Depression nach Schlaganfall: Erkennung, Ursachen und Behandlung

Ein Schlaganfall ist ein einschneidendes Ereignis, das nicht nur körperliche, sondern auch psychische Folgen haben kann. Viele Betroffene erleben Trauer, Niedergeschlagenheit und Anpassungsschwierigkeiten. Wenn diese Gefühle jedoch anhalten und sich zu einer behandlungsbedürftigen Depression entwickeln, spricht man von einer Post-Stroke-Depression (PSD). Schätzungsweise ein Drittel der Schlaganfallbetroffenen entwickelt eine solche Depression, die oft unerkannt bleibt und somit unbehandelt bleibt.

Woran erkennt man eine Depression nach Schlaganfall?

Es ist wichtig, zwischen normalen Gefühlsschwankungen nach einem Schlaganfall und einer behandlungsbedürftigen Depression zu unterscheiden. Während Phasen der Trauer und Wut normale Reaktionen auf die veränderte Lebenssituation sind, deutet eine anhaltende, durchgehende Niedergeschlagenheit über einen längeren Zeitraum auf eine Depression hin.

Symptome der Post-Stroke-Depression (PSD):

Die Symptome ähneln denen einer klassischen Depression und können verschiedene Bereiche betreffen:

  • Anhaltend traurige Grundstimmung: Betroffene sind schwermütig, trübsinnig, niedergeschlagen, verzweifelt und empfinden keine positiven Lebensgefühle. Auch Gleichgültigkeit und ein Erlöschen von Gefühlen können auftreten. Manche Patienten erleben die Traurigkeit als körperliche Missempfindung wie Druck in der Herz- oder Magengegend.
  • Interessenverlust: Der Verlust des Interesses an früher geliebten Hobbys und Aktivitäten.
  • Antriebshemmung: Schon das Aufstehen am Morgen fällt schwer. Einfachste tägliche Verrichtungen benötigen unverhältnismäßig viel Zeit. Entschlussfreude und Schwung fehlen. Die Antriebsarmut äußert sich auch in verlangsamten Bewegungen, einem schleppenden Gang und eingeschränkter Mimik.
  • Energiemangel: Betroffene fühlen sich erschöpft und antriebslos.
  • Denkhemmung und Grübeltendenzen: Die Gedanken kreisen ununterbrochen um unrealistische Sorgen und Nöte. Alles erscheint in düsterem Licht, das bisherige Leben wird als verfehlt empfunden. Gespräche sind einsilbig und unproduktiv, Gedankengänge werden nicht zu Ende gebracht.
  • Konzentrationsprobleme: Schwierigkeiten, die Gedanken zu fokussieren und alltägliche Arbeiten auszuführen.
  • Schlafstörungen: Schlafprobleme, die die Genesung beeinträchtigen können.
  • Gewichtsveränderungen: Zunahme oder Abnahme des Gewichts.
  • Schuld- und Wertlosigkeitsgefühle: Patienten fühlen sich schuldig für ihre Erkrankung oder wertlos, da sie möglicherweise ihre Unabhängigkeit nicht mehr erfüllen können.
  • Körperliche Beschwerden: Häufige Begleiterscheinungen sind Kopfschmerzen oder Magenprobleme.
  • Selbsttötungsgedanken: Im schlimmsten Fall können Suizidgedanken auftreten.

Besonders gefährdet sind Patienten mit einer schweren Aphasie, da die eingeschränkte Kommunikationsfähigkeit die Diagnose erschweren kann. Angehörige bemerken die Veränderungen oft früher als die Betroffenen selbst. Es ist daher wichtig, auf Anzeichen einer Depression zu achten und diese ernst zu nehmen.

Ursachen einer Depression nach Schlaganfall

Die Ursachen für eine PSD sind komplex und noch nicht vollständig geklärt. Es gibt zwei Hauptansätze:

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  1. Direkte Folge des Schlaganfalls: Der Schlaganfall kann Gehirnbereiche schädigen, die für die Emotionsverarbeitung zuständig sind. In diesem Fall wird die Depression direkt durch den Schlaganfall ausgelöst.
  2. Reaktive Depression: Die Depression entsteht als Reaktion auf die Folgen des Schlaganfalls, wie z.B. körperliche Einschränkungen, Verlust der Selbstständigkeit, Zukunftsängste oder Trauer um verlorene Fähigkeiten. Betroffene fühlen sich wert- und nutzlos und können keine positive Zukunftsperspektive entwickeln.

Es besteht keine Einigkeit darüber, ob körperliche oder psychische Ursachen überwiegen, daher wird von komplexen Wechselwirkungen ausgegangen.

Diagnostik depressiver Symptome

Die Diagnostik depressiver Symptome bei Schlaganfallbetroffenen ist eine Herausforderung. Es ist wichtig, die Problematik von Fragen zu somatischen Symptomen sowie das Vorgehen bei Patienten mit einer Aphasie zu berücksichtigen.

Behandlung der Depression nach Schlaganfall

Eine PSD sollte unbedingt behandelt werden, da sie die Lebensqualität erheblich einschränken und die Genesung verzögern kann. Eine unbehandelte Depression kann sich verschlechtern und im schlimmsten Fall zu Suizidgedanken oder einem Suizid führen.

Wichtige Aspekte der Behandlung:

  • Krankheitseinsicht: Eine erfolgreiche Behandlung setzt eine gewisse Krankheitseinsicht voraus, damit der Patient aktiv an der Therapie teilnehmen und Fortschritte erkennen kann.
  • Medikamentöse Behandlung: In den meisten Fällen ist eine zusätzliche medikamentöse Behandlung mit Antidepressiva notwendig. Allerdings sind Antidepressiva bei PSD oft weniger wirksam als bei herkömmlichen Depressionen. Sie sollten daher nur mit Bedacht eingesetzt werden, da sie auch unerwünschte Wirkungen haben und die Wirkung anderer Medikamente beeinflussen können. Die Dosierung und das Absetzen der Medikamente sollten in Rücksprache mit dem Neurologen und/oder Psychiater erfolgen. Am besten untersucht sind selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) und trizyklische Antidepressiva.
  • Psychotherapie: Sitzungen bei Psychotherapeuten sind sinnvoll, sofern der Betroffene in der Lage ist, sich ausreichend sprachlich auszudrücken. Ziel der Psychotherapie ist es, den Patienten beim Umgang mit der Erkrankung und der veränderten Lebenssituation zu unterstützen.
  • Kombinationstherapie: Optimal ist eine Zusammenarbeit zwischen einem Neurologen und einem Psychiater, da diese auch Medikamente verschreiben dürfen.
  • Weitere Therapieansätze:
    • Ergotherapie: Kann helfen, bestimmte Körperfunktionen wiederzuerlangen, indem alltägliche Verrichtungen wie Waschen, Anziehen oder Haushaltstätigkeiten geübt werden.
    • Bewegungs- und Krafttraining: Ist wichtig und kann sogar dazu beitragen, dass sich depressive Beschwerden bessern.
    • Psychoedukation: Betroffene und Angehörige lernen, die Erkrankung zu verstehen und mit den Folgen umzugehen.

Wer therapiert eine Depression nach Schlaganfall?

Die erste Anlaufstelle ist die Hausarztpraxis oder der behandelnde Neurologe. Bei Bedarf können diese an einen Psychiater oder Psychotherapeuten überweisen.

Unterstützung durch Angehörige und soziales Umfeld:

Die Unterstützung durch Angehörige und Freunde spielt eine entscheidende Rolle im Genesungsprozess. Einfache Ermunterungsversuche oder Ratschläge sind jedoch meist nicht hilfreich. Vielmehr sind Einfühlsamkeit, Geduld und Verständnis gefragt. Es ist wichtig, den Betroffenen zuzuhören, ihre Gefühle ernst zu nehmen und ihnen Mut zu machen.

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Wichtig: Die Betreuung eines nahestehenden Menschen nach einem Schlaganfall kann eine große Herausforderung sein und manchmal überfordern. Eine Depression kann sich daher auch bei pflegenden Angehörigen entwickeln. Es gibt viele Unterstützungsmöglichkeiten, zum Beispiel Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen, die Erkrankten und ihren Angehörigen Hilfestellungen geben können.

Bedeutung der Rehabilitation

Eine gut organisierte Behandlung und Rehabilitation sind entscheidend, um die krankheitsbedingten Einschränkungen zu verbessern und die Lebensqualität nach einem Schlaganfall zu erhöhen. Eine erfolgreiche Rehabilitation setzt eine hohe Motivation voraus. Studien zeigen, dass eine frühe Behandlung mit Antidepressiva nicht nur die Depression reduzieren, sondern auch die körperliche Erholung fördern kann.

Umgang mit Sprachstörungen

Menschen mit einer Depression nach einem Schlaganfall können aufgrund von Sprachstörungen oft nicht selbst auf ihr Befinden hinweisen. Es ist daher wichtig, dass die Menschen um sie herum auf Anzeichen für eine Depression achten.

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