Lithium und Demenz: Neue Forschungsergebnisse und Therapieansätze

Die Alzheimer-Krankheit, die häufigste Form der Demenz, betrifft allein in Deutschland schätzungsweise 1,8 Millionen Menschen. Sie ist gekennzeichnet durch Gedächtnisverlust, Orientierungsprobleme, Sprachstörungen und Verhaltensänderungen. Trotz intensiver Forschung nach Medikamenten zur Behandlung von Alzheimer bleiben die Hintergründe der Krankheit weitgehend unklar. Eine aktuelle Studie hat nun einen möglichen Zusammenhang zwischen Lithium und der Entstehung von Alzheimer aufgedeckt.

Lithiummangel im Gehirn als möglicher Faktor bei Alzheimer

Ein Forschungsteam um Prof. Dr. Bruce Yankner von der Harvard University (USA) hat herausgefunden, dass ein Mangel des Spurenelements Lithium im Gehirn an der Entstehung von Alzheimer beteiligt sein und den Verlauf der Krankheit beschleunigen könnte. Diese im Fachmagazin Nature veröffentlichte Studie sorgte international für Aufsehen. Die Forschenden beobachteten, dass im Gehirn von Menschen mit leichten kognitiven Beeinträchtigungen - oft einer Vorstufe von Alzheimer - und Menschen mit Alzheimer-Krankheit weniger Lithium vorhanden ist als bei Gesunden. Die für Alzheimer typischen Eiweiß-Plaques im Hirn banden das Lithium und entzogen es somit den Nervenzellen des Gehirns.

Experimentelle Ergebnisse an Mäusen

In Experimenten mit Mäusen konnte das Forschungsteam zeigen, dass ein Lithium-Mangel im Gehirn zu den Alzheimer-typischen vermehrten Eiweißablagerungen im Gehirn führte. Die Tiere wurden mit verschiedenen Lithium-Formen behandelt, darunter Lithiumorotat, einer speziellen Lithium-Verbindung. Dabei wurde festgestellt, dass dieses Lithium nicht an die Alzheimer-Plaques band. Schon in niedriger Dosierung stoppte Lithiumorotat die Entwicklung bei den Tieren und konnte sie in weiteren Versuchen sogar rückgängig machen. An Mausmodellen konnten die Forschenden beobachten, dass sich Gedächtnisleistungen selbst bei älteren Tieren mit fortgeschrittener Erkrankung deutlich verbesserten.

Lithium als potenzieller Schutzfaktor für das Gehirn

Die Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass Lithium eine entscheidende Rolle für die normale Gehirnfunktion spielt und das Gehirn vor Alzheimer schützen könnte. Forschende um Liviu Aron von der Harvard Medical School in Boston fanden heraus, dass Lithium im Gehirn durch Bindung an toxische Amyloid-Plaques verbraucht wird. Dies eröffnet einen neuen Blickwinkel auf die Entstehung von Alzheimer.

Die Bedeutung von Lithium als Spurenelement

Lithium ist ein chemisches Element und gehört zu den Spurenelementen, die der Körper nur in winzigen Mengen benötigt. Es ist ein essentielles Spurenelement, das sowohl für das mentale als auch das körperliche Immunsystem von entscheidender Bedeutung ist. Es unterstützt die Neurogenese im Hippocampus und reguliert entzündungsfördernde und -hemmende Botenstoffe. Aufgrund seiner therapeutischen Wirkung wird Lithium in Form von Lithiumsalzen in der Psychiatrie eingesetzt, um Stimmungsschwankungen bei Depressionen und bipolaren Störungen zu verringern.

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Frühere Studien und Beobachtungen

Erste Hinweise darauf, dass Lithium möglicherweise auch vor einer Demenzerkrankung schützen kann, gab es bereits in zwei Studien aus Dänemark und Großbritannien:

  • Studie der Universität Kopenhagen (2017): In Regionen, in denen mehr Lithium im Trinkwasser vorhanden ist, erkranken weniger Menschen an Demenz.
  • Beobachtungsstudie der Universität Cambridge (2022): Menschen, die aufgrund psychischer Störungen über eine längere Zeit Lithium einnahmen, erkrankten seltener an Alzheimer und anderen Demenzen - obwohl sie aufgrund ihrer psychischen Grunderkrankung eigentlich ein höheres Risiko hatten als Menschen ohne solche Erkrankungen.

In einer bevölkerungsbasierten Fall-Kontroll-Studie in JAMA Psychiatry (2017) wurde festgestellt, dass die Bewohner von Regionen mit einem hohem Lithiumgehalt im Trinkwasser im Alter seltener an einer Demenz erkranken.

Lithiumorotat: Eine spezielle Lithium-Verbindung

Die 2025 in Nature veröffentliche Studie lieferte einen möglichen Grund für diese Zusammenhänge: Lithium kommt natürlicherweise im Gehirn vor, schützt es vor Alterung und erhält die Funktion aller wichtigen Zelltypen. Noch bevor erste Symptome wie Gedächtnisstörungen auftreten, kann bei Menschen mit einer Alzheimer-Erkrankung ein sinkender Lithiumspiegel gemessen werden. Der Grund dafür ist, dass das im Gehirn vorhandene Lithium an die Amyloid-beta-Ablagerungen bindet und dadurch nicht mehr frei verfügbar ist. Fehlt das Lithium, altern Nervenzellen schneller und werden anfälliger für Schädigungen. Die Studienergebnisse mit einem Mausmodell legen nahe, dass Lithium - in einer speziellen Form namens Lithiumorotat, einem Lithiumsalz aus Lithium und Orotsäure - das Fortschreiten von Alzheimer nicht nur verlangsamen, sondern in einigen Fällen umkehren kann. Diese Verbindung vermeidet die Bindung an Amyloid-Plaques und bleibt so im Gehirn verfügbar.

Vorteile von Lithium-Orotat

Lithium-Orotat bietet mehrere Vorteile gegenüber anderen Lithium-Salzen wie Lithium-Carbonat:

  • Bessere Bioverfügbarkeit: Lithium-Orotat wird effizienter im Darm resorbiert und hat eine längere Halbwertszeit im Körper, was zu stabileren Lithium-Spiegeln führt.
  • Höhere Konzentration im Gehirn: Aufgrund eines speziellen Transportmechanismus wird Lithium-Orotat besser über die Blut-Hirn-Schranke transportiert, was besonders vorteilhaft für die Behandlung von neurologischen und psychischen Erkrankungen ist.
  • Geringere Dosierung erforderlich: Lithium-Orotat benötigt geringere Dosierungen, um die gleichen therapeutischen Effekte zu erzielen, was das Risiko von Nebenwirkungen reduziert.
  • Weniger Nebenwirkungen: Aufgrund der niedrigeren erforderlichen Dosierungen sind die Nebenwirkungen von Lithium-Orotat im Vergleich zu anderen Lithium-Salzen deutlich geringer.
  • Zusätzliche Vorteile von Orotat: Orotat selbst unterstützt die Gehirnfunktion und Gedächtnisleistung, was die positiven Effekte von Lithium-Orotat weiter verstärkt.

Mikrodosiertes Lithium: Anwendungsgebiete und therapeutische Nutzung

Lithiumsalze werden in der Psychiatrie schon lange zur Stimmungsstabilisierung eingesetzt. Geringe Dosen des Leichtmetalls schützen etwa Patienten mit bipolaren Störungen und Depressionen davor, in schwermütige oder manische Phasen abzugleiten. Mikrodosiertes Lithium kann helfen, chronische Neuroinflammation zu verhindern und bestehende Teufelskreise zu durchbrechen, die zu Erkrankungen wie Depression, Alzheimer und Long-COVID und Post-VAC führen. Lithium hat antivirale Eigenschaften und kann die Replikation von Viren, einschließlich Coronaviren, hemmen. Es wurde gezeigt, dass Lithium die Schwere von COVID-19-Infektionen reduzieren kann.

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Hier sind einige wichtige Anwendungsgebiete von niedrig dosiertem Lithium:

  1. Bipolare Störung: In niedrigen Dosen kann Lithium helfen, Stimmungsschwankungen zu stabilisieren und Rückfälle bei bipolaren Patienten zu verhindern, oft mit weniger Nebenwirkungen als bei höheren Dosen.
  2. Depressionen: Studien haben gezeigt, dass niedrige Lithiumdosen additiv zu Antidepressiva wirken können, insbesondere bei behandlungsresistenten Depressionen. Sie können die Wirksamkeit von Antidepressiva erhöhen und die Zeit bis zum Rückfall verlängern.
  3. Neuroprotektive Effekte: Es gibt Hinweise darauf, dass Low-Dose-Lithium neuroprotektive Eigenschaften hat, die das Gehirn vor Schäden durch neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer und Parkinson schützen könnten. Forschung in diesem Bereich ist vielversprechend und zeigt potenzielle Anwendungsmöglichkeiten.
  4. Angststörungen und Stressbewältigung: Einige Kliniker setzen Low-Dose-Lithium zur Behandlung von Angststörungen und zur Verbesserung der Stressbewältigung ein, da es eine stabilisierende Wirkung auf die Stimmung haben kann.
  5. Forschung zu weiteren Anwendungen: Das Interesse an der Verwendung von niedrig dosiertem Lithium erstreckt sich auch auf Geriatrie und die allgemeine kognitive Gesundheit, wobei das Potenzial zur Verbesserung der Lebensqualität und kognitiven Funktionalität untersucht wird.

Dosierung und Verfügbarkeit von Lithium-Orotat

Lithium-Orotat wird in deutlich geringeren Dosierungen eingesetzt als Lithium-Salze bei der Behandlung bipolarer Störungen. Zur Prävention und Behandlung von neuroinflammatorischen Zuständen wie Long-COVID und Post-Vac-Syndrom wird eine viel niedrigere Dosierung empfohlen. Eine tägliche Einnahme von etwa 115 mg Lithium-Orotat, was etwa 5 mg reinem Lithium entspricht, ist ausreichend. Diese Dosierung ist etwa 40-mal geringer als die bei der Behandlung bipolarer Störungen.

Grundsätzlich kann jede Apotheke, Lithium-Orotrat in Form einer Rezeptur, die einzeln angefertigt wird abgeben. Die Verordnung muss durch einen Arzt auf Rezept erfolgen. Dabei ist zu beachten, dass verschreibungspflichtige Arzneimittel grundsätzlich erst nach Eingang des Orginalrezeptes herstellt und versandt werden dürfen. Entsprechend muss eine Arzt die Kapseln mit je nach Bedarf 1 oder 5 mg Lithium in Form von Li-Orotrat verschreiben, damit die Apotheke die entsprechende Rezeptur herstellen kann. Rezeptfrei ist nur der illegale Bezug über das Ausland. Davon ist dringend abzuraten, weil einerseits die Produktqualität nicht garantiert ist und weil bei therapeutischem Einsatz im niedrigdosierten Bereich eine ärztliche Beurteilung und Begleitung unerlässlich ist. Das gleiche gilt auch für über Youtube propagierte Herstellung einer Eigenherstellung.

Klinische Studien und Forschungsperspektiven

Ob sich der Erfolg bei der Behandlung von Mäusen auch auf den Menschen übertragen lässt, ist unklar. Die Studie könnte aber wichtige Hinweise geben. Um herauszufinden, ob Lithiumorotat auch beim Menschen Alzheimer vorbeugen oder rückgängig machen kann, sind kontrollierte klinische Studien nötig. Bisher gibt es keine klinischen Studien, die belegen, dass Lithium - in welcher Form auch immer - Alzheimer beim Menschen wirksam vorbeugen oder behandeln kann. Die bisherigen Ergebnisse stammen aus Beobachtungsstudien, Tierversuchen und Analysen menschlichen Gewebes.

Eine 12-monatige Doppelblindstudie

In einer 12-monatigen Doppelblindstudie wurden Patienten mit einer leichten amnestischen kognitiven Störung (mild cognitive impairment, MCI) randomisiert einer Behandlung mit Lithium (0,25 bis 0,5 mmol/l) oder Plazebo zugeteilt. Primäre Studienziele waren die Veränderungen kognitiver und funktioneller Testscores. Außerdem wurden die Konzentrationen der Biomarker für die Alzheimer-Erkrankung Amyloid beta 42 (Ab42), Gesamt-Tauprotein (T-Tau) und phosphoryliertes Tau (P-Tau) in der Zerebrospinalflüssigkeit bestimmt.

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Die Ergebnisse der Studie zeigten, dass die Scores von CDR, ADAS-Cog und SLN sich signifikant zwischen beiden Behandlungsgruppen unterschieden (p=0,04; p=0,03; p=0,04). Bei den mit Lithium behandelten Patienten nahm die P-Tau-Konzentration im Mittel ab (-8,9 pg/ml), während sie unter der Plazebo-Behandlung zunahm (+5,6 pg/ml; p=0,02). Die Autoren schlossen aus ihrer Studie, dass Lithium bei Personen einen protektiven Effekt hat, die ein erhöhtes Risiko haben, an einer Alzheimer-Demenz zu erkranken (also bei Vorliegen einer amnestischen MCI). Die Behandlung sollte möglichst frühzeitig begonnen werden, denn sie scheint am aussichtsreichsten zu sein, wenn die Biomarker für die Erkrankung noch wenig verändert sind.

Lithium und die Hemmung der Glykogensynthase-Kinase 3 (GSK3)

In mehreren Studien wurde gezeigt, dass Lithium die Glykogensynthase-Kinase 3 (GSK3) in kultivierten Zellen und in Neuronen hemmt. Dieses Enzym steuert unter anderem die Phosphorylierung von Tau-Protein im Gehirn. Hyperphosphoryliertes Tau-Protein bildet die typischen helikalen Filamente in Neuronen des Gehirns von Alzheimer-Patienten. Die Zunahme von phosphoryliertem Tau und eine Abnahme von Amyloid beta 42 (Ab42) in der Zerebrospinalflüssigkeit sind die wichtigsten Marker für die Entwicklung einer Alzheimer-Demenz. Lithium könnte über eine Hemmung der GSK3 einen Mechanismus stören, der zur Bildung von amyloiden Plaques und der Einlagerung neurofibrillärer Strukturen führt, und damit das Fortschreiten der Erkrankung verringern oder verhindern.

Kommentar zu den Studienergebnissen

Trotz der geringen Kohortenstärke sprechen die Ergebnisse dafür, dass eine Lithium-Behandlung den Übergang von einer noch leichten Gedächtnisschwäche in eine Alzheimer-Demenz hemmen kann. Die Reduktion von P-Tau deutet darauf hin, dass nicht nur (vorübergehende) symptomatische Effekte eintreten, sondern dass Lithium den Krankheitsverlauf beeinflussen kann.

Wichtige Hinweise zur Einnahme von Lithium

Auf keinen Fall sollte jetzt jemand auf die Idee kommen, Lithium auf Verdacht zu nehmen. Lithiumpräparate sind in Deutschland etwa zur Behandlung bipolarer Störungen zugelassen. Dabei ist die exakte Dosierung allerdings wichtig. Lithiumpräparate sind in Kombination mit anderen Arzneimitteln häufig problematisch, etwa durch Anstieg oder Abfall des Blutspiegels, was im Extremfall lebensbedrohlich sein kann. Eine falsche Dosierung kann außerdem gesundheitsschädlich sein, insbesondere für ältere Menschen. Unter anderem deswegen ist die Verwendung von Lithium als Nahrungsergänzungsmittel auch in der Europäischen Union verboten. Eine Einnahme von Lithium oder Lithiumorotat sollte deshalb ausschließlich im Rahmen ärztlich begleiteter Therapien erfolgen.

Ärztliche Begleitung und Überwachung

Die Anwendung von Low-Dose-Lithium erfordert eine sorgfältige Überwachung und individuelle Anpassung, um die bestmöglichen Ergebnisse zu erzielen und Nebenwirkungen zu minimieren. Vor einer Lithiumtherapie sollte die Untersuchung eines Blutbildes, der Nierenwerte, der Schilddrüsenwerte (TSH, fT3, fT4), der Lithiumspiegel, sowie eine Vollblutmineralanalyse durchgeführt werden. Optional ist auch die Analyse des Hippocampus-Wachstumsfaktors (BDNF - brain derived nerve factor) möglich. Nach ausführlicher ärztlicher Prüfung und Indikationsstellung erhalten Sie - falls medizinisch sinnvoll - und keine Kontraindikationen bestehen, eine Rezept für die Low-Dose Lithium-Therapie.

Kostenübernahme

Die Kosten für die niedrig-dosierte Lithiumtherapie werden nicht von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen. Sowohl die Beratung und Behandlungsgebühren werden privat nach der Gebührenordnung für Ärzte abgerechnet.

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