Demenz und Aggressivität: Ursachen und Behandlungsansätze

Aggressives Verhalten bei Menschen mit Demenz stellt eine große Herausforderung für Angehörige und Betreuer dar. Es ist wichtig zu verstehen, dass diese Aggressionen in der Regel nicht böswillig sind, sondern Ausdruck von Verzweiflung, Frustration und Hilflosigkeit aufgrund der fortschreitenden kognitiven Beeinträchtigungen. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen von Aggressivität bei Demenz und stellt verschiedene Behandlungsansätze vor, um Betroffenen und ihren Angehörigen zu helfen.

Was bedeutet Aggressivität bei Demenz?

Wenn Menschen mit Demenz nicht weiterwissen, reagieren sie oft aggressiv - sie schimpfen, schreien oder werfen mit Gegenständen. Aggressives Verhalten ist eine typische Begleiterscheinung von Demenzerkrankungen, mit der viele Angehörige und Bezugspersonen im Laufe der Erkrankung konfrontiert werden. Aggressive Reaktionen von Menschen mit Alzheimer-Demenz können verschiedene Ursachen haben. Vielmehr sind Wutausbrüche und Beschimpfungen Ausdruck von Verzweiflung und Hilflosigkeit, zum Beispiel, weil jemand bestimmte Dinge im Alltag nicht (mehr) bewältigen kann, sich unverstanden, beunruhigt oder bedroht fühlt.

Aggressives und scheinbar bösartiges Verhalten bei Demenz ist ein komplexes und oft missverstandenes Verhaltensmuster, das bei etwa 50 Prozent der Menschen mit Demenz auftreten kann. Hier spielt besonders die Frustration über den kognitiven Abbau sowie äußere Faktoren eine große Rolle. Auch wenn der Ausdruck vom „aggressiven Demenzerkrankten“ noch vielfach Verwendung findet, wird in der Fachwelt zunehmend versucht, darauf zu verzichten. Die Definition des Begriffes „Aggression“ beinhaltet, dass von „aggressivem Verhalten“ nur dann gesprochen werden kann, wenn dieses mit Absicht erfolgt. Aggression bedeutet also, dass ich etwas tue, um zielgerichtet einen anderen Menschen oder eine Sache zu schädigen, zu verletzen, zu beleidigen usw. Ein an einer Demenzursache erkranktes Gehirn jedoch verliert zumeist die Fähigkeit zu geplantem, zielgerichtetem, absichtsvollem Handeln. Die uns herausfordernden Verhaltensweisen von Demenzerkrankten sollten vielmehr als Affekt eingeordnet werden. Also als eine - oft heftige - Gefühlsregung, deren Ursache sehr viel mit Frustration der Erkrankten zu tun hat. Wir verwenden hier trotzdem den Begriff der „Aggression“, um das Erleben der Umwelt aufzugreifen.

Ursachen von Aggressivität bei Demenz

Aggressives Verhalten bei Menschen mit Demenz kann sehr unterschiedlich ausfallen und verschiedene Symptome umfassen. Ursachen sind häufig Verwirrung und Frustration, die direkt durch die Erkrankung selbst ausgelöst werden. Bitte beachten Sie, dass das demenzerkrankte Gehirn nur noch einen Input, eine Information - also zum Beispiel ein Geräusch in der Umgebung - verarbeiten kann. Schon ein nebenbei laufender Fernseher, Radio oder Gespräche von mehreren Personen gleichzeitig wie auch unsere Missbilligung und Kritik am Tun oder Lassen der Erkrankten, können zu Unruhe und heftigen Reaktionen der Betroffenen führen.

Menschen mit Demenz verändern häufig ihr Verhalten. Sie können reizbar werden, sich über Kleinigkeiten aufregen oder sich zurückziehen. In manchen Fällen ist die Demenz mit Aggressivität und Wut verbunden. Was steckt hinter diesem veränderten Verhalten und wie sollten Angehörige mit Aggressionen bei Demenz umgehen?

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  • Körperliche Ursachen:
    • Schmerzen: Körperliche Schmerzen oder Unwohlsein können eine Ursache sein. Sorgen Sie für regelmäßige Untersuchungen auf körperliche Beschwerden und verabreichen Sie bei Bedarf angemessene Schmerzmedikation. Fragen Sie direkt nach, ob und was ihnen wehtut, wenn sie noch durch verbale Kommunikation zu erreichen ist. Beobachten Sie auch ihre Körpersprache genau: Werden bestimmte Körperteile gerieben oder gehalten? Ist eine Schonhaltung zu sehen? Lässt eine flache, schnelle Atmung auf Schmerzen schließen? Weist starkes Schwitzen auf Fieber hin? Könnte das plötzlich deutlich häufigere Aufsuchen der Toilette ein Anzeichen für einen Harnwegsinfekt sein? Holen Sie sich im Zweifelsfall ärztlichen Rat.
    • Allgemeiner Stress: Im Alltag von Menschen mit Demenz kommt es immer wieder zu Überforderungssituationen, die Frustration oder Angst auslösen können. Sie reagieren dann oft ungeduldig, gereizt oder verärgert.
  • Umweltfaktoren:
    • Zu viele Reize: Umweltfaktoren spielen ebenfalls eine wichtige Rolle. Grelles Licht, viele Menschen oder Lärm können Menschen mit Demenz schnell überfordern. Meiden Sie hektische Orte oder planen Sie bei außergewöhnlichen Terminen wie Arztbesuchen genügend Vorbereitungszeit ein.
    • Überforderung: Zu viel Lärm, eine zu hektische Umgebung oder eine Flut von Anweisungen können überfordern und zu aggressiven Reaktionen führen. Erklären Sie eine bevorstehende Aktivität behutsam und vergewissern Sie sich, dass die betroffene Person verstanden hat, was geschieht.
    • Bitte bedenken Sie, dass etwa 80 Prozent der Verhaltensprobleme bei Menschen mit Demenz durch ungeeignete Umgebungsbedingungen verursacht werden.
  • Psychische und soziale Faktoren:
    • Menschen mit demenziellen Veränderungen können sich manchmal nicht richtig ausdrücken, fühlen sich unverstanden, sind gestresst, verängstigt, frustriert oder überfordert. Hinzu kommt, dass die Ursachen für Aggressionen bei Demenz vielfältig sein können und nicht immer offensichtlich sind. Die Unsicherheit und der Stress, der durch das unberechenbare Verhalten der demenzerkrankten Person entsteht, können Angehörige überfordern und die Beziehung zu den Betroffenen belasten.
    • Keine Aufgabe mehr zu haben, macht sie unzufrieden. Tagtäglich neue Defizite zu erleben und an ihrem Verstand zu zweifeln, stimmt einige auch ängstlich oder gar wütend. Als Angehörige und Pflegende sollten Sie sich dies bewusst machen, wenn Ihr Geduldsfaden zu reißen droht. Beschuldigt Sie die betroffene Person, etwas verlegt oder gar gestohlen zu haben, dann denken Sie daran, dass sie ihre Fehler und Gedächtnislücken aus Selbstschutz verleugnet. Versuchen Sie herauszufinden, was sie möchte oder über was sie sich aufregt, wenn sie ihrem Ärger lautstark Luft macht.
  • Veränderungen im Gehirn:
    • Die speziellen Abbau-Prozesse im Gehirn bei der Frontotemporalen Demenz führen häufig zu sehr schwierigen Verhalten der Betroffenen. Sie verhalten sich plötzlich anders - unsozial - und ihre Persönlichkeit verändert sich. Sie ziehen sich zurück, interessieren sich nicht mehr für Familie und Hobbys, werden teilnahmslos, antriebslos oder sogar apathisch. Einige verhalten sich taktlos, sind leichter reizbar und manchmal rücksichtslos, streitbar. Bei der vaskulären Demenz sind herausfordernde Verhaltensweisen sehr abhängig vom jeweiligen Krankheitsverlauf.
  • Sexuelle Enthemmung:
    • Ein besonders sensibles Thema ist die sexuelle Enthemmung, die bei einigen Demenzerkrankungen wie der vaskulären Demenz, der frontotemporalen Demenz, der Lewy-Body-Demenz oder der Parkinson-Krankheit auftreten kann. Dies äußert sich unter Umständen in Form von sexuell übergriffigen Handlungen wie beispielsweise durch unerwünschtes Berühren intimer Körperteile. Diese demenzbedingten Verhaltensänderungen verlangen Angehörigen und Pflegepersonen viel ab und können auf Dauer äußerst belastend sein.

Umgang mit Aggressivität: Nicht-medikamentöse Strategien

Die Behandlung von sogenannten Aggressionen bei Demenz braucht eine sorgfältige Planung. Grundsatz der Begleitung und Pflege von Menschen mit Demenz ist, dass zuerst alle nicht-medikamentösen Maßnahmen ausprobiert werden. Aggressives Verhalten bei Menschen mit Demenz kann durch Frustration, Schmerz oder Verwirrung ausgelöst werden. Der nicht-medikamentöse Ansatz zur Behandlung von „Aggressionen bei Demenz“ sollte immer zuerst gewählt werden.

  • Geduld, Gleichmut und Einfühlungsvermögen: Ist der Stress einmal da, helfen vor allem Geduld, Gleichmut und Einfühlungsvermögen. Versuchen Sie herauszufinden, was den Menschen so stresst und beseitigen Sie nach Möglichkeit den Auslöser. Vermeiden Sie auf jeden Fall, selbst wütend oder vorwurfsvoll zu reagieren. Auch „vernünftige Argumente“ helfen in emotional aufgeladenen Situationen meist nicht weiter. Zeigen Sie Verständnis für Ihr Gegenüber und machen Sie sich klar, dass er oder sie Sie braucht, um wieder aus der frustrierenden Situation hinauszukommen. Versuchen Sie, mit sanfter Sprache und beruhigenden Gesten zu trösten.
  • Strukturierter Tagesablauf: Menschen mit Demenz fühlen sich sicherer, wenn sie wissen, was als Nächstes kommt. Ein gut strukturierter Tagesablauf mit regelmäßigen Mahlzeiten, Ruhephasen und Aktivitäten gibt Sicherheit und Orientierung. Geregelter Tagesablauf: Menschen mit Demenz fühlen sich sicherer, wenn sie wissen, was als Nächstes kommt. Ein gut strukturierter Tagesablauf mit regelmäßigen Mahlzeiten, Ruhephasen und Aktivitäten gibt Sicherheit und Orientierung.
  • Klare Kommunikation: Frustration entsteht oft durch das Gefühl, nicht verstanden zu werden. Auf jeden Fall ist es wichtig, in einem ruhigen Tonfall zu sprechen und in kurzen Sätzen.
  • Belastende Situationen und Orte vermeiden: Grelles Licht, viele Menschen oder Lärm können Menschen mit Demenz schnell überfordern. Meiden Sie hektische Orte oder planen Sie bei außergewöhnlichen Terminen wie Arztbesuchen genügend Vorbereitungszeit ein.
  • Training für Angehörige: In Kursen für pflegende Angehörige können Sie lernen, mit schwierigem Verhalten und seelischen Auffälligkeiten bei Demenz umzugehen. Wenn Sie einen Menschen mit Demenz betreuen, ist es wichtig, gut auf sich selbst zu achten. Aggressive Vorfälle sind nie einfach, besonders wenn man jemanden liebt und sich täglich um ihn kümmert. Sprechen Sie über Ihre Gefühle und versuchen Sie, Abstand zu gewinnen, indem Sie sich zum Beispiel mit anderen Angehörigen austauschen, die ähnliche Erfahrungen machen.
  • Ablenkung: Lenken Sie die Aufmerksamkeit auf etwas Positives oder Interessantes. Das kann eine beruhigende Melodie, ein Fotoalbum oder eine angenehme Tätigkeit sein.
  • Anpassung der Umgebung: Die Anpassung der Wohn- oder Pflegeumgebung kann wesentlich zur Beruhigung beitragen. Die Angehörigen können versuchen, eine demenzgerechte Raumgestaltung einzusetzen, so dass Verlockungen wie Türen weniger einladend wirken. Zum Beispiel kann eine Tür mit einem großformatigen Bild eines Bücherregals verdeckt werden.
  • Ergotherapie: Ein Ergotherapeut kann Aktivitäten entwickeln, die sowohl stimulierend als auch beruhigend wirken.
  • Tiergestützte Therapie: In manchen Fällen kann der Umgang mit Tieren eine beruhigende Wirkung haben.
  • Musiktherapie: Manche Demenzkranke reagieren positiv auf Musik.
  • Validation: Naomi Feil, die Begründerin der Validation schreibt, dass der Mensch danach strebt, in Frieden zu sterben. Die letzten Jahre seines Lebens beschäftigt er sich mit der Aufarbeitung seines Lebens. Dazu gehört auch, dass ungelebte Emotionen und Gefühle an die Oberfläche kommen und jetzt durchlebt werden müssen. Dahinter steht oft nicht verarbeitetes Leid. Hier findet sich oftmals die Antwort nach dem Sinn des auf den Außenstehenden oft völlig unverständlichen Verhaltens. Dies beantwortet zwar nicht die Frage, wie ich damit umgehe, aber es gibt Angehörigen und betreuenden Personen unter Umständen eine neue Perspektive und lässt sie mehr Abstand von der Situation gewinnen. Vor allem die Erkenntnis, dass sich die Aggression nicht ursächlich gegen sie wendet, sondern der Mensch mit Demenz versucht, seine ungelösten Themen zu bearbeiten, kann Entspannung bringen. Entspannt sich das Gegenüber, kann sich auch der Mensch mit Demenz etwas entspannen. Dazu muss ich sagen, dass dies nicht einfach ist und der betreuenden Person viel Einfühlungsvermögen und Geduld abverlangt.
  • Selbstvertrauen stärken: Sprechen Sie mit Menschen mit Demenz über früher, besonders über Dinge, die ihnen am Herzen liegen und auf die die betroffenen Personen stolz sind. Egal, ob Sie beispielsweise über den hausfraulichen Einfallsreichtum in der Nachkriegszeit oder über frühere wissenschaftliche Leistungen reden, vermitteln Sie das Gefühl, dass Sie sie ernst nehmen und ihre Lebensleistungen anerkennen. Lassen Sie sie beispielsweise im Haushalt helfen, auch wenn die ihnen übertragene Aufgabe vielleicht sehr langsam oder auch fehlerhaft von der Hand geht. Lassen Sie sie weiter einkaufen, auch wenn sie dabei die Hälfte vergessen. Loben Sie sie für das Mitgebrachte und danken Sie den Menschen mit Demenz für die Hilfe. Das fördert die Zufriedenheit, gibt Selbstvertrauen und vermindert Aggressionen. Vielleicht lassen Sie auch die Angestellten im Supermarkt wissen, dass Ihr Familienmitglied eine Demenz hat. Wenn dann zehn Tuben Zahncreme im Einkaufskorb liegen, weiß die Kassiererin, dass Sie neun davon wahrscheinlich wieder zurückbringen werden.
  • Humor: Um Konflikten und Aggressionen vorzubeugen, hilft es auch, den Sinn für Humor zu trainieren. Gemeinsames Lachen entspannt nämlich alle Beteiligten und hat nachweislich gesundheitsfördernde Auswirkungen. Versuchen Sie deshalb, neben all dem Tragischen und Nervenaufreibenden in der Begleitung von Menschen mit Demenz gezielt sich ergebende Situationskomik wahrzunehmen und gemeinsam mit ihnen darüber zu lachen (allerdings nicht über die Betroffenen!). Schauen Sie sich immer mal wieder gemeinsam lustige Filme an, am besten solche, die ohne viel Sprache auskommen (zum Beispiel „Die kleinen Strolche“, „Väter der Klamotte“, „Dick und Doof“ aus der Stummfilmzeit, oder aktuellere wie „Mr. Bean") - das hebt die Stimmung. Sie können den Aggressionen von Menschen mit Demenz auch vorbeugen, indem sie ihnen zum Ausgleich für die von ihnen erlebten Niederlagen und Frustrationen Momente von Schadenfreude ermöglichen: Es tut ihnen erwiesenermaßen gut, wenn wir sie auf unsere eigenen Ungeschicklichkeiten hinweisen, uns bewusst dümmer anstellen, als wir sind, und ihnen so Gelegenheit geben, uns auszulachen.
  • Die eigene Ausstrahlung reflektieren: Menschen mit Demenz werden zunehmend von den Emotionen und Verfassungen der Personen in ihrer Umgebung beeinflusst. Zudem deuten sie manche nonverbalen Signale falsch. So können sie beispielsweise einen konzentrierten Gesichtsausdruck irrtümlicherweise als Anzeichen für Ärger und schlechte Laune wahrnehmen. Daher ist es zur Vorbeugung herausfordernder Verhaltensweisen wie beispielsweise Schreien und Um-sich-Schlagen auch sinnvoll, seine eigenen Verhaltensweisen und seine Körpersprache zu reflektieren: Um Angst und Erschrecken zu vermeiden, sollten Sie niemals von hinten an Betroffene herantreten oder sie ohne Vorankündigung berühren. Um keine Blockaden und Widerstände bei irgendwelchen gemeinsamen Aktivitäten hervorzurufen, sollten Sie Menschen mit Demenz niemals hetzen: Je mehr Sie sie zum Beeilen drängen, desto langsamer werden sie nämlich in der Regel und desto schlechter „funktionieren“ sie. Um Missverständnisse und Aufregung zu verhindern, sollten Sie niemals mit sehr lauter und überdies hoher, schriller Stimme mit ihnen sprechen, denn das interpretieren sie als Anzeichen für Wut. Machen Sie sich zudem klar, dass sie bei Schwerhörigkeit hohe Töne deutlich schlechter hören können. Sie verstehen also das Gesagte nicht besser, sondern schlechter - insbesondere, wenn Sie zu laut und mit zu hoher Stimme mit den betroffenen Personen sprechen. Um Gereiztheit und Überforderung von Menschen mit Demenz vorzubeugen, hilft es schließlich auch, unnötigen Hintergrundlärm auf ein Minimum zu reduzieren.
  • Ruhe bewahren: Sie haben sich viel Mühe gegeben, etwas Leckeres zuzubereiten, Ihr Angehöriger mit Demenz schmeißt "den Fraß" aber einfach auf den Boden? Solche Situationen sind selbst für ausgebildete Pflegekräfte schwer auszuhalten. Doch einige Menschen mit Demenz werden leider gelegentlich so wütend, dass sie anfangen, um sich zu schlagen und mit Sachen zu werfen. Versuchen Sie, auch in diesen Situationen Ruhe zu bewahren. Verzichten Sie darauf, zu schimpfen und sich auf den Konflikt einzulassen, auch wenn das sehr schwer fällt: einen Streit mit einem Menschen mit Demenz kann man nicht gewinnen, weder mit rationalen noch mit emotionalen Argumenten! Gehen Sie stattdessen aus dem Raum und lassen Sie Ihr Familienmitglied mit Demenz kurz allein. Oftmals beruhigt es sich schnell und wird wieder zugänglich.
  • Auch für sich selbst sorgen: Es ist normal wütend zu werden, wenn Betroffene zum Beispiel jedes Mal Widerstand leisten, sobald sie gewaschen werden sollen. Es ist auch nachvollziehbar, dass man früher oder später erschöpft ist. Die eigene Gesundheit leidet, wenn Menschen mit Alzheimer oder einer anderen Form der Demenz jede Nacht um Hilfe rufen. Kein Mensch hat die Kraft, dies über längere Zeit allein auszuhalten. Lassen Sie sich von anderen unterstützen. Verteilen Sie die Aufgaben innerhalb der Familie oder holen Sie sich professionelle Hilfe. Ein ambulanter Pflegedienst oder eine Kurzzeit- oder Verhinderungspflege können Ihnen notwendige Auszeiten verschaffen.

Medikamentöse Behandlung

Medikamente immer unter ärztlicher Aufsicht. Medikamente zur Beruhigung sollten nur unter strenger fachärztlicher Aufsicht eingesetzt werden, da sie Nebenwirkungen haben können. Auch die Wechselwirkung mit anderen Medikamenten bedarf der genauen ärztlichen Überprüfung. Beobachten Sie bitte, ob verordnete Psychopharmaka die gewünschte Wirkung bei den Patienten zeigen. Gegebenfalls muss die medikamentöse Behandlung verändert werden. Manche Psychopharmaka wirken auch paradox, das heißt sie führen nicht zur Beruhigung, sondern verstärken das aufgeregte Verhalten der Patienten.

Die medikamentöse Behandlung sollte nicht nur das Problem, zum Beispiel die Aggressivität, behandeln, sondern auch die Ursache. Bevor Medikamente für die Psyche gegeben werden, sind andere Krankheiten zu behandeln. Diese Medikamente sollten nur für eine begrenzte Zeit eingesetzt werden, wenn andere Hilfen versagt haben oder wenn ernsthafte Probleme wie Wahnvorstellungen oder Gefährdung bestehen. Der Einsatz von Psychopharmaka und Medikamente aller Art bei Demenz bedarf der fachärztlichen Erfahrung und Kompetenz. Die medizinische Wissenschaft hat dafür eine spezielle Regel erstellt (S3-Behandlungsleitlinie „Demenzen“ der medizinischen Fachgesellschaften).

  • Neuroleptika: Risperidon und Haloperidol sind Medikamente, die bei mittelschwerer bis schwerer Alzheimer-Demenz eingesetzt werden können, insbesondere wenn die Person sehr streitsüchtig oder aggressiv ist. Haloperidol kann auch eingesetzt werden, wenn der Patient falsche Vorstellungen von der Realität hat oder Stimmen hört.
  • Antidepressiva: Am besten sind Serotinwiederaufnahmehemmer zur Behandlung einer affektiven Symptomatik untersucht. Eine Hyponatriämie mit Verschlechterung kognitiver Defizite oder Delir kann gelegentlich auftreten. Fluoxetin und Paroxetin (hohes Interaktionspotenzial) oder Trizyklika (anticholinerge Nebenwirkungen) sollten gemieden werden (31). Citalopram zeigte Wirksamkeit (32). Keine randomisierten kontrollierten Studien existieren zu Mirtazapin, Escitalopram, Venlafaxin (e19), Reboxetin und Duloxetin. Der Einsatz erfolgt als individueller Heilversuch. Trazodon (33) und MAO-Hemmer (34) zeigen in Einzelstudien eine Wirksamkeit. Trazodon hat einen positiven Effekt auf Angstzustände (33). Risiken sind Sedierung, hypertone Entgleisung und Priapismus. Die Behandlung der Apathie ist nicht ausreichend untersucht. Der Einsatz von Antidementiva als individueller Heilversuch kann jedoch hilfreich sein (e20).

Medikamente bei Demenz sollten nur eingesetzt werden, wenn andere Behandlungen ohne Medikamente nicht geholfen haben und wenn die Gefahr besteht, dass die Person mit Demenz sich selbst oder andere gefährdet. Es sollte ein Plan mit nicht-medikamentösen und medikamentösen Methoden erstellt werden.

Eskalation und Zwangseinweisung

Aggressive Situationen bei Menschen mit Demenz können für alle Beteiligten potenziell gefährlich werden. Wenn die Situation eskaliert, sollte eine Zwangseinweisung in Erwägung gezogen werden. Oberste Regel ist, bei entstehender Eskalation, die Handlung zu beenden bzw. die Situation zu verlassen. Und nach einigen Minuten noch einmal zu versuchen, die die anstehende Aktion umzusetzen. Natürlich gibt es Situationen, wo das nicht möglich sein wird, weil etwas unerlässlich getan oder unterlassen werden muss. Dann versuchen Sie bitte nach den folgenden Tipps zu handeln. Und bedenken Sie bitte, dass wenn Sie aufgeregt und nervös sind, Ihr Erkrankter das spüren wird, auch wenn Sie sich noch so viel Mühe geben, es zu verbergen. Menschen mit Demenz haben sehr feine „Antennen“ und spüren unsere emotionale Verfasstheit. Beruhigen Sie bitte sich selbst und versuchen Sie, von Anfang an souverän zu agieren. In einem solchen Extremfall müssen Sie professionelle Hilfe in Anspruch nehmen, um das Wohl aller Beteiligten zu gewährleisten.

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Unterstützung für Angehörige

Wenn Sie einen Menschen mit Demenz betreuen, ist es wichtig, gut auf sich selbst zu achten. Aggressive Vorfälle sind nie einfach, besonders wenn man jemanden liebt und sich täglich um ihn kümmert. Sprechen Sie über Ihre Gefühle und versuchen Sie, Abstand zu gewinnen, indem Sie sich zum Beispiel mit anderen Angehörigen austauschen, die ähnliche Erfahrungen machen.

  • Beratung und Hilfe: Die Deutsche Alzheimer Gesellschaft e.V. (DAlzG) bietet eine kostenlose Beratungshotline unter der Rufnummer 030 - 259 37 95 14 an, auch in türkischer Sprache. Erfahren Sie mehr über psychisch entlastende Demenz-Hilfen für Angehörige.
  • Austausch mit anderen Betroffenen: Neben Internetforen oder Weblogs können Sie sich auch in Angehörigenschulungen und Selbsthilfegruppen Rat holen und Erfahrungen austauschen. Informieren Sie sich über Angebote bei Beratungsstellen oder Pflegestützpunkten. Adressen für diese Hilfsangebote erhalten Sie bei den regionalen Alzheimer Gesellschaften, den Gedächtnisambulanzen und den Krankenkassen. Hier finden Sie eine Übersicht zu den Beratungsstellen in Ihrer Nähe: Adressdatenbanken

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