Der Vagusnerv, auch bekannt als der zehnte Hirnnerv oder Nervus vagus, ist ein paarig angelegter Nerv, der dem Gehirn entspringt und tief auf beiden Halsseiten bis zum Bauch verläuft. Er ist der längste unserer zwölf Hirnnerven und spielt eine zentrale Rolle im autonomen Nervensystem, das Körperfunktionen wie Herzschlag und Atmung steuert. Er vermittelt zwischen einer Vielzahl von Körperfunktionen wie Herzfrequenz, Verdauung und Atmung. Als Teil des Parasympathikus und Gegenspieler zum Sympathikus steuert der Nervus vagus das parasympathische vegetative Nervensystem und damit unbewusst ablaufende Funktionen im Körper.
Die Funktionen des Vagusnervs
Der Vagusnerv ist der wichtigste Teil des parasympathischen Nervensystems. Der Parasympathikus, Bestandteil des vegetativen Nervensystems, dient der Erholung und dem Aufbau von Energiereserven im Körper. Somit ist der Vagusnerv in unserem Körper mit verantwortlich für die Entspannung, Verdauung und unsere Energiereserven. Als einziger Hirnnerv reicht er vom Gehirn über das Herz, die Lungen, Leber und Milz bis in den Magen-Darm-Trakt. Sein Name kommt vom lateinischen „Nervus vagus“, was so viel wie "umherwandernder Nerv" bedeutet. Er leitet sich von der Idee ab, dass der Nerv weitläufig in unserem Körper umherschweift. Er übermittelt die Funktionen der inneren Organe an unser Gehirn und ist an der Regulierung des jeweiligen Organs direkt beteiligt.
Der Vagusnerv fungiert als Datenautobahn zwischen Gehirn und Organen. Wenn wir zum Beispiel hungrig sind, kommuniziert der Vagusnerv das Bedürfnis des Magens nach Nahrung an unser Gehirn und übersetzt das Hungergefühl, damit wir den knurrenden Magen nachvollziehen können. Der Vagus steuert damit also auch unser Verhalten und unsere Reaktionen auf die Umwelt. Denn wenn wir hungrig sind, begeben wir uns auf die Suche nach Nahrung. Er fungiert in erster Linie als wichtige Schnittstelle, als Datenautobahn zwischen Gehirn und Organen, um unseren Körper im gesunden Gleichgewicht zu halten. In der Wissenschaft sprechen wir von Homöostase: dem Zustand, in dem alle unsere physiologischen Körperfunktionen stabil und ausgeglichen sind. Dazu gehört ein geregelter Energiehaushalt ebenso wie der Blutdruck und unser Sättigungsgefühl: Wenn wir weder hungrig noch übermäßig satt sind, befinden wir uns in einem normalen Zustand, in dem wir uns anderen Dingen widmen können. Der Vagusnerv signalisiert uns also, ob unsere menschlichen, organischen Grundbedürfnisse gedeckt sind und ob wir uns entspannen können oder anstrengen sollten. Bei einem äußeren Reiz in Form von Stress hilft uns der Nervus vagus angemessen darauf zu reagieren, indem wir beispielsweise die Herzfrequenz und die Atmung anpassen. Nach der Stresssituation sorgt der Vagus dafür, dass der Körper wieder in einen Entspannungszustand gelangt.
Die Stimulation des Vagusnervs
Studien zeigen, dass die Stimulation des Vagusnervs bei einer Vielzahl von psychiatrischen und neurologischen Erkrankungen hilfreich sein kann. Die Studien beziehen sich dabei auf zwei verschiedene Formen der elektrischen Stimulation; eine invasive und eine nichtinvasive.
Invasive Vagusnervstimulation (iVNS)
Schon seit Jahrzehnten etabliert ist die invasive Vagusnervstimulation (iVNS) für therapieresistente Epilepsie: Hierbei setzt in einer Operation ein Neurochirurg im oberen Brustbereich Stimulationselektroden sowie einen Generator ein, ähnlich wie bei einem Herzschrittmacher. Die Stromimpulse wirken über den Vagusnerv im Gehirn und hemmen dort Aktivitäten, die zu epileptischen Anfällen führen. Bereits in den 1990er-Jahren wurde diese Methode vermehrt eingesetzt, wobei eine positive Nebenwirkung beobachtet werden konnte: die Stimmungsaufhellung bei einigen Patienten. Studien untersuchten den Effekt und stellten nachweislich Effekte auf die Stimmung dar.
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Um den Vagusnerv zu stimulieren, bedarf es oft einer kleinen Operation. Dafür wird ein Gerät unter der Haut im Brustbereich implantiert. Es ist mit einem Draht verbunden, der den Vagusnerv im Halsbereich umwickelt und elektrische Impulse an ihn sendet. Als Folge des Eingriffs können Nebenwirkungen wie etwa Stimmveränderungen oder Heiserkeit auftreten. Einige Studien berichten auch von Herzrhythmusstörungen nach der Implantation und der ersten Anwendung.
Nicht-invasive Vagusnervstimulation
Es gibt auch eine alternative Methode, bei der der Vagusnerv über die Haut stimuliert wird. Hierfür tragen Patientinnen und Patienten ein Gerät im Ohr, das einem Kopfhörer ähnelt. Über die Haut wird ein Ast des Vagusnervs, der oberhalb des Gehörgangs sitzt, stimuliert. Die Wirksamkeit bei der Anregung übers Ohr ist vergleichbar mit der invasiven Stimulation. Daher kann es sinnvoll sein, erst einmal diese Methode für sich zu testen, bevor man sich ein Gerät zur VNS implantieren lässt. Auch für die Wissenschaft bietet die VNS über das Ohr Vorteile, so das Fazit von Susanne Knake. Mithilfe dieser Methode wird es einfacher, große klinische Studien durchzuführen und dadurch aussagekräftigere Ergebnisse zu erzielen. Die Expertin erzählt, dass hierbei auch erstmals Lifestyle-Effekte gemessen werden konnten. „In einer Untersuchung konnten wir bei gesunden Probanden nach der Stimulation eine Verringerung des Stresshormons Cortisol messen“, erklärt Knake.
Anwendungsbereiche der Vagusnervstimulation
Die Stimulation des Vagusnervs kann bei verschiedenen Erkrankungen eingesetzt werden.
Epilepsie
Eine Übersichtsstudie kommt zu dem Schluss: Die VNS kann bei Patientinnen und Patienten mit schwer kontrollierbarer Epilepsie die Häufigkeit und Schwere von Anfällen in Kombination mit Medikamenten reduzieren. Bei diesen Anfällen ist das Zusammenspiel der Nervenzellen im Gehirn vorübergehend gestört. Das führt dazu, dass einzelne Hirnbereiche übermäßig aktiv sind und zu viele Signale abgeben. Es gibt Hinweise darauf, dass die Stimulation des Vagusnervs die Erregbarkeit von Gehirnzellen reduzieren kann. „Die genaue Wirkungsweise der VNS bei Epilepsie ist noch nicht vollständig verstanden“, sagt Professorin Susanne Knake, Fachärztin für Neurologie und Expertin für Epilepsien am Universitätsklinikum Marburg.
Depressionen
Bei Depressionen führt ein gestörter Vagusnerv zu Antriebslosigkeit, emotionaler Taubheit und Erschöpfung. Der Vagusnerv spielt eine zentrale Rolle im autonomem Nervensystem, das Körperfunktionen wie Herzschlag und Atmung steuert. Bei Depressionen ist dieser Nerv oft unteraktiv, was zu einem chronischen Stresszustand führt. Die Vagusnerv-Stimulation setzt gezielte elektrische Impulse ein, um die Aktivität des Nervs zu normalisieren. Diese Therapie soll die Kommunikation zwischen Gehirn und Körper fördern und so das Nervensystem beruhigen.
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Migräne und andere psychische Erkrankungen
Auch bei Migräne ist die Stimulation als Therapie zugelassen, ebenso bei Depressionen und anderen psychischen Erkrankungen, wenn andere Behandlungen nicht erfolgreich waren. Der Vagusnerv ist mit vielen Organen verbunden. Was seine Stimulation genau bewirkt, ist nicht ganz klar. „Auch hier verstehen wir die Wirkweise noch nicht ganz genau“, sagt Knake. „Wir nehmen an, dass die VNS die Freisetzung von Neurotransmittern im Gehirn beeinflusst, die für die Stimmung und das Wohlbefinden verantwortlich sind.“ Allerdings, so gibt die Expertin zu bedenken, könne die Methode keine Heilung bieten, sondern nur dazu beitragen, Symptome zu lindern.
Weitere mögliche Anwendungsbereiche
Am Uniklinikum Tübingen erforschen wir die Vagusnervstimulation in Studien und nutzen dafür eine elektronische Stimulation über das Ohr. Über die Elektrode läuft ein spezielles Programm ab, das eine gewisse Abfolge an Impulsen vorgibt. In einigen Studien kombinieren wir die Stimulation auch mit einem funktionellen MRT, das die Aktivität des Gehirns in Echtzeit sichtbar macht. So können wir überprüfen, ob die Stimulation das Gehirn wie gewünscht über den Hirnstamm beeinflusst und tatsächlich der Vagusnerv stimuliert werden. Derzeit gehen wir aufgrund der Studienlage davon aus, dass diese professionelle Vagusnervstimulation Personen helfen kann, die unter Antriebslosigkeit, Depressionen, Epilepsie oder auch Störungen im Stoffwechsel oder der Verdauung leiden. Zudem könnte die Stimulation bei Trägheit oder Fatigue helfen. Bei diesen Erkrankungen kann es sinnvoll sein, die Informationsweiterleitung im Körper wieder ins Gleichgewicht zu bringen.
Auch im Bereich der psychischen Gesundheit wird aktuell geforscht, wie sich der Vagusnerv bei chronischem Stress, innerer Unruhe und Depressionen aktivieren lässt, um die Stimmung und Motivation zu verbessern. Ziel ist es, Betroffenen dabei zu helfen, angemessen mit Stresssituationen umzugehen und danach schneller wieder einen entspannten Zustand zu erreichen.
Vagusnervstimulation im Trend?
Vagusnerv-Stimulation ist einer der Selfcare-Trends in den sozialen Netzwerken. Aber worum geht es dabei überhaupt und steht der Vagusnerv zu Recht so stark im Rampenlicht? Ob Atemübungen, Ohrmassage oder Singen: Wer online danach sucht, findet zahlreiche Anleitungen für eine Vagusnerv-Stimulation. Der Nerv, der den Darm mit dem Hirn verbindet, gerät zunehmend in den Fokus. Im Internet und in den Sozialen Medien werden zahlreiche Versprechungen zur Wirkung der Stimulation des Vagusnervs verbreitet - beispielsweise durch Selbstmassage des Halses oder durch Atemübungen; aber auch durch freiverkäufliche elektronische Geräte, die den Vagusnerv stimulieren sollen, die allerdings keine Zulassung zur Behandlung haben. Die Forschung weiß aktuell noch zu wenig darüber, wie und wann man die Vagusnervstimulation bei grundsätzlich gesunden Menschen gezielt einsetzen kann, um das Wohlbefinden zu steigern. Den Versprechungen sollte man also nicht ohne weiteres glauben.
Es gibt viele Ratgeber oder Online-Tutorials, die erklären, wie man den Vagusnerv massieren kann. Auch Geräte zur Selbststimulation sind auf dem Markt. Knake rät davon ab, sich nach Anleitung aus dem Netz den Vagusnerv zu massieren. Ihr Tipp: Probieren Sie autogenes Training oder Meditation. Das reguliert das gesamte Nervensystem.
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Übungen zur Selbststimulation des Vagusnervs
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, den Vagusnerv selbst zu stimulieren. Hier sind einige Beispiele:
Atemübungen: Nachweislich entspannend wirken zum Beispiel kontrollierte Atemübungen wie tiefes Atmen oder progressive Muskelentspannung. Wenn die Übungen zusätzlich mit einer Vagusnervstimulation gekoppelt werden, ist die Wirkung besonders gut, dazu gibt es erste Hinweise. Auch die Boxatmung, bei der man auf vier Zählzeiten einatmet, vier Zählzeiten die Atmung hält, auf vier ausatmet und wieder vier Zählzeiten hält oder eine verlängerte Ausatmung können die Entspannung fördern. Unklar ist, wie gut die mechanische Stimulation, zum Beispiel Massagen am Hals, das Bienensummen oder Gurgeln die Entspannung fördert.
- Box-Breathing: Auch als Vier-Quadrat-Atmung bekannt. Sie nennt sich so, weil alles mit der Zahl Vier zu tun hat. Beim Atmen stellt man sich den Körper wie eine Box vor, die sich beim Einatmen mit Luft füllt und beim Ausatmen wieder zusammensinkt. Die gesamte Übung sollte mehrfach wiederholt werden:- Einatmen (4 Sekunden)- Luft anhalten (4 Sekunden)- Ausatmen (4 Sekunden)- Luft anhalten (4 Sekunden)
Singen: Singen Sie Ihre Lieblingslieder. Und Lieder, die vor allem Vokale wie A, O und U enthalten. Meditierende Mönche machen dies seit Jahrhunderten mit dem altbekannten „Ooommmm“. Einen ähnlichen Effekt auf den Vagusnerv haben Weihnachtslieder wie „O du fröhliche“ oder auch Wiegenlieder wie „Der Mond ist aufgegangen“.So wirkt es: Die beiden Äste des Vagusnervs verlaufen auf beiden Seiten des Halses entlang von Kehlkopf und Luftröhre.
Kältereize setzen: Wer wach und gleichzeitig gelassen in den Tag starten möchte, kann es mit einer kurzen kalten Dusche am Morgen probieren. Das kalte Wasser erst langsam über Arme und Beine laufen lassen und dann vor allem den Hals entlang über den ganzen Körper.So wirkt es: Kälte dämpft den Sympathikus, den anregenden Teil unseres Nervensystems.
Akupressur: Für eine Selbst-Akupressur den Punkt in der Ohrmuschel, der mit dem Vagusnerv in Verbindung steht, 30 Sekunden drücken und wieder loslassen. Mehrmals wiederholen.So wirkt es: In der Vorstellung der Traditionellen Chinesischen Medizin kann der Druck auf bestimmte Punkte am Körper Blockaden lösen, die den Energiefluss im Körper stören.
Freiverkäufliche Systeme zur Stimulation
Im Internet werden freiverkäufliche Systeme mit großen Versprechen beworben, allerdings gibt es keine nennenswerten Studien zur Wirksamkeit vieler Geräte. Viele Firmen haben ein größeres Budget für Marketing, stellen Forschenden kostenlos die Geräte zur Verfügung und schreiben dann, dass das Gerät von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einer bestimmten Universität verwendet wird. Das klingt natürlich gut. In die Forschung investieren sie allerdings weniger Geld als ins Marketing. Viele Geräte sind nicht gefährlich, aber auch nicht als Medizinprodukte zur wirksamen Behandlung zertifiziert. Eine Garantie, dass sie den Vagusnerv tatsächlich stimulieren und eine therapeutische Wirkung haben, gibt es somit nicht. Für unsere Studien setzen wir deswegen zertifizierte Geräte ein, die nachweislich den Hirnstamm stimulieren können. Bei Herz- oder Kreislaufproblemen oder in der Schwangerschaft sollten alle Geräte nicht ohne ärztliche Rücksprache angewendet werden.
Einige dieser Systeme nutzen elektrische Impulse, die über die Haut abgegeben werden und darunterliegende Nerven stimulieren. Das ist generell nichts Neues. Auch einfache TENS-Geräte nutzen diese Technik. Neu ist eher die Elektrode, die den richtigen Punkt am Ohr stimuliert. Manche Firmen setzen allerdings auf einfache und günstige Clip-Elektroden, die sich nur ungenügend am Ohr anbringen lassen und vermutlich nicht immer den Vagusnerv stimulieren. Andere Geräte nutzen mechanische Stimulation. Ob so der Vagusnerv tatsächlich stimuliert wird, hängt auch vom individuellen Verlauf des Vagusnervs ab. Ich würde mir wünschen, dass diese Geräte nicht mit diesen Heilsversprechen vermarktet werden, bevor ihre Wirksamkeit bewiesen werden konnte.
Die Bedeutung des Vagusnervs für die Herzgesundheit
Das Herz und unser Gefühlsleben haben eine ganz besondere Verbindung. Das wird nicht nur in unserer Sprache deutlich, wenn das Herz „vor Freude hüpft“ oder „vor Schmerz bricht“. Aktuelle Studien enthüllen immer mehr wissenschaftliche Erkenntnisse dazu, wie Hirn und Herz kommunizieren - und eröffnen so Möglichkeiten, den schädlichen Auswirkungen etwa von Stress, Depressionen oder Angst auf die Herzgesundheit vorzubeugen. „Ein zentraler Ansatzpunkt könnte dabei der Vagusnerv sein. Er transportiert Signale vom Gehirn zum Herzen“, berichtet Privatdozentin Dr. „Der Vagusnerv gehört zum parasympathischen Nervensystem, das für die Entspannung zuständig ist“, erläutert die Chefärztin der Fachabteilung Psychosomatische Medizin und Psychotherapie in der Klinik Henningsdorf, Akademisches Lehrkrankenhaus der Charité Universitätsmedizin Berlin, Campus Benjamin Franklin. „Zahlreiche wissenschaftliche Studien machen deutlich, wie eng der Zusammenhang von Stress, aber auch Depressionen und Angsterkrankungen mit einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist. Gesunde wie herzkranke Menschen sollten diesen Zusammenhang kennen, um gegebenenfalls Hilfe in Anspruch zu nehmen“, betont Prof. Dr. Thomas Voigtländer, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung sowie Kardiologe und Ärztlicher Direktor am Agaplesion Bethanien Krankenhaus, Frankfurt am Main.
Chronischer Stress? Normalerweise sollten sich sympathisches und parasympathisches Nervensystem im Gleichgewicht befinden. Doch viele Menschen leiden heute unter chronischem Stress - ihr sympathisches Nervensystem ist ständig überaktiv - und macht sie krank. Eine Messgröße, um Gefährdete zu erkennen, ist die Herzratenvariabilität, erläutert Dr. Weber. Sie ist ein Maß für die unterschiedlichen Abstände zwischen den Herzschlägen. Jüngere, herzgesunde Menschen und Sportler haben in der Regel eine hohe Herzratenvariabilität (HRV): Bei körperlicher oder emotionaler Belastung wird der Sympathikus aktiviert, was die Herzfrequenz, den Blutdruck und die Atemfrequenz steigen lässt. Doch diese Regulation funktioniert nicht bei jedem Menschen gleich gut. Zum einem nimmt mit dem Alter die HRV ab: Blutgefäße sind durch Ablagerungen verhärtet und weniger elastisch. Eine weitere Risikogruppe sind Menschen mit Angst- und Panikstörungen. Sie haben, wie Studien zeigen, ebenfalls ein im Vergleich zur übrigen Bevölkerung signifikant erhöhtes Infarktrisiko. „Man nimmt an“, so Dr. Weber, „dass es ihrem Gehirn nicht mehr gelingt, Angstreaktionen ausreichend zu unterdrücken, ihr Vagusnerv ist gehemmt und sie geraten so in chronischen Stress.“ Und auch hier hat sich in Studien ein Zusammenhang mit der HRV herstellen lassen: Menschen mit hoher HRV (und damit einem aktiven Vagusnerv) haben laut Dr.
Forschung und Studien
Der Vagusnerv ist Gegenstand vielfältiger Forschungen. In der Medizin wird die Aktivierung des Vagusnervs bereits gezielt genutzt, zum Beispiel bei Depressionen. Dabei wird mithilfe von Elektroden der Nerv durch Strom gereizt. In Zukunft könnten eventuell auch bestimmte Formen der Epilepsie, Migräne oder chronische Schmerzen so behandelt werden.
Vor einigen Jahren wurde ein Netzwerk im Gehirn identifiziert, das mit den Signalen des Magens gekoppelt ist und vermutlich das menschliche Hunger- und Sättigungsgefühl beeinflusst. Nun konnte ein Forschungsteam um Prof. Dr. Nils Kroemer der Universitätsklinika Tübingen und Bonn erstmals zeigen, dass eine nicht-invasive Stimulation des Vagusnervs am Ohr die Kommunikation zwischen Magen und Gehirn innerhalb von Minuten verstärken kann.
Das Team, bestehend aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Universitäten Tübingen und Bonn sowie des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung in Potsdam und des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung, untersuchte insgesamt 31 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Sie kombinierten die Stimulation des Vagusnervs am Ohr mit einer zeitgleichen Aufzeichnung der Aktivierung des Gehirns über funktionelle Magnetresonanztomographie (MRT) und einem sogenannten Elektrogastrogram. Bei dem Elektrogastrogram werden Elektroden - ähnlich wie bei einem EKG - über dem Magen platziert, um die Signale des Verdauungstraktes aufzuzeichnen. „Wir konnten erstmals zeigen, dass wir die Kopplung zwischen Signalen des Magens und des Gehirns mit einer elektrischen Stimulation verstärken können - und das innerhalb von wenigen Minuten“, so Prof. Kroemer.
Das Forschungsteam hat bei den Studienteilnehmenden sowohl den Vagusnerv am Ohr als auch in einer Kontrollsimulation andere Nerven am Ohr angeregt. „Wir konnten beobachten, dass die Vagusnerv-Stimulation die Kopplung mit Signalen des Magens im Hirnstamm und im Mittelhirn erhöht“, erklärt Prof. Kroemer und führt fort: „Diese Regionen sind wichtig, da sie die ersten Ziele des Vagusnervs im Gehirn sind und über das Mittelhirn bereits Effekte vermittelt sein könnten, die unsere Handlungen beeinflussen.“ Darüber hinaus entdeckten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, dass die Kopplung mit dem Magen im gesamten Gehirn zunahm, insbesondere in Regionen, die bereits vor der Stimulation stärker mit dem Magen kommunizieren. Veränderungen in der Kopplung zwischen Magen und Gehirn können nahezu unmittelbar erzeugt werden und sich schnell ausbreiten.