EEG bei Epilepsie: Beispiele und Diagnose

Epilepsie ist eine weit verbreitete chronische Erkrankung des Nervensystems, die durch wiederholte epileptische Anfälle gekennzeichnet ist. Diese Anfälle sind kurzzeitige Funktionsstörungen des Gehirns, die plötzlich und meist ohne erkennbaren Auslöser auftreten. Sie entstehen durch eine vorübergehende Störung des harmonischen Zusammenspiels der Nervenzellen, bei der sich viele Nervenzellen gleichzeitig entladen. Die Erscheinungsform eines solchen Anfalls kann sehr unterschiedlich sein und hängt von der betroffenen Hirnregion ab.

Was ist Epilepsie?

Der Begriff Epilepsie umfasst verschiedene Erkrankungen des Gehirns mit unterschiedlichen Erscheinungsformen. Charakteristisch ist das Auftreten von mindestens zwei epileptischen Anfällen im Abstand von mehr als 24 Stunden, die meist unprovoziert auftreten. Auch ein einzelner unprovozierter Anfall oder Reflexanfall kann auf eine Epilepsie hindeuten, wenn die Wahrscheinlichkeit für weitere Anfälle in den nächsten zehn Jahren bei mindestens 60 Prozent liegt. Zudem gibt es sogenannte Epilepsie-Syndrome, wie beispielsweise das Lennox-Gastaut-Syndrom (LGS).

Es ist wichtig zu wissen, dass ein einmaliger Anfall nicht gleichbedeutend mit Epilepsie ist. Etwa 5 bis 10 % aller Menschen erleben im Laufe ihres Lebens einen sogenannten Gelegenheitsanfall, der beispielsweise durch Schlafentzug, Fieber oder andere vorübergehende Faktoren ausgelöst werden kann.

Diagnostik bei Verdacht auf Epilepsie

Bei einem ersten Anfall oder bei Verdacht auf Epilepsie sollte ein erfahrener Facharzt abklären, ob es sich tatsächlich um einen epileptischen Anfall oder ein anderes Ereignis handelt. Die Epilepsiediagnostik ist ein komplexer Prozess, der verschiedene Untersuchungen und deren Auswertung umfasst.

Anamnese und Fremdbeschreibung

Ein wichtiger Bestandteil der Diagnostik ist die Anamnese, bei der der Arzt den Betroffenen und gegebenenfalls Angehörige oder Zeugen des Anfalls befragt. Dabei geht es um folgende Fragen:

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  • Was hat der Betroffene vor, während und nach dem Anfall erlebt?
  • Wie sah der Anfall aus (Fremdbeschreibung)?
  • Gab es einen Auslöser für den Anfall?
  • Welche Medikamente werden oder wurden bereits eingenommen?
  • Wie war der Verlauf der Anfälle unter den verschiedenen Medikamenten?

Da sich Betroffene oft nicht an alle Details des Anfalls erinnern können, ist eine genaue Fremdbeschreibung durch Angehörige, Freunde oder Arbeitskollegen von großer Bedeutung. Hilfreich kann auch eine Videoaufzeichnung des Anfalls mit dem Handy sein. In manchen Fällen ist eine Videoüberwachung in einer spezialisierten Klinik notwendig, um den Anfall genau zu dokumentieren.

Elektroenzephalographie (EEG)

Die Elektroenzephalographie (EEG) ist eine zentrale Untersuchungsmethode zur Diagnose von Epilepsie. Dabei werden die elektrischen Hirnströme über Elektroden auf der Kopfhaut abgeleitet und aufgezeichnet. Das EEG kann helfen, epilepsietypische Potenziale (ETP) zu erkennen, die auf eine erhöhte Erregbarkeit des Gehirns hindeuten.

Arten von EEG-Untersuchungen

  • Routine-EEG: Eine etwa 30-minütige Aufzeichnung der Hirnströme im Wachzustand mit Standardprovokationen wie Hyperventilation (schnelles Atmen) und Flickerlicht.
  • Schlaf-EEG nach Schlafentzug: Eine EEG-Aufzeichnung nach vorherigem Schlafentzug, um die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von ETP zu erhöhen. Schlafentzug führt zu einer verstärkten kortikalen Erregbarkeit.
  • Langzeit-Video-EEG-Ableitung: Eine kontinuierliche videoüberwachte EEG-Überwachung über mehrere Stunden oder Tage in einer spezialisierten Klinik. Dies ermöglicht die Aufzeichnung von Anfällen und die genaue Analyse der Hirnaktivität während des Anfalls.
  • EEG im Schlaf: Da viele epilepsietypische Veränderungen nur im Schlaf auftreten, ist eine EEG-Aufzeichnung während des Schlafs besonders aussagekräftig.

EEG-Befunde bei Epilepsie

Im EEG können verschiedene epilepsietypische Muster auftreten:

  • Spikes und Sharp Waves: Einzelne, steile Ausschläge in der EEG-Kurve, die auf eine erhöhte Erregbarkeit von Nervenzellen hindeuten.
  • Spike-Wave-Komplexe: Regelmäßige Abfolgen von Spikes und langsamen Wellen, die typisch für bestimmte Epilepsieformen sind (z. B. Absence-Epilepsie).
  • Polyspikes: Mehrere Spikes in schneller Folge.
  • Iktale Muster: Während eines Anfalls können im EEG charakteristische Veränderungen auftreten, wie z. B. eine rhythmische Aktivität oder eine plötzliche Amplitudenzunahme.

Es ist wichtig zu beachten, dass das Vorhandensein von ETP im EEG nicht zwangsläufig bedeutet, dass eine Epilepsie vorliegt. ETP können auch bei Menschen ohne Epilepsie vorkommen, insbesondere bei Verwandten von Epilepsiepatienten. Umgekehrt kann ein unauffälliges EEG eine Epilepsie nicht ausschließen, da ETP nicht immer nachweisbar sind.

Magnetresonanztomographie (MRT)

Die Magnetresonanztomographie (MRT) ist ein bildgebendes Verfahren, mit dem hirnorganische Veränderungen sichtbar gemacht werden können. Sie kann Hinweise auf die Ursache der Epilepsie oder der epileptischen Anfälle geben.

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Mögliche MRT-Befunde bei Epilepsie

  • Hippocampussklerose: Eine Vernarbung des Hippocampus, einer Hirnregion, die für Gedächtnis und Emotionen wichtig ist.
  • Kortikale Dysplasien: Angeborene Fehlbildungen der Hirnrinde.
  • Tumore: Raumforderungen im Gehirn.
  • Blutgefäßfehlbildungen: Anomalien der Blutgefäße im Gehirn.
  • Entzündungen: Entzündliche Veränderungen des Gehirns.
  • Schlaganfälle: Bereiche mit abgestorbenem Hirngewebe.
  • Verletzungsnarben: Narben im Gehirn nach Verletzungen.
  • Vaskuläre Leukenzephalopathie: Veränderungen der weißen Substanz des Gehirns, die auf Durchblutungsstörungen hindeuten.

Weitere diagnostische Maßnahmen

In manchen Fällen sind weitere Untersuchungen erforderlich, um die Ursache der Epilepsie zu klären oder die Anfallsform genauer zu bestimmen:

  • Funktionelle MRT (fMRT): Eine spezielle MRT-Technik, die die Aktivität verschiedener Hirnregionen während bestimmter Aufgaben misst.
  • Positronenemissionstomographie (PET): Ein bildgebendes Verfahren, das Stoffwechselprozesse im Gehirn darstellt.
  • Neuropsychologische Testung: Eine Untersuchung der kognitiven Fähigkeiten, wie z. B. Gedächtnis, Aufmerksamkeit und Sprache.
  • Anfallskalender: Eine Dokumentation der Anfälle über einen bestimmten Zeitraum, um Muster und Auslöser zu erkennen.

Beispiele für EEG-Befunde bei verschiedenen Epilepsieformen

Um die Alltagsrelevanz der Thematik zu verdeutlichen, seien hier einige Patientenbeispiele aus dem Epilepsiemonitoring aufgeführt:

Beispiel 1: Genetische generalisierte Epilepsie

Eine 19-jährige Patientin mit anfallsartigen Episoden mit Verharren und Areagibilität.

  • EEG im Wachzustand: Unauffällig.
  • EEG im Leichtschlaf N1: Kurze, niedergespannte und höherfrequente (5/s) Spike-Wave(SW)-Paroxysmen über maximal 0,5 s.
  • EEG im Leichtschlaf N2: Höhergespannte, langsamere (3/s) und längere SW-Abfolgen.
  • EEG im Tiefschlaf N3: Vermehrte, verlangsamte, höhere und länger dauernde generalisierte SW und Poly-SW.

Diagnose: Durch die im Schlaf mit zunehmender Schlaftiefe immer weiter aktivierten generalisierten epilepsietypischen Potenziale eindeutige Diagnose einer genetischen generalisierten Epilepsie.

Beispiel 2: Strukturelle Epilepsie nach Schädel-Hirn-Trauma

Ein 53-jähriger Patient mit rechts frontalem Substanzdefekt nach schwerem Schädel-Hirn-Trauma und therapierefraktärer, struktureller Epilepsie mit Persistenz von Anfällen im Wachen und im NREM-Schlaf.

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  • EEG im Wachzustand: Fast ständig eingelagerte epilepsietypische Potenziale (ETP) mit weiter Ausbreitung über der rechten Hemisphäre mit Akzentuierung über rechts frontal.
  • EEG im Schlafstadium N3: Bedeutsame Zunahme und Ausweitung der ETP, die nun in modulierten Abfolgen von Running-Spikes, rhythmischen Sharp-Waves, Sharp-Slow-Wave-Komplexen und Deltawellen auftreten, über der ganzen rechten Hemisphäre, hier ohne fokale Betonung und nun auch mit Propagation auf die linke Hemisphäre.
  • EEG im REM-Schlaf: Vollständige Suppression aller ETP, somit geringere Anfallswahrscheinlichkeit im REM-Schlaf als im Wachen.

Beispiel 3: Fokale Epilepsie mit Epidermoidzyste

Eine 22-jährige Patientin mit fokalen und fokal zu generalisierten Anfällen seit dem 20. Lebensjahr.

  • Iktuales EEG im Wachzustand: Einsetzen der iktualen Rhythmik scheinbar über rechts frontal (F4), nach 6 s Ausweitung auf die ganze rechte Hemisphäre.
  • Interiktuales EEG im NREM-Schlaf N2: Sehr häufige epilepsietypische Potenziale (ETP), weit ausgebreitet über rechts temporal bis frontal.
  • Interiktuales EEG im REM-Schlaf: Geminderte Dichte und geringere räumliche Ausdehnung der ETP, jetzt nur in den Elektroden T2, F8, T4 und somit die mesiale Temporalregion abbildend.
  • MRT: Temporomesial eine Epidermoidzyste als strukturelle Ursache der Epilepsie.

Therapie: Nach epilepsiechirurgischer Resektion ist die Patientin anfallsfrei.

Therapie der Epilepsie

Die Epilepsiebehandlung zielt darauf ab, die Anfälle zu kontrollieren und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. Die Therapie der ersten Wahl ist in der Regel eine medikamentöse Behandlung mit Antiepileptika.

Medikamentöse Therapie

Antiepileptika wirken direkt auf das Nervensystem und die Nervenzellen. Sie hemmen die Reizweiterleitung der Nerven und vermindern die Erregbarkeit der Nervenzellen im Gehirn. Es gibt verschiedene Wirkmechanismen, die im Wesentlichen auf der Blockierung epileptischer Impulse und der Verhinderung der Ausbreitung epileptischer Aktivität beruhen.

Die Wahl des geeigneten Antiepileptikums hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie z. B. der Art der Epilepsie, dem Alter des Patienten, Begleiterkrankungen und anderen Medikamenten, die eingenommen werden.

Alternative Behandlungsmöglichkeiten

Wenn eine medikamentöse Behandlung nicht ausreichend wirksam ist, kommen alternative Behandlungsmöglichkeiten in Betracht:

  • Epilepsiechirurgie: Die operative Entfernung des Anfallsfokus im Gehirn. Dies ist eine Option, wenn die Anfälle von einer bestimmten Stelle des Gehirns ausgehen und diese operativ entfernt werden kann, ohne wichtige Funktionen zu beeinträchtigen.
  • Neurostimulation: Verfahren, bei denen Nervenstrukturen mit elektrischem Strom stimuliert werden, um die Anfallsfrequenz zu reduzieren. Beispiele sind die Vagusnervstimulation (VNS) und die tiefe Hirnstimulation (DBS).
  • Ketogene Diät: Eine spezielle Ernährungsform, die reich an Fett und arm an Kohlenhydraten ist. Sie kann bei manchen Epilepsieformen, insbesondere bei Kindern, die Anfallshäufigkeit reduzieren.
  • Anfallsselbstkontrolle: Verhaltenstherapeutische Ansätze, die den Patienten helfen, Anfälle selbst zu kontrollieren oder deren Auswirkungen zu minimieren.

Epilepsie und Schlaf

Es besteht eine enge Beziehung zwischen Epilepsie und Schlaf. Epileptische Anfälle treten gehäuft nach Schlafmangel auf, und im Schlaf treten - relativ zu der mit Schlaf verbrachten Zeit - erheblich häufiger Anfälle auf als im Wachen. Anfälle im Schlaf können zu Schlaffragmentierung führen und physiologische schlafgebundene Prozesse stören.

Auswirkungen von Schlaf auf die Epilepsie

  • Schlafentzug: Schlafentzug kann die Wahrscheinlichkeit für epileptische Anfälle erhöhen.
  • Schlafstadium: Bestimmte Schlafstadien, insbesondere der NREM-Schlaf (Non-Rapid Eye Movement-Schlaf), sind mit einer höheren Anfallsfrequenz verbunden. Im REM-Schlaf (Rapid Eye Movement-Schlaf) treten Anfälle seltener auf.
  • Schlafstörungen: Schlafstörungen können die Anfallshäufigkeit erhöhen und die Lebensqualität von Epilepsiepatienten beeinträchtigen.

Diagnostische Bedeutung des Schlafs

Die Erfassung von ETP oder Anfällen im Schlaf kann für die Diagnose und Lokalisation des Anfallsursprungs von großem Wert sein. Im REM-Schlaf scheinen die gefundenen interiktualen und iktualen Entladungen spezifischer für den tatsächlichen Anfallsursprung zu sein.

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