Demenz ist ein Oberbegriff für eine Vielzahl von Erkrankungen, die mit einem fortschreitenden Verlust der geistigen Fähigkeiten einhergehen. Obwohl die Alzheimer-Krankheit die häufigste Form darstellt, gibt es auch andere Ursachen, die zu Demenz führen können, darunter die vaskuläre Demenz. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen, Diagnose und Behandlung der plötzlichen Demenz, insbesondere der vaskulären Demenz, und bietet einen umfassenden Überblick über diese Erkrankung.
Vaskuläre Demenz: Eine Übersicht
Die vaskuläre Demenz ist die zweithäufigste Demenzform nach der Alzheimer-Krankheit. Der Begriff "vaskulär" bezieht sich auf die Blutgefäße. Diese Demenzform entsteht durch Durchblutungsstörungen im Gehirn, die zu einer Unterversorgung des Hirngewebes mit Sauerstoff und Nährstoffen führen. Meist sind Ablagerungen in den Blutgefäßen (Arteriosklerose) ursächlich für diese Durchblutungsstörungen.
Ursachen der vaskulären Demenz
Die vaskuläre Demenz wird durch eine Schädigung der Blutgefäße im Gehirn verursacht, was die Versorgung des Gehirns mit Nährstoffen und Sauerstoff beeinträchtigt. Zu den typischen Ursachen gehören:
- Schlaganfälle: Diese können eine Hirnarterie verschließen und eine vaskuläre Demenz verursachen.
- Stille Schlaganfälle: Auch ohne spürbare Symptome erhöhen diese das Demenzrisiko.
- Arteriosklerose und Bluthochdruck: Diese können zu einer schleichenden Verschlechterung der Beschwerden führen.
Arten der vaskulären Demenz
Je nach Art und Stärke der Durchblutungsstörungen werden verschiedene Arten vaskulärer Demenz unterschieden:
- Multiinfarkt-Demenz: Entsteht durch mehrere Hirninfarkte, die gleichzeitig oder zeitlich auftreten und Nervenzellgewebe im Gehirn absterben lassen. Sie beginnt meist plötzlich und schreitet stufenweise fort.
- Subkortikale vaskuläre Demenz (Binswanger-Krankheit): Diese Form wurde erstmals von dem deutschen Nervenarzt Otto Ludwig Binswanger beschrieben. Ursächlich ist eine Wandverdickung in kleinen Blutgefäßen im Gehirn (Arteriosklerose), die die tiefen Hirnstrukturen mit Blut versorgen.
- "Strategic Infarct Dementia": Hier kommt es zu Durchblutungsstörungen an strategisch wichtigen Stellen des Gehirns, wie z.B. dem Thalamus oder den Basalganglien.
- Amyloidangiopathie: Hierbei kommt es zu einem Nebeneinander von Hirninfarkten und Einblutungen in das Gehirngewebe.
Symptome der vaskulären Demenz
Im Gegensatz zur Alzheimer-Demenz ist ein plötzlicher Beginn und ein stufenhafter Verlauf typisch für die vaskuläre Demenz. Die Symptome hängen stark davon ab, in welcher Hirnregion und wie stark die Hirnschläge sich ereignen. Es können das Sprach-, Seh- oder Bewegungszentrum betroffen sein, oder auch das Lang- bzw. Kurzzeitgedächtnis.
Lesen Sie auch: Fortgeschrittene Demenz: Ein umfassender Überblick
Die Symptome können plötzlich in Form eines Schlaganfalls auftreten oder sich schleichend entwickeln. Das Auftreten und die Stärke der Symptome können von Tag zu Tag schwanken. Entgegen der Alzheimer-Erkrankung entwickelt sich eine vaskuläre Demenz meist in Sprüngen, die von langen stabilen Phasen unterbrochen sein können. Zu Beginn können Probleme mit Aufmerksamkeit, verlangsamtem Denken sowie Persönlichkeitsveränderungen auftreten. Auch Gangstörungen, Kontrollverluste der Blase und Sprachprobleme können vorkommen. Gedächtnisstörungen stehen nicht immer im Vordergrund.
Diagnose der plötzlichen Demenz
Eine frühzeitige und genaue Diagnose ist entscheidend, um die bestmögliche Behandlung einzuleiten und das Fortschreiten der Erkrankung zu verlangsamen.
Anamnese und körperliche Untersuchung
Am Anfang der Diagnostik steht das ärztliche Gespräch über die persönliche Krankengeschichte. Dabei wird besonderes Augenmerk auf frühere oder aktuelle Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Erkrankungen der Hirngefäße, Bluthochdruck und Diabetes gelegt. Die Ärztin oder der Arzt erkundigt sich nach Beschwerden und Problemen im Alltag, nach Stimmungsschwankungen sowie nach den Lebensumständen.
Nach dem Gespräch folgt eine körperliche Untersuchung, um festzustellen, ob Durchblutungsstörungen vorliegen. Dabei werden mögliche Ausfallerscheinungen (z.B. Lähmungserscheinungen, Sensibilitätsstörungen, Bewegungskoordination) untersucht. Auch das Herz-Kreislauf-System wird untersucht, also Blutdruck, Herzgeräusche und Herzgröße. Ebenso wichtig ist der neurologische Status, der die Koordination, Motorik, den Tastsinn und den Gleichgewichtssinn umfasst.
Kognitive Tests
Verschiedene Testverfahren, bei denen Fragen beantwortet oder Aufgaben gelöst werden müssen, sind ebenfalls wichtig für den diagnostischen Prozess. Medizinische Demenztests dienen der Beurteilung der geistigen Leistungsfähigkeit. Dabei werden bestimmte geistige Leistungsbereiche, wie Gedächtnis und die Konzentrationsfähigkeit getestet.
Lesen Sie auch: Wechselwirkungen zwischen Schmerzmitteln und Demenz
Bildgebende Verfahren
Mit bildgebenden Verfahren wie CT (Computertomographie) oder MRT (Magnetresonanztomographie) können Veränderungen im Gehirn festgestellt werden. Bei einem Verdacht auf eine vaskuläre Demenz werden vor allem das Herz-Kreislauf-System untersucht, also Blutdruck, Herzgeräusche und Herzgröße. Ebenso wichtig ist der neurologische Status, der die Koordination, Motorik, den Tastsinn und den Gleichgewichtssinn umfasst. Ultraschalluntersuchungen der Blutgefäße am Hals und Kopf können feststellen, ob die Gefäße verschlossen sind oder ob der Blutfluss zum Gehirn beeinträchtigt ist.
Weitere Untersuchungen
Blutuntersuchungen können Hinweise auf Risikofaktoren für Durchblutungsstörungen geben. In einigen Fällen kann auch eine Nervenwasserentnahme (Liquorpunktion) durchgeführt werden, um Entzündungszellen oder demenztypische Eiweiße in der Probe zu untersuchen.
Behandlung der vaskulären Demenz
Eine vaskuläre Demenz ist nicht heilbar. Die im Gehirn entstandenen Schäden können nicht rückgängig gemacht werden. Ziel der Therapie ist es, weiteren Schäden vorzubeugen und eine Verschlimmerung der Beschwerden aufzuhalten, beziehungsweise zu verlangsamen.
Medikamentöse Behandlung
Bei der vaskulären Demenz werden Durchblutungsstörungen im Gehirn mit blutverdünnenden Medikamenten behandelt. So kann weiteren Schlaganfällen vorgebeugt werden. Bluthochdruck, erhöhter Cholesterinspiegel und erhöhter Blutzucker können ebenfalls medikamentös behandelt werden.
- Blutdrucksenkende Medikamente: Ein nicht behandelter Bluthochdruck ist ein Hauptrisikofaktor für Schlaganfälle und kann das Fortschreiten der Demenz beschleunigen.
- Blutzuckersenkende Medikamente: Ein nicht behandelter oder schlecht eingestellter Diabetes mellitus (Blutzuckererkrankung) ist ein Risikofaktor für Schlaganfälle.
- Blutverdünnende Medikamente: Sie verhindern ein Zusammenballen der Blutplättchen oder verzögern die Blutgerinnung und schützen damit vor einer Gerinnselbildung im Blut.
Spezifische Medikamente (sogenannte „Antidementiva“), die insbesondere bei der Behandlung der Alzheimer-Demenz eingesetzt werden, haben in der Therapie der vaskulären Demenz keinen nachgewiesenen Nutzen.
Lesen Sie auch: Ursachen und Behandlung von Zittern bei Demenz
Nicht-medikamentöse Behandlung
Es gibt verschiedene Ansätze, eine vaskuläre Demenz ohne Medikamente zu behandeln. Behandlungsmöglichkeiten wie Physiotherapie, Ergotherapie oder Logopädie können helfen, die kognitiven Fähigkeiten und somit die Lebensqualität der Patientin oder des Patienten zu verbessern. Auch Musiktherapie, Erinnerungsarbeit und Krankengymnastik können Betroffenen helfen.
- Kognitive Stimulation: Gespräche und Übungen zur kognitiven Stimulation können helfen, die geistigen Fähigkeiten zu erhalten und zu verbessern.
- Erinnerungsarbeit (autobiographische Arbeit): Diese Therapieform kann helfen, Erinnerungen zu bewahren und die Kommunikation zu fördern.
- Körperliche Betätigung: Regelmäßige Bewegung kann die Durchblutung verbessern und die allgemeine Gesundheit fördern.
- Kunsttherapie: Kreative Aktivitäten können helfen, Emotionen auszudrücken und die Lebensqualität zu verbessern.
Lebensstiländerungen
Wichtig ist vor allem darauf zu achten, die vaskulären Risikofaktoren zu minimieren. Ein aktiver Lebensstil, im Sinne von körperlicher Betätigung, sowie eine gesunde, mediterrane Ernährung sind empfehlenswert. Zudem sollte auf das Rauchen und einen übermäßigen Alkoholkonsum verzichtet werden.
Sekundäre Demenzen
Sekundäre Demenzen, die etwa 10 Prozent aller Fälle ausmachen, können durch Intoxikationen (zum Beispiel eine Arzneimittelvergiftung), einen Vitaminmangel oder eine Schilddrüsenfehlfunktion ausgelöst werden und sind zum Teil heilbar. Dabei ist häufig eine Rückbildung der Symptome der Demenz möglich.
Weitere Demenzformen
Neben der Alzheimer- und der vaskulären Demenz gibt es noch weitere Demenzformen, die hier kurz erwähnt werden sollen:
- Frontotemporale Demenz: Gruppe von Erkrankungen mit Verlust an Nervenzellen im Stirnlappen oder vorderen Scheitellappen des Gehirns.
- Lewy-Körperchen-Demenz: Charakteristisch sind Bewegungsstörungen im Sinne von Parkinson-Symptomen, eine deutlich schwankende geistige Leistungsfähigkeit sowie das frühe Auftreten visueller Halluzinationen.
- Gemischte Demenz: Mischform zwischen Alzheimer-Demenz und vaskulärer Demenz.
- Parkinson-Demenz: Bei ca. einem Drittel der Parkinson-Patienten entwickelt sich im späten Stadium zusätzlich eine Demenz.
- Creutzfeldt-Jakob-Krankheit: Sehr rasch (6-12 Monate) fortschreitende Demenz, die von motorischen Störungen begleitet ist.
- Korsakow-Syndrom: Ausgeprägte Merkfähigkeitsstörung, die insbesondere als Folge von jahrelangem übermäßigem Alkoholkonsum auftritt.
- Chronische Traumatische Enzephalopathie (CTE): Fortschreitende degenerative Erkrankung des Gehirns, die bei Menschen auftritt, die wiederholten leichtgradigen Schädeltraumen ausgesetzt waren.
Reversible Demenzursachen
Es ist wichtig zu wissen, dass nicht alle Demenzsymptome auf eine irreversible Erkrankung zurückzuführen sind. Viele typische Symptome einer Demenz können Ursachen haben, die behandelbar und oft sogar vollständig heilbar („reversibel“) sind. Dazu gehören:
- Altershirndruck (Normaldruckhydrozephalus): Gedächtnisprobleme, Blasenschwäche und Unsicherheit beim Gehen sind typisch.
- Delir: Ein akuter Verwirrtheitszustand, der durch körperliche oder emotionale Stressfaktoren ausgelöst werden kann.
- Hirntumore: Können Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen sowie Persönlichkeitsveränderungen verursachen.
- Vitaminmangel: Insbesondere ein Mangel an Vitamin B-12 kann Demenzsymptome hervorrufen.
- Depressionen: Können Demenzsymptome auslösen.
- Medikamentenwechselwirkungen, Dehydrierung, Schilddrüsenerkrankungen, Nierenerkrankungen, Lebererkrankungen, Vergiftungen: Können ebenfalls demenzähnliche Symptome hervorrufen.
Umgang mit der Diagnose
Die Diagnose Demenz stellt die Betroffenen und ihre Angehörigen vor große Herausforderungen. Es ist wichtig, sich gut zu informieren, Hilfe anzunehmen und den Alltag so zu gestalten, dass er den Bedürfnissen des Betroffenen entspricht.
Tipps für Angehörige
- Information: Lernen Sie, die Erkrankung zu verstehen.
- Geduld: Versuchen Sie geduldig zu sein, selbst wenn der Demenzkranke in seiner Stimmung schwankt.
- Streit: Vermeiden Sie Diskussionen, Streit oder Argumente.
- Tagesablauf: Sorgen Sie für einen geregelten Tagesablauf mit festen Essenszeiten, Aktivitäten und Ruhezeiten und einer gewohnten Umgebung.
- Unabhängigkeit: Erhalten und fördern Sie die Selbstständigkeit des Betroffenen so lange wie möglich.
- Achten Sie auf sich selbst: Nehmen Sie Hilfe an, nehmen Sie sich Erholungspausen, tun Sie sich selbst etwas Gutes.
tags: #plötzliche #Demenz #Ursachen