Das Ruhepotential ist ein fundamentaler Begriff in der Neurobiologie und beschreibt den elektrischen Zustand einer Nervenzelle, wenn sie sich im Ruhezustand befindet, also keine aktiven Signale weiterleitet. Es ist die Grundlage für die Erregbarkeit von Nervenzellen und ermöglicht die Weiterleitung elektrischer Signale im Körper. Dieser Artikel erläutert die Entstehung des Ruhepotentials auf einfache und verständliche Weise.
Was ist das Ruhepotential?
Das Ruhepotential, auch Ruhemembranpotential genannt, ist die elektrische Spannung, die zwischen der Innen- und Außenseite einer unerregten Zellmembran besteht. Bei Nervenzellen beträgt diese Spannung etwa -70 mV (Millivolt). Das Minuszeichen zeigt an, dass das Innere der Zelle im Vergleich zur Außenseite negativ geladen ist.
Ionenverteilung und selektive Permeabilität
Die Entstehung des Ruhepotentials basiert auf zwei wesentlichen Faktoren:
- Ungleiche Ionenverteilung: Innerhalb und außerhalb der Nervenzelle befinden sich unterschiedliche Konzentrationen von Ionen, insbesondere Natrium- (Na+), Kalium- (K+) und Chloridionen (Cl-).
- Selektive Permeabilität der Zellmembran: Die Zellmembran ist nicht für alle Ionen gleich durchlässig. Sie ist im Ruhezustand hauptsächlich für Kaliumionen durchlässig, während die Durchlässigkeit für Natriumionen geringer ist.
Die Ionenverteilung im Detail
- Außerhalb der Nervenzelle: Hier befinden sich hauptsächlich Natrium- und Chloridionen sowie eine geringe Anzahl von Kaliumionen.
- Innerhalb der Nervenzelle (Zellplasma): Hier sind Kaliumionen und organische Anionen (negativ geladene Proteine) in hoher Konzentration vorhanden, während die Natriumionenkonzentration gering ist.
Diese ungleiche Verteilung der Ionen wird durch verschiedene Mechanismen aufrechterhalten, die im Folgenden erläutert werden.
Tabelle: Ionenverteilung innerhalb und außerhalb der Zelle
Ion | Konzentration außerhalb der Zelle (mmol/l) | Konzentration innerhalb der Zelle (mmol/l) |
---|---|---|
Natriumionen (Na+) | 143 | 14 |
Kaliumionen (K+) | 4,5 | 150 |
Chloridionen (Cl-) | 105 | 3,5 |
Hydrogencarbonat (HCO3-) | 25 | 10 |
Calcium (Ca2+) | 1,5 | 0,00015 |
Organische Anionen (A-) | - | 155 |
Dabei sind folgende Verhältnisse besonders auffällig:
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- [Na+] (innen/außen) = 1 : 10
- [K+] (innen/außen) = 30 : 1
- [Ca2+] (innen/außen) = 1 : 1000
Permeabilität der Axonmembran für bestimmte Ionen:
Ion | Relative Permeabilität der Membran |
---|---|
Natriumionen (Na+) | 0,04 |
Kaliumionen (K+) | 1,00 |
Chloridionen (Cl-) | 0,45 |
Organische Anionen (A-) | 0 |
Mechanismen zur Aufrechterhaltung des Ruhepotentials
Mehrere Mechanismen arbeiten zusammen, um das Ruhepotential aufrechtzuerhalten und die Ionenverteilung zu stabilisieren:
- Konzentrationsgradient (chemischer Gradient): Ionen bewegen sich aufgrund der Brownschen Molekularbewegung von Bereichen höherer Konzentration zu Bereichen niedrigerer Konzentration, um ein Gleichgewicht zu erreichen. Kaliumionen wandern beispielsweise vom Zellinneren nach außen, wo ihre Konzentration geringer ist.
- Elektrischer Gradient: Da Ionen geladen sind, beeinflussen elektrische Kräfte ihre Bewegung. Positive Ladungen ziehen negative Ladungen an und stoßen positive Ladungen ab. Wenn Kaliumionen aus der Zelle austreten, entsteht im Zellinneren eine negative Ladung, die die Kaliumionen wieder anzieht.
- Selektive Permeabilität der Zellmembran: Die Zellmembran ist selektiv permeabel, was bedeutet, dass sie bestimmte Ionen leichter passieren lässt als andere. Im Ruhezustand ist die Membran hauptsächlich für Kaliumionen durchlässig, da die Kaliumkanäle geöffnet sind. Natriumionen können die Membran nur in geringem Maße passieren, da die Natriumkanäle geschlossen sind.
- Natrium-Kalium-Pumpe (Na+/K+-ATPase): Dies ist ein aktiver Transportmechanismus, der unter Energieverbrauch (ATP) Natriumionen aus der Zelle heraustransportiert und Kaliumionen in die Zelle hineintransportiert. Genauer gesagt, pumpt die Natrium-Kalium-Pumpe drei Natriumionen aus der Zelle und zwei Kaliumionen in die Zelle. Dieser Prozess ist entscheidend, um die Konzentrationsunterschiede der Ionen aufrechtzuerhalten und das Ruhepotential zu stabilisieren.
Die Rolle des Kaliumionen-Gleichgewichtspotentials
Das Ruhepotential wird maßgeblich durch das Gleichgewichtspotential von Kaliumionen bestimmt. Kaliumionen diffundieren aufgrund des Konzentrationsgradienten aus der Zelle. Dadurch entsteht eine negative Ladung im Zellinneren, die dem weiteren Ausstrom von Kaliumionen entgegenwirkt. Es entsteht ein elektrochemisches Gleichgewicht, bei dem der Konzentrationsgradient und der elektrische Gradient sich ausgleichen. Dieses Gleichgewichtspotential liegt nahe am Ruhepotential der Zelle.
Die Natrium-Kalium-Pumpe im Detail
Die Natrium-Kalium-Pumpe ist ein Schlüsselakteur bei der Aufrechterhaltung des Ruhepotentials. Sie transportiert aktiv Natriumionen aus der Zelle und Kaliumionen in die Zelle, entgegen ihren jeweiligen Konzentrationsgradienten. Für jeden Zyklus verbraucht die Pumpe ein Molekül Adenosintriphosphat (ATP), das in Adenosindiphosphat (ADP) und Phosphat gespalten wird, wodurch Energie freigesetzt wird.
Funktionsweise der Natrium-Kalium-Pumpe
- Die Pumpe bindet drei Natriumionen aus dem Zellinneren.
- ATP wird hydrolysiert, wodurch die Pumpe phosphoryliert wird und ihre Konformation ändert.
- Die Natriumionen werden aus der Zelle freigesetzt.
- Die Pumpe bindet zwei Kaliumionen aus dem Zelläußeren.
- Die Phosphatgruppe wird abgespalten, wodurch die Pumpe ihre ursprüngliche Konformation annimmt.
- Die Kaliumionen werden in die Zelle freigesetzt.
Dieser Zyklus wiederholt sich kontinuierlich, um die Ionenkonzentrationen aufrechtzuerhalten und das Ruhepotential zu stabilisieren.
Messung des Ruhepotentials
Das Ruhepotential kann experimentell mit Hilfe von Mikroelektroden gemessen werden. Dabei wird eine Messelektrode in die Zelle eingeführt, während eine Bezugselektrode außerhalb der Zelle platziert wird. Die Spannung zwischen den beiden Elektroden entspricht dem Ruhepotential.
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Bedeutung des Ruhepotentials
Das Ruhepotential ist essenziell für die Funktion von Nervenzellen und Muskelzellen. Es bildet die Grundlage für die Erregbarkeit dieser Zellen und ermöglicht die Weiterleitung von Nervenimpulsen (Aktionspotentialen) und die Kontraktion von Muskeln.
Ruhepotential und Aktionspotential
Wenn eine Nervenzelle durch einen Reiz erregt wird, ändert sich das Membranpotential. Dies führt zur Öffnung von spannungsabhängigen Natriumkanälen, wodurch Natriumionen in die Zelle einströmen und das Membranpotential depolarisieren (es wird positiver). Wenn das Membranpotential einen Schwellenwert überschreitet, wird ein Aktionspotential ausgelöst, das sich entlang des Axons ausbreitet und ein Signal weiterleitet.
Nach dem Aktionspotential wird das Ruhepotential wiederhergestellt, indem Kaliumionen aus der Zelle ausströmen und die Natrium-Kalium-Pumpe die Ionenverteilung wiederherstellt.
Störungen des Ruhepotentials
Veränderungen des Ruhepotentials können die Funktion von Nervenzellen und Muskelzellen beeinträchtigen. Eine Hyperpolarisation (das Membranpotential wird negativer) kann die Erregbarkeit der Zellen verringern, während eine Depolarisation (das Membranpotential wird positiver) die Erregbarkeit erhöhen kann.
Beispiele für Störungen des Ruhepotentials
- Hypokaliämie: Eine erniedrigte Kaliumkonzentration im Blut kann zu einer Hyperpolarisation führen, wodurch Nervenzellen weniger erregbar werden und Lähmungen auftreten können.
- Hyperkaliämie: Eine erhöhte Kaliumkonzentration im Blut kann zu einer Depolarisation führen und die Erregbarkeit der Zellen übermäßig steigern, was Herzrhythmusstörungen und Muskelkrämpfe verursachen kann.
- Synapsengifte: Substanzen, die in die Signalübertragung an den Synapsen eingreifen, können das Ruhepotential beeinflussen und die Funktion von Nervenzellen stören.
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