Die Unterscheidung zwischen Depression und Demenz kann besonders im Frühstadium einer Erkrankung eine Herausforderung darstellen. Beide Zustände können das Denken, Fühlen und Handeln eines Menschen erheblich verändern, was zu Verwechslungen und Fehldiagnosen führen kann. Es ist jedoch entscheidend, eine frühzeitige und genaue Diagnose zu stellen, da dies die Behandlungsstrategien und den Verlauf beider Erkrankungen erheblich beeinflussen kann.
Demenz und Depression: Zwei häufige psychische Erkrankungen im Alter
Demenz und Depression gehören zu den häufigsten psychischen Erkrankungen im Alter. Schätzungsweise leidet jeder fünfte Demenzkranke auch an einer depressiven Störung. Die Prävalenz von Depressionen in stationären Einrichtungen der Altenpflege wird auf bis zu 50 Prozent geschätzt.
Es ist wichtig zu beachten, dass Depressionen in jedem Lebensalter auftreten können. Im höheren Lebensalter spricht man häufig von einer Altersdepression, die alterstypische Auslöser und Symptome aufweist.
Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Symptomen
Sowohl Demenz als auch Depression können ähnliche Symptome aufweisen, darunter Vergesslichkeit, Konzentrationsprobleme und Antriebslosigkeit. Dies erschwert die Diagnose erheblich.
Symptome der Demenz
- Desorientiertheit: Betroffene finden sich in ihrer Umgebung nicht mehr zurecht.
- Konfabulationen: Betroffene versuchen, Informationen aus ihrem Gedächtnis abzurufen, die nicht mehr gespeichert werden konnten.
- Zeitlich unscharfer Beginn der Erkrankung: Die Erkrankung beginnt schleichend und verschlechtert sich kontinuierlich.
- Hirnwerkzeugstörungen: Störungen von Hirnfunktionen, die sich in Form von Sprach- und Bewegungsstörungen wie Aphasie und Apraxie bemerkbar machen.
- Ausfall des Kurzzeitgedächtnisses: Schwierigkeiten, sich an kürzlich erlebte Ereignisse zu erinnern.
- Fehlendes Urteils- und Planungsvermögen: Schwierigkeiten, Entscheidungen zu treffen und zukünftige Ereignisse zu planen.
- Koordinations- und Sprachstörungen: Schwierigkeiten bei der Bewegung und der verbalen Kommunikation.
- Verlust von Alltagskompetenzen: Schwierigkeiten bei alltäglichen Aufgaben wie Duschen, Toilettengängen und Essenszubereitung.
- Nächtliche Unruhe und Umtriebigkeit: Erhöhte Aktivität und Unruhe während der Nacht.
Symptome der Depression
- Traurige, niedergeschlagene Stimmung: Anhaltende Gefühle von Traurigkeit und Hoffnungslosigkeit.
- Interessenverlust: Verlust des Interesses an Aktivitäten, die früher Freude bereitet haben.
- Verminderter Appetit: Veränderungen im Essverhalten, die zu Gewichtsverlust führen können.
- Schuldgefühle: Übermäßige Gefühle von Schuld und Wertlosigkeit.
- Lebensüberdrussgedanken oder Suizidalität: Gedanken über den Tod oder Selbstmord.
- Schlaflosigkeit: Schwierigkeiten beim Ein- oder Durchschlafen.
- Gewichtsverlust: Unbeabsichtigter Gewichtsverlust aufgrund von Appetitlosigkeit.
- Psychomotorische Hemmung oder Agitation: Verlangsamung der Bewegungen oder erhöhte Unruhe.
- Ausgeprägte Konzentrationsstörungen: Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren und aufmerksam zu bleiben.
- Ein- und Durchschlafstörungen: Schwierigkeiten beim Einschlafen oder Durchschlafen aufgrund von Sorgen.
- Stimmungstief am Morgen: Verschlechterung der Stimmung am Morgen.
- Sozialer Rückzug: Tendenz, sich von sozialen Aktivitäten und Kontakten zurückzuziehen.
Unterscheidungsmerkmale
Obwohl sich die Symptome von Depression und Demenz ähneln können, gibt es einige wichtige Unterschiede, die bei der Diagnose helfen können:
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- Erkrankungsbeginn: Demenz beginnt schleichend und verschlechtert sich kontinuierlich über Monate oder Jahre, während eine Depression einen raschen Beginn und eine Krankheitsdauer von oft weniger als 6 Monaten aufweist.
- Leistung: Die Leistungsfähigkeit sinkt bei einer Alzheimer-Demenz konstant, während sie bei einer Depression stark schwankt.
- Verlauf: Depression ist eine Erkrankung mit vorübergehendem Verlauf, während sich bei einer Demenzerkrankung eine Symptomatik über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten zeigt.
- Selbstbild: Depressive klagen mehr über ihre Symptome, während Demenzkranke dazu neigen, ihre Beschwerden zu kaschieren.
- Orientierung: Der depressive Patient kann sich zumindest orientieren und Hilfe aufsuchen, während der Demenz-Patient desorientiert ist und mit fortschreitender Erkrankung nicht in der Lage ist, Hilfe aufzusuchen.
- Alltagsverhalten: Trotz Depression ist der Patient in der Lage, Routinearbeiten zu tätigen, während der Demenzpatient seine Alltagskompetenzen verliert.
- Problembewältigung: Menschen mit einer Depression stellen ihre Einschränkungen oft mit sehr ausführlichen Beschreibungen in den Vordergrund und reagieren häufig auf Leistungsanforderungen mit Aussagen wie „Ich schaffe das nicht" oder „Ich kann das nicht". Menschen, die an einer Demenz leiden, bagatellisieren dagegen ihre Einschränkungen sehr oft bzw. machen ihr Umfeld für ihre Defizite verantwortlich.
- Kognitive Störungen: Im Rahmen einer Depression handelt es sich oft nur um gering ausgeprägte Beeinträchtigungen, die dann auch eher gleichbleibend sind. Bei einer Demenzerkrankung hingegen treten zunehmende kognitive Störungen auf, die im Einklang mit dem immer schlechteren Abschneiden in Leistungstests stehen.
- Schlaf: Depressive Menschen leiden häufig aufgrund einer sorgenvollen Grübelneigung an Ein- und Durchschlafstörungen, während es bei einer Demenzerkrankung eher zu zunehmender nächtlicher Unruhe und Umtriebigkeit kommt.
- Soziale Aktivitäten: Depressive Menschen neigen dazu, sich sozial zurückzuziehen, während Demenzkranke oftmals gerade zu Beginn der Erkrankung noch versuchen, sozial aktiv zu bleiben.
- Stimmung: Bei einer Depression kommt es häufig zu einem Stimmungstief am Morgen, während es bei einer Demenzerkrankung eher zu einem Stimmungstief am Abend kommt.
Pseudodemenz: Wenn Depressionen das Denken verändern
Depressionen können nicht nur die Stimmung beeinflussen, sondern auch das Denken verändern. In solchen Fällen sprechen Fachleute von einer „Pseudodemenz“ - einer kognitiven Beeinträchtigung, die durch eine Depression entsteht. Menschen mit einer Pseudodemenz wirken vergesslich, unkonzentriert oder unsicher. Manchmal verlangsamen sich auch Sprache und Bewegungen. Orientierung und logisches Denken bleiben aber meist erhalten.
Diagnose
Eine frühzeitige und genaue Diagnose ist entscheidend für die Behandlung beider Erkrankungen. Die Diagnose sollte von einem Arzt oder Therapeuten gestellt werden.
Diagnostische Verfahren
- Anamnese: Erhebung der Krankengeschichte und der aktuellen Symptome.
- Körperliche Untersuchung: Untersuchung des allgemeinen Gesundheitszustands.
- Neurologische Untersuchung: Untersuchung der Hirnfunktionen.
- Psychiatrische Untersuchung: Beurteilung des psychischen Zustands.
- Kognitive Leistungstests: Tests zur Erfassung von Gedächtnis, Aufmerksamkeit und anderen kognitiven Funktionen (z.B. DemTect, MMST).
- Geriatrische Depressionsskala (GDS): Fragebogen zur Erfassung depressiver Symptome.
- Bildgebende Verfahren: In einigen Fällen können bildgebende Verfahren wie MRT oder CT eingesetzt werden, um Veränderungen im Gehirn zu erkennen.
Behandlung
Die Behandlung von Depression und Demenz zielt darauf ab, die Symptome zu lindern und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.
Behandlung der Depression
- Psychotherapie: Gesprächstherapie, die helfen kann, negative Gedanken und Verhaltensmuster zu verändern.
- Antidepressiva: Medikamente, die die Stimmung verbessern können.
- Entspannungs- und Meditationskurse: Können helfen, innere Unruhe und Anspannungen zu reduzieren.
- Sport und Bewegung: Regelmäßige körperliche Aktivität kann die Stimmung verbessern und die Durchblutung des Gehirns fördern.
- Soziale Kontakte: Aufrechterhaltung sozialer Kontakte und Teilnahme an Aktivitäten können Einsamkeit und Isolation reduzieren.
- Medizinisches Cannabis: Kann bei Altersdepressionen zu therapeutischen Zwecken in Frage kommen, indem es Symptome wie Stimmungsschwankungen, Schlafstörungen und Angstzustände lindert.
Behandlung der Demenz
- Medikamentöse Behandlung: Medikamente können die Symptome der Demenz lindern und den Krankheitsverlauf verlangsamen.
- Nicht-medikamentöse Maßnahmen:
- Ergotherapie: Hilft, Alltagskompetenzen zu erhalten und zu verbessern.
- Physiotherapie: Hilft, die körperliche Beweglichkeit zu erhalten.
- Logopädie: Hilft bei Sprach- und Schluckstörungen.
- Musiktherapie: Kann die Stimmung verbessern und die Kommunikation fördern.
- Kognitives Training: Kann die geistigen Fähigkeiten verbessern.
- Unterstützung für Angehörige: Angehörige von Demenzkranken benötigen oft Unterstützung, um mit den Belastungen der Pflege umzugehen.
Depressionen als Risikofaktor für Demenz
Wissenschaftliche Studien zeigen, dass Menschen, die im Laufe ihres Lebens an einer Depression erkranken, ein erhöhtes Risiko haben, im Alter eine Demenz zu entwickeln. Es wird vermutet, dass Depressionen Entzündungsprozesse im Gehirn fördern und Nervenzellen schädigen können. Eine frühzeitige Behandlung der Depression kann das Risiko senken.
Was können Angehörige tun?
Wenn Menschen mit Demenz zusätzlich an einer Depression erkranken, ist das für Angehörige oft besonders belastend. Angehörige spielen eine wichtige Rolle bei der Unterstützung der Betroffenen:
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- Aufmerksame Beobachtung: Achten Sie auf Veränderungen im Verhalten und der Stimmung der betroffenen Person.
- Verständnisvolle Begleitung: Zeigen Sie Verständnis und Geduld.
- Ermutigung zu ärztlicher Hilfe: Erklären Sie, dass eine Depression keine Schwäche ist, sondern eine behandelbare Erkrankung.
- Förderung sozialer Kontakte: Einsamkeit verstärkt Depressionen. Gespräche, Gruppentreffen oder Selbsthilfeangebote können insbesondere zu Beginn der Erkrankung entlasten.
- Achten Sie auf Bewegung: Körperliche Aktivität hilft nachweislich bei depressiven Symptomen.
- Vermeidung großer Veränderungen: Ein Umzug, der Verlust einer vertrauten Bezugsperson oder andere tiefgreifende Veränderungen können Ängste und depressive Phasen verschärfen.
- Schaffen Sie Sicherheit: Vermeiden Sie stressige Themen wie Geld, die Demenzerkrankung oder die damit verbundenen Einschränkungen.
- Bieten Sie einfache, sinnvolle Beschäftigung an: Kochen, musizieren oder gärtnern - das, was früher Freude gemacht hat, kann helfen. Wichtig ist: nicht überfordern.
- Gestalten Sie den Alltag so ruhig und angenehm wie möglich.
- Bauen Sie für Ihren depressiven Angehörigen ein funktionierendes Versorgungs- und Unterstützungssystem auf.
- Bemühen Sie sich, den familiären und partnerschaftlichen Austausch zu verbessern.
- Helfen Sie der Person dabei, Vergangenes besser zu bewältigen.
- Machen Sie deutlich, worauf man stolz sein kann und stellen Sie Veränderungen, die ohne eigenes Wollen erforderlich wurden, heraus.
- Vermeiden Sie Phrasen wie „Du musst positiv denken“.
- Versuchen Sie nicht, krampfhaft die Stimmung aufzuhellen.
- Suchen Sie Adressen von Therapeuten in ihrer Nähe heraus und stellen Sie diese Ihrem Angehörigen zur Verfügung.
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