Nervenschmerzen, auch bekannt als Neuralgien, können eine erhebliche Beeinträchtigung der Lebensqualität darstellen. Glücklicherweise gibt es verschiedene Therapieansätze, um diese Schmerzen zu lindern. Eine vielversprechende Option ist die Behandlung mit elektrischem Strom, insbesondere die Transkutane Elektrische Nervenstimulation (TENS). Dieser Artikel beleuchtet die Grundlagen der TENS-Therapie, ihre Anwendung bei Nervenschmerzen, die verschiedenen Aspekte der Behandlung und weitere elektrophysikalische Therapieansätze.
Einführung in die TENS-Therapie
Die Transkutane Elektrische Nervenstimulation (TENS) ist eine medizinische Therapieform, die seit den 1970er Jahren zur Behandlung von Schmerzen eingesetzt wird. Bei dieser Methode werden elektrische Impulse über die Haut (transkutan) an die Nerven gesendet, um Schmerzen zu lindern. Die TENS-Therapie ist nicht-invasiv und kann sowohl bei akuten als auch bei chronischen Schmerzzuständen angewendet werden.
Funktionsweise der TENS-Therapie
Die TENS-Therapie basiert auf der Anwendung von Reizstrom, der durch ein elektrisches Gerät erzeugt wird. Dieser Reizstrom wird über Elektroden, die auf der Haut platziert werden, an die Nerven weitergeleitet. Die genaue Wirkungsweise der TENS-Therapie ist noch nicht vollständig geklärt, aber es gibt zwei Haupttheorien:
- Schmerzblockade: Der Reizstrom kann die Schmerzweiterleitung der Nervenfasern zum Gehirn blockieren. Nerven können jeweils nur einen Reiz zum Gehirn übertragen - entweder das Kribbeln oder den Schmerz. Werden sie durch den Strom erregt, wird der Schmerzreiz damit blockiert. Hohe TENS-Frequenzen bewirken eine Unterbrechung der Schmerzsignalweiterleitung in das Gehirn.
- Endorphinausschüttung: Der Stromimpuls kann die Ausschüttung von körpereigenen Schmerzmitteln, den Endorphinen, im Gehirn aktivieren. Niedrige Frequenzen setzen im Gehirn Glückshormone frei: Endorphin, Serotonin und Dopamin. Auch das lindert das Schmerzempfinden.
Anwendung der TENS-Therapie
Die TENS-Therapie wird bei verschiedenen Arten von Schmerzen eingesetzt, darunter:
- Akute Schmerzen
- Chronische Schmerzen
- Nervenschmerzen (Neuralgien)
- Schmerzen bei Polyneuropathien (z.B. bei Diabetes)
- Rückenschmerzen
- Arthroseschmerzen
- Kopfschmerzen und Migräne
- Tumorschmerzen
- Schmerzen nach Operationen
- Schmerzen bei Sportverletzungen
- Gelenkbeschwerden
Die TENS-Therapie kann auch als Begleittherapie eingesetzt werden, wenn Medikamente oder andere etablierte Methoden nicht ausreichen.
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Die TENS-Behandlung im Detail
Um das TENS-System auf das Beschwerdebild abzustimmen, lassen sich verschiedene Parameter variieren, darunter die Frequenz, die Intensität und auch die Potenzierung des Stroms. An dem TENS-Gerät können die Parameter Frequenz, Intensität und Pulsbreite eingestellt werden.
Frequenz
Die Frequenz bezieht sich auf die Anzahl der elektrischen Impulse pro Sekunde und wird in Hertz (Hz) gemessen. Es gibt zwei Haupttypen von Frequenzen, die in der TENS-Therapie verwendet werden:
- Hohe Frequenzen (50-150 Hz): Hohe Frequenzen bewirken eine Unterbrechung der Schmerzsignalweiterleitung in das Gehirn. Sie unterbinden die Signalweiterleitung des Schmerzes an das Gehirn und unterbrechen dadurch das Schmerzempfinden. Mit Frequenzen zwischen 50 und 150 Hertz und mittlerer Stromstärke sollen sich akute und örtliche Schmerzen für kurze Zeit lindern lassen.
- Niedrige Frequenzen (1-5 Hz): Niedrige Frequenzen setzen im Gehirn Glückshormone frei: Endorphin, Serotonin und Dopamin. Sie haben eine andere Wirkweise als hohe Frequenzen und werden oft bei chronischen Schmerzen eingesetzt. Für eine längere Wirkung werden niedrige Frequenzen und eine hohe Stromstärke verwendet. Diese Form wird auch als akupunkturähnliches TENS bezeichnet, weil die Elektroden auf Akupunkturpunkte geklebt werden, und schmerzt etwas.
Intensität
Die Intensität bezieht sich auf die Stärke des elektrischen Stroms. Sie sollte so gewählt werden, dass sie als angenehmes Kribbeln und nicht als Schmerz wahrgenommen wird.
Impulsdauer
Die Impulsdauer, auch als Pulsweite bekannt, wird in Mikrosekunden gemessen und hängt von den Nervengruppen ab, die bei der TENS-Behandlung angesprochen werden sollen. Motorische Nerven werden mit einer längeren Impulsdauer angesprochen, sensible Nerven mit einer kurzen Impulsdauer. Motorische Nerven liegen im zentralen Nervensystem (ZNS) und sind für die Muskelkontraktion und -bewegung zuständig. Sensible Nervenfasern leiten die Wahrnehmungen des Tastens an das Gehirn weiter, wie z.B.
Stimulationsmuster
TENS-Geräte bieten verschiedene Stimulationsmuster, die je nach Bedarf ausgewählt werden können:
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- Kontinuierlich (CONT): Die Stromimpulse fließen dauerhaft und unverändert. Auf diese Weise werden die schmerzleitenden Nervenbahnen unterbrochen und kein Schmerzsignal mehr an das Gehirn weitergeleitet. Der Stimulationsreiz wird als kontinuierliches Kribbeln auf der Haut wahrgenommen.
- Burst: Im Burst Modus wird mit niedrigen Frequenzen gearbeitet, bei gleichzeitig hoher Intensität. Zweimal pro Sekunde werden jeweils 9 Impulse mit 2 Hertz (Hz) Frequenz sowie fest eingestellter Pulsweite abgegeben.
- Dense-Disperse-Stimulation: In diesem Modus verändern sich automatisch und in regelmäßigen Abständen die Einstellparameter Frequenz, Pulsweite und/oder Intensität. Der Reizstrom fließt wellenförmig im Wechsel zwischen an- und abschwellend.
Die im Handel erhältlichen Geräte bieten Voreinstellungen für unterschiedliche Therapien. Ob diese tatsächlich etwas gegen die Beschwerden ausrichten, muss jeder selbst ausprobieren oder sich medizinischen Rat holen, zum Beispiel bei Physiotherapeuten.
Vorbereitung und Durchführung der TENS-Behandlung
Vor der Anwendung sollte die Haut möglichst unbehaart, trocken und sauber sein. Die Elektroden tragen meist eine Gelschicht, die mehrfach angewandt werden kann. Die Elektroden werden auf die Haut geklebt, wobei deren Position sich nach dem Ort der Schmerzen und deren Ausstrahlung richtet. Auch den Verlauf von Nerven, die Lage von Schmerz- und Akupunkturpunkten sowie die auslösende Krankheit gilt es zu berücksichtigen.
In der Regel fangen Patienten mit 20- bis 30-minütigen TENS-Anwendungen 3 bis 4 Mal am Tag an. Je nach individueller Situation und Verträglichkeit können Dauer und Häufigkeit auf 5 - 6 Mal 1 Stunde pro Tag gesteigert werden. Allerdings sollten Sie auf Verhärtungen des Gewebes achten und im Zweifel Ihren behandelnden Arzt konsultieren.
TENS-Geräte für den Heimgebrauch
Sichere TENS-Geräte für zu Hause erkennt man am CE-Zeichen, dann sind sie in Europa zugelassen. Die Preisspanne liegt zwischen etwa 25 und mehr als 200 Euro. Für die Eigenbehandlung zu Hause mit TENS und/oder Muskelstimulation (EMS) stehen PatientInnen nach Anleitung durch die PhysiotherapeutIn batteriebetriebene Kleingeräte zur Verfügung, die unkompliziert am Hosen- oder Rockbund befestigt werden können.
Die von uns angebotenen TENS- und EMS-Geräte verfügen über voreingestellte Modi, die nicht mehr konfiguriert werden müssen. Lediglich die Intensität sollte individuell angepasst werden.
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Wirksamkeit und wissenschaftliche Evidenz
Dass TENS wirkt, wird immer wieder berichtet, aber wirklich bewiesen ist es nicht. Es gibt Studien, die zeigen, dass TENS wirksam ist, aber genauso viele Studien, die das nicht zeigen. Die wissenschaftliche Evidenz für die Wirksamkeit der TENS-Therapie ist nicht eindeutig. Einige Studien haben gezeigt, dass TENS Schmerzen lindern kann, während andere Studien keine signifikanten Effekte gefunden haben.
Immerhin: Eine besonders große Meta-Analyse von 2022 mit insgesamt 381 randomisierten, kontrollierten Studien legt eine Wirksamkeit nahe. Die Forscherinnen und Forscher kamen zu dem Schluss: TENS lindert Schmerzen vermutlich besser als ein Placebo. Auch im Vergleich zu anderen medikamentösen und nicht-medikamentösen Therapien ergab das Verfahren einen Nutzen. Allerdings bemängelten Fachleute die Qualität der zugrunde liegenden Studien.
Kristin Kieselbach kann sich durchaus vorstellen, dass ein Teil der TENS-Wirkung auf dem Placeboeffekt beruht - also dass die Schmerzen sich nur deshalb bessern, weil die Betroffenen genau darauf hoffen. „Aber was wäre daran schlimm? Solange sich die Patienten besser fühlen, nehme ich doch gerne auch den Placeboeffekt mit.“
Letztlich hilft nur probieren, ob es gut anschlägt oder nicht. Eine Erfolgsgarantie gibt es nicht. Wenn es nicht gleich perfekt wirkt, sollte man aber die Hoffnung nicht gleich aufgeben, raten Experten. TENS-Geräte können besser wirken als die vermeintlich besten Schmerzmedikamente, oder auch erheblich schlechter.
Risiken und Kontraindikationen
Im Allgemeinen ist TENS ungefährlich, weil die verwendete Stromstärke viel zu gering ist, um einen Schaden auszulösen. Solange die Elektroden nicht auf einen Herzschrittmacher oder offene Wunden gelegt werden, kann nicht viel schiefgehen. Allerdings gibt es bestimmte Kontraindikationen, bei denen die TENS-Therapie nicht angewendet werden sollte:
- Herzschrittmacher oder implantierbarer Defibrillator
- Epilepsie
- Schwangerschaft (in Deutschland nicht empfohlen)
- Akute Entzündungen von Gelenken oder Organen
- Metallimplantate im Körper (in bestimmten Fällen)
- Durchblutungsstörungen
- Offene Hautwunden
- Fieber
- Bösartige Tumorerkrankungen
- Thrombose
- Erhöhte Blutungsneigung
Bei Menschen mit Metallimplantaten (z. B. Endoprothesen) darf nicht jede Form der Elektrotherapie angewendet werden. Außerdem ist es wichtig, die Hautstellen, an der die Elektroden angebracht wurden, mit einer parfümfreien Feuchtigkeitscreme einzucremen, um eine Austrocknung zu verhindern. Nach zehnmaliger Anwendung einer Elektrotherapie zur Schmerzbehandlung sollte eine Pause von mindestens zwei Wochen eingehalten werden.
Weitere Formen der Elektrotherapie
Neben der TENS-Therapie gibt es noch weitere Formen der Elektrotherapie, die bei Nervenschmerzen und anderen Beschwerden eingesetzt werden können:
- Galvanisation (Gleichstromtherapie): Bei galvanischen Strömen führt die Bewegung der positiv geladenen Elektrode zu einer Schmerzlinderung, bei der negativ geladenen steht eine anregende Wirkung im Fokus. Außerdem kann Durchblutungsstörungen entgegengewirkt sowie eine Heilung durch die Steigerung des Stoffwechsels im durchbluteten Gewebe unterstützt werden. Die Anwendung des Gleichstroms führt zu einer Reizung der Nerven in der Gefäßwand, weswegen körpereigene gefäßerweiternde Stoffe freigesetzt werden. Dies ermöglicht eine bis zu fünffache Steigerung der Durchblutung der Haut und einer bis zu dreifache der Muskulatur. Zusätzlich kommt es zu einer tonusregulierenden Wirkung, einer Aktivierung und Lockerung der Muskulatur.
- Iontophorese: Mithilfe einer Elektrotherapie kann auch ein Transport von Medikamenten in den Körper durchgeführt werden. Dieser Prozess wird als Iontophorese bezeichnet und basiert auf der Wanderung von Elektronen oder Ionen im elektrischen Feld. Möglich ist die Iontophorese aufgrund der Ladung vieler Medikamentenwirkstoffe, da es durch den fließenden Strom zu einer Beschleunigung des Eindringens ins Gewebe durch die Haut kommt. Dafür werden vor der Befestigung der Elektroden die Medikamente als Salbe, Gel, Emulsion oder wässrige Lösung auf die Haut aufgetragen.
- Reizstromtherapie und Reizstrommassage: Reizstromtherapie dient in der Regel der Schmerzbehandlung, der Durchblutungsförderung und der Kräftigung der Muskulatur.
- Funktionelle Elektrostimulation (FES): Die mit der TENS verwandte funktionelle Elektrostimulation (FES) stimuliert den nicht mehr angesprochenen Nerven, wodurch es zu einer Muskelkontraktion des Wadenmuskels kommt. Das Gerät wird dabei in Form einer Manschette um das betroffene Bein gelegt. So verhindert es Stürze und trägt zu einem normalen Gangbild bei. Dies wird beispielsweise bei Fußheberschwäche angewendet.
- Stangerbad: In einer speziellen Wanne werden Metallplatten als Elektroden angebracht. Je nach Anordnung dieser Elektroden und Schaltung des Stroms kann eine Ganzkörper- oder Teildurchströmung einzelner Körperteile durchgeführt werden. Ebenso wird der Stromfluss kopfwärts (anregend) oder absteigend (beruhigend, ausleitend), fußwärts eingestellt. Durch Salze kann eine bessere Leitfähigkeit erzielt werden. Die Dosierung des Stromes erfolgt durch den/die Physiotherapeuten/-in über einen Stromstärkeregler.
- Vier-Zellenbad: Hier werden Unterarme und/oder Unterschenkel in kleinere Wannen getaucht. Bäder werden auf Grund der hohen Anschaffungs- und Betriebskosten nur selten ambulant angeboten. Weit häufiger erfolgt die Anwendung im Krankenhaus oder im Rahmen der Rehabilitation.
Neuromodulation und andere innovative Ansätze
Neben den traditionellen Elektrotherapieformen gibt es auch innovative Ansätze wie die Neuromodulation, bei der Nervenfasern angeregt werden, ihr schmerzauslösendes Verhalten hin zu einer Schmerzminderung zu ändern. Durch Neurostimulation wird vor allem versucht, die Weiterleitung von Schmerzreizen zu hemmen oder zu verändern. Häufig liegt eine Ursache andauernder Beschwerden, beispielsweise nach Operationen, bei den Nerven. Dort setzt die Neurostimulation an. Über eine rückenmarksnahe Sonde werden geringe Stromimpulse abgegeben, die die Weiterleitung der Schmerzen hemmen oder verändern.
Eine weitere neue Behandlungsmethode ist „ReActiv8“, die sich an einen Patientenkreis mit lokal begrenzten Rückenschmerzen im unteren Bereich der Lendenwirbelsäule richtet. Verursacher der Beschwerden ist häufig eine relative Instabilität im Bereich der unteren Wirbelsäule, ausgelöst durch eine Schwäche der tiefen Bauch- und Rückenmuskulatur. Durch dieses Verfahren kann die Muskulatur direkt stimuliert werden, um die Stabilität der Wirbelsäule zu verbessern.
Zusätzlich können Medikamentenpumpen eingesetzt werden, um Schmerzmittel direkt in das Rückenmarkswasser abzugeben.
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