Diagnostik der Parkinson-Krankheit: Aktuelle Leitlinien und Empfehlungen

Die Parkinson-Krankheit ist eine fortschreitende neurodegenerative Erkrankung, die durch Symptome wie Muskelsteifheit (Rigor), verlangsamte Bewegungen (Bradykinese) und unkontrollierbares Zittern (Tremor) gekennzeichnet ist. Um eine optimale Versorgung von Menschen mit Parkinson zu gewährleisten, wurden neue Leitlinien zur Diagnostik und Therapie entwickelt. Dieser Artikel fasst die wichtigsten Aspekte dieser Leitlinien zusammen und beleuchtet die relevanten Änderungen und Empfehlungen für die Praxis.

Aktualisierte S2k-Leitlinie Parkinson-Krankheit

Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) hat kürzlich eine neue, vollständig überarbeitete S2k-Leitlinie für die Diagnostik und Therapie der Parkinson-Krankheit herausgegeben. An der Erstellung dieser Leitlinie waren insgesamt 19 Fachgesellschaften, Berufsverbände und Organisationen beteiligt. Federführend waren Prof. Dr. Günter Höglinger und Prof. Dr. Claudia Trenkwalder. Die neue Leitlinie berücksichtigt die neuesten Forschungsergebnisse und bietet umfassende Empfehlungen für die klinische, ambulante und stationäre Versorgung von Menschen mit Parkinson.

Wesentliche Änderungen und Empfehlungen

Die neue Leitlinie enthält zahlreiche Empfehlungen, die für die Diagnose und Behandlung von Parkinson relevant sind. Im Folgenden werden die wichtigsten Aspekte zusammengefasst:

Begriffsbestimmung: Parkinson-Krankheit statt Idiopathisches Parkinson-Syndrom

Eine der ersten Änderungen betrifft die Begrifflichkeit. Bisher wurden die Begriffe „Parkinson-Krankheit“ und „Idiopathisches Parkinson-Syndrom“ oft synonym verwendet. Die neue Leitlinie empfiehlt jedoch, künftig den allgemeineren Begriff „Parkinson-Krankheit“ zu verwenden. Dies beruht auf der Erkenntnis, dass viele Fälle von Parkinson auf genetische Variationen oder Mutationen zurückzuführen sind und somit eine konkrete Ursache haben.

Diagnosekriterien und Früherkennung

Ein Schwerpunkt der neuen Leitlinie liegt auf der Diagnose und Früherkennung der Parkinson-Krankheit. Zu den Diagnosekriterien gehören neben Bradykinese, Rigor, Tremor und posturaler Instabilität auch das Ansprechen auf eine Levodopa-Therapie. Die Leitlinie empfiehlt, bei ersten Symptomen, die auf eine Parkinson-Krankheit hinweisen könnten, ergänzende diagnostische Maßnahmen wie Geruchstests oder polysomnographische Untersuchungen im Schlaflabor in Betracht zu ziehen. Auch nicht-motorische Symptome sollten berücksichtigt werden.

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Bildgebung und genetische Diagnostik

Eine kraniale Magnetresonanztomographie (MRT) sollte frühzeitig im Krankheitsverlauf erfolgen, um andere Erkrankungen auszuschließen und eine Differentialdiagnostik zu ermöglichen. Erstmals empfiehlt die Leitlinie auch, auf Wunsch der Betroffenen eine humangenetische Diagnostik durchzuführen, insbesondere wenn Parkinson in der Familie auftritt oder die Krankheitssymptome vor dem 50. Lebensjahr beginnen.

Therapieempfehlungen

Die detaillierten Empfehlungen zur Therapie der Parkinson-Krankheit wurden in der neuen Leitlinie teilweise modifiziert, durch neue wissenschaftliche Erkenntnisse gesichert oder ergänzt. Dies betrifft sowohl medikamentöse Therapien als auch invasive Verfahren wie Pumpentherapien und Tiefe Hirnstimulation.

Medikamentöse Therapie

Die medikamentöse Therapie sollte rechtzeitig erfolgen und sich nach den funktionellen Einschränkungen im Alltag richten. Bei der Wahl der Medikamente sind die zu erwartenden Wirkungen und Nebenwirkungen, das Alter des Patienten, Komorbiditäten und psychosoziale Anforderungen zu berücksichtigen. Bei biologisch jüngeren Betroffenen sollen Dopaminagonisten oder MAO-Hemmer gegenüber Levodopa bevorzugt werden. Anticholinergika sollen nicht als Anti-Parkinson-Mittel eingesetzt werden. Initial sollte eine Monotherapie verabreicht werden, bei unzureichender Wirkung kann eine Kombinationstherapie angeboten werden.

Therapie weiterer Symptome

Die Leitlinie enthält auch konkrete Empfehlungen zur Therapie weiterer Symptome. Basis einer Schmerztherapie ist die Optimierung der Anti-Parkinson-Medikation. Nozizeptive Schmerzen sollten gemäß dem WHO-Stufenschema behandelt werden. Blasenfunktionsstörungen sollten nichtmedikamentös mit Blasentraining therapiert werden, bei Dranginkontinenz können Antimuskarinika erwogen werden. Zur Behandlung einer Obstipation sollten zunächst nichtmedikamentöse Maßnahmen wie ausreichend Trinken, Gabe von löslichen Ballaststoffen sowie körperliche Aktivität versucht werden. Macrogol ist hier das Arzneimittel der ersten Wahl. Melatonin und/oder Clonazepam werden bei REM-Schlaf-Verhaltensstörungen empfohlen.

Invasive Therapieverfahren

Zur Behandlung motorischer Fluktuationen empfiehlt die Leitlinie unterschiedliche Pumpentherapien, wie die subkutane Applikation von Apomorphin oder die über eine PEG-J ins Jejunum verabreichte Levodopa-Carbidopa-Intestinal-Gel-Pumpentherapie. Auch die Tiefe Hirnstimulation und die ablative Therapie mittels fokussierten Ultraschalls werden erklärt.

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Klinische Versorgung und multidisziplinäre Therapie

Grundsätzlich sollten Diagnostik, Therapieeinstellung und Verlaufskontrolle unter Anleitung einer neurologischen Praxis oder Klinik erfolgen. Eine Indikation zur Klinikeinweisung besteht bei akuter oder subakuter Verschlechterung, z. B. bei akinetischer Krise, psychotischen Symptomen, multimorbiden Patienten und Therapieversagen. Dabei ist eine stationäre multidisziplinäre Therapie (z. B. multimodale Komplexbehandlung) mit u. a. Physio- und Ergotherapie sowie Logopädie gegenüber einer stationären Standardtherapie zu bevorzugen.

Kognitive Einschränkungen, Depressionen und psychotische Symptome

Bei milden kognitiven Einschränkungen empfiehlt die Leitlinie, kognitives Training anzubieten. Bei Demenz sollten eine kognitive Stimulation sowie eine medikamentöse Therapie mit Rivastigmin zum Einsatz kommen. Auf eine optimale dopaminerge Therapie sollte bei Depression und Angststörung geachtet werden. Außerdem ist in diesen Fällen eine kognitive Verhaltenstherapie empfehlenswert. Eine Depression kann mit unterschiedlichen Antidepressiva medikamentös eingestellt werden. Bei psychotischen Symptomen soll die Parkinson-Medikation vereinfacht und reduziert und ggf. Clozapin eingesetzt werden.

Fahreignung

Auch die Fahreignung muss bedacht werden. Hier sagt die Leitlinie ganz klar, dass bei der Diagnose Parkinson-Krankheit für Kraftfahrzeuge der Gruppe 2 (LKW, Bus, Taxi) keine Fahreignung besteht. Für Kraftfahrzeuge der Gruppe 1 (PKW, Kraftrad und landwirtschaftliche Zugmaschine) kann jedoch nach individueller Beurteilung eine Fahreignung bestehen, z. B. bei erfolgreicher Therapie oder in leichten Fällen.

Bedeutung der Leitlinie für die Praxis

Die Diagnostik, Therapie und Langzeitbetreuung von Betroffenen mit Parkinson-Krankheit sind komplex. Die neue S2k-Leitlinie bietet eine wertvolle Grundlage für die Behandlung von Parkinson-Patienten. Sie trägt dazu bei, dass Patienten angemessen und nach dem neuesten Stand der Forschung behandelt und versorgt werden. Eine enge Zusammenarbeit zwischen Hausärzten und Neurologen ist dabei unerlässlich, um eine optimale Versorgung zu gewährleisten.

Patienten-Leitlinie

Ergänzend zur S2k-Leitlinie gibt es auch eine Patienten-Leitlinie, die von der Deutschen Hirnstiftung, der Deutschen Gesellschaft für Neurologie und der Deutschen Gesellschaft für Parkinson und Bewegungsstörungen finanziert wurde. Diese Leitlinie beantwortet Fragen von Betroffenen auf verständliche Weise und soll ihnen helfen, sich aktiv an den Entscheidungen zu ihren medizinischen Belangen zu beteiligen.

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