Die Nerven, eine der prägendsten deutschsprachigen Post-Punk-Bands, haben mit ihrem selbstbetitelten "Schwarzen Album" einen weiteren Meilenstein in ihrer Diskografie gesetzt. Das Album, das am 7. Oktober über Glitterhouse Records erschien, verdichtet die bisherige Entwicklung der Band zu einem Meisterwerk. Es ist ein Album ohne einen schlechten Song, eine Platte, deren Hitdichte einen atemlos macht.
Die Entwicklung von Die Nerven
Die Nerven haben sich seit ihrer Gründung Anfang der 2010er Jahre stetig weiterentwickelt. Sie sprengten nicht nur Stuttgart, sondern die gesamte deutsche Post-Punk-Szene in Stücke. Musikalisch fährt "Die Nerven" groß auf: Das erwähnte "Der Erde gleich" punktet durch Tempowechsel, bei "Ein Influencer weint sich in den Schlaf" und "180º" kommen Streicher ins Spiel, "Ich sterbe jeden Tag in Deutschland" endet - recht plakativ - mit einem Feuerwerk, während Kuhn in seinen Fills klingt, als hätte er das aktuelle Kvelertak-Album in Dauerrotation gehört und wäre nicht Drummer einer Post-Punk-Band, die den Noise-Anteil in ihrer Musik deutlich reduziert hat. Das Bemerkenswerte an "Die Nerven" ist, dass das Album bei aller Zeitgeistigkeit, die sich auch in Zeilen niederschlägt wie "Wer reguliert die Sprache/ Wer kuratiert die Realität?" aus "Alles reguliert sich selbst", an die umstürzlerische Kraft von Gitarre, Bass und Schlagzeug glaubt.
Die Umtriebigkeit der Bandmitglieder
Die Umtriebigkeit der drei Bandmitglieder hat ebenfalls ihren Anteil an der Qualität des Albums. Max Riegers Arbeit als Produzent für Drangsal, Friends Of Gas oder Ilgen-Nur, Julian Knoths Alben mit dem Peter Muffin Trio, Kevin Kuhns unermüdlicher Einsatz in zig Bands - all das zahlt sich auf "Die Nerven" aus. Kuhns Lernkurve vom Arne Zank des Noiserock zum hochmusikalischen Drummer ist ebenso steil wie Riegers Expertise groß, den Sound von Die Nerven perfekt einzufangen, während Knoth inzwischen noch genauer weiß, wann er seinen Bass durchs Effektpedal jagen muss.
Inhaltliche Aspekte des Albums
Textlich waren Die Nerven ihrer Zeit immer ein Stück weit voraus. Die Texte für das "Schwarze Album" entstanden bereits 2018/2019. Dass sie dabei den aktuellen Zeitgeist in unheimlicher Art und Weise einfangen, ist mit etwas Hintergrundwissen zu den Aufnahmen von "Die Nerven" allerdings nicht sonderlich verwunderlich.
In Europa rollen wieder einmal die Panzer und eine der mittlerweile wichtigsten Rockbands des Landes veröffentlicht mit "Europa" eine irritierend visionäre Vorabsingle. Die Nerven sind zurück, sind wütend und verwundert: "Ich dachte irgendwie, in Europa stirbt man nie." Prophetisch genial. Im Text artikuliert sich das Erstaunen darüber, dass es ernsthaft Leute gibt, die an dieser grandiosen Idee zweifeln, als auch die Angst davor, dass es damit bald zu Ende sein könnte. Direkt im Anschluss erteilen Die Nerven Nationalstaaten eine Absage. "Ich sterbe jeden Tag in Deutschland" reiht sich ein auf der Liste der großen Abarbeitungen an einem Land, das für die dunkelste Stunde der Menschheit verantwortlich ist.
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Auch textlich haben sich Die Nerven gestrafft. Musikalisch fährt "Die Nerven" groß auf.
Die Nerven live
Eine Woche nach der Veröffentlichung des Albums gingen Die Nerven auf ausgedehnte Tour durch die gesamte Republik. Endlich hat man den Eindruck, die drei arbeiten nicht mehr gegen-, sondern miteinander, was sich auch darin manifestiert, dass Rieger und Knoth sich den Gesang in einigen Songs teilen. "Europa" ist einer von ihnen und schon jetzt einer der Songs des Jahres. Unabhängig davon, ob der Text des Songs nun aktuell oder pandemiebedingt zwei Jahre alt ist - Europa als Idee bröckelt mindestens seit der menschenverachtend betitelten "Flüchtlingskrise" Mitte des vergangenen Jahrzehnts.
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