Der Strom des Bewusstseins: Kreativität und Gehirn

Oliver Sacks, ein New Yorker Neurologe, erlangte durch seine Fallgeschichten Weltruhm. Seine Fähigkeit, mit Empathie und Fachwissen Menschen zu porträtieren, deren Leben durch Krankheit oder Behinderung geprägt ist, zeigte den Lesern die Chancen und Besonderheiten, die in Abweichungen vom Normalen liegen. Sein postum veröffentlichter Essayband "Der Strom des Bewusstseins" behandelt Fragen nach der Entstehung von Bewusstsein und der Funktionsweise von Gedächtnis und Erinnerung.

Oliver Sacks: Ein Leben für die Neurologie und das Schreiben

Oliver Sacks, geboren 1933 in London, war Professor für Neurologie und Psychiatrie an der Columbia University. Er starb am 30. August 2015 in New York City. Seine Bücher, darunter "Awakenings - Zeit des Erwachens", "Der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte" und seine Autobiographie "On the Move", wurden Bestseller und dienten als Vorlage für Filme wie "Zeit des Erwachens". Sacks' Werk zeichnet sich durch seine Fähigkeit aus, wissenschaftliche Erkenntnisse mit Empathie und literarischem Talent zu verbinden.

Sacks' Interesse galt den kreativen Potenzialen des menschlichen Gehirns. Er fragte sich, wie Bewusstsein entsteht, wie Gedächtnis und Erinnerung funktionieren und welche Rolle das Gehirn bei der Wahrnehmung und Interpretation der Welt spielt. Diese Fragen behandelte er in seinen Fallgeschichten und Essays, die oft von den Erfahrungen seiner Patienten inspiriert waren.

Der Strom des Bewusstseins: Ein Vermächtnis

"Der Strom des Bewusstseins" ist eine Sammlung von zehn Aufsätzen, an denen Oliver Sacks bis zu seinem Tod gearbeitet hat. Das Buch liest sich wie eine Art Vermächtnis des Autors und Menschenkenners. Es behandelt Themen wie die Bedeutung von Darwins botanischem Interesse für seine Evolutionstheorie, die Rolle der Geschwindigkeit in der Wahrnehmung und die Fehlbarkeit des Gedächtnisses.

Sacks betont, wie sehr Originalität und Genialität von äußeren Einflüssen und Anregungen abhängen, aber auch von gezieltem Vergessen und einer Inkubationszeit, in der das Unbewusste etwas Neues entstehen lassen kann. Er erinnert an die Bedeutung von Fallgeschichten für die Forschung und kritisiert die modernen diagnostischen Kriterien, die oft zu einer Reduzierung des Patienten auf eine Liste von Kriterien führen.

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Themen und Schwerpunkte in "Der Strom des Bewusstseins"

Darwins botanisches Interesse

Sacks beleuchtet Darwins botanisches Interesse, das oft vernachlässigt wird. Darwin experimentierte und beobachtete die Flora und stellte die Hypothese auf, dass ein chemischer Botenstoff von der lichtempfindlichen Spitze des Setzlings zu seinem "motorischen" Gewebe transportiert werde.

Geschwindigkeit

Sacks würdigt Geschwindigkeit als kinematographisches Dispositiv und untersucht, wie wir Zeit wahrnehmen. Er betrachtet die neuronalen Geschwindigkeiten bei Menschen mit Tourettismus und Parkinsonismus und stellt fest, dass neuronale Normalität Ausdruck eines Gleichgewichts zwischen exzitatorischen und inhibitorischen Systemen des Gehirns ist.

Empfindungsvermögen

Sacks geht der Frage nach dem Empfindungsvermögen von Pflanzen und Würmern nach. Er verweist auf Naturwissenschaftler des 19. Jahrhunderts, die in Quallen und Einzellern nach einem geistigen Prinzip suchten.

Freud als Neurologe

Sacks betont Freuds neurologische Arbeit vor der Entwicklung der Psychoanalyse. Freud entwickelte einen evolutionären Ansatz zum Verständnis des Nervensystems und interpretierte Aphasie und Hysterie als auf ein Zentrum im Gehirn bezogene Schädigungen.

Die Fehlbarkeit des Gedächtnisses

Sacks betont, dass Erinnerungen keine Abbildungen des Gewesenen sind, sondern Rekonstruktionen. Er verweist auf Freuds Faszination von Fehlleistungen und Gedächtnisirrtümern und betont, dass lebendige Erinnerungen Muster in den sensorischen, emotionalen und exekutiven Bereichen des Gehirns aktivieren, unabhängig davon, ob die Erinnerung auf Erfahrung zurückgeht oder nicht.

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Hörfehler

Sacks geht davon aus, dass Hörfehler immer eine Neuschöpfung sind und unsere sprachliche Wahrnehmung in einem neuen Licht erscheinen lassen können.

Das schöpferische Selbst

Sacks konturiert den Balanceakt gelungener Bildung zwischen Strukturierung und Freiheit. Er bezeichnet die Energie, die Leidenschaft und den Enthusiasmus, mit der sich der junge Verstand allem zuwendet, als "Proto-Kreativität".

Ein gestörtes Gemeingefühl

Sacks widmet sich der homöostatischen Regulation des menschlichen Körpers, an der das zentrale Nervensystem, das propriozeptive System und das vegetative Nervensystem beteiligt sind.

Der Strom des Bewusstseins

Sacks untersucht, wie Menschen Zeit erleben und ob diese eher eine Sequenz separater Momente ist oder in einem kontinuierlichen Strom verläuft. Er entscheidet sich für die Metapher eines Films und würdigt die technischen und begrifflichen Mittel des Kinos als ein ziemlich genaues Abbild der vielfältigen Strömungen und Wendungen des Bewusstseins.

Blinde Flecken

Sacks rekurriert auf ältere medizinische Texte, um über medizinische Phänomene wie Migräne und das Tourette-Syndrom zu schreiben, zu denen es keine aktuelle Literatur gibt. Er betont, dass es unabdingbar ist, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein, um nicht vergessen zu werden.

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Sacks' Blick auf Kreativität und das Gehirn

Sacks' Werk zeigt, dass Kreativität und das Gehirn eng miteinander verbunden sind. Das Gehirn ist nicht nur ein Speicher für Informationen, sondern auch ein Organ, das ständig neue Verbindungen herstellt und neue Ideen generiert. Kreativität entsteht aus der Interaktion zwischen verschiedenen Bereichen des Gehirns und wird durch äußere Einflüsse und Erfahrungen angeregt.

Sacks betont, dass jeder Mensch ein kreatives Potenzial besitzt, das es zu entdecken und zu fördern gilt. Er ermutigt dazu, neugierig zu sein, Fragen zu stellen und die Welt mit offenen Augen zu betrachten. Seine Bücher sind ein Plädoyer für intellektuelle und menschliche Offenheit, für Wagemut und Geduld beim Ringen um Erkenntnis.

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