Die Duchenne-Erb-Lähmung, auch bekannt als Erb-Lähmung, Erb-Duchenne-Lähmung, obere Armplexuslähmung, Erbsche Parese oder Geburtslähmung, ist eine Lähmung des Armes, die durch eine Schädigung des Plexus brachialis verursacht wird. Der Plexus brachialis ist ein Nervengeflecht, das sich im Bereich der Achselhöhle befindet und für die Versorgung von Schulter, Arm und Hand zuständig ist. Die Erkrankung wurde nach dem deutschen Neurologen Wilhelm Heinrich Erb benannt, der sie im 19. Jahrhundert erstmals beschrieb.
Ursachen der Duchenne-Erb-Lähmung
Die Duchenne-Erb-Lähmung entsteht meist während der Geburt, wenn es zu einer Verletzung des Plexus brachialis kommt. Die Häufigkeit der geburtstraumatischen Plexus-Lähmung wird zwischen 0,4 und 2 pro 1000 Geburten angegeben. Ursache für die geburtstraumatische Plexus-Lähmung ist der während des Geburtsvorgangs ausgeübte Zug an den Spinalnerven. Risikofaktoren sind neben der Schulterdystokie die Makrosomie (Geburtsgewicht über 4 kg), eine foeto-maternelle Disproportion mit engem Geburtskanal und/oder Übergewicht der Mutter (insbesondere bei Diabetes mellitus oder Schwangerschaftsdiabetes) sowie die Steißgeburt.
In seltenen Fällen kann die Duchenne-Erb-Lähmung auch durch andere Ursachen ausgelöst werden, wie z.B.:
- Unfälle, insbesondere Motorradunfälle
- Sportverletzungen
- Schuss- oder Stichverletzungen
- Tumoren
- Entzündungen
Symptome der Duchenne-Erb-Lähmung
Die Symptome der Duchenne-Erb-Lähmung hängen vom Ausmaß der Schädigung des Plexus brachialis ab. Bei einer leichten Schädigung kann es lediglich zu einer vorübergehenden Schwäche oder Taubheit im Arm kommen. Bei einer schweren Schädigung kann der Arm vollständig gelähmt sein.
Typische Symptome der Duchenne-Erb-Lähmung sind:
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- Ein schlaff herabhängender Arm
- Unfähigkeit, den Arm abzuspreizen oder anzuwinkeln
- Innenrotation des Armes
- Schwäche oder Lähmung der Schulter- und Oberarmmuskulatur
- Sensibilitätsstörungen im Arm und in der Hand
Entsprechend der Intensität und Ausbreitung der Verletzung wird die obere („Erbsche“ - Wurzeln C5, C6, gegebenenfalls C7) von der kompletten Parese (alle Wurzeln C5-Th1) unterschieden. Je nach Zugkraft zwischen Kopf und Schulter kommt es zu einer Nervendehnung (Neurapraxie), die innerhalb von drei Wochen defektfrei abheilt, bis hin zu den schwersten Verletzungsformen mit Wurzelausrissen oder proximalen Abrissen und ausbleibender Spontanheilung.
Bei der oberen Lähmung (Wurzeln C5 und C6: Schulter- und Oberarmbeugemuskulatur) zeigt sich eine adduzierte, innenrotierte Stellung der Schulter bei gestrecktem Unterarm und normaler Handfunktion. Wenn zudem die Wurzel C7 betroffen ist, kommt die Schwächung des Musculus triceps und der Handgelenksstrecker hinzu. Bei der vollständigen Lähmung sind auch die Handbewegung und -sensibilität betroffen.
Diagnose der Duchenne-Erb-Lähmung
Die Diagnose der Duchenne-Erb-Lähmung wird in der Regel anhand der klinischen Untersuchung gestellt. Der Arzt wird den Arm des Patienten untersuchen, um die Beweglichkeit, Kraft und Sensibilität zu überprüfen.
Zusätzlich können bildgebende Verfahren wie Röntgen, MRT oder CT eingesetzt werden, um die Schädigung des Plexus brachialis zu beurteilen. Elektrophysiologische Untersuchungen wie EMG und ENG können ebenfalls hilfreich sein, um die Funktion der Nerven zu überprüfen.
Die Bildgebung des Plexus brachialis ist nicht ausgereift genug, um Nervenrupturen oder Neurome zu zeigen. Sie kann in transversalen und koronalen Schichtaufnahmen im Magnetresonanztomogramm (MRT) oder Myelo-Computertomogramm (-CT) Wurzelausrisse objektivieren, die dann Argumente für die operative Revision liefern. Elektrophysiologische Untersuchungen können prognostische Aussagen ermöglichen, beziehen sich aber auf neuromatöse Läsionen mit Teilerholung.
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Therapie der Duchenne-Erb-Lähmung
Die Therapie der Duchenne-Erb-Lähmung hängt vom Ausmaß der Schädigung des Plexus brachialis ab. Bei einer leichten Schädigung kann eine konservative Behandlung ausreichend sein. Bei einer schweren Schädigung kann eine Operation erforderlich sein.
Konservative Behandlung
Die konservative Behandlung umfasst in der Regel:
- Physiotherapie: Regelmäßige Krankengymnastik auf neurophysiologischer Basis (Vojta, Bobath, „forced use“) sollte bei allen betroffenen Kindern für sechs Monate, bei den schweren und operierten Paresen für zwei bis drei Jahre verordnet werden. Ziel der konservativen Frühbehandlung ist es zu erreichen, dass die betroffene Hand eingesetzt wird und dass Kontrakturen vermieden werden. Bei größeren Kindern kommen Ergotherapie und nach Muskelverlagerungen gezielte Muskelaufbauarbeit hinzu. Bei allen Kindern ist, insbesondere an der Schulter, auf freie Gelenkbeweglichkeit und -kongruenz zu achten.
- Ergotherapie
- Schmerzmittel: Neuropathische Schmerzen können mit verschiedenen Medikamentengruppen behandelt werden. Dazu zählen auch Substanzgruppen, die Sie vielleicht nicht erwarten, wie Antidepressiva und Mittel gegen Krampfanfälle (Antikonvulsiva).
- Elektrotherapie: Eine Elektrotherapie, also die Behandlung mit elektrischem Strom, kann Muskelschwund verzögern, bis die Nervenregeneration abgeschlossen ist.
- Botulinumtoxin: Bei gesicherten Co-Kontraktionen zwischen Antagonisten kann durch die intramuskuläre Gabe von Botulinumtoxin (vor allem in den M. triceps, M. subscapularis und M. teres major) der Zielmuskel für sechs Monate durch eine reversible Blockade der motorischen Endplatte ausgeschaltet werden. Meist ist eine einmalige Gabe ausreichend.
- Anlagern des Armes mit gebeugtem Ellenbogen am Oberkörper in den ersten zehn Tagen nach der Geburt, um die verletzte Halsregion zu entlasten.
Operative Behandlung
Eine Operation kann erforderlich sein, wenn die konservative Behandlung nicht ausreichend ist oder wenn eine schwere Schädigung des Plexus brachialis vorliegt. Bei kompletten Lähmungen und wenn keine Bizepsregeneration nach drei bis sechs Monaten eingetreten ist, ist eine operative neurochirurgische Rekonstruktion des Plexus brachialis indiziert. Ziel ist die Wiederherstellung der Nervenkontinuität durch Nerveninterponate sowie Reanastomosierungen der spinalen Nerven von proximal nach distal mit hoher Priorität für die Reinnervation der Hand.
Es gibt verschiedene operative Verfahren, die bei der Duchenne-Erb-Lähmung eingesetzt werden können:
- Nervenrekonstruktion: Unter Vollnarkose wird über einen supraklavikulären Zugang unter dem M. scalenus anterior der Plexus freigelegt. Trunci und Wurzeln werden isoliert, mit Reizstrom stimuliert und neuromatöse Anteile entfernt. Nach neuropathologischer Prüfung der Schnittkanten erfolgt eine intraplexische Überbrückung und/oder extraplexische Nervenverlagerungen mit Anteilen des N. accessorius, Interkostalnerven, oder unverletzten Nerven im Oberarm, aus denen motorisch redundante Faszikel ausgeleitet werden. Als Spender für Nerventransplantate werden die Nn. surales benutzt. Eine postoperative Ruhigstellung für drei Wochen in einem Kopf-Hals-Gips ist erforderlich.
- Nerventransplantation: Versetzen eines eigenen Nervenastes aus einem anderen Körperbereich (Autologe Nerventransplantation)
- Muskeltransposition: Verlagerung von intakten Muskeln zum Funktionserhalt (Ersatzoperation). Wesentliche Zielfunktionen werden durch gut reinnervierte Muskelspender verbessert.
- Sehnenverlagerung: Sehnenverlagerung des ulnaren Handgelenksbeugers (FCU, Flexor carpi ulnaris) zur Aktivierung der Handgelenks- oder Fingerstreckung (ECRB, Extensor carpi radialis brevis beziehungsweise EDC, Extensor digitorum communis) mit drei Jahren, um die Fallhandstellung mit verminderter Greiffunktion zu korrigieren.
- Korrekturosteotomie: Korrektur der Supinationsfehlstellung des Unterarmes durch Umlagerung („rerouting“) der Sehne des M. biceps oder M. brachioradialis, Lösung der Membrana interossea, Korrekturosteotomie des Radiusschaftes
- Gelenkkorrekturen: Bei schwerer Läsion der Wurzel C5 (sie versorgt alle das Schulterblatt stabilisierenden Muskeln) kommt es zu einer Fehlentwicklung des Schultergürtels („SHEAR“-Deformität, Scapula-Hypoplasie-Elevation und Anteriore Rotation), die mittels 3D-Computertomografie objektiviert wird. Das luxierte Radiusköpfchen kann mittels Reposition, verlängernder Ulnaosteotomie und Bandverstärkung gut behandelt werden.
Mikrochirurgische Späteingriffe
Bei schwerster Unterversorgung des Armes und insbesondere der Hand nach nicht oder unzureichend behandelten Plexusparesen können späte Rekonstruktionen diskutiert werden:
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- eine Minimalsensibilisierung der Hand durch die Neurotisation des N. medianus mittels sensibler Interkostalnerven (N. intercostobrachialis),
- eine Wiederherstellung der globalen Fingerbeugung durch einen freien neuro-vaskulär angeschlossenen M. gracilis-Transfer in die vordere Unterarmloge.
Prognose der Duchenne-Erb-Lähmung
Die Prognose der Duchenne-Erb-Lähmung hängt vom Ausmaß der Schädigung des Plexus brachialis ab. Bei einer leichten Schädigung ist die Prognose gut, und die meisten Patienten erholen sich vollständig. Bei einer schweren Schädigung ist die Prognose schlechter, und viele Patienten behalten dauerhafte Einschränkungen.
Beim größten Teil der Säuglinge kommt es zu einer vollständigen Restitution (Wiederherstellung), wobei die Prognose entscheidend von Art und Umfang der Schädigung abhängt. Hohe Plexus-Läsionen haben eine bessere Prognose als Total-Läsionen. Eine klinische Verbesserung nach dem 12. bis 18. Monat ist selten.
Insgesamt sind etwa 70 % der Ergebnisse bei oberen Plexusläsionen gut. Bei unteren Plexusläsionen ist die Prognose schlechter. Als Folge einer Plexusläsion können langfristig Defizite der Sensibilität oder Motorik mit einer Funktionseinschränkung zurückbleiben. Neuropathische Schmerzen können chronisch werden.
Prävention der Duchenne-Erb-Lähmung
Präventive Maßnahmen konzentrieren sich hauptsächlich auf die Vermeidung von Geburtstraumata durch optimierte geburtshilfliche Techniken. Tragen Sie eine Schutzausrüstung, wenn Sie sich in Situationen mit einem entsprechenden Verletzungsrisiko begeben (z. B. bei Extremsportarten und beim Motorradfahren).