Emotionale Taubheit in Beziehungen: Ursachen und Lösungsansätze

Emotionale Taubheit ist ein Phänomen, das sich durch das Unterdrücken von Gefühlen, Empfindungen oder Schmerzen äußern kann. Sie beschreibt den Prozess oder das Verhalten, bei dem jemand versucht, emotionale oder körperliche Empfindungen zu blockieren oder zu betäuben. Dieses Gefühl der inneren Leere, oft als dauerhafter Zustand erlebt, kann viele Gesichter haben: Einsamkeit, Depression, Verzweiflung, Sinnlosigkeit, Unruhe, Antriebslosigkeit, Reizbarkeit und Überdruss. Die Ursachen sind vielfältig und reichen von Kindheitstraumata bis hin zu neurobiologischen Faktoren.

Was ist emotionale Taubheit?

Emotionale Taubheit, auch als emotionale Erstarrung oder affektive Betäubung bekannt, ist eine Form von emotionaler Abstumpfung oder Entfremdung. Betroffene fühlen sich innerlich leer, ihre Emotionen stumpfen ab, und sie verlieren das Interesse an Dingen, die ihnen früher wichtig waren. Es ist, als ob ein starker Filter zwischen dem Ich und den eigenen Gefühlen eingebaut worden sei, der befürchtete Überforderungen und Zumutungen durch die Umwelt unschädlich machen soll.

Alexithymie: Wenn Worte für Gefühle fehlen

Ein verwandtes Konzept ist die Alexithymie, auch bekannt als Gefühlsblindheit. Menschen mit Alexithymie haben Schwierigkeiten, eigene Gefühle zu erkennen, sprachlich auszudrücken und mit anderen in einen emotionalen Austausch zu treten. Sie können zwar Leid empfinden, erkennen ihre Emotionen jedoch nicht als Gefühle, sondern erleben sie oft körperlich, beispielsweise als Unruhe oder Anspannung.

Ursachen emotionaler Taubheit

Die Ursachen für emotionale Taubheit sind vielfältig und komplex. Sie können in verschiedene Kategorien eingeteilt werden:

Kindheitstrauma und cPTBS

Eine der Hauptursachen für emotionale Taubheit ist Kindheitstrauma, insbesondere wiederholter Missbrauch oder Vernachlässigung. Diese Erfahrungen können zu einer komplexen posttraumatischen Belastungsstörung (cPTBS) führen, die durch emotionale Dysregulation, Beziehungs- und Vertrauensprobleme, toxische Schuld- und Schamgefühle sowie ein anhaltendes Gefühl der emotionalen Taubheit gekennzeichnet ist.

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Kinder, die in einem Umfeld aufwachsen, in dem ihre Gefühle nicht validiert oder sogar bestraft werden, lernen, ihre Emotionen zu unterdrücken, um sich zu schützen. Dies kann dazu führen, dass sie im Erwachsenenalter Schwierigkeiten haben, ihre Gefühle wahrzunehmen und auszudrücken.

Neurobiologische Faktoren

Trauma und Stress können Veränderungen in der Gehirnstruktur und -funktion verursachen, die zu emotionaler Dysregulation und Taubheit führen. Die wiederholte Exposition gegenüber traumatischen Ereignissen kann die Art und Weise verändern, wie das Gehirn Emotionen verarbeitet, was zu einer Überreaktion auf Auslöser und intensiven emotionalen Reaktionen führt. Darüber hinaus kann es zu einer Dysregulation des Nervensystems kommen, die zu einer Zunahme der physiologischen Reaktion auf Stress und einem erhöhten Erregungszustand führt.

Genetische Veranlagung

Es gibt auch Hinweise darauf, dass eine genetische Veranlagung bei der Entwicklung emotionaler Taubheit eine Rolle spielen kann. Bestimmte genetische Faktoren können die Anfälligkeit einer Person für Stress und Traumata erhöhen, so dass sie eher emotionale Dysregulation und Taubheit als Folge traumatischer Ereignisse entwickeln kann. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass die Genetik nur ein Teil der Erklärung ist und dass wahrscheinlich eine Kombination aus genetischen, umweltbedingten und psychologischen Faktoren beteiligt ist.

Weitere psychische Erkrankungen

Emotionale Taubheit kann auch ein Symptom anderer psychischer Erkrankungen sein, wie z.B. Depressionen, Angststörungen, Borderline-Persönlichkeitsstörung oder akute Belastungsreaktionen. In diesen Fällen ist die emotionale Taubheit oft eine Begleiterscheinung der Grunderkrankung und kann durch die Behandlung dieser Erkrankung gelindert werden.

Suchtverhalten

Suchtverhalten kann ebenfalls zu emotionaler Taubheit führen. Substanzen wie Alkohol, Drogen oder Medikamente, aber auch exzessive Verhaltensweisen wie Glücksspiel und Pornokonsum betäuben nicht nur Schmerz, Einsamkeit und Ängste, sondern sie bieten auch für kurze Zeit das Gefühl, lebendig und innerlich stimmig zu sein. Diese Strategien führen langfristig jedoch nie zu innerer Fülle, sondern verstärken die Spaltung zwischen dem weiterhin aufrechterhaltenen Außenbild und dem zunehmend leidvollen Innenzustand.

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Auswirkungen emotionaler Taubheit auf Beziehungen

Emotionale Taubheit kann erhebliche Auswirkungen auf Beziehungen haben. Partner von Menschen mit emotionaler Taubheit fühlen sich oft zurückgesetzt, minderwertig oder einsam. Der Mangel an Nähe und Intimität, oder auch die Verschlossenheit, wenn es um die Gedanken und Probleme des Gegenübers geht, rauben dem Partner, der Nähe sucht, viel Kraft.

Schwierigkeiten in der Kommunikation

In Beziehungen, in denen ein Partner emotional distanziert ist, kann es zu Kommunikationsproblemen kommen. Der distanzierte Partner kann Informationen zurückhalten, verdrehen oder falsch darstellen, um die Oberhand zu gewinnen. Dies erschwert eine offene und ehrliche Kommunikation und führt dazu, dass man sich missverstanden und isoliert fühlt.

Fehlende emotionale Verfügbarkeit

Emotionale Verfügbarkeit beschreibt die Fähigkeit, sich in Beziehungen auf emotionale Nähe einzulassen. Wer Emotionen offen zeigt, macht sich verletzlich. Negative Emotionen werden versteckt und unterdrückt. Als betroffener Partner entsteht bei dir das Gefühl, dein Gegenüber gar nicht richtig zu kennen. Das wiederum verstärkt die emotionale Distanz. Emotionale Unverfügbarkeit resultiert oftmals in fehlendem Bindungswillen.

Toxische Beziehungen

In einigen Fällen kann emotionale Taubheit zu toxischen Beziehungen führen. In toxischen Beziehungen versuchen oft eine oder beide Parteien, den anderen zu manipulieren oder zu kontrollieren. Dies kann durch subtile oder offensichtliche Taktiken geschehen, wie z.B. das Herbeiführen von Schuldgefühlen oder das Erzwingen von Entscheidungen zugunsten der manipulierenden Person.

Was tun bei emotionaler Taubheit?

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, emotionale Taubheit zu überwinden und wieder Zugang zu den eigenen Gefühlen zu finden:

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Psychotherapie

Psychotherapie ist eine wirksame Behandlung für emotionale Taubheit, insbesondere wenn sie auf Traumata oder anderen psychischen Erkrankungen beruht. Traumafokussierte Therapie, einschließlich kognitiver Verhaltenstherapie (CBT) und Eye Movement Desensitization and Reprocessing (EMDR), kann den Betroffenen helfen, ihre Emotionen zu regulieren und die Auswirkungen traumatischer Erinnerungen zu verringern. Diese Therapien unterstützen die Betroffenen auch dabei, bessere Bewältigungsstrategien zu entwickeln, ihr Selbstwertgefühl zu verbessern und ihre Beziehungen zu stärken.

Medikamente

Medikamente wie selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) und Stimmungsstabilisatoren können bei der Behandlung emotionaler Dysregulation und Taubheit ebenfalls wirksam sein. Diese Medikamente können helfen, Stimmungsschwankungen zu regulieren und die Intensität der emotionalen Reaktionen zu verringern. Medikamente sind aber nur ein Bestandteil eines umfassenden Behandlungsplans.

Achtsamkeit und Selbstfürsorge

Achtsamkeit und Selbstfürsorge sind wichtige Werkzeuge, um mit emotionaler Taubheit umzugehen. Achtsamkeit hilft, den gegenwärtigen Moment ohne Urteil zu erleben und die eigenen Gefühle und Empfindungen wahrzunehmen. Selbstfürsorge bedeutet, sich selbst mit Freundlichkeit und Mitgefühl zu behandeln und Zeit für Aktivitäten zu finden, die Freude bereiten und helfen, sich zu entspannen.

Das Toleranzfenster erweitern

Ein wichtiger Schritt bei der Überwindung emotionaler Taubheit ist die Erweiterung des eigenen Toleranzfensters. Das Toleranzfenster beschreibt den Bereich von Stress, den ein Mensch ohne Überforderung bewältigen kann. Innerhalb des Toleranzfensters können wir erfolgreich mit beunruhigenden Gefühlen und belastenden Erfahrungen und körperlichen Empfindungen umgehen. Außerhalb des Toleranzfensters schaukeln sich Emotionen hoch oder wir fühlen uns müde, lethargisch und emotional abgestumpft.

Um das Toleranzfenster zu erweitern, ist es wichtig, unangenehmen Emotionen und Körperempfindungen mitfühlend Aufmerksamkeit zu schenken und gleichzeitig anzuerkennen, dass diese Gefühle keine reflexhafte Reaktion erfordern. Anstatt Gefühle zu verdrängen, können wir neugierig innerlich drauf zugehen und versuchen, ihre Ursache zu verstehen.

Erhöhung der Stresstoleranz

Ein weiteres wichtiges Ziel ist es, den erfolgreichen Umgang mit schmerzhaften Gefühlen zu erlernen. Unangenehme Empfindungen oder Emotionen gehen oft mit gewohnheitsmäßigen Gedanken einher: "Mach, dass das weggeht!", oder: "Das halte ich nicht aus!" Diese Gedanken können zu selbstschädigenden Verhaltensweisen führen. Stresstoleranz ist eine Übung der Achtsamkeit, bei der wir lernen, mit unangenehmen Gefühlen zu verweilen, ohne sie zu bewerten oder zu unterdrücken.

Emotionale Bewältigung

Die emotionale Bewältigung bleibt oft aus, weil es keine sicheren inneren Räume mehr gibt, in denen Schmerz, Unsicherheit und Sehnsucht erkannt sein dürfen. Die innere Leere setzt sich immer mehr fest und wird immer mehr bekämpft, als ob sie der Feind wäre. Stattdessen ist es wichtig, sich innerlich zu berühren und sich immer tiefer gehende Fragen zu stellen. Trauer zuzulassen, ohne sie sofort zu verdrängen; Wut zu fühlen, ohne sie zu zähmen; Freude zu erleben, ohne sie zu rationalisieren.

Beziehungen verbessern

Die Überwindung der inneren Leere beginnt nicht mit mehr Angeboten, sondern mit weniger Lärm und äußeren Ablenkungen. Es braucht echtes Interesse am Inneren - an Stille, an Tiefe, an echtem Kontakt. Mit sich selbst und dann mit anderen. Der Weg aus der inneren Leere führt über das Empfinden, Fühlen und Reflektieren, nicht über das Funktionieren.

Prävention

Um emotionale Taubheit und toxische Beziehungen zu vermeiden, ist es wichtig, frühzeitig Anzeichen zu erkennen und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Gesunde Beziehungen basieren auf gegenseitigem Respekt, Vertrauen und Unterstützung. Achtsamkeit im Umgang mit anderen ist eine wichtige Komponente, um toxische Beziehungen zu vermeiden. Vermeiden Sie es, Ihre Gefühle und Bedürfnisse zu verbergen oder zu unterdrücken.

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