Patientenrechte gelten unabhängig von der jeweiligen Erkrankung, besonders wichtig ist dies bei Menschen mit Demenz. Ein gutes Verhältnis zu Ärzten, Pflegekräften und Therapeuten sowie Ansprechpersonen wie Patientenbeauftragte oder Demenzbeauftragte sind entscheidend, um ihre Rechte zu gewährleisten. Das Patientenrechtegesetz stärkt die Anliegen von Patienten und Angehörigen, die zunehmend medizinische Maßnahmen kritisch hinterfragen und eigenverantwortlich entscheiden wollen.
Das Patientenrechtegesetz: Mehr Transparenz und Selbstbestimmung
Das Patientenrechtegesetz bündelt seit 2013 Regelungen, die zuvor auf unterschiedliche Gesetze verteilt waren, und schafft so mehr Transparenz für alle Beteiligten. Es unterstützt Patienten in ihrem Selbstverständnis, auf "Augenhöhe" über ihren Behandlungsweg mitzuentscheiden.
Klare Rechte und Pflichten im Behandlungsvertrag
Im Bürgerlichen Gesetzbuch (§§ 630a bis 630h BGB) sind die gegenseitigen Rechte und Pflichten zwischen Patienten, Ärzten und Kliniken festgelegt. Ein zentraler Baustein ist die umfassende Aufklärung über eine Behandlung, einschließlich des geplanten Ablaufs, der beabsichtigten Erfolge, Chancen sowie Risiken. Die Aufklärung muss durch einen Arzt erfolgen, der die Behandlung auch durchführen darf. Vor einer Operation ist die Aufklärung sogar schriftlich festzuhalten, und der Patient erhält auf Wunsch eine Kopie.
Einsicht in Patientenakte und Patientenquittung
Patienten haben ein Einsichtsrecht in ihre Patientenakten und können Kopien erhalten. Dies ist besonders hilfreich bei einem Arztwechsel oder im Falle eines Arzthaftungsprozesses. Wer wissen will, welche Behandlungen abgerechnet wurden und wie hoch die Kosten waren, kann bei seiner Krankenkasse eine Patientenquittung anfordern.
Einwilligung zur Behandlung bei Demenz
Grundsätzlich müssen Patienten in jede ärztliche Maßnahme einwilligen. Doch wie sieht es bei Menschen mit Demenz aus? Auch hier gilt: Ärzte müssen stets im Einzelfall prüfen, ob Betroffene noch selbst einwilligen können oder nicht.
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Die Notwendigkeit der Einwilligung
Nach dem Strafrecht stellt eine ärztliche Maßnahme eine Körperverletzung dar, wenn keine Einwilligung vorliegt. Voraussetzung für eine wirksame Einwilligung ist eine gute Aufklärung über Ablauf, Ziel, Risiken und Behandlungsalternativen. Der Grad der Aufklärung muss je nach Schwere des Eingriffs steigen. Keine Einwilligung bedarf es bei Notfallmaßnahmen.
Feststellung der Einwilligungsfähigkeit
Neben der Aufklärung ist die Einwilligungsfähigkeit des Patienten notwendig. Das bedeutet, dass er die wesentlichen Behandlungsabläufe verstehen und die damit verbundenen Folgen abschätzen kann. Bei Menschen mit Demenz ist dies oft fraglich. Allerdings bedeutet eine Demenzdiagnose, eine Vorsorgevollmacht oder eine rechtliche Betreuung nicht automatisch, dass keine Einwilligungsfähigkeit mehr vorhanden ist. Ärzte müssen dies stets im Einzelfall prüfen.
Handlungsfähigkeit und Unterstützung
Die Handlungsfähigkeit in Entscheidungssituationen kann bei Menschen mit Demenz im Krankheitsverlauf sehr unterschiedlich sein. Allein die Diagnose Demenz bedeutet aber nicht, dass keine Einwilligungsfähigkeit mehr gegeben ist, zumal diese Patienten über verschiedene Wege in ihrer Einwilligungsfähigkeit unterstützt werden können. Für die Planung von medizinischen Maßnahmen ist es rechtlich und ethisch zwingend erforderlich festzustellen, ob ein Patient einwilligungsfähig ist und sein Selbstbestimmungsrecht ausüben kann.
Rahmenbedingungen für Entscheidungen
Um die Autonomie und das Wohl der Patienten zu fördern, sollen möglichst günstige Rahmenbedingungen geschaffen werden, wie ausreichend Zeit, Ruhe und klare Kommunikation. Die S2k-Leitlinie «Einwilligung von Menschen mit Demenz in medizinische Maßnahmen» unterstützt Ärzte und medizinisches Personal im Umgang mit potentiell einwilligungsunfähigen Menschen. Sie gibt Hilfestellung, wie eine Handlungsfähigkeit in Entscheidungssituationen über medizinische Maßnahmen sichergestellt werden kann, und enthält konkrete Vorschläge für den Ablauf von Entscheidungsprozessen.
Unterstützung bei der Aufklärung
Bei der Aufklärung und Prüfung der Einwilligungsfähigkeit kann mit Einverständnis des Menschen mit Demenz auch eine Vertrauensperson zugegen sein. Um den Patienten darin zu unterstützen, Informationen aufzunehmen, kann es hilfreich sein, Gesagtes zu wiederholen. Ob alles verstanden wurde, lässt sich im Anschluss durch gezielte Fragen überprüfen.
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Stellvertretende Einwilligung
Ist eine Person aktuell einwilligungsunfähig, muss geprüft werden, ob für geplante Behandlungen eine Willensäußerung in einer Patientenverfügung niedergelegt wurde. Ferner ist dann immer die Einwilligung eines Stellvertreters einzuholen. Die Unterstützung von Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen ist eine langfristige gesamtgesellschaftliche Aufgabe.
Patientenverfügungen und vorsorgliche Willensbekundungen
Die Bundesärztekammer hat Hinweise zum Umgang mit Patientenverfügungen und vorsorglichen Willensbekundungen von Demenzpatienten veröffentlicht, die nicht mehr die Richtigkeit ihrer früheren Willensbekundungen bestätigen oder eine Willensbekundung abgeben können.
Probleme im klinischen Alltag
Die an der Behandlung beteiligten Ärzte müssen prüfen, ob eine Patientenverfügung oder eine vorsorgliche Willensbekundung vorliegt und ob die aktuelle Situation einer in der Patientenverfügung beschriebenen Konstellation entspricht. Liegt keine schriftliche Willensbekundung vor, muss der mutmaßliche Wille für die aktuelle Situation ergründet werden.
Gemeinsamer Austausch und ethische Fallbesprechung
In schwierigen oder kontroversen Entscheidungssituationen kann eine interdisziplinäre klinisch-ethische Fallbesprechung hilfreich sein. Ist auch hierdurch keine tragfähige Entscheidung herbeizuführen, sollte das Betreuungsgericht angerufen werden.
Ärztliche Beratung bei Erstellung von Willensbekundungen
Ein weiteres Thema ist die ärztliche Beratung von Demenzpatienten bei Erstellung einer Vorsorgevollmacht, einer Patientenverfügung oder anderer vorsorglicher Willensbekundungen. Um diese Beratung möglichst strukturiert und effektiv zu gestalten, empfiehlt sich die gemeinsame Vorausplanung der Behandlung des Patienten (Advance Care Planing/ACP).
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Die Feststellung der Einwilligungsfähigkeit
Die Feststellung, ob ein Patient oder eine Patientin einwilligungsfähig ist, hat der behandelnde Arzt bzw. die behandelnde Ärztin unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände der lebensweltlichen Situation des Betroffenen zu entscheiden. In der Praxis hat es sich allerdings als problematisch erwiesen, dass die Feststellung auf einer Ja/Nein-Entscheidung beruht, obwohl es durchaus verschiedene Grade von Einwilligungsfähigkeit gibt. Die Einwilligungsfähigkeit sollte daher auch immer in Hinblick auf eine konkrete Maßnahme geprüft werden.
Vorsorge für die Zukunft: Vollmacht, Verfügung und Testament
Menschen mit Demenz brauchen bald Hilfe, z.B. für Entscheidungen über ihre medizinische Behandlung, Rechtsgeschäfte und Behördenangelegenheiten. Bevor es zu Symptomen von Demenz kommt, spätestens aber im Anfangsstadium der Demenz, kann jeder Mensch für die Zeit vorsorgen, in der die Krankheit so weit fortgeschritten ist, dass er nicht mehr für sich selbst entscheiden kann.
Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung
In einer Vorsorgevollmacht kann festgelegt werden, wer im Falle der eigenen Entscheidungsunfähigkeit notwendige Dinge regelt. In einer Betreuungsverfügung wird festgelegt, wer - falls diese nötig wird - die rechtliche Betreuung übernimmt oder wer sie nicht übernehmen soll. Menschen mit beginnender Demenz sollten sich deshalb schriftlich ärztlich bestätigen lassen, dass sie die nötigen Fähigkeiten für die jeweilige Vorsorgemaßnahme noch haben.
Testament
Falls noch kein Testament existiert, sollte die betroffene Person sich auch darüber Gedanken machen. Ein Testament können Menschen mit beginnender Demenz machen, solange sie noch testierfähig sind.
Rechtliche Probleme und Lösungen
Die meisten rechtlichen Probleme infolge der Demenz resultieren daraus, dass die kognitiven Fähigkeiten des erkrankten Menschen schwinden und er selbst das nicht wahrhaben kann. Bei Geschäftsunfähigkeit können Rechtsgeschäfte, z.B. unüberlegte Käufe, rückgängig gemacht werden.
Rechtliche Betreuung und Vorsorgevollmacht
Bei Menschen mit Demenz, die z.B. Geld verlegen oder unsinnige Käufe tätigen, kann es sinnvoll sein, rechtliche Betreuung beim Betreuungsgericht anzuregen. Ausnahme: Menschen mit Demenz haben noch vor ihrer Erkrankung eine Vorsorgevollmacht für eine Person ihres Vertrauens ausgestellt.
Einwilligungsfähigkeit bei medizinischen Behandlungen
Die kognitiven Einschränkungen bei Demenz können die Fähigkeit einschränken, nach ärztlicher Aufklärung in eine medizinische Behandlung einzuwilligen, deswegen müssen Ärztinnen und Ärzte hier besonders vorsichtig sein. Wenn der Mensch mit Demenz rechtzeitig vorher eine andere Person dafür bevollmächtigt hat, kann die bevollmächtigte Person sich ärztlich aufklären lassen und die Einwilligung übernehmen. Wenn eine Patientenverfügung existiert, dann müssen sich alle Beteiligten daran halten. Wenn nicht, dann muss ermittelt werden, was der Mensch mit Demenz wahrscheinlich wollen würde.
Neue Leitlinie unterstützt in Entscheidungssituationen
Die neue S2k-Leitlinie „Einwilligung von Menschen mit Demenz in medizinische Maßnahmen“ soll Ärzte, Psychologen und Pflegekräfte im Umgang mit potentiell einwilligungsunfähigen Personen unterstützen und deren Handlungsfähigkeit in Entscheidungssituationen über medizinische Maßnahmen sicherstellen. Daneben bietet die Leitlinie Informationen für Erkrankte und deren Angehörige, gesetzliche Betreuer und sonstige Betreuungsbevollmächtigte.
Kriterien zur Einwilligungsfähigkeit
Die Leitlinie nennt als Kriterien zur Einwilligungsfähigkeit einer Person in eine konkrete medizinische Maßnahme:
- Informationsverständnis
- Einsicht
- Urteilsvermögen
- Kommunizieren einer Entscheidung.
Dynamik der Einwilligungsfähigkeit
Die Einwilligungsfähigkeit bei Patienten mit Demenz ist dynamisch und vom Grad der Demenz abhängig. Die Dynamik bezieht sich hier nicht nur auf den progredienten Charakter der Veränderung, sondern auch auf Schwankungen im Tages- und Wochenverlauf.
Vorgehen bei der Aufklärung
Im Aufklärungsgespräch zu einer medizinischen Maßnahme sollten die Behandlungsalternativen benannt werden und über Nutzen und Risiken sowie die häufigsten und gravierendsten Nebenwirkungen informiert werden. Die Leitlinie empfiehlt für Menschen mit Demenz eine an die kognitiven Ressourcen und Defizite angepasste Aufklärung.
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