt häufig zu physischen und emotionalen Belastungen bei pflegenden Angehörigen. Studien zeigen, dass viele Angehörige während der Pflegephase verstärkt Medikamente benötigen und ihre körperliche Gesundheit sich verschlechtert. Professionelle Unterstützung ist essentiell, um die Pflegesituation langfristig bewältigen zu können. Die Deutsche Alzheimer Gesellschaft und Pflegestützpunkte bieten zusätzlich umfassende Informationen über regionale Unterstützungsangebote.
Lesen Sie auch: Ursachen und Behandlung von Zittern bei Demenz
tags: #Demenz #Schluckbeschwerden #Ursachen #Behandlung