Die Parkinson-Krankheit ist eine fortschreitende neurodegenerative Erkrankung, die durch das Absterben von Nervenzellen im Gehirn gekennzeichnet ist. Dies führt zu einem Dopaminmangel, der für die Steuerung von Bewegungen unerlässlich ist. Die klinischen Hauptmerkmale sind Tremor, Rigor und Hypokinesie. Pathologisch ist die Krankheit durch das Auftreten von Lewy-Körperchen definiert, die als wesentlichen Bestandteil Alpha-Synuclein enthalten. Die Ursache der Parkinson-Erkrankung ist nach wie vor unbekannt, aber die wissenschaftliche Forschung konzentriert sich zunehmend auf den Zusammenhang zwischen dem Magen-Darm-Trakt und der Entstehung der Krankheit.
Die Rolle des Darms bei Parkinson
Es ist schon seit Längerem bekannt, dass eine reduzierte Stuhlfrequenz mit einer erhöhten Prävalenz der Parkinson-Erkrankung verknüpft ist. Schluckstörungen und Magenbeschwerden sind weitere typische Beschwerden des Parkinson-Syndroms. Viele Parkinson-Erkrankte leiden schon vor der Diagnose Morbus Parkinson an Verdauungsproblemen wie Verstopfung. "Darmprobleme können schon zehn bis zwanzig Jahre bestehen, bevor erste neurologische Probleme auffallen", sagt Prof. Dr. Diese Tatsache hat Forscher auf eine weitere Spur gebracht: Sie gehen davon aus, dass Parkinson zumindest teilweise im Verdauungstrakt beginnt.
Tatsächlich zeigen neue Studien, dass für Parkinson typische Proteinablagerungen, so genannte Lewy-Körper, zuerst im Nervensystem des Darms auftauchen und erst später in den unteren Hirnregionen und schließlich im Mittelhirn zu finden sind. Im Gehirn sterben, verursacht durch die Lewy-Körper, mit der Zeit immer mehr Nervenzellen ab.
Der Vagusnerv ist einer der größten und wichtigsten Nerven unseres Körpers. Er reicht vom Gehirn bis in die Körpermitte und ist beteiligt an der Regulation fast aller inneren Organe und des Blutkreislaufs. Bei Morbus Parkinson kommt es zu alpha-Synuclein-Ablagerungen im Gehirn. Sie sind Hauptbestandteil der Lewy-Körper.
Die Braak-Hypothese und die Ausbreitung der Krankheit
Von großer wissenschaftlicher Bedeutung ist das Konzept der definierten Ausbreitung der Erkrankung durch die Forschungsarbeiten von Heiko Braak. Nach diesem Modell breitet sich die Erkrankung kaskadenförmig im Gehirn aus und beginnt primär im dorsalen Vaguskern. Diese Studien legten den Verdacht nahe, dass die Krankheit über den Vagusnerv in das Gehirn gelangt. Bereits 1988 bemerkte Wakabayashi das Auftreten von Levy-Körperchen, den charakteristischen pathologischen Veränderungen der Parkinson-Erkrankung, im enterischen Nervensystem. Diesen Beobachtungen wurde über viele Jahre jedoch keine Bedeutung beigemessen.
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Die Hypothese einer Ausbreitung der Erkrankung von Zelle zu Zelle wurde durch pathologische Arbeiten über die spezifischen Veränderungen im embryonalen, transplantierten Gewebe unterstützt. Im Gehirn von Patienten, die sich einer Stammzelltransplantation unterzogen hatten, wies man nach wenigen Jahren Levy-Körperchen im embryonalen Gewebe nach.
Das enterische Nervensystem und das Mikrobiom
Das enterische Nervensystem kontrolliert die intestinale Motilität und Sekretion und arbeitet weitgehend unabhängig vom Zentralen Nervensystem. Es besteht aus ca. Der Darm wird durch zahlreiche Bakterien besiedelt, die kumulativ als Mikrobiom bezeichnet werden. Dabei zeigt das Mikrobiom eine große interindividuelle Heterogenität. Nur 57 der 300 dominanten Spezies finden sich bei 90 % der untersuchten Probanden und nur 18 von 300 der dominanten Spezies bei allen Probanden. Erst durch neuere genetische Untersuchungsmethoden konnte das Mikrobiom weiter entschlüsselt werden, da 85 % der genetisch nachweisbaren Bakterien kulturell nicht angezüchtet werden können. Man unterscheidet drei verschiedene Enterotypen, die einen flexiblen Übergang aufweisen (s. Tab. 1).
Die Beziehungen zwischen Darm und Gehirn wurde in den letzten Jahren sehr intensiv erforscht. Neben der direkten Verbindung über den Nervus vagus existieren indirekte Verbindungen, definiert über endokrine, immunologische und metabolische Mechanismen. Zu den intramuralen Faktoren, die eine Beziehung zwischen Darm und Gehirn herstellen, zählen neben dem Mikrobiom auch neuroprotektive Faktoren, insbesondere das Vorhandensein kurzkettiger Fettsäuren, die von den Nahrungsgewohnheiten abhängen. All diese Faktoren bestimmen die Zusammensetzung des Mikrobioms und damit auch die Funktion der intestinalen Grenzschicht.
Darauf aufbauend wurde das Konzept der Symbiose und Dysbiose entwickelt. Die Verminderung der Mikrobiomdiversität führt hiernach sekundär zu einer Schädigung der Mukosaschicht, in der Folge tritt eine pathologische Besiedlung der intestinalen Villi auf, die mit einer Epithelschädigung verknüpft ist. Die chronische Entzündung führt zu einer Rarefizierung der Villi, schließlich zur Einwanderung von Immunzellen und einer lokalen Entzündung. Basierend auf diesem lokalen Entzündungsmechanismen sollen antimikrobielle Peptide gesteigert produziert werden, gegen die der Körper zielgerichtete Antikörper entwickelt. Hierdurch wird die lokale Entzündung systemisch. Der submuköse Plexus wird gegenüber Mikrobiotika, aber auch Nahrungsbestandteilen und Medikamenten exponiert. Dies induziert eine immunologische Antwort, mit einem Priming der im submukösen Plexus gelegenen neuronalen Zellen. Basierend auf dieser Hypothese soll hierdurch eine Aggregation von Alpha-Synuclein hervorgerufen werden, die schließlich zu einer Reduktion der dopaminergen Sekretion führt. Die Präsentation von Alpha-Synuclein-Aggregaten durch Antigen-präsentierende Zellen gegenüber nativen CD4+-T-Zellen wird als Trigger weiterer lokaler Inflammation gesehen. Neben dieser Hypothese werden eine Vielzahl weiterer, wobei sehr unterschiedlicher Mechanismen der Induktion der Inflammatorischen Antwort diskutiert.
Auch die Zusammensetzung des Mikrobioms, das ist sozusagen die Gemeinschaft der Darmbakterien, ist bei Menschen mit Parkinson verändert. "Das Mikrobiom besteht aus etwa 30 Billionen Bakterien im Darm. Diese haben Einfluss auf immunologische Prozesse, die die Krankheitsentstehung begünstigen." Menschen mit Parkinson haben zum Beispiel überwiegend Bakterien im Darm, die die Darmwand durchlässig machen. Dadurch können entzündungsfördernde Stoffe ins Blut und auch ins Gehirn gelangen.
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Studien und Forschungsergebnisse
In Mäuseversuchen konnte nachgewiesen werden, dass in zwei Jahren nach Injektion von Lewy-Körperchen in den Darm oder das Gehirn eine zerebrale dopaminerge Depletion auftritt. Gleichzeitig wurde in diesen Experimenten kein pathologisches Alpha-Synuclein im Nervus vagus nachgewiesen. Diese Untersuchungen stellen die vagale Ausbreitung, wie sie von Braak postuliert wird, infrage.
Eine Vielzahl von Untersuchungen studierte Unterschiede im Mikrobiom zwischen Parkinson-Patienten und gesunden Kontrollen. In diesen Untersuchungen konnten keine konsistenten Ergebnisse gezeigt werden, das pathologische Bakterium existiert genauso wenig wie ein protektives.
Eine Studie analysierte retrospektiv eine Kohorte von 9.350 Patientinnen und Patienten, die sich einer oberen Endoskopie unterzogen hatten. Personen mit positiven endoskopischen Befunden für mukosale Schädigungen (MD) wurden im Verhältnis 1:3 mit solchen ohne MD gematcht. Zu Beginn der Studie hatten Erkrankte mit MD häufiger eine Vorgeschichte von H. pylori-Infektionen, sie nahmen öfter Protonenpumpenhemmer ein, wandten nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) chronisch an, und litten häufiger an einer gastroösophagealen Refluxkrankheit, Verstopfung und Dysphagie. Von den 2.338 Personen mit MD erhielten 52 (2,2 Prozent) später auch eine Parkinson-Diagnose. In der Gruppe der 8.955 Teilnehmenden ohne MD war dies bei 48 (0,5 Prozent) der Fall. Nach Korrektur für Variablen wie Alter zum Zeitpunkt der Endoskopie, Geschlecht, Dysphagie, H. pylori-Infektion usw. blieb das mit der MD assoziierte Risiko bestehen. Die Ergebnisse bestätigen laut den Autorinnen und Autoren die Hypothese, dass mukosale Schädigungen des oberen Gastrointestinaltrakts mit der klinischen Entwicklung der Parkinson-Krankheit assoziiert sind.
Alpha-Synuclein und der Nervus vagus
Bonn - Das Protein Alpha-Synuclein, dessen Ablagerung in den Lewy-Körperchen als Ursache des Morbus Parkinson diskutiert wird, kann über den Nervus vagus vom Gehirn aus in den Magen gelangen. Dies zeigen tierexperimentelle Studien in Acta Neuropathologica (2016; doi: 10.1007/s00401-016-1661-y), die ein neues Schlaglicht auf die Pathogenese der degenerativen Hirnerkrankung werfen.
Die Forscher können zeigen, dass Alpha-Synuclein, das mittels maßgeschneiderter Viren in Nervenzellen des Mittelhirns von Ratten angelagert wurde, nach einiger Zeit in der Magenwand nachweisbar ist. Die Forscher konnten den Weg, den das Protein dabei zurücklegte, im Einzelnen nachzeichnen. Das Protein gelangte vom Mittelhirn zunächst zur Medulla oblongata, dem untersten Bereich des Hirnstamms.
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Die Medulla oblongata ist der Ursprungs- und Zielort des Nervus vagus, der unter anderem den Magen-Darm-Trakt parasympathisch versorgt. Tatsächlich waren die Proteine nach einiger Zeit im Nervus vagus nachweisbar und zwar ausschließlich in den efferenten Fasern, die Signale vom Gehirn in die Peripherie leiten. Das Alpha-Synuclein folgte diesen Nervenleitungen und erreichte nach etwa sechs Monaten die Magenwand. Auf diesem Weg passierte es mehrmals die Synapsen von Nervenzellen. Welche physiologische Funktion diese Wanderung durch das Nervensystem hat, wissen die Forscher nicht.
Vagotomie und Parkinson-Risiko
Es verdichten sich die Hinweise, dass das Parkinson-Syndrom durch Prozesse befördert wird, die im Verdauungssystem beginnen. Über bestimmte Nervenbahnen gelangen Proteine ins Gehirn und verursachen dort die problematischen Ablagerungen. Trennt man einen Nerv, der das Gehirn mit dem Bauchraum verbindet, sinkt das Risiko, an Morbus Parkinson zu erkranken. Dieser Zusammenhang zwischen Bauch und Hirn wurde jetzt von schwedischen Forschern bestätigt.
Für die Untersuchung, die aktuell in der Fachzeitschrift „Neurology“ veröffentlicht wurde, nutzten schwedische Forscher eine nationale Gesundheitsdatenbank, um alle Patienten zu finden, die sich einer Vagotomie unterzogen hatten. Bei dieser Prozedur, die früher oft zur Behandlung von Magengeschwüren angewandt wurde, durchtrennen Chirurgen den Vagusnerv, der vom Gehirn in den Bauchraum zieht, um die Produktion von Magensäure zu blockieren. Die Wissenschaftler verglichen dann die Häufigkeit von Parkinson-Erkrankungen unter Patienten, deren Vagusnerv ganz oder teilweise getrennt worden war, mit einer Kontrollgruppe aus der Bevölkerung.
Das Ergebnis: Von 9430 Patienten, die eine Vagotomie hinter sich hatten, erkrankten 101 an Parkinson, das entspricht 1,07 Prozent. Nochmals deutlicher wurde dieser Trend, als die Forscher sich auf Patienten konzentrierten, deren Vagusnerv vollständig durchtrennt worden war (im Gegensatz zur Abtrennung einzelner Äste). Gegenüber der Kontrollgruppe war das Risiko, an Parkinson zu erkranken, nach einer vollständigen Vagotomie um 22 Prozent geringer, und wenn der Eingriff bereits mindestens fünf Jahre zurücklag, sogar um 41 Prozent.
Frühsymptome und Biomarker
Bei der Parkinson-Erkrankung gibt es Frühsymptome (Prodromi), die bereits 20 Jahre vor der eigentlichen Erkrankung auftreten können. Parkinson-Prodromi finden sich häufig an der Haut, im Magen-Darm-Bereich oder urogenital. Eine Studie ermittelte daher den genauen zeitlichen Beginn gastrointestinaler, urogenitaler und dermatologischer Prodromalsymptome bei 303 693 Parkinson-Erkrankten. Die häufigsten Frühsymptome waren ein gastroösophagealer Reflux, Motilitätsstörungen der Speiseröhre und sexuelle Dysfunktion (17, 16 und 15 Jahre vor der eigentlichen Diagnose). Die frühesten Prodromalsymptome betrafen den Geruchs- und Geschmackssinn (20,9 Jahre vor der Diagnose), den oberen Magen-Darm-Trakt (20,6 Jahre) und die Sexualfunktion (20,1 Jahre).
Eine neuropathologische Studie evaluierte retrospektiv-prospektiv zwei Nachweismethoden von α-Synuklein (der sogenannten Seeding-Aktivität) in Hautbiopsien als diagnostische Biomarker für den M. Parkinson und andere Synukleopathien. Der RT-QuIC-Assay wies dabei eine Sensitivität und eine Spezifität von mindestens 93% auf; der PMCA zeigte mindestens eine Sensitivität von 82 Prozent und eine Spezifität von 96 Prozent. In Abhängigkeit vom Ort der Probeentnahme (Bauchhaut, Nackenhaut, Beine) betrugen Sensitivität und Spezifität des RT-QuIC sogar bis zu 95 Prozent und 100 Prozent.
Ernährung und Lebensstil
Der mögliche protektive Einfluss der Nahrung ist ein viel diskutiertes Thema. So wird die Einnahme von Polyphenolen und deren Metaboliten neuroprotektiv gegen das Auftreten von Plaques gewertet. Einen großen Einfluss auf die Mikroglia und damit die entzündlichen Veränderungen im Darm hat die Aufnahme von kurzkettigen Fettsäuren.
Neben der klassischen Behandlung mit Medikamenten empfehlen Ärzte und Ärztinnen Parkinson Patienten und Patientinnen eine spezielle Ernährung, um den Darm ins Gleichgewicht zu bringen und damit das Fortschreiten der Krankheit zu verlangsamen. "Hier ist die mediterrane Ernährung für den Verlauf günstiger." Das heißt konkret: Reichlich Gemüse, Fisch, Öle mit ungesättigten Fettsäuren, Vollkornprodukte und Hülsenfrüchte. "Bei dieser Form der Ernährung werden Polyphenole aufgenommen, die eine krankheitslindernde Wirkung haben können." Polyphenole sind sekundäre Pflanzenstoffe, die auch eine blutdrucksenkende Wirkung haben können. Sie sind beispielsweise in Randschichten von Obst und Gemüse enthalten.
Auch Proteine sind ein wichtiger Bestandteil der Ernährung von Patienten und Patientinnen mit einer Parkinson-Erkrankung. Zu jeder Hauptmahlzeit sollte auch eine kleine Portion Proteine, also Eiweiß, möglichst in Form von Fisch oder Milchprodukten gereicht werden. Doch Vorsicht: Patienten und Patientinnen mit Parkinson sollten bei Milchprodukten genau auswählen. Wichtig bei der Einnahme von Nahrungseiweiß ist, dass Patienten und Patientinnen die Wechselwirkung von Proteinen und Parkinsonmedikamenten wie L-Dopa beachten.
Neue Therapieansätze
Forscherinnen und Forschern des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein ist es gelungen, das fehlgeschaltete Protein "Alpha-Synuclein" aus Nervenzellen im Blut nachweisen können. Ihre Hoffnung: Durch ein frühzeitiges Erkennen der Erkrankung und eine entsprechende Dopamin-Substitution kann der Verlauf der Parkinson-Erkrankung verlangsamt werden.
"Auch wenn wir zum jetzigen Zeitpunkt noch keine neue Therapie anbieten können, wird ein besseres Verständnis des Verlaufs des Zelluntergangs langfristig natürlich auch den Patienten zugutekommen, weil wir Parkinson früher behandeln können. Darüber hinaus werden neue Therapieansätze im Rahmen von Studien angeboten, die die Ausbreitung des fehlgefalteten Eiweißes verhindern sollen.