Desulfovibrio-Bakterien: Eine neue Perspektive auf die Ursachen von Parkinson

Weltweit sind mehr als sechs Millionen Menschen von Parkinson betroffen, einer neurodegenerativen Erkrankung, die nach Alzheimer die zweithäufigste ist. Obwohl Medikamente wie Levodopa die Symptome lindern können, gibt es derzeit keine Heilung. Die genauen Ursachen von Parkinson sind noch unklar, aber neue Forschungsergebnisse liefern vielversprechende Hinweise.

Parkinson: Eine komplexe Erkrankung

Morbus Parkinson ist eine fortschreitende neurologische Erkrankung, die vor allem das zentrale Nervensystem betrifft. Typische Symptome sind Zittern, Muskelsteifheit, verlangsamte Bewegungen und Gleichgewichtsstörungen. Im weiteren Verlauf der Krankheit können auch Demenz, Depressionen sowie Schwierigkeiten beim Sprechen und Essen auftreten.

Die Parkinson-Krankheit manifestiert sich oft Jahre im Voraus durch Frühwarnzeichen, die jedoch nicht immer sofort mit der Erkrankung in Verbindung gebracht werden. Zu diesen frühen Anzeichen gehören:

  • Verdauungsprobleme wie Verstopfung
  • Eingeschränkter Geruchs- und Geschmackssinn
  • Schlafstörungen
  • Starke Muskelverspannungen
  • Verändertes Schriftbild
  • Erektionsstörungen

Die Rolle von Alpha-Synuclein

Ein Kennzeichen der Parkinson-Krankheit ist die Anhäufung des Proteins Alpha-Synuclein in Nervenzellen. Dieses Protein lagert sich dort ab und verursacht letztendlich die Erkrankung. Die Frage, warum dieses Protein bei Parkinson-Erkrankten vermehrt im Darm nachgewiesen wird, beschäftigt die Forschung seit langem.

Desulfovibrio-Bakterien im Visier der Forschung

Wissenschaftler der Universität Helsinki haben in einer Studie den Zusammenhang zwischen der Darmflora und Parkinson untersucht. Ihre These: Bestimmte Darmbakterien könnten für die Überproduktion von Alpha-Synuclein verantwortlich sein. Im Fokus der Forschung standen dabei Desulfovibrio-Bakterien.

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Desulfovibrio-Bakterien sind anaerobe Mikroorganismen, die natürlicherweise im Boden, im Wasser und in tierischen Fäkalien vorkommen. Wir alle kommen mit ihnen über die Nahrung, das Trinkwasser und die Umwelt in Kontakt. Frühere Studien haben bereits einen Zusammenhang zwischen Desulfovibrio-Bakterien und entzündlichen Darmerkrankungen wie Colitis ulcerosa gezeigt.

Die Studie der Universität Helsinki

Für ihre Untersuchung isolierten die Wissenschaftler Desulfovibrio-Bakterien aus Stuhlproben von zehn Parkinson-Patienten und deren gesunden Ehepartnern. Anschließend verfütterten sie die Stuhlproben an Fadenwürmer (Caenorhabditis elegans), um zu überprüfen, ob die Bakterienstämme die Bildung von Alpha-Synuclein anregen.

Das Ergebnis: Die Würmer, die mit dem Stuhl der Parkinson-Erkrankten gefüttert wurden, wiesen signifikant mehr und größere Proteinansammlungen (Alpha-Synuclein) auf. Zudem starben sie im Schnitt deutlich früher. Die Forscher schlussfolgerten daraus, dass bestimmte Stämme von Desulfovibrio-Bakterien wahrscheinlich die Parkinson-Krankheit verursachen.

Professor Per Saris von der Universität Helsinki betont: „Unsere Ergebnisse sind bedeutsam, weil die Ursache der Parkinson-Krankheit trotz aller Versuche, sie in den letzten zweihundert Jahren zu identifizieren, unbekannt geblieben ist. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass bestimmte Stämme von Desulfovibrio-Bakterien wahrscheinlich die Parkinson-Krankheit verursachen.“

Wie Desulfovibrio-Bakterien Parkinson beeinflussen könnten

Molekulare Untersuchungen haben gezeigt, dass Desulfovibrio-Bakterien Alpha-Synuclein beeinflussen, indem sie Schwefelwasserstoff produzieren, der die neuronale Signalübertragung stört. Sie können Cytochrom c in das Zytosol freisetzen und Alpha-Synuclein-Radikale bilden, die wiederum die Bildung von Alpha-Synuclein-Aggregaten verursachen.

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Therapieansätze und Präventionsstrategien

Die Erkenntnisse der Studie könnten neue Therapieansätze für Parkinson ermöglichen. Ein möglicher Ansatz wäre das Screening von Personen, die die Desulfovibrio-Stämme in sich tragen, und die anschließende Entfernung der Bakterien aus dem Darm. Professor Saris ist überzeugt: „Unsere Befunde ermöglichen das Screening auf Träger dieser schädlichen Desulfovibrio-Bakterien. Folglich können sie durch Maßnahmen zur Entfernung dieser Stämme aus dem Darm ins Visier genommen werden, was potenziell die Symptome von Parkinson-Patienten lindern und verlangsamen könnte.“

Kritische Stimmen und weitere Forschung

Trotz der vielversprechenden Ergebnisse gibt es auch kritische Stimmen. Medizinjournalist Dr. Christoph Specht merkt an, dass lediglich zehn Patienten untersucht wurden und die Proteinentwicklung nur am Wurm und nicht am Menschen aufgezeigt wurde. Er vermutet, dass mehrere Bakterien eine Rolle spielen könnten, da bereits ältere Studien gezeigt haben, dass Parkinson-Erkrankte eine veränderte Darmflora haben.

Auch die richtige Therapie stellt weiterhin ein Problem dar. Die gängigste Behandlung bei Bakterien - ein Antibiotikum - schädigt bekanntermaßen die gesamte Darmflora. Es bräuchte ein sehr selektives Antibiotikum, das nur diese Bakterien zerstört, was aktuell noch eine große Schwierigkeit darstellt. Zudem könnte Parkinson damit nur präventiv behandelt werden, da die Störung der Nervenzellen im Gehirn nicht rückgängig gemacht werden kann.

Die Wissenschaftler betonen, dass weitere Studien notwendig sind, um die genauen Mechanismen und Zusammenhänge besser zu verstehen. Zwar sei mit ihrer Studie belegt, dass die Desulfovibrio-Stämme von Parkinson-Erkrankten offenbar andere Eigenschaften hätten als die von Gesunden, allerdings sei noch nicht bekannt, wie genau man sie unterscheiden könne.

Fazit

Die Entdeckung, dass Desulfovibrio-Bakterien möglicherweise eine Rolle bei der Entstehung von Parkinson spielen, ist ein wichtiger Schritt in der Parkinson-Forschung. Die Ergebnisse eröffnen neue Perspektiven für die Entwicklung von Präventionsstrategien und Therapieansätzen. Auch wenn noch viele Fragen offen sind, ist die Forschung auf dem richtigen Weg, um die Ursachen von Parkinson besser zu verstehen und die Lebensqualität von Betroffenen zu verbessern.

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Weitere Informationen

Quellen

  • Calabresi P, Mechelli A, Natale G, Volpicelli-Daley L, Di Lazzaro G, Ghiglieri V. Alpha-Synuclein in Parkinson's disease and other synucleinopathies: Von offener Neurodegeneration zurück zu früher synaptischer Dysfunktion. Cell Death & Disease. 2023;14(3).
  • Huynh VA, Takala TM, Murros KE, Diwedi B, Saris PE. Desulfovibrio-Bakterien verstärken die Alpha-Synuclein-Aggregation in einem Caenorhabditis elegans-Modell der Parkinson-Krankheit. Frontiers in Cellular and Infection Microbiology. 2023;13.
  • Huynh VA, Takala TM, Murros KE, Saris PE. Desulfovibrio-Bakterien werden mit der Parkinson-Krankheit in Verbindung gebracht. Frontiers in Cellular and Infection Microbiology. 2021;11.
  • Mcrae, M. Parkinson’s May Be Caused by a Common Aquatic Bacterium. ScienceAlert.
  • Murros KE, Huynh VA, Takala TM, Saris PE. Desulfovibrio-Bakterien werden mit der Parkinson-Krankheit in Verbindung gebracht. Frontiers in Cellular and Infection Microbiology. 2021;11.
  • Saris, P.E., Takala, T.M., Murros, K.E. et al. (2023). Desulfovibrio bacteria enhance alpha-synuclein aggregation in a Caenorhabditis elegans model of Parkinson’s disease.
  • UK P. Was ist die Parkinson-Krankheit? [Internet]. [zitiert 2023 Aug 09].

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