Ist Demenz vererbbar? Ein umfassender Überblick über die genetischen Aspekte der Alzheimer-Krankheit

Viele Menschen fragen sich, ob Demenz vererbbar ist, insbesondere wenn in ihrer Familie bereits Fälle von Alzheimer aufgetreten sind. Diese Frage ist von großer Bedeutung, da sie potenzielle Auswirkungen auf die Familienplanung, die Risikobewertung und die persönliche Vorsorge hat. Dieser Artikel beleuchtet die genetischen Aspekte der Alzheimer-Krankheit und gibt einen umfassenden Überblick über die verschiedenen Formen, Risikofaktoren und Testmöglichkeiten.

Einleitung

Die Alzheimer-Krankheit ist die häufigste Form der Demenz und betrifft in Deutschland aktuell mehr als eine Million Menschen. Obwohl die genauen Ursachen noch nicht vollständig geklärt sind, spielen genetische Faktoren eine wichtige Rolle bei der Entstehung der Krankheit. Es ist wichtig zu verstehen, dass es verschiedene Formen der Alzheimer-Krankheit gibt, von denen einige stärker mit genetischen Faktoren verbunden sind als andere.

Vererbbarkeit von Alzheimer: Seltene familiäre Form vs. häufige sporadische Form

Die Antwort auf die Frage, ob Alzheimer vererbbar ist, lautet: Ja, Alzheimer kann eine Erbkrankheit sein. Allerdings ist die erbliche Form sehr selten und betrifft nur etwa ein Prozent aller Erkrankten. In den übrigen 99 Prozent der Fälle tritt die Alzheimer-Krankheit von allein (sporadisch) auf, wobei das Alter den größten Risikofaktor darstellt.

Familiäre Alzheimer-Krankheit (FAD)

Die familiäre Alzheimer-Krankheit (FAD) ist eine seltene Form der Alzheimer-Krankheit, die durch die Weitergabe eines mutierten Gens von den Eltern auf die Kinder vererbt werden kann. Sie macht nur etwa 5 % aller Fälle aus. Inzwischen sind zumindest drei Gene identifiziert worden, die dazu führen können, dass Menschen bereits im jüngeren Alter (unter 60 Jahren) an Alzheimer erkranken.

Die Krankheit wird autosomal-dominant vererbt, das heißt, wenn ein Elternteil das mutierte Gen besitzt, gibt es eine 50-prozentige Wahrscheinlichkeit, dass auch die Kinder das Gen erben und somit erkranken. Betroffene erkranken häufig früh, zwischen dem 30. und 65. Lebensjahr.

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Sporadische Alzheimer-Krankheit

Bei 99 Prozent aller Alzheimer-Erkrankungen ist das Alter das größte Erkrankungsrisiko. Meist treten die Symptome erst nach dem 65. Lebensjahr auf. Allerdings scheint es auch einen genetischen Einfluss zu geben. Auch wenn das Alter der größte Risikofaktor ist, kann die Veränderung des Apolipoprotein Epsilon 4 (ApoE4)-Gens das Erkrankungsrisiko erhöhen. Allerdings führt diese genetische Veränderung nicht zwangsläufig zu einer Erkrankung.

Bekannte Gene und ihr Einfluss auf die Alzheimer-Krankheit

Es sind bisher drei Gene bekannt, die für die familiäre Form der Alzheimer-Krankheit verantwortlich sind: APP, PSEN1 und PSEN2. Wenn eines dieser Gene Mutationen aufweist, bricht die Alzheimer-Krankheit in jedem Fall aus.

APP (Amyloid-Precursor-Protein)

Das APP-Gen befindet sich auf Chromosom 21q21. Mutationen in diesem Gen können zu einer erhöhten Produktion von Beta-Amyloid führen, einem Proteinfragment, das sich im Gehirn ablagert und sogenannte "Plaques" bildet, die die Nervenzellen angreifen. Menschen mit Down-Syndrom (Trisomie 21) haben ein besonders hohes Risiko, an Alzheimer zu erkranken. Forschende gehen davon aus, dass dies an der dritten Kopie des APP-Gens liegt, welches sich ebenfalls auf dem 21. Chromosom befindet.

PSEN1 (Presenilin 1)

Das PSEN1-Gen befindet sich auf Chromosom 14q24. Mutationen in diesem Gen sind die häufigste Ursache für die familiäre Alzheimer-Krankheit. PSEN1 ist Teil des Gamma-Sekretase-Komplexes, der für die Spaltung von APP verantwortlich ist. Mutationen in PSEN1 können die Produktion von Beta-Amyloid beeinflussen und zur Plaquebildung beitragen.

PSEN2 (Presenilin 2)

Das PSEN2-Gen befindet sich auf Chromosom 1q42. Mutationen in diesem Gen sind seltener als Mutationen in PSEN1, können aber ebenfalls zur familiären Alzheimer-Krankheit führen. Auch PSEN2 ist Teil des Gamma-Sekretase-Komplexes und beeinflusst die Beta-Amyloid-Produktion.

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ApoE4 (Apolipoprotein Epsilon 4)

Das ApoE4-Gen ist ein Risikogen für die sporadische Alzheimer-Krankheit. Es befindet sich auf Chromosom 19. Das ApoE4-Gen könnte bei bis zu 25 Prozent aller Alzheimer-Fälle eine Rolle spielen. Eine spanische Forschungsgruppe um Juan Fortea hat sich dieses Gen einmal genauer angeschaut. Und dabei festgestellt: Tritt diese Erbgutvariante doppelt auf, ist die Gefahr besonders groß, an Alzheimer zu erkranken. Das bedeutet: Wer die Gen Variante APOE4 also von Vater und Mutter erbt, erkrankt ziemlich sicher, nämlich mit 90-prozentiger Wahrscheinlichkeit, an Alzheimer. "Eine doppelte Kopie dieser Variante gilt nicht mehr nur als Risiko, sondern als Ursache für eine Alzheimer-Erkrankung", bestätigt Johannes Levin, Demenzforscher am Uni-Klinikum Großhadern in München. "In diesem Fall fängt die Erkrankung auch früher an, bereits ab Mitte oder Ende sechzig, früher als normale sporadische Erkrankungen."

Gentests zur Risikobewertung und Diagnose

Gentests können Aufschluss über eine Alzheimer-Veranlagung geben. Sie können wertvolle Hinweise geben, besonders wenn es darum geht, eine seltene erbliche Form von Alzheimer-Demenz zu erkennen. Doch mit diesem Wissen geht auch Verantwortung einher - für sich selbst und für die Familie. Es gibt zwei Arten genetischer Tests:

  • Testung auf sogenannte Ursachen-Gene, wie APP, PSEN1 oder PSEN2, deren Veränderungen direkt mit der erblichen, bzw. familiären Form von Alzheimer-Demenz verbunden sein können.
  • Test auf Risiko-Gene wie ApoE4, der nur auf ein erhöhtes Risiko für die häufige, nicht vererbte Form der Alzheimer-Krankheit hinweist - eine sichere Vorhersage ist damit nicht möglich.

Wann ist ein Gentest sinnvoll?

Ein Gentest ist sinnvoll bei Personen unter 65 Jahren mit Symptomen einer Alzheimer-Erkrankung oder bei direkten Angehörigen von erkrankten Personen, bei denen die Mutation eines der Alzheimer-Gene (APP, PSEN1, PSEN2) nachgewiesen wurde. Das heißt: Wenn bereits jemand nachweislich an familiärer Alzheimer-Demenz erkrankt ist, können sich Geschwister und Kinder (ab dem 18. Lebensjahr) testen lassen, auch wenn sie selbst noch keine Symptome zeigen.

Ablauf und Kosten eines Gentests

Der Test wird in humangenetischen Testzentren oder in einer humangenetischen Sprechstunde anhand einer Blutprobe durchgeführt. Die Kosten für einen Alzheimer-Gentest werden von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen, wenn ein Verdacht auf die familiäre Form besteht. In Deutschland sind Selbsttests zu Hause aufgrund des Gendiagnostikgesetzes nicht möglich. Das Gesetz schreibt vor, dass vor dem Test ein Beratungsgespräch stattfinden muss und auch das Ergebnis nur von einer Humangenetikerin oder einem Humangenetiker mitgeteilt werden darf.

Ethische Aspekte und Beratung

Die Entscheidung für oder gegen einen Gentest ist nicht einfach. Deshalb gehört eine ausführliche humangenetische Beratung immer dazu. Sie hilft, die Chancen und Belastungen eines Tests realistisch einzuschätzen - für die getestete Person und die Familie. Denn auch wenn ein Gentest helfen kann, Ängste zu lindern, kann ein positives Ergebnis äußerst belastend sein. Eine fundierte Beratung hilft dabei, alle Aspekte dieser schwierigen Entscheidung zu durchdenken.

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Andere Demenzformen und ihre genetischen Aspekte

Neben der Alzheimer-Krankheit gibt es noch andere Demenzformen, die ebenfalls genetische Aspekte aufweisen können:

Frontotemporale Demenz (FTD)

Bei der FTD handelt es sich um eine heterogene Gruppe von Erkrankungen, die durch eine progressive Neurodegeneration im Bereich des Frontal- und Temporallappens gekennzeichnet sind. Klinisch stehen Veränderungen der Persönlichkeit und der Sprachfertigkeit am Beginn der Symptomatik im Vordergrund. Das Institut für Humangenetik der Universität Bonn schätzt, dass etwa zehn bis 15 Prozent der FTD vererbbar sind. In diesen Fällen wird oft beobachtet, dass mehrere Mitglieder der Familie von der Erkrankung betroffen sind. Mutationen in 3 Genen liegen der Mehrzahl monogener FTD-Formen zugrunde: MAPT (Microtubule-Associated Protein Tau) auf Chromosom 17q21, GRN (Granulin) auf Chromosom 17q21 und C9orf72 (Chromosome 9 Open Reading Frame 72) auf Chromosom 9p21.

Vaskuläre Demenz

Eine vaskuläre Demenz ist die Folge von Beschädigungen an Blutgefäßen im Gehirn. Ursächlich dafür ist in vielen Fällen ein Schlaganfall, Bluthochdruck oder andere Grunderkrankungen wie Diabetes und Herzerkrankungen. Es gibt eine genetische Mutation, die das Risiko für eine vaskuläre Demenz stark erhöht.

Lewy-Body-Demenz

Bislang sind keine Risikofaktoren für eine Lewy-Body-Demenz bekannt. In wenigen Familien wird die Lewy-Body-Demenz allerdings infolge von Veränderungen im Erbgut hervorgerufen.

Risikofaktoren und Präventionsmaßnahmen

Grundsätzlich ist das größte Risiko, an einer Demenz zu erkranken, das Alter. Genetische Faktoren können die Entwicklung von Demenz jedoch begünstigen. Sind Verwandte ersten Grades (Eltern, Geschwister, Kinder) betroffen, erhöht sich das Risiko.

Beeinflussbare Risikofaktoren

Studien zeigen, dass bis zu 45 Prozent aller Demenzerkrankungen durch einen gesunden Lebensstil und die gezielte Beeinflussung von 14 Risikofaktoren verhindert oder hinausgezögert werden können. Bewegung, gesunde Ernährung, soziale Kontakte und geistige Aktivität spielen dabei eine zentrale Rolle. Man kann andere Risikofaktoren, die das Gehirn auch noch schädigen, gering halten, beispielsweise indem man nicht raucht, wenig trinkt, auf das Gewicht achtet und Bluthochdruck reduziert.

Bewegung als Schutzfaktor

Bewegung ist ein wesentlicher Faktor, um das Risiko für eine Demenz zu verringern. Man kann damit sogar eine erblich bedingte Veranlagung ausgleichen.

Aktuelle Forschung und Therapieansätze

Die Alzheimer-Demenz kann zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht geheilt werden. Es gibt jedoch in der Demenz-Therapie Behandlungen, Medikamente und andere Maßnahmen, die die Symptome lindern und das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen sollen.

Medikamentöse Behandlung

Medikamente wie Antidementiva können das Fortschreiten der Krankheit verzögern. Seit dem 15.04.2025 ist in Deutschland Leqembi zur medikamentösen Behandlung von Menschen mit leichten kognitiven Beeinträchtigungen und im Frühstadium der Alzheimer-Demenz zugelassen.

Impfstoffentwicklung

In den letzten Jahren haben immer wieder Studien zu neuen Alzheimer-Impfstoffen Aufsehen erregt. Aktuell ist der Wirkstoff Protollin ein besonders vielversprechender Kandidat. Der Impfstoff, der über die Nase verabreicht wird, soll körpereigene Abwehrkräfte mobilisieren, um gegen Ablagerungen an Nervenzellen vorzugehen.

Epigenetik

In der sogenannten Epigenetik wird untersucht, wie Lebensgewohnheiten oder Umweltbedingungen weitervererbt werden können. So können Ernährungsgewohnheiten oder traumatische Ereignisse an die Kinder- oder Enkelgeneration weitergegeben werden.

Demenz-Tests als Diagnose-Baustein

Es gibt verschiedene psychometrische Tests, die Hinweis auf eine demenzielle Erkrankung liefern können. Sie dienen vor allem der Früherkennung bei einem Anfangsverdacht. Zu den bekanntesten Tests gehören:

  • Der Demenz-Detektions-Test (DemTect)
  • Der Mini-Mental-Status-Test (MMST)
  • Der Montreal-Cognitive-Assessment-Test (MoCa-Test)
  • Der Uhrentest
  • Der Test zur Früherkennung von Demenzen mit Depressionsabgrenzung (TFDD)
  • Der Syndrom-Kurztest (SKT)

Wichtig: Diese Tests können nur Hinweise auf eine mögliche Demenz geben und ersetzen keine ärztliche Untersuchung.

Umgang mit der Diagnose und Unterstützungsmöglichkeiten

Eine drohende Demenz-Erkrankung belastet Betroffene, Angehörige und Freunde schon im Vorfeld. Unterstützung von außen und Aufklärung sind die wichtigsten Mittel, um sich dem Thema Demenz konstruktiv zu nähern. Es gibt viele regionale Anlaufstellen für das Thema Demenz, die Sie mit Ihren Fragen und Sorgen kontaktieren können.

Patientenverfügung

Eine Patientenverfügung stellt sicher, dass Ihre medizinischen Wünsche auch in unerwarteten Situationen respektiert werden und bewahrt so Ihre Selbstbestimmung. Sie greift in Situationen, in denen Sie aufgrund von Krankheit oder Verletzung nicht in der Lage sind, sie selbst auszudrücken. Dieses Dokument entlastet zudem Ihre Angehörigen von schwierigen Entscheidungen, vermeidet Missverständnisse und schützt vor unerwünschter Über- oder Unterbehandlung.

Pflegegrad

Alzheimer ist nicht heilbar und führt früher oder später zu einem erhöhten Unterstützungs- und schließlich auch Pflegebedarf. Finanzielle Unterstützung erhalten pflegebedürftige Menschen durch die Erteilung eines Pflegegrads.

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