EEG nach Schlaganfall: Diagnose und Rehabilitation

Die Elektroenzephalographie (EEG) ist eine etablierte und weit verbreitete neurologische Untersuchungsmethode zur Messung und Darstellung der bioelektrischen Aktivität des Gehirns. Sie findet breite Anwendung in der Diagnostik verschiedener neurologischer Erkrankungen, insbesondere auch nach einem Schlaganfall.

Was ist ein EEG?

Die Elektroenzephalographie (EEG) misst die Gehirnströme mittels Elektroden, die an bestimmten Punkten über der Kopfhaut angebracht werden. Diese Elektroden erfassen die Spannungsschwankungen an der Kopfoberfläche, welche die elektrische Aktivität des Gehirns widerspiegeln. Mittels Verstärkersystem lassen sich die sogenannten Hirnströme grafisch darstellen und aufzeichnen (Elektroenzephalogramm, EEG).

Wie wird ein EEG durchgeführt?

Für ein Routine-EEG sind bis zu 21 Elektroden notwendig, die meist in einer Art Haube eingearbeitet sind. Die Elektroden werden mit einem Kontaktgel eingestrichen, nach einem standardisierten Schema auf der Kopfhaut des Patienten befestigt und über Kabel verbunden. Die Ableitung erfolgt entspannt im Liegen. Während der Ableitung wird der Patient gebeten, verschiedene Anweisungen zu befolgen: zum Beispiel Augen öffnen, Augen schließen, tief einatmen, Kopfrechnen. In der Regel ist es auch notwendig, dem Patienten ein Flackerlicht vor die Augen zu halten. Durch kurze Anweisungen seitens der technischen Assistenz, wie zum Beispiel die Augen zu öffnen, können Änderungen der Hirnaktivität simuliert und im EEG aufgezeichnet werden. Zur Hyperventilation bittet die Ärztin/der Arzt die Patientin/den Patienten für drei bis fünf Minuten möglichst tief ein- und auszuatmen. Bei der Photostimulation wird die Patientin / der Patient hellen Lichtblitzen ausgesetzt. Sowohl während der Hyperventilation als auch der Photostimulation leitet die Ärztin/der Arzt direkt ein EEG ab. Zum Schlafentzug hingegen soll die Patientin/der Patient während einer gesamten oder ein Teil der Nacht wach bleiben. Koffeinhaltige Getränke sind nicht erlaubt.

Eine EEG-Ableitung dauert in der Regel 30 Minuten. Sie ist schmerzlos, risikofrei und kann beliebig oft wiederholt werden. Am besten erscheinen Sie mit frisch gewaschenen Haaren ohne Haarspray oder Gel, damit die Elektroden gut haften. Die Auswertung erfolgt unmittelbar nach der Untersuchung.

Wann wird ein EEG nach einem Schlaganfall durchgeführt?

Nach einem Schlaganfall oder einer Hirnblutung kann das Elektroenzephalogramm Aufschluss über die entstandene Gefahr epileptischer Anfälle und über das Ausmaß von Hirnfunktionsstörungen geben.

Lesen Sie auch: Rehabilitation bei Gesichtsfeldausfall

Das EEG wird insbesondere angewendet:

  • Zur Beurteilung der Hirnfunktion: Das EEG kann helfen, das Ausmaß der Hirnfunktionsstörung nach einem Schlaganfall einzuschätzen.
  • Zur Erkennung von epileptischen Anfällen: Nach einem Schlaganfall besteht ein erhöhtes Risiko für epileptische Anfälle. Das EEG kann helfen, diese zu erkennen und zu behandeln.
  • Zur Differenzierung verschiedener Schlaganfallursachen: In seltenen Fällen kann das EEG Hinweise auf die Ursache des Schlaganfalls geben.
  • Zur Klärung einer unklaren Bewusstlosigkeit
  • Im Rahmen der Hirntodbestimmung

Verschiedene Arten von EEG-Untersuchungen

Um die Aussagekraft der EEG zu erhöhen, kommen zusätzlich zur normalen Ableitung sogenannte Provokationsverfahren infrage. Es gibt verschiedene Arten von EEG-Untersuchungen, die je nach Fragestellung eingesetzt werden:

  • Routine-EEG: Dies ist die Standarduntersuchung, bei der die Hirnaktivität in Ruhe gemessen wird.
  • Schlaf-EEG: Diese Untersuchung wird während des Schlafs durchgeführt, da bestimmte Auffälligkeiten nur im Schlaf sichtbar werden. Ein Schlaf-EEG wird meist in einem speziellen Schlaflabor stationär durchgeführt. Wie beim Routine-EEG setzt der Arzt dem Patienten eine Elektrodenhaube auf. Der Patient geht dann wie gewohnt zu Bett - so wie er es auch zuhause macht. Medikamente und Alkohol darf er keine einnehmen. Über die gesamte Schlafdauer wird die Hirnaktivität gemessen und aufgezeichnet. Häufig erfasst der Arzt dabei auch die Augenbewegungen, die Muskelaktivität und die Herzfrequenz des Schlafenden.
  • Langzeit-EEG: Hierbei wird die Hirnaktivität über einen längeren Zeitraum (24 oder 48 Stunden) gemessen, um auch seltenere Ereignisse erfassen zu können. Dazu erhält der Patient einen tragbaren Rekorder, der am Körper befestigt wird. Während der Langzeitaufzeichnung protokolliert der Patient alle Vorkommnisse, damit der Arzt sie mit Veränderungen der HIrnaktivität in Zusammenhang bringen kann.
  • Provokations-EEG: Hierbei wird versucht, einen epileptischen Anfall zu provozieren, um epilepsietypische Veränderungen im EEG sichtbar zu machen. Dazu setzt der Neurologe drei verschiedene Methoden ein: Hyperventilation (Mehratmung), Photostimulation und Schlafentzug. Für die Hyperventilation bittet der Arzt den Patienten, für drei bis fünf Minuten möglichst tief ein- und auszuatmen. Bei der Photostimulation wird der Patient hellen Lichtblitzen ausgesetzt. Sowohl während der Hyperventilation als auch der Photostimulation leitet der Arzt direkt ein EEG ab. Beim Schlafentzug soll der Patient während einer gesamten Nacht wach bleiben. Hierzu wird er meist stationär aufgenommen. Koffeinhaltige Getränke darf er keine zu sich nehmen, um wach zu bleiben. Das EEG wird dann am nächsten Tag abgeleitet.

EEG: Auswertung und Befundung

Die Ärzt:innen der Neurologie beurteilen das EEG nach Form, Frequenz und Amplitude der Wellen. Der Neurologe beurteilt das EEG nach Form, Frequenz und Amplitude der aufgezeichneten Hirnwellen. Ein allgemein verlangsamter Grundrhythmus bei erwachsenen, wachen Patienten tritt zum Beispiel bei Vergiftungen, Koma oder Gehirnentzündung auf. Ein sogenannter Herdbefund, also eine örtlich begrenzte Veränderung der Hirnaktivität, spricht hingegen für Tumore oder Hirnschäden durch Verletzungen (Schädel-Hirn-Trauma). Herdbefunde werden oft zusätzlich mitels Kernspintomografie (Magnetresonanztomografie, MRT) abgeklärt. Die Diagnostik einer Epilepsie ist schwieriger, da das EEG zwischen den Anfällen häufig unauffällig ist und die epilepsietypischen Hirnstromkurven erst bei einem Anfall auftreten.

Physiologische Wellen im EEG

Je nach Wachheitsgrad unterscheidet man verschiedene Muster (Graphoelemente) im Elektroenzephalogramm, die keinen Krankheitswert haben:

  • Alpha-Wellen (acht bis zwölf Hertz): wacher, entspannter Erwachsener mit geschlossenen Augen
  • Beta-Wellen (13 bis 30 Hertz): wacher Erwachsener mit geöffneten Augen und bei geistiger Tätigkeit
  • Theta-Wellen (vier bis sieben Hertz): starke Müdigkeit, beim Einschlafen
  • Delta-Wellen (0,5 bis drei Hertz): Tiefschlaf

Öffnet der Patient die Augen oder konzentriert sich auf eine Aufgabe, findet ein Wechsel vom Alpha-EEG zum Beta-EEG statt. Dies wird als Berger-Effekt oder auch Arousal-Reaktion bezeichnet. Neugeborene und Kinder zeigen statt des genannten Musters langsame und eher unregelmäßige Wellen.

Lesen Sie auch: Schlaganfallprävention durch Vitamin D3?

Weitere diagnostische Verfahren bei Schlaganfall

Jeder Patient, der mit Verdacht auf einen Schlaganfall in ein Krankenhaus eingeliefert wird, muss von einem Neurologen untersucht werden. Die neurologische Untersuchung zielt darauf ab, Ausfallerscheinungen aber auch versteckte Symptome, die auf einen Schlaganfall hinweisen, festzustellen und richtig einzuordnen. Zudem werden mögliche Risikofaktoren des Patienten und eventuell aufgetretene Frühwarnsymptome abgefragt. Die Diagnose Schlaganfall kann am Ende der neurologischen Untersuchung mit großer Sicherheit gestellt werden. Da die Therapie von der Ursache eines Schlaganfalls abhängt, müssen weitere Untersuchungen zeigen, ob z.B.

Neben dem EEG gibt es weitere wichtige diagnostische Verfahren, die bei der Abklärung eines Schlaganfalls eingesetzt werden:

  • Computertomographie (CT): Sie liefert Bilder des Gehirns und seiner Blutgefäße und ermöglicht, zwischen einer Durchblutungsstörung (ca. 85% der Schlaganfälle) und einer Hirnblutung (ca. 15% der Schlaganfälle) zu unterscheiden. In den meisten Fällen wird nach der neurologischen Untersuchung zunächst eine Computertomographie (CT) des Kopfes durchgeführt.
  • Kernspintomographie (Magnetresonanz-Tomographie, MRT): Die MRT liefert wesentlich genauere Ergebnisse als die Computertomographie, benötigt auf der anderen Seite dafür aber auch mehr Zeit und ist teurer. Sie wird deshalb meistens nicht als erstes Untersuchungsverfahren eingesetzt. Die MRT ermöglicht dem Neurologen, sich ein sehr präzises Bild über den Ort und das Ausmaß der Schädigung im Gehirn zu machen. Auch mit Hilfe der Kernspintomographie (Magnetresonanz-Tomographie, MRT) kann das Gehirn sowie der Verlauf und Zustand der Blutgefäße dargestellt werden.
  • Ultraschalluntersuchung (Doppler- und Duplexsonographie): Eine Ultraschalluntersuchung (Doppler- und Duplexsonographie) der Hals- und Nackenarterien, zu denen auch die Halsschlagader gehört, zeigt, wie stark die erkrankten Blutgefäße z.B. durch Arterienverkalkung (Arteriosklerose) eingeengt sind. Sie kann auch Hinweise auf den Ablösungsort eines Blutgerinnsels erbringen. Die Ultraschalluntersuchung der im Kopf liegenden Gehirnarterien zeigt, ob hier Gefäße verschlossen oder verengt sind.
  • Echokardiographie: Die Echokardiographie ist eine Ultraschalluntersuchung des Herzens. Sie erlaubt es, Ver-änderungen am Herzen, wie beispielsweise zu dicke Herzwände und in ihrer Funktion beeinträchtigte Herzklappen festzustellen.
  • Elektrokardiogramm (EKG): Herzrhythmusstörungen können mit einem Elektrokardiogramm (EKG) diagnostiziert werden.
  • Blutuntersuchungen: In jedem Fall wird dem Schlaganfall-Patienten Blut abgenommen, das dann im Labor untersucht wird. Dabei wird die Konzentration der roten (Erythrozyten) und weißen Blutkörperchen (Leukozyten, Lymphozyten, Granulozyten) festgestellt. Von besonderem Interesse sind auch die Blutplättchen (Thrombozyten) und Blutgerinnungswerte. Bei einer krankhaften Störung des Gerinnungssystems verklumpen die Blutplättchen und bilden die gefährlichen Blutgerinnsel. Zudem werden Blutzuckerwerte, Kalium- und Natriumkonzentration sowie Leber- und Nierenwerte gemessen.
  • Angiographie: Bei der Angiographie werden die Blutgefäße im Gehirn dargestellt. Man unterscheidet drei verschiedene Verfahren. Die anschließend durchgeführte Röntgenaufnahme zeigt den Verlauf der Hirnarterien und -venen. Diese Untersuchungsmethode kann auch therapeutisch eingesetzt werden, wenn die lokale Behandlung eines Blutgerinnsels in einem größeren Blutgefäß des Gehirns durch lokale Thrombolyse oder Thrombusentfernung über einen Kathether sinnvoll erscheint. Die Angiographie wird auch bei Schlaganfällen eingesetzt, die durch eine Blutung ins Gehirn verursacht wurden und bei denen der Verdacht auf eine krankhafte Veränderung der Arterien oder eine Gefäßmissbildung (z.B. Aneurysma) besteht. Nicht-invasive Möglichkeiten zur Gefäßsdarstellung sind die Magnetresonanz-Angiographie (MRA) sowie die CT-Angiographie. Beide Untersuchungsmethoden geben Aufschluss über die Art und Ausdehnung von Gefäßeinengungen und -verschlüssen und verdeutlichen Gefäßschäden, die zu Hirnblutungen geführt haben.
  • Lumbalpunktion: In sehr seltenen Fällen wird eine Lumbalpunktion vorgenommen. Dabei entnimmt der Arzt mit einer feinen Nadel etwas Flüssigkeit aus dem Rückenmarkskanal. Diese Untersuchung wird durchgeführt, wenn der Verdacht auf eine Gehirn- oder Gefäßentzündung besteht und andere diagnostische Verfahren keine Klarheit gebracht haben.

EEG in der Rehabilitation nach Schlaganfall

Bei der Rehabilitation von Schlaganfallpatienten spielt die Elektroenzephalographie (EEG), also die Diagnose durch Messung der elektrischen Aktivität des Gehirns, eine wichtige Rolle. Mithilfe von EEG können die Signale des Gehirns sehr genau in der Zeit erfasst und analysiert werden, was die Untersuchung von schnellen Veränderungen der Gehirnaktivität ermöglicht. EEG ist nicht-invasiv, erfolgt also ohne Eindringen oder Verletzung von Körpergewebe, das Verfahren ist sehr mobil, leicht anwendbar und zudem vergleichsweise kostengünstig. Damit ist EEG das ideale Werkzeug für Brain-Computer-Interfaces - digitale Schnittstellen zwischen dem Gehirn und dem medizintechnischen Computerprogramm. BCIs wiederum liefern dem Arzt bei der Reha der Schlaganfallpatienten ein direktes visuelles und sensorisches Feedback, zum Beispiel, sobald der Patient eine kognitive Aufgabe erfolgreich absolviert hat, er sich zum Beispiel eine Bewegung vorgestellt hat. Die von Experten sogenannte „Motor Imagery“ macht EEG-basierte BCIs für die Medizin zu einem überaus wertvollen Instrument bei der Rehabilitation von Schlaganfallpatienten.

Bislang wurden bei einem Schlaganfall BCIs allerdings vor allem bei der motorischen Rehabilitation der oberen Gliedmaßen, also der Arme eingesetzt. Im Forschungsprojekt „Online EEG-Analyse für Neurofeedback in der Neurorehabilitation der unteren Extremitäten nach Schlaganfall“ will das Forschungsteam der TU Ilmenau und der Universität Innsbruck neuartige Algorithmen entwickeln, mit denen mithilfe von BCIs die Motor Imagery in der Rehabilitation der unteren Gliedmaßen verbessert werden soll. Das Team wird neuartige Klassifizierungsalgorithmen entwickeln, die auf künstlichen neuronalen Netzwerken, sogenannten Convolutional Neural Networks, basieren und die Online-Analyse von EEG-Quellen und deren Verbindungen einbeziehen. Professor Jens Haueisen, Projektleiter und Leiter des Instituts für Biomedizinische Technik und Informatik der TU Ilmenau, will so die Genauigkeit der Motor Imagery der unteren Gliedmaße deutlich verbessern: „Mithilfe von Motor Imagery erfassen wir EEG-Daten einerseits von gesunden Probanden und andererseits von Schlaganfallpatienten, während sie sich eine Bewegung ihrer Beine vorstellen. Wir versprechen uns davon neues Wissen über die Informationsverarbeitung im Gehirn und eine deutliche Verbesserung der Genauigkeit von BCIs.

Lesen Sie auch: Was tun bei Hirndruck nach Schlaganfall?

tags: #eeg #nach #schlaganfall #diagnose