Die steigende Zahl älterer Menschen in Deutschland führt zu einer Zunahme von Alzheimer-Erkrankungen. Dies wirft die Frage auf, welche neuen Wirkstoffe und Medikamente es gibt und welche Strategien zur Vorbeugung eingesetzt werden können. Rund 1,8 Millionen Menschen in Deutschland leiden an Demenz, wobei etwa 60 Prozent von der Alzheimer-Form betroffen sind. Laut dem Robert Koch-Institut könnte sich die Zahl der Alzheimer-Patienten bis 2070 verdoppeln.
Alzheimer: Eine Krankheit der Eiweißablagerungen
Bei Alzheimer lagern sich falsch gefaltete Eiweiße im Gehirn ab. Diese Verklumpungen führen zu zunehmenden geistigen Ausfällen. Während bei einigen Menschen die Gene eine Rolle spielen, begünstigen bei anderen der Lebensstil und Umweltfaktoren den Ausbruch der Demenz. Selbst ein gesunder Lebensstil schließt eine Alzheimer-Erkrankung nicht aus, aber der Ausbruch lässt sich vermutlich verzögern oder sogar verhindern, indem wichtige Risikofaktoren wie Rauchen, Übergewicht oder Bewegungsmangel vermieden werden.
Die Rolle von Beta-Amyloid
Alois Alzheimer entdeckte bei der Obduktion des Gehirns seiner Patientin Auguste Deter massive Eiweißablagerungen zwischen den Nervenzellen. Diese rätselhaften Eiweißplaques, bekannt als Beta-Amyloid, entstehen auch in gesunden Gehirnen und werden normalerweise abgebaut. Bei Alzheimer verändert sich jedoch die Struktur eines Teils dieser Beta-Amyloide, wodurch sie schlecht löslich sind und sich im Gehirn ansammeln. Diese Plaques behindern die Versorgung der Nervenzellen und wirken in hohen Konzentrationen neurotoxisch.
Aktuelle Entwicklungen und Rückschläge
In den vergangenen Monaten gab es vielversprechende Entwicklungen, aber auch Rückschläge in der Alzheimer-Forschung. Ein Beispiel ist der Wirkstoff Lecanemab, dessen Zulassung von der europäischen Arzneimittelbehörde EMA Ende Juli 2024 abgelehnt wurde. Die EMA begründete ihre Entscheidung damit, dass die Wirkung von Lecanemab zu schwach sei und schwere Nebenwirkungen wie Schwellungen und Blutungen im Gehirn möglich seien. Die Risiken überwögen den Nutzen.
Antikörper gegen Alzheimer: Eine Sackgasse?
Das Wirkprinzip von Donanemab ähnelt dem von Lecanemab, wobei der positive Effekt etwas größer sein könnte. Beide Wirkstoffe funktionieren jedoch nur im Frühstadium von Alzheimer und erfordern eine sehr gute Diagnostik. Die Patientinnen und Patienten müssen für die Infusionen in eine Klinik, und die ganze Zeit engmaschig per Hirnscan überwacht werden. Das ist sehr teuer und aufwendig.
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Repurposing: Eine neue Strategie
Eine vielversprechende Richtung ist das "Repurposing", also die Umwidmung von Medikamenten. Es gibt zunehmend Studien mit Diabetesmedikamenten, die positive Effekte zeigen. Gerade erst ist im British Medical Journal ein Artikel zu Gliflozinen und Alzheimer erschienen. Auch bei den neuen Abnehmspritzen wie Wegovy wird eine positive Wirkung vermutet, und entsprechende Studien laufen bereits. Der genaue Mechanismus, wie diese Wirkstoffe im Gehirn wirken, ist noch unklar. Vermutlich spielen zwei Faktoren eine Rolle: Entweder werden Entzündungsprozesse im Gehirn gebremst, oder die Ablagerungsprozesse im Gehirn bei Alzheimer werden verlangsamt.
Der Einfluss von Impfungen
Eine Studie im Fachmagazin Nature Medicine untersuchte, wie sich Shingrix, der Impfstoff gegen Gürtelrose, auf den Ausbruch von Alzheimer auswirkt. Die Studie ergab, dass Alzheimer bei geimpften Personen im Schnitt ein halbes Jahr später diagnostiziert wurde als bei ungeimpften Personen. Die Ursache dafür ist noch unklar, aber eine Theorie besagt, dass die Impfung das Herpes-Zoster-Virus unterdrückt, das möglicherweise eine Rolle bei der Entstehung von Alzheimer spielt.
Risikofaktoren und Prävention
Eine Kommission des Fachmagazins Lancet Psychiatry hat 14 Risikofaktoren für Alzheimer zusammengetragen und die These aufgestellt, dass sich damit rund 45 Prozent aller Fälle vermeiden ließen. Es besteht Einigkeit, dass man es zumindest teilweise selbst in der Hand hat, ob und wann eine Alzheimererkrankung ausbricht. Neu auf der Risikoliste sind zu hohe Werte beim LDL-Cholesterin und Sehverlust. Schlechtes Sehen scheint genauso wie schlechtes Hören den Ausbruch von Alzheimer zu beschleunigen.
Neue Medikamente und Therapieansätze
Lecanemab (Leqembi): Ein Hoffnungsschimmer
Seit dem 25. August 2025 ist Leqembi in Österreich und seit dem 1. September in Deutschland erhältlich. Die Europäische Kommission hatte das Medikament im April 2025 zugelassen. Leqembi reduziert schädliche Amyloid-beta-Ablagerungen im Gehirn und ist der erste Alzheimer-Antikörper, der in der EU zugelassen wurde. Lecanemab erkennt und bindet gezielt eine Vorstufe der für Alzheimer typischen Amyloid-beta-Protein-Plaques im Gehirn. Dadurch wird das körpereigene Immunsystem aktiviert und baut die Plaques ab bzw. verhindert die Bildung neuer Plaques.
Einschränkungen und Voraussetzungen
Leqembi kann Alzheimer weder heilen noch den Krankheitsverlauf aufhalten, sondern soll den geistigen Abbau bei Menschen im frühen Krankheitsstadium verlangsamen. In der CLARITY AD-Studie zeigte sich, dass die Erkrankung bei den Teilnehmenden, die Leqembi erhielten, langsamer fortschritt als in der Placebo-Gruppe.
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Wer mit Leqembi behandelt werden kann, muss in jedem Einzelfall genau geprüft werden. Der Wirkstoff kommt nur für Menschen infrage, die sich im frühen Stadium der Erkrankung befinden und bislang nur geringe Einbußen ihrer geistigen Leistungsfähigkeit haben. Dazu zählen vor allem Personen mit einer Alzheimer-Diagnose im Stadium eines Mild Cognitive Impairment (MCI) oder im frühen Stadium einer Alzheimer-Demenz. Die krankhaften Amyloid-beta-Ablagerungen müssen im Gehirn nachgewiesen werden - entweder durch eine Lumbalpunktion oder mittels Amyloid-PET.
Auch genetische Voraussetzungen spielen eine Rolle: Erkrankte dürfen höchstens eine Kopie des ApoE4-Gens tragen. Personen mit zwei Kopien sind wegen der erhöhten Gefahr für Hirnblutungen von der Behandlung ausgeschlossen. Leqembi eignet sich außerdem nicht für Menschen, die Gerinnungshemmer einnehmen.
Wer kommt für die Behandlung in Frage?
Nach einer Einschätzung des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) von Mai 2025 erfüllt etwa 1 von 100 Menschen mit einer Alzheimer-Demenz alle Voraussetzungen für eine Behandlung mit Leqembi, also in etwa 12.000 Erkrankte. Neuere Berechnungen von August 2025 sprechen von bis zu 73.000 Patientinnen und Patienten in Deutschland, was bei 1,2 Millionen Erkrankten etwa 6 Prozent entspricht. In der Praxis wird die Zahl jedoch deutlich niedriger sein, da die aufwendige Diagnostik, mögliche Ausschlusskriterien und begrenzte ärztliche Kapazitäten berücksichtigt werden müssen. Neben den medizinischen Voraussetzungen ist zusätzlich die Teilnahme an einem EU-weiten Register verpflichtend.
Gentest und Behandlungsablauf
Vor dem Beginn der Behandlung mit Leqembi wird geprüft, ob die Patientin oder der Patient das so genannte ApoE4-Gen besitzt. Menschen mit einer doppelten Kopie dieses Gens haben ein erhöhtes Risiko für schwere Nebenwirkungen und können deshalb nicht mit Leqembi behandelt werden.
Leqembi wird als Infusion alle zwei Wochen direkt in die Vene verabreicht. Vor Beginn und während der Behandlung sind MRT-Untersuchungen notwendig, um mögliche Nebenwirkungen wie Hirnschwellungen oder kleine Blutungen im Gehirn frühzeitig zu erkennen.
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Nebenwirkungen und Risiken
In Studien traten bei einem Teil der Teilnehmenden Nebenwirkungen auf - darunter Hirnschwellungen (ARIA-E) und Hirnblutungen (ARIA-H). Das Risiko für solche Nebenwirkungen hängt stark vom ApoE4-Gen ab: Menschen mit zwei Kopien dieses Gens sind besonders gefährdet und daher von der Behandlung ausgeschlossen. Weitere mögliche Nebenwirkungen sind Kopfschmerzen und Infusionsreaktionen.
Donanemab: Ein weiteres vielversprechendes Medikament
Seit dem 25. September 2025 ist auch ein zweites Antikörper-basiertes Alzheimermedikament in der EU zugelassen, das Donanemab enthält. Das Medikament basiert auf dem Antikörper Donanemab, der im Gehirn der Patientinnen und Patienten auf sogenannte Amyloid-Plaques zielt. Zugelassen ist das neue Medikament für Menschen mit einer frühen symptomatischen Alzheimer-Krankheit, sprich: in der Phase einer leichten kognitiven Störung oder beginnenden Demenz.
Verabreichung und Nebenwirkungen
Das neue Medikament Donanemab wird alle vier Wochen per Infusion verabreicht. Zu den Nebenwirkungen zählen Veränderungen im Gehirn - etwa Ödeme oder Mikroblutungen. Das Risiko sei unter Donanemab höher als bei Lecanemab. Außerdem habe sich gezeigt, dass bei beiden Substanzen die Wirksamkeit bei Frauen geringer ausfalle als bei Männern.
Die Bedeutung der Früherkennung und Prävention
Viel deutet darauf hin, dass die Behandlung sehr frühzeitig begonnen werden muss, wenn sie noch wirksam ins Krankheitsgeschehen eingreifen soll, und nicht erst, wenn die Alzheimer-Symptome schon ausgeprägt sind. Das ist möglich geworden, weil sich Zeichen der Krankheit (d.h. Beta-Amyloid und Tau-Fibrillen im Gehirn) mittlerweile mit nicht-invasiven bildgebenden Verfahren nachweisen lassen.
Das Pilotprojekt ALFie
Um die Früherkennung zu verbessern, wurde im Raum Köln das Pilotprojekt ALFie (Alzheimer - Leitliniengerechte Früherkennung in Köln) gestartet. Ziel ist es, einen sektorenübergreifenden Versorgungspfad zu etablieren, in dem alle Akteure - die Hausärzte, die Neurologen, die Gedächtnisambulanzen, die öffentlichen Beratungseinrichtungen - miteinander vernetzt sind.
Digitale Unterstützung
Digitale Tools werden die Alzheimer-Versorgung stark verändern. Lilly unterstützt das Deutsche Zentrum für Neurogenerative Erkrankungen (DZNE) bei einem Versorgungsprojekt, das eine digitale App namens neotivCare beinhaltet. Diese App soll prüfen, ob ein kognitiver Test zu Hause dem Mediziner den ersten Diagnostik-Schritt in der Praxis abnehmen kann.
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