Demenz ist eine fortschreitende Erkrankung, die nicht nur das Gedächtnis, sondern auch den Appetit und die Fähigkeit zur selbstständigen Nahrungsaufnahme beeinträchtigen kann. Viele wissenschaftliche Studien zeigen, dass eine ausgewogene und bewusste Ernährung das Risiko für Demenzerkrankungen wie Alzheimer senken kann. Ein bewährtes Vorbild ist die traditionelle Mittelmeerküche mit viel Obst, Gemüse, Hülsenfrüchten, fettem Seefisch und Olivenöl. Polyphenole, die in Obst, Gemüse und kaltgepresstem Olivenöl enthalten sind, sowie Omega-3-Fettsäuren aus fettem Seefisch, Walnüssen, Chiasamen, Leinsamen und Avocados unterstützen die Zellgesundheit. Nüsse liefern zudem wichtige pflanzliche Proteine, Mineralstoffe und Vitamine.
Im Folgenden werden die vielfältigen Ursachen für Nahrungsverweigerung bei Demenz, Möglichkeiten zur frühzeitigen Erkennung von Mangelernährung und praktische Lösungsansätze für Betroffene, Angehörige und Pflegekräfte beleuchtet.
Ursachen der Nahrungsverweigerung bei Demenz
Die Gründe für eine Mangelernährung bei Demenz sind komplex und vielfältig. Es ist wichtig, die individuellen Ursachen zu erkennen, um gezielte Maßnahmen ergreifen zu können.
- Erkrankungen und altersbedingte Veränderungen: Tumorerkrankungen, neurologische Veränderungen (Multiple Sklerose, Parkinson), Schockzustände oder Verbrennungen können den Appetit mindern. Im Alter werden Menschen, besonders wenn sie alleine leben, oft weniger beachtet und ihr Ernährungszustand wird seltener überprüft. Studien belegen, dass Senioren im Krankenhaus häufig ungewollt Gewicht verlieren, unabhängig von ihrer Diagnose oder Behandlung.
- Appetitlosigkeit und Geschmacksveränderungen: Menschen mit Demenz haben oft keinen Appetit mehr, nicht einmal auf ihr Lieblingsgericht. Ihr Geschmackssinn stumpft ab, wodurch sie andere Geschmacksrichtungen (außer süß) immer schlechter wahrnehmen. Daher bevorzugen sie oft Süßes.
- Schluckstörungen (Dysphagie): Im späteren Verlauf der Demenz kann es aufgrund des verlangsamten Schließens des Kehldeckels beim Essen immer mal wieder zu Verschlucken kommen. Dies kann als beängstigend erlebt werden und zur Nahrungsverweigerung führen. Schluckstörungen können auch "still" erfolgen, ohne Husten oder Würgen.
- Zahnprobleme und Mundgesundheit: Zahnschmerzen, schlecht sitzende Zahnprothesen oder Entzündungen im Mund-Rachen-Raum können dazu führen, dass Betroffene das Essen ablehnen.
- Kognitive Beeinträchtigungen: Demenzkranke können Gefühle wie Hunger und Durst nicht mehr richtig deuten oder vergessen, wie man Besteck benutzt. Sie sind leicht ablenkbar und können sich schlecht auf neue Situationen einstellen.
- Psychische Faktoren: Depressionen, Stress, Angst oder Einsamkeit können zu Appetitlosigkeit und Nahrungsverweigerung führen. Manchmal fühlen sich Patienten von Messer und Gabel bedroht.
- Veränderte Vorlieben und Abneigungen: Menschen mit Demenz verändern oft ihre Vorlieben und Abneigungen. Sie bevorzugen möglicherweise nur noch bestimmte Speisen oder lehnen ihnen unbekannte Nahrungsmittel ab. Im fortgeschrittenen Stadium wird oft nur noch Süßes geschmeckt.
- Unerkannte Bedürfnisse: Patienten können eine Speise ablehnen, ohne dies formulieren zu können. Sie haben möglicherweise Schmerzen im Mundbereich, die sie nicht mitteilen können.
- Überforderung: Eine zu große Auswahl an Speisen oder ein überladener Tisch können Demenzkranke überfordern und zur Nahrungsverweigerung führen.
- Bewegungsdrang: Menschen mit Demenz haben oft einen starken Bewegungsdrang und können nicht still am Tisch sitzen. Dies führt zu einer geringeren Nahrungsaufnahme und einem erhöhten Kalorienverbrauch.
- Medikamente: Die aktuelle Medikation kann eine Geschmacksveränderung und somit eine Nahrungsverweigerung verursachen.
Erkennung von Mangelernährung
Eine frühzeitige Erkennung von Mangelernährung ist entscheidend, um rechtzeitig Maßnahmen ergreifen zu können. Cornelia Siefers, Ernährungsexpertin bei Nutricia, betont, dass eine Mangelernährung immer eine Begleitdiagnose ist und nicht als notwendiges Übel einer Erkrankung hingenommen werden sollte.
- Äußere Anzeichen: Achten Sie auf hervorstehende Beckenknochen, sehr dünne Arme und Beine bei sonst optisch eher übergewichtigen Personen, lockerer sitzende Kleidung oder faltige und schlaffe Haut.
- Appetitlosigkeit: Wenn der Betroffene keinen Appetit mehr hat oder zum Essen animiert werden muss, sollten Angehörige aufmerksam werden.
- Gewichtsverlust: Ein Gewichtsverlust von mehr als zehn Prozent in den letzten drei Monaten sollte unbedingt abgeklärt werden.
- Funktionelle Einschränkungen: Beobachten Sie, ob der Betroffene Schwierigkeiten beim Kauen oder Schlucken hat oder ob er ungewöhnlich lange für die Mahlzeit braucht.
- Weitere Anzeichen: Fieber, Wunden, die schlecht heilen, oder ein konzentrierter Urin können ebenfalls auf eine Mangelernährung hinweisen.
- Screening-Methoden: Es gibt verschiedene Screening-Methoden wie das MUST-Screening und das NRS-Screening, die erste Hinweise auf eine Mangelernährung liefern können. Das MUST-Screening wird vorwiegend ambulant eingesetzt, das NRS-Screening bevorzugt im Krankenhaus. Privatpersonen können frei verfügbare Fragebögen für das MUST-Screening nutzen.
- BMI (Body-Mass-Index): Der BMI kann leicht selbst berechnet werden: Körpergewicht (in Kilogramm) geteilt durch Körpergröße mal Körpergröße (in Metern). Ein BMI unter 24 im Alter von 65 Jahren sollte im Blick behalten werden.
- Oberarmumfang: Messen Sie regelmäßig den Oberarmumfang, da ein Muskelabbau hier schnell erkennbar ist.
Lösungsansätze und Maßnahmen
Sobald eine Mangelernährung erkannt wurde, sollten frühzeitig ernährungsmedizinische und -therapeutische Maßnahmen eingeleitet werden.
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- Gespräche und Beobachtung: Cornelia Siefers betont, dass es wichtig ist, im Gespräch zu bleiben und Gewichtsverlust und Muskelschwund nicht einfach als altersbedingt hinzunehmen. Beobachten Sie den Betroffenen gut und achten Sie auf Anzeichen von Schmerzen, Sorgen oder Verlust von Lebensfreude.
- Anpassung der Ernährung: Prüfen Sie, ob die orale Kost optimiert werden kann. Das normale Essen kann mit Supplementen angereichert werden. Bieten Sie kleine, ansprechend angerichtete Portionen an und berücksichtigen Sie die Vorlieben und Abneigungen des Betroffenen.
- Individuelle Tischkultur: Passen Sie die Tischkultur an die Bedürfnisse des Betroffenen an. In der fortgeschrittenen Phase der Demenz kann es notwendig sein, Mahlzeiten in Form von "Fingerfood" anzubieten, wenn der Umgang mit Besteck nicht mehr möglich ist. Verwenden Sie nur das Besteck, das für die jeweilige Mahlzeit benötigt wird, und vermeiden Sie einen überladenen Tisch.
- Appetitanregung: Beteiligen Sie Menschen mit Demenz an der Nahrungszubereitung, um ihren Appetit anzuregen. Würzen Sie Speisen intensiver und reichern Sie sie gegebenenfalls mit aromatischen Ölen und Fetten an. Bieten Sie Speisen an, die der Betroffene aus seiner Kindheit kennt.
- Feste Essenszeiten: Um zu verhindern, dass Menschen mit Demenz das Essen vergessen, sollten Sie feste Essenszeiten einhalten.
- Unterstützung beim Essen: Im weiteren Verlauf kann es notwendig sein, Menschen mit fortgeschrittener Demenz beim Essen zu unterstützen. Seien Sie dabei behutsam und kündigen Sie Ihre Handlungen vorher an.
- Fingerfood: Bieten Sie Fingerfood an, wenn der Umgang mit Besteck schwierig wird. Geeignet sind portionsweise Häppchen, die mit maximal 2 Bissen gegessen werden können und gut zu greifen sind.
- Trinkkultur: Achten Sie darauf, dass der Betroffene ausreichend trinkt (mindestens 1,5 Liter pro Tag). Stellen Sie an verschiedenen Stellen in der Wohnung Flaschen auf, aus denen er sich bedienen kann. Bieten Sie süßere oder buntere Getränke an, um das Trinken attraktiver zu machen.
- Mundpflege: Achten Sie auf eine gute Mundpflege und suchen Sie bei Zahnproblemen oder Entzündungen im Mund-Rachen-Raum einen Zahnarzt auf.
- Logopädie: Bei Schluckstörungen sollte eine logopädische Behandlung verordnet werden.
- Medikamentenüberprüfung: Lassen Sie die Medikation überprüfen, um mögliche Nebenwirkungen auf den Appetit oder den Geschmackssinn auszuschließen.
- Umgang mit Horten von Nahrungsmitteln: Wenn Menschen mit Demenz beginnen, Essen zu horten, sollten Sie dies als Vorsorgemaßnahme wertzuschätzen und gegebenenfalls eine Absprache treffen, um die zusammengetragenen Lebensmittel regelmäßig zu kontrollieren.
- Ernährungsteam: Bei Bedarf sollte ein Ernährungsteam hinzugezogen werden, um eine individuelle Ernährungsstrategie zu entwickeln.
- Nahrungsergänzungsmittel: In manchen Fällen können Trinknahrungen oder andere Nahrungsergänzungsmittel sinnvoll sein, um den Nährstoffbedarf zu decken.
- PEG-Sonde: Ob eine künstliche Ernährung mittels PEG-Sonde sinnvoll ist, muss von Fall zu Fall entschieden werden. Dabei ist der mutmaßliche Wille des Menschen mit Demenz zu beachten.
- Mittelmeerküche: Eine Ernährung nach dem Vorbild der traditionellen Mittelmeerküche mit viel Obst, Gemüse, Hülsenfrüchten, fettem Seefisch und Olivenöl kann das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes senken und zugleich die Hirngesundheit verbessern.
- MIND-Diät: Die MIND-Diät kombiniert Elemente der Mittelmeerküche und der DASH-Diät (Dietary Approaches to Stop Hypertension) und zielt darauf ab, die kognitive Funktion zu verbessern.
- Vermeidung von stark verarbeiteten Lebensmitteln: Aktuelle Studien zeigen, dass der Konsum von stark verarbeiteten Lebensmitteln wie Fast Food, Fertigpizza oder Instantsuppen das Risiko für Demenz erhöhen kann.
Die Rolle der Angehörigen und Pflegekräfte
Angehörige und Pflegekräfte spielen eine entscheidende Rolle bei der Ernährung von Menschen mit Demenz. Sie sollten den Betroffenen aufmerksam beobachten, ihre Bedürfnisse erkennen und ihnen eine angenehme und unterstützende Essumgebung bieten. Es ist wichtig, geduldig zu sein, auf die individuellen Vorlieben einzugehen und kreative Lösungen zu finden, um die Nahrungsaufnahme zu fördern.
- Schaffung einer angenehmen Atmosphäre: Sorgen Sie für eine ruhige und entspannte Atmosphäre während der Mahlzeiten. Vermeiden Sie Ablenkungen und laute Geräusche.
- Gemeinsame Mahlzeiten: Setzen Sie sich mit dem Betroffenen an den Tisch und essen Sie gemeinsam mit ihm. Dies kann ihn motivieren, ebenfalls zu essen.
- Vorbildfunktion: Zeigen Sie dem Betroffenen, wie man richtig isst, und ahmen Sie seine Gesten nach.
- Lob und Ermutigung: Loben Sie den Betroffenen, wenn er gut isst, und ermutigen Sie ihn, neue Speisen auszuprobieren.
- Respekt und Geduld: Respektieren Sie die Entscheidungen des Betroffenen und zwingen Sie ihn nicht zum Essen. Seien Sie geduldig und probieren Sie es später noch einmal.
- Kommunikation: Kommunizieren Sie mit dem Betroffenen auf einfache und verständliche Weise. Erklären Sie ihm, was er isst, und geben Sie ihm Hilfestellung, wenn er Schwierigkeiten hat.
- Einbeziehung: Beziehen Sie den Betroffenen in die Vorbereitung der Mahlzeiten ein, um seinen Appetit anzuregen.
- Professionelle Unterstützung: Scheuen Sie sich nicht, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, wenn Sie Unterstützung benötigen. Ein Ernährungsteam, ein Logopäde oder ein Psychologe können Ihnen wertvolle Tipps und Ratschläge geben.
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