Polyneuropathie: Ursachen, Symptome und Behandlungsmöglichkeiten

Polyneuropathie ist keine seltene Erkrankung, schätzungsweise leiden in Deutschland rund 30.000 Menschen darunter. Trotzdem ist sie kaum bekannt, teilweise sogar unter Ärzten. Die Erkrankung betrifft das periphere Nervensystem, also die Nervenbahnen außerhalb von Gehirn und Rückenmark, die Muskeln, Haut und innere Organe versorgen. Die Diagnose ist oft schwierig, und die Symptome können vielfältig sein.

Symptome der Polyneuropathie

Die Krankheit kann sich durch Kribbeln und Brennen bemerkbar machen, durch ein Taubheitsgefühl oder durch Schmerzen. Sehr oft betrifft eine Polyneuropathie die Füße oder die Beine. Es beginnt oft an den Füßen: Die Zehen werden taub oder kribbeln, das Schmerzempfinden ist reduziert. Die Symptome einer Polyneuropathie können aber auch ganz anders aussehen: Die Haut ist sehr schmerzempfindlich, schon die Berührung einer Bettdecke wird zur Qual. Begleitet werden können die Sensibilitätsstörungen auch von einer Schwäche der Muskulatur.

Dr. Katrin Hahn, neurologische Oberärztin an der Berliner Charité, weist darauf hin, dass fast jeder Mensch schon einmal vergleichbare Empfindungen erlebt hat, wenn auch in einer milderen Form. Karin Hahn:"Wenn man auf einem Nerven relativ lange draufliegt, zum Beispiel am sogenannten Musikantenknochen, merkt man, dass es im kleinen Finger taub wird, so fühlt sich das auch für die Patienten mit Neuropathie an."

Kribbeln und Brennen, gestörtes Temperaturempfinden, Taubheitsgefühle, Schmerzen sowie in den schlimmsten Fällen Lähmungserscheinungen an Beinen und Armen - das alles betrifft das periphere Nervensystem, jenen Teil der Nervenbahnen außerhalb von Gehirn und Rückenmark also, die Muskeln, Haut und innere Organe versorgen.

Karin Hahn:"Die Patienten beschreiben Sensibilitätsstörungen in den Füßen, in einem strumpfartigen Muster, später auch in den Händen, in einem handschuhförmigen Muster, die langsam aufsteigen können und im Verlauf auch von einer Schwäche der Muskulatur begleitet sein können."

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Wegen der möglichen Parese, sprich Lähmung, können bestimmte Polyneuropathien also je nach Ausprägung lebensgefährlich werden:

Karin Hahn:"Also man kann sich vorstellen, dass ein Patient, der eine Beeinträchtigung der Atemmuskulatur hat, solch ein Patient muss also in einem dafür spezialisierten Zentrum mit einer neurologischen Intensivstation behandelt werden, und nicht selten kommt es bei dieser Erkrankung auch zu so genannten autonomen Mitreaktionen, Patienten können lebensbedrohliche Herz-Rhythmus-Störungen entwickeln, die müssen entsprechend behandelt werden."

Ursachen der Polyneuropathie

Auslöser der Polyneuropathie ist in der Regel eine nervenschädigende Grunderkrankung wie zum Beispiel Diabetes, Krebs, eine Infektionskrankheit oder auch Alkoholmissbrauch. Neben angeborenen Formen sind die meisten Polyneuropathien Folge anderer Erkrankungen.

Karin Hahn:"Die Ursachen sind sehr, sehr vielfältig, wenn man das jetzt für Deutschland oder für Europa nimmt, dann ist ein zu hoher Zucker, also ein Diabetes mellitus oder ein übermäßiger Alkoholkonsum, das sind sicher die zwei häufigsten Ursachen."

Aber auch entzündliche Krankheiten wie rheumatoide Arthritis, eine Grippe oder eine HIV-Infektion können eine Polyneuropathie auslösen, ebenso wie eine Chemotherapie gegen Krebs. In all diesen Fällen kann es manchmal passieren, dass sich das Immunsystem gegen den eigenen Organismus richtet. Und spezielle Formen der Mehrfach-Nervenstörung sind meist nach ihrem Entdecker benannt. Als Beispiel beschreibt Dr. Katrin Hahn, Leiterin einer Spezialsprechstunde, das "Guillain-Barré-Syndrom".

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Karin Hahn:"Typischerweise geht einem Guillain-Barré-Syndrom ein Infekt voraus, meist so um zwei bis drei Wochen, das ist relativ häufig eine Durchfallerkrankung und nicht selten aber auch eine Form einer Lungenerkrankung, und der Körper entwickelt in dem Versuch, mit der Erkrankung zurechtzukommen, dann eben Symptome eines Guillain-Barré-Syndroms, und Patienten entwickeln relativ rasch aufsteigende Paresen, die nicht selten zur Gehunfähigkeit oder zur kompletten Lähmung des Körpers bis hin zur Beteiligung der Atemmuskulatur führen können."

Diagnose und Behandlung

Eine gezielte, auf Heilung ausgerichtete Behandlung ist nur dann möglich, wenn der Auslöser der Polyneuropathie erkannt wird. Davor liegt eine ausgefeilte und aufwändige Diagnostik durch neurologische Messungen und MRT. Die Therapie richtet sich dem entsprechend nach der Grunderkrankung. Ist diese erfolgreich behandelt, verschwinden oft auch die Symptome der Polyneuropathie. Doch nicht immer lässt sich die auslösende Ursache im Nachhinein genau feststellen.

Entsprechend "einfach" - und meist erfolgreich - ist in diesen Fällen die Behandlung: Verzicht auf das Nervengift Alkohol und gute Einstellung des Blutzuckerspiegels durch den Arzt.

Zum Glück gibt es inzwischen aber auch bei solchen infektionsbedingten Neuropathien gute Therapiemöglichkeiten.

Karin Hahn:"Mit einer Plasmapherese, einer so genannten Blutwäsche, würde man versuchen, diese Antikörper aus dem Blut rauszuwaschen, damit sie die Nerven faktisch nicht mehr schädigen können, beziehungsweise mit Immunglobulinen, mit gesunden Antikörpern, diese krankhaften Antikörper, die sich gegen die Nerven richten, zu verdrängen."

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Abgesehen von diesen Fällen: An die Behandlung jeder Polyneuropathie schließt sich eine Reha mit Physiotherapie an. Zur Linderung der Symptome hat ferner die Naturheilkunde einiges zu bieten, findet Charité-Professor Andreas Michalsen:

Andreas Michalsen:"Ein sehr gutes Verfahren ist die Elektrotherapie, am bekanntesten sind hier die Stangerbäder, also elektrogalvanische Bäder, da muss man keine Angst bekommen, Strom und Wasser denkt man ja, geht das gut? Das sind ganz leichte, ganz milde Ströme, die durch das Badewasser geschickt werden, und die die Nerven stimulieren."

Ähnlich funktioniert auch die klassische Hydrotherapie à la Kneipp. Andreas Michalsen:"Da sind diese Wechselgüsse - kalte Güsse, kalt-warme Güsse. Auch die Bäder, wo ja letztlich immer die Hautnervenrezeptoren stimuliert und gereizt werden, sehr wirksame Therapieansätze. Nur: Man muss es regelmäßig machen. Kneipp-Therapie kann man regelmäßig auch gut zuhause machen, und das muss man auch, täglich einmal eine Anwendung mindestens."

Auch die Überempfindlichkeit der Nerven bei Polyneuropathie kann durch alternativmedizinische Verfahren gedämpft werden, sagt der Professor für Naturheilkunde.

Andreas Michalsen:"Sehr gut wirksam ist in der Regel die Akupunktur. Vor allem bei der Polyneuropathie an den Füßen, bei den Empfindungsstörungen, aber auch bei den Schmerzen. Eine weitere bewährte Therapie ist beispielsweise die Capsaicin-Creme, also das ist eine Salbe aus spanischem Pfeffer, Pfeffer ist scharf, ist reizend, irritierend für die Haut, wenn man das hochkonzentriert einreibt, das betäubt quasi die Schmerzsensoren, und wenn man das regelmäßig macht, dann ist das eine sehr hochwirksame Therapie, beispielsweise gegen so unangenehme Empfindungen bei der Polyneuropathie wie Ameisenlaufen oder Schmerzen."

Michalsen sieht allerdings selbst Grenzen der naturheilkundlichen Behandlungsweise:

Andreas Michalsen:"Je nachdem, wie stark der Nerv geschädigt ist, ist dann die Ansprechbarkeit auf die Therapie verstärkt oder nicht mehr so stark. Wir wissen beispielsweise: Bei entzündlichen immunologischen Erkrankungen ist es schwierig, da noch Effekte zu erzielen. Also insofern gilt auch: je früher die Therapie, desto günstiger."

Wo es sonst meist an Zusammenarbeit zwischen sogenannter "Schulmedizin" und Naturheilkunde fehlt, funktioniert das bei Polyneuropathien ganz gut. Das bestätigt auch die Neurologin Dr. Katrin Hahn:

Karin Hahn:"Es ist sinnvoll, solche Therapien begleitend einzusetzen, es ist ja nicht zuletzt so, dass wir bei einem Teil der Patienten die Ursache, die zur Funktionsstörung der Nerven geführt hat, gar nicht klären können, das heißt auch diesen Patienten möchte man eine symptomatische Therapie anbieten, die zur Besserung der Lebensqualität führt."

Schmerzgedächtnis und neue Therapieansätze

Jeder Vierte in Deutschland hat ständig Schmerzen. Oft dauert der Leidensweg von Schmerzpatienten 20 Jahre und länger. Forscher gehen neue Wege: Sie programmieren das Schmerzgedächtnis um.

"Der Schmerz ist der Lehrmeister, den wir alle kennen", sagt Walter Zieglgänsberger. Der emeritierte Leiter der Arbeitsgruppe klinische Neuropharmakologie am Münchner Max-Planck-Institut für Psychiatrie gilt als einer der bekanntesten Schmerzforscher Deutschlands. Jeder Mensch habe im Laufe seines Lebens Schmerzen; der akute Schmerz sei sogar wichtig: als Signal. Problematisch sei der chronische Schmerz, er sorge für das Schmerzgedächtnis, das sich tief in unser Bewusstsein eingrabe. Es gebe eine Trias von Schmerz, Angst und Depression. Diese gelte es aufzubrechen. Man könne das Schmerzgedächtnis mit neuen positiven Inhalten überschreiben - auch noch im hohen Alter, damit die Angst und das Schmerzempfinden reduziert werden. Zu diesem "Umprogrammieren" des Gehirns gehöre auch, dass man heute Schmerzpatienten eher aktiviere, als ihnen den Schmerz mit immer mehr Medikamenten zu nehmen. Tango statt Fango - neue Wege in der Schmerztherapie.

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