Depression: Neurologe oder Psychiater – Wo liegt der Unterschied?

Viele Menschen mit seelischen Beschwerden oder Erkrankungen wie Antriebslosigkeit, Angststörungen oder Depressionen suchen professionelle Hilfe. Oft stellt sich die Frage: An wen soll ich mich wenden? Psychiater, Psychologe oder Psychotherapeut - die Unterschiede sind nicht immer klar. Dieser Artikel soll Licht ins Dunkel bringen und die jeweiligen Kompetenzen und Zuständigkeiten aufzeigen, insbesondere im Hinblick auf Depressionen.

Wer macht was? Die Unterschiede im Überblick

Es ist wichtig zu verstehen, dass Psychiater, Psychologen und Psychotherapeuten unterschiedliche Ausbildungen und Schwerpunkte haben.

Psychiater:

  • Haben ein Medizinstudium absolviert und sich anschließend in einer mehrjährigen Facharztausbildung auf Psychiatrie und Psychotherapie spezialisiert.
  • Beschäftigen sich mit der Funktionsweise und den Erkrankungen des menschlichen Körpers, insbesondere des Gehirns.
  • Dürfen Medikamente verschreiben und körperliche Ursachen psychischer Probleme erkennen und behandeln.
  • Können auch als ärztliche Psychotherapeuten arbeiten, wenn sie eine entsprechende Weiterbildung absolviert haben.
  • Führen in der Regel eine ausführliche Anamnese durch, um die Biographie und Krankengeschichte zu erheben.
  • Nehmen gegebenenfalls psychologische und/oder neurologische Tests vor, um andere Diagnosen auszuschließen.
  • Erstellen einen Behandlungsplan, der bei Bedarf eine medikamentöse Behandlung einschließt.
  • Führen in der Regel keine Gesprächstherapie durch, es sei denn, sie arbeiten auch als ärztliche Psychotherapeuten.

Psychologen:

  • Haben ein mindestens fünfjähriges Psychologiestudium abgeschlossen, das die Wissenschaft vom Verhalten, Denken und Fühlen umfasst.
  • Beschäftigen sich mit dem Lernen und Verhalten der Menschen, mit ihren Gefühlen und Gedanken.
  • Versuchen, menschliches Erleben und Verhalten zu beschreiben, zu erklären, vorherzusagen oder gegebenenfalls zu ändern.
  • Können nach dem Studium in verschiedenen Bereichen arbeiten, z. B. in Personalabteilungen, Schulen, als Coaches oder in der Forschung.
  • Dürfen ohne zusätzliche Ausbildung keine Menschen mit psychischen Erkrankungen behandeln.
  • Führen häufig testpsychologische Diagnostik durch, geben Beratung oder führen therapeutische Gespräche.

Psychotherapeuten:

  • Die Berufsbezeichnung Psychotherapeut ist in Deutschland rechtlich geschützt.
  • Können entweder Ärzte (Psychiater) oder Psychologen sein, die eine zusätzliche drei- bis fünfjährige Ausbildung in Psychotherapie absolviert haben.
  • Psychologische Psychotherapeuten müssen im Rahmen ihrer Ausbildung ein Jahr in der Psychiatrie und ein halbes Jahr in der Psychosomatik arbeiten.
  • Sie absolvieren 600 Theoriestunden sowie 600 Einzelpsychotherapiestunden unter Supervision.
  • Wählen einen Schwerpunkt in einem der folgenden Therapieverfahren: Kognitive Verhaltenstherapie, Tiefenpsychologisch Fundierte Psychotherapie, Psychoanalyse oder Systemische Therapie.
  • Führen Gesprächstherapien durch, in der Regel einmal pro Woche über einen Zeitraum von ein bis zwei Jahren.
  • Ermitteln in einem Erstgespräch, welche Therapieform am hilfreichsten ist.

Neurologen:

  • Befassen sich mit körperlichen Störungen des Nervensystems und weniger mit seelischen Erkrankungen.
  • Diagnostizieren und behandeln Lähmungen, Gefühlsstörungen, Gleichgewichtsstörungen, Gedächtnisstörungen und andere Funktionen des Gehirns.
  • Behandeln Erkrankungen wie Epilepsie, Multiple Sklerose, die Parkinson- und Alzheimer-Erkrankung.
  • Können Medikamente verschreiben.

Depression: Wer ist der richtige Ansprechpartner?

Bei Verdacht auf eine Depression ist der erste Ansprechpartner oft der Hausarzt. Dieser kann körperliche Ursachen, wie z.B. eine Schilddrüsenerkrankung, ausschließen. Anschließend kann er an einen Facharzt für Psychiatrie oder einen psychologischen Psychotherapeuten überweisen.

Wann zum Psychiater?

  • Bei Verdacht auf eine Depression, insbesondere wenn körperliche Ursachen nicht ausgeschlossen werden können.
  • Bei Bedarf an medikamentöser Behandlung.
  • Bei komplexen oder schweren Depressionen.
  • Wenn eine Kombination aus medikamentöser und psychotherapeutischer Behandlung erforderlich ist.
  • In Krisensituationen oder bei Suizidgefahr.

Wann zum Psychologen/Psychotherapeuten?

  • Bei dem Wunsch, die Ursachen der psychischen Probleme zu ergründen und nachhaltig zu verändern.
  • Bei leichten bis mittelschweren Depressionen.
  • Wenn eine Psychotherapie als alleinige Behandlungsform ausreichend erscheint.
  • Zur Unterstützung und Ergänzung einer medikamentösen Behandlung.

Die Rolle des Neurologen

Neurologen kümmern sich in erster Linie um die physiologischen Funktionen und Krankheiten der Nerven. Da Depressionen jedoch auch auf Stoffwechselstörungen beruhen können, kann ein Neurologe in manchen Fällen ebenfalls eine Anlaufstelle sein.

Die Behandlung von Depressionen

Die Behandlung einer Depression kann unter verschiedenen Rahmenbedingungen angeboten werden:

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  • Hausarzt: Ist oft die erste Anlaufstelle und kann körperliche Ursachen ausschließen.
  • Psychiater/Nervenarzt: Betreuen den Großteil der depressiv Erkrankten mit spezialisierter Behandlung.
  • Psychologische Psychotherapeuten: Bieten ambulante Psychotherapie an.
  • Klinik/Tagesklinik: Bei Krisensituationen, schweren Depressionen und Suizidgefahr.
  • Psychosomatische Klinik: Bietet stationäre Therapie an.
  • Institutsambulanzen: Ambulanzen an psychiatrischen Kliniken.

Bestandteile der Behandlung können sein:

  • Medikamente: Antidepressiva können helfen, die Symptome zu lindern.
  • Psychotherapie: Verschiedene Therapieverfahren können helfen, die Ursachen der Depression zu bearbeiten und neue Bewältigungsstrategien zu entwickeln.
  • Andere Therapieformen: Ergotherapie, Kunsttherapie, Bewegungstherapie usw. können ergänzend eingesetzt werden.

Therapieformen im Überblick

Es gibt verschiedene psychotherapeutische Verfahren, die bei der Behandlung von Depressionen eingesetzt werden können:

  • Kognitive Verhaltenstherapie: Hilft, negative Denkmuster und Verhaltensweisen zu erkennen und zu verändern.
  • Tiefenpsychologisch Fundierte Psychotherapie: Beschäftigt sich mit unbewussten Konflikten und Beziehungsmustern, die zur Entstehung der Depression beigetragen haben.
  • Psychoanalyse: Eine intensive Form der Psychotherapie, die sich mit der Aufarbeitung frühkindlicher Erfahrungen und unbewusster Konflikte befasst.
  • Systemische Therapie: Betrachtet die Probleme im Kontext der sozialen Beziehungen und der Umwelt.
  • Gesprächstherapie: Bietet einen sicheren Raum, um über die eigenen Gefühle und Gedanken zu sprechen und neue Perspektiven zu entwickeln.
  • EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing): Eine spezielle Traumatherapie, die auch bei Depressionen eingesetzt werden kann.

Diagnostik von Depressionen

Die Diagnose einer Depression erfolgt in der Regel anhand internationaler Klassifikationssysteme wie ICD-10 (International Classification of Diseases). Ärzte sprechen von einer leichten depressiven Episode, wenn mindestens zwei Hauptsymptome (z.B. depressive Stimmung und Antriebsmangel) und zwei Zusatzsymptome (z.B. Schuldgefühle und Schlafstörungen) auftreten. Bei einer mittelgradigen depressiven Phase liegen zwei Hauptsymptome und mindestens drei weitere Symptome vor. Schwere depressive Episoden werden diagnostiziert, wenn alle drei Hauptsymptome und mindestens vier zusätzliche Symptome vorhanden sind. Die Beschwerden müssen mindestens über zwei Wochen anhalten.

Es gibt verschiedene Formen von Depressionen:

  • Chronische Depression (Dysthymie): Eine leichte depressive Verstimmung, die über 2 Jahre anhält.
  • Psychotische Depression: Eine Depression mit zusätzlichen psychotischen Anzeichen wie Wahnideen.
  • Somatisierte Depression: Körperliche Beschwerden und Missempfindungen stehen im Vordergrund.
  • Saisonale Affektive Störung (SAD): Depressive Episode, deren Beginn und Ende gehäuft zu bestimmten Jahreszeiten erfolgen (z.B. Winterdepression).
  • Wochenbettdepression (postpartale Depression): Tritt in den ersten Wochen nach der Geburt auf.

Stigmatisierung und Enttabuisierung

Viele Menschen scheuen sich, einen Psychiater oder Psychotherapeuten aufzusuchen, da psychische Erkrankungen immer noch stigmatisiert sind. Es ist wichtig zu betonen, dass Depressionen eine ernstzunehmende Erkrankung sind, die professionell behandelt werden muss. Betroffene sollten sich nicht scheuen, Hilfe zu suchen. Durch offene Gespräche und Aufklärung kann dazu beigetragen werden, die Stigmatisierung zu verringern und die Akzeptanz für psychische Erkrankungen zu erhöhen.

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