Diabetische Retinopathie: Ursachen, Behandlung und Prävention

Die diabetische Retinopathie ist eine häufige Komplikation des Diabetes mellitus, die die Netzhaut des Auges betrifft und eine der Hauptursachen für Erblindung bei Erwachsenen darstellt. Ein langfristig erhöhter Blutzuckerspiegel schädigt die feinen Blutgefäße in der Netzhaut, was zu einer Mikroangiopathie führt. Infolgedessen versucht der Körper, neue Blutgefäße zu bilden, um die Durchblutung der Netzhaut zu verbessern. Diese neu gebildeten Gefäße sind jedoch oft brüchig und können zu Blutungen und Flüssigkeitsansammlungen in der Netzhaut führen.

Was erhöht das Risiko für eine diabetische Augenerkrankung?

Verschiedene Faktoren erhöhen das Risiko für die Entwicklung einer diabetischen Augenerkrankung bei Menschen mit Diabetes:

  • Langfristig erhöhte Blutzuckerspiegel: Hohe Blutzuckerwerte schädigen die Blutgefäße in der Netzhaut.
  • Erhöhter Blutdruck: Bluthochdruck verstärkt die Schädigung der Blutgefäße.
  • Fettstoffwechselstörungen: Erhöhte Blutfettwerte können die Gefäßwände verdicken und die Durchblutung beeinträchtigen.
  • Lange Diabetes-Dauer: Je länger der Diabetes besteht, desto höher ist das Risiko für eine Retinopathie.
  • Nierenschädigung durch Diabetes (Diabetische Nephropathie): Nierenerkrankungen können den Stoffwechsel beeinflussen und das Risiko für eine Retinopathie erhöhen.
  • Rauchen: Rauchen verschlechtert die Durchblutung und erhöht das Risiko für Gefäßschäden.

Wie häufig kommen diabetesbedingte Augenerkrankungen vor?

Bei etwa einem Viertel der Menschen mit Typ-1-Diabetes (25 von 100 Personen) tritt im Laufe ihres Lebens eine diabetische Retinopathie auf. Vor der Pubertät ist eine Retinopathie bei Kindern mit Typ-1-Diabetes selten. Beim Typ-2-Diabetes ist die Häufigkeit mit durchschnittlich 12,5 Prozent etwas geringer (13 von 100 Personen). Allerdings weisen bereits bei jeder dritten betroffenen Person zum Zeitpunkt der Typ-2-Diabetes-Diagnose Veränderungen an der Netzhaut auf. Die diabetische Retinopathie ist die häufigste Ursache für neue Erblindungsfälle bei Erwachsenen im Alter von 20 bis 74 Jahren in Industrieländern.

Wie entsteht die Retinopathie bei Menschen mit Diabetes?

Erhöhte Blutzuckerspiegel führen dazu, dass sich Fett- und Eiweißstoffe in die Wände der kleinen und kleinsten Blutgefäße einlagern und zu einer Wandverdickung führen. Es bilden sich Gefäßausbuchtungen (Mikroaneurysmen), aus denen Blut austreten kann, was sich in punktförmigen Netzhaut-Einblutungen äußert. Die ausgetretene Flüssigkeit führt zu einer Schwellung der Netzhaut. Es können sich Ablagerungen von Fetten aus dem Blutplasma bilden, die als "harte Exsudate" sichtbar werden. In diesem Anfangsstadium, der nicht-proliferativen Retinopathie, werden noch keine neuen Blutgefäße gebildet.

Bei anhaltend verminderter Gefäßdurchblutung kann sich die Sauerstoffversorgung der Netzhaut weiter verschlechtern. Zum Ausgleich bilden sich neue Blutgefäße. Bei dieser proliferativen Form der diabetischen Retinopathie platzen mitunter Blutgefäße, die in den Glaskörper einwachsen. Betroffene sehen deshalb plötzlich verschwommen. In schweren Fällen kann dies bis zur Erblindung führen.

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Gleichzeitig kann bei beiden Arten der diabetischen Retinopathie eine Makulopathie auftreten, bei der sich Flüssigkeit im Bereich des gelben Flecks (Makula) ansammelt. Dies schränkt die Funktion der Sinneszellen an der Stelle des schärfsten Sehens der Netzhaut ein und kann unbehandelt zu Erblindung führen.

Wie wird eine diabetische Retinopathie festgestellt?

Die diabetische Augenerkrankung wird von vielen Betroffenen zunächst nicht bemerkt. Daher sollten sich Menschen mit Diabetes mindestens alle 2 Jahre bei einem Augenarzt auf Netzhautveränderungen untersuchen lassen, wenn keine Risikofaktoren vorliegen. Bei Vorliegen von Risikofaktoren sollte eine jährliche Untersuchung erfolgen. Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) empfiehlt Menschen mit Typ-1-Diabetes ab dem 11. Lebensjahr oder spätestens 5 Jahre nach der Diagnosestellung eine Kontrolle des Augenhintergrundes. Bei Menschen mit Typ-2-Diabetes soll diese sofort nach der Diagnosestellung erfolgen.

Anzeichen für diabetische Netzhautschäden sind:

  • Verschwommenes Sehen
  • Unscharfes Sehen
  • Dunkle Flecken oder "rote Schleier" im Gesichtsfeld
  • "Lichtblitze" oder "Rußregen" (bei Netzhautablösung)
  • "Dunkler Vorhang" im Gesichtsfeld (bei Schädigung des gelben Flecks)

Was untersucht der Augenarzt?

Die Untersuchung beginnt in der Regel mit einer Befragung nach Medikamenten und Begleiterkrankungen. Anschließend erweitert der Arzt die Pupille mit Augentropfen, um den Augenhintergrund besser beurteilen zu können. In einigen Fällen wird die Durchblutung des Augenhintergrundes mit einer speziellen Kamera untersucht, wobei zuvor ein Farbstoff in eine Vene gespritzt wird. Den Augenhintergrund und die Makula (gelber Fleck) betrachtet der Arzt mit einer Lupe an der Spaltlampe, einem speziellen Mikroskop. Die Sehschärfe wird mit Zeichen auf einer Lesetafel geprüft. Der vordere Abschnitt des Auges kann mit einem weiteren Mikroskop untersucht werden.

Wie wird eine diabetische Retinopathie behandelt?

Die Behandlung zielt darauf ab, Sehverlust und Erblindung zu vermeiden. Dazu gehört eine strenge Blutzucker- und Blutdruckeinstellung sowie die Reduzierung anderer Risikofaktoren wie Rauchen. Bei fortschreitender Retinopathie kann eine Laserbehandlung (Laserkoagulation) erfolgen, um das Gewebe fester miteinander zu verbinden und eine Netzhautablösung zu verhindern.

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Bei starker Linsentrübung oder Narbenbildung im Glaskörper kann die Laserbehandlung nicht immer eingesetzt werden. In solchen Fällen oder bei schweren Komplikationen wie Glaskörper-Einblutungen oder Netzhautablösungen kann eine operative Entfernung des Glaskörpers (Vitrektomie) erforderlich sein.

Vor allem bei der Makulopathie werden neuerdings Steroide oder gefäßwachstumshemmende Antikörper (VEGF-Hemmer) in den Glaskörperraum eingespritzt. Diese Medikamente blockieren Wachstumsfaktoren, die für die Bildung neuer, undichter Blutgefäße verantwortlich sind. Durch die VEGF-Hemmer-Injektionen konnten in Studien auch schwere Formen der Retinopathie in Rückbildung gebracht und die Zahl der diabetesbedingten Erblindungen gesenkt werden.

Wie kann einer Augenerkrankung bei Diabetes vorgebeugt werden?

  • Regelmäßige augenärztliche Untersuchungen: Die Einhaltung der vereinbarten Untersuchungstermine ist entscheidend, um Veränderungen frühzeitig zu erkennen und zu behandeln.
  • Gute Blutzucker- und Blutdruckeinstellung: Eine dauerhaft gute Einstellung von Blutzucker und Blutdruck kann Schäden an der Netzhaut und anderen Folgeerkrankungen verringern oder sogar vermeiden.
  • Gesunder Lebensstil:
    • Rauchverzicht: Rauchen verschlechtert die Durchblutung und erhöht das Risiko für Gefäßschäden.
    • Viel Bewegung: Körperliche Aktivität fördert die Durchblutung der Augen und wirkt entzündungshemmend.
    • Ausgewogene, gesunde Ernährung: Eine gesunde Ernährung versorgt die Augen mit ausreichend Vitaminen und Nährstoffen.

Hilfestellungen für Menschen mit Diabetes und Sehbehinderung

Für stark seheingeschränkte oder blinde Menschen ist die selbstständige Diabetes-Therapie oft eine Herausforderung. Da Insulinpumpen, Blutzuckermessgeräte oder CGM-Systeme in der Regel eine gute Sehkraft zum Ablesen und zur Eingabe von Informationen erfordern, sind Diabetes-Hilfsmittel und -Technologien oft nicht barrierefrei konzipiert.

Es stehen bislang noch wenig medizinische Geräte zur Verfügung, die auch von Menschen mit starker Sehbehinderung oder Blindheit eigenständig genutzt werden können. Hilfreich sind zum Beispiel Blutzuckermessgeräte mit einem großen, kontrastreichen Display und einer beleuchteten Anzeige, mit Ton- beziehungsweise Sprachausgabe oder die Möglichkeit der Kopplung mit einer App für das Smartphone. Bei den Insulinpumpen sind Modelle mit Orientierungstönen verfügbar. Manche Pumpen lassen sich auch mit Hilfe eines PCs auslesen und programmieren oder per Smartphone bedienen. Für die PC-Arbeit gibt es verschiedene Screenreader für sehbehinderte und blinde Menschen.

Der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband e. V. (DBSV; www.dbsv.org) berät Menschen mit Diabetes und Sehbehinderungen und setzt sich hier für eine bedarfsgerechte Versorgung mit medizin-technischen Hilfsmitteln ein.

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Diabetische Makulopathie

Die diabetische Makulopathie ist eine Komplikation der diabetischen Retinopathie, bei der vor allem die Makula (Stelle des schärfsten Sehens) von Schädigungen betroffen ist. Das wichtigste Zeichen ist das diabetische Makulaödem, eine Schwellung der Makula. Ob und wann ein diabetisches Makulaödem entsteht, ist sehr unterschiedlich. Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass eine gute Blutzuckereinstellung und die Einhaltung normaler Blutdruck- und Cholesterinwerte einen großen positiven Einfluss auf die diabetische Retinopathie haben und dazu beitragen, eine Makulopathie zu vermeiden.

Frühe Gefäßveränderungen verlaufen unbemerkt und werden nur durch regelmäßige augenärztliche Kontrollen entdeckt. Wenn die diabetischen Kapillarschädigungen auch das Sehzentrum erfassen, wird das Sehen merklich beeinträchtigt. Die Diagnose eines Makulaödems wird durch die klinische Untersuchung des Augenarztes gestellt. Zur Beurteilung der besten Behandlungsmöglichkeiten kann eine Fluoreszenzangiographie durchgeführt werden. Das Ausmaß der vorhandenen Makulaschwellung kann auch besonders gut mit einer optischen Kohärenztomographie (OCT)-Untersuchung beurteilt werden.

Behandlung des diabetischen Makulaödems

Ziel der Behandlung ist die Verhinderung des Fortschreitens des diabetischen Makulaödems und damit der Erhalt des Sehvermögens. Bei einem Teil der Patienten kann darüber hinaus eine Sehkraftverbesserung erreicht werden. Der Behandlung sind insofern Grenzen gesetzt, als dass eine Gefäßschädigung durch Diabetes nicht reparabel ist, sondern nur gestoppt werden kann.

  • Fokale Laserkoagulation: Mit einem Laser werden kleine Laserherde gezielt in die erkrankten Netzhautareale gesetzt. Das Sehzentrum selbst wird verschont. Die Behandlung ist fast schmerzfrei. Das Risiko, eine weitere Sehkraftverschlechterung zu erleiden, wird dadurch um nahezu die Hälfte reduziert. Sehverbesserungen sind jedoch nur selten zu erreichen.
  • Medikamentöse Behandlung: Für die meisten Formen des diabetischen Makulaödems gibt es mittlerweile medikamentöse Behandlungskonzepte in Form von Injektionen von Medikamenten in den Glaskörperraum. Eingesetzt werden entweder spezielle Kortisonpräparate in Depotform oder die Injektion von gefäßwachstumshemmenden Antikörpern (VEGF-Blocker). Die Substanzen hemmen bei diabetischem Makulaödem die Gefäßleckagen und bewirken so einen Rückgang der Netzhautschwellung. Die Behandlung ist zwar hocheffektiv, aber in ihrer Wirkungsdauer begrenzt. Wichtig ist hier, dass die Behandlung regelmäßig und ausreichend oft und lange durchgeführt wird.
  • Glaskörperentfernung (Vitrektomie): Bleibt eine Lasertherapie oder eine Medikamentengabe unwirksam, kann eine Glaskörperentfernung sinnvoll sein. Insbesondere wenn sich auf der Oberfläche der Netzhaut sekundäre fibrovaskuläre Membranen gebildet haben, kann durch eine Glaskörperentfernung zusammen mit dem Membran-Peeling eine Reduktion der Makulaschwellung bewirkt werden.

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