Bulgarischer Joghurt und Parkinson: Hoffnungsschimmer oder verfrühter Jubel?

Parkinson, eine neurodegenerative Erkrankung, von der weltweit Millionen Menschen betroffen sind, rückt immer wieder in den Fokus wissenschaftlicher Bemühungen. Jüngste Forschungsergebnisse der Universität Helsinki sowie frühere Studien zum bulgarischen Joghurt haben die Diskussion um mögliche präventive oder therapeutische Ansätze neu entfacht. Doch wie vielversprechend sind diese Erkenntnisse wirklich?

Parkinson im Blickpunkt: Eine fortschreitende Erkrankung

Die Parkinson-Krankheit, erstmals 1817 von James Parkinson beschrieben, manifestiert sich durch eine fortschreitende Verlangsamung der Motorik, die bis zur Bewegungslosigkeit führen kann. Zu den Hauptsymptomen im fortgeschrittenen Stadium gehören ein starkes Zittern der Arme und Beine, Muskelsteifheit sowie Gang- und Standunsicherheit. Ursache dieser Symptome ist ein Mangel an Dopamin, einem Neurotransmitter, der für die Signalübertragung zwischen Nervenzellen verantwortlich ist. Dieser Mangel entsteht durch das Absterben von Nervenzellen, die Dopamin produzieren.

Obwohl die genauen Auslöser von Parkinson noch nicht vollständig geklärt sind, gelten Genmutationen in etwa fünf bis zehn Prozent der Fälle als Ursache. Externe Faktoren wie Neurotoxine stehen ebenfalls im Verdacht, die Krankheit auszulösen. So ist beispielsweise bekannt, dass Octenol, ein Stoffwechselprodukt von Schimmelpilzen, Dopaminstörungen verursachen kann.

Finnische Forschung: Darmbakterien im Visier

Ein Forscherteam der Universität Helsinki unter der Leitung von Professor Per Saris hat nun einen Zusammenhang zwischen bestimmten Darmbakterien und dem Fortschreiten der Parkinson-Krankheit gefunden. Die Forscher identifizierten Bakterienstämme der Gattung Desulfovibrio, die im Darm von Parkinson-Patienten vorkommen und die Verklumpung des Alpha-Synuclein-Eiweißes fördern können. Diese Verklumpungen gelten als charakteristisch für Parkinson.

Bereits 2021 hatte die Saris-Gruppe Ergebnisse veröffentlicht, die eine Korrelation zwischen einer höheren Anzahl von Desulfovibrio-Bakterien und der Schwere der Krankheitssymptome zeigten. In ihren Laboruntersuchungen verwendeten die Forscher den Fadenwurm Caenorhabditis elegans als Modellorganismus.

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Professor Saris betonte in einer Mitteilung der Universität, dass die Ergebnisse darauf hindeuten, dass bestimmte Stämme von Desulfovibrio-Bakterien wahrscheinlich die Parkinson-Krankheit verursachen. Er sieht die Möglichkeit, durch gezielte Maßnahmen zur Entfernung dieser Bakterien aus dem Darm die Symptome von Parkinson-Patienten zu lindern und zu verlangsamen. Seien die Bakterien erst einmal aus dem Darm entfernt, würden in den Darmzellen keine Alpha-Synuclein-Aggregate mehr gebildet, deren Fehlfaltung für Parkinson charakteristisch ist.

Experteneinschätzung: Vorsichtige Bewertung der Ergebnisse

Trotz der vielversprechenden Ergebnisse warnen Experten vor übertriebener Euphorie. Professor Georg Ebersbach, Chefarzt des Neurologischen Fachkrankenhauses für Bewegungsstörungen/Parkinson in Beelitz Heilstätten, bezeichnet die finnische Forschung als ein "interessantes Mosaiksteinchen", aber nicht mehr. Er betont, dass es sich um eine von vielen Laboruntersuchungen zum Thema handelt und Mikrobiom-Analysen äußerst komplex seien. Es könnten lediglich Assoziationen, nicht aber Kausalitäten festgestellt werden.

Ebersbach gibt zu bedenken, dass noch viele Zwischenschritte erforderlich seien, um die Ergebnisse auf Patienten übertragen und einen Therapieansatz entwickeln zu können. Er weist darauf hin, dass es derzeit keinen Therapieansatz oder kein Antibiotikum gebe, das nur gegen eine bestimmte Sorte Darmbakterien wirke.

Der bulgarische Joghurt: Ein früheres "Wundermittel"?

Die aktuelle Aufregung um die finnische Forschung erinnert Ebersbach an den Hype um den bulgarischen Joghurt in den Zehnerjahren. Dieser wurde aufgrund seines Bakteriengehalts als vermeintliches Parkinson-Wundermittel gefeiert. Auch damals seien viele Zwischenschritte auf dem Weg vom Laborergebnis zur medizinischen Anwendung übersprungen worden, ein Vorgehen, das Ebersbach als "unwissenschaftlich" kritisiert.

D-Laktat und Glykolat: Hoffnung aus Dresden?

Unabhängig von den aktuellen Forschungsergebnissen aus Finnland gibt es auch vielversprechende Ansätze aus Deutschland. Forscher des Max-Planck-Instituts für molekulare Zellbiologie und Genetik in Dresden haben entdeckt, dass die Substanzen D-Laktat und Glykolat die Entstehung von Parkinson aufhalten und sogar vorbeugen können.

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Die Forscher fanden heraus, dass D-Laktat und Glykolat die Funktion der Mitochondrien in den Nervenzellen verbessern können. Mitochondrien sind die Kraftwerke der Zellen und spielen eine wichtige Rolle bei der Energieversorgung. Bei Parkinson ist ihre Funktion beeinträchtigt, was zum Absterben der Nervenzellen führt.

D-Laktat ist eine linksdrehende Milchsäure, die von bestimmten Joghurt-Bakterien (Lactobacillus bulgaricus) hergestellt wird. Glykolat kommt vermehrt in bestimmten unreifen Obstsorten vor, unter anderem in unreifen Pflaumen.

Die Forscher haben angekündigt, ein spezielles Parkinson-Joghurt mit hohem Gehalt an D-Laktat entwickeln und auf den Markt bringen zu wollen.

Aktuelle Therapieansätze und Zukunftsperspektiven

Bislang wird Parkinson vornehmlich mit Medikamenten behandelt, die an den Bedarf beim jeweiligen Patienten individuell angepasst werden. Dopamin wird entweder in Arzneiform zugeführt oder man verhindert mit Hemmstoffe enthaltenden Medikamenten den Abbau von Dopamin. Bei einem chirurgischen Eingriff, der "tiefen Hirnstimulation", werden Elektroden ins Gehirn eingeführt, deren elektrische Impulse gute Wirkung zeigen, wenn sich durch Medikamente keine gleichmäßige Wirkung erreichen lässt. Physiotherapie, Logopädie und Ergotherapie halten die Lebensqualität lange aufrecht.

Darüber hinaus gibt es verschiedene Ansätze, die Eiweißklumpen im Gehirn per Immuntherapie zu entsorgen und so den Zellstoffwechsel wieder zu normalisieren. Heilung sei dabei das Fernziel, gegenwärtig ginge es darum, das Fortschreiten von Parkinson zu bremsen.

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Einige dieser Ansätze werden bereits klinisch angewendet. Zwei große Studien hätten indes ein negatives und ein halb negatives Resultat gezeitigt. Bei dem halb negativen sei zwar das eigentliche Ziel verfehlt worden, bei den sekundären Zielparametern habe es aber Signale gegeben, die ein Weitertesten eines Antikörpers gegen das wahrscheinlich krankheitstreibende Alpha-Synuclein rechtfertigten.

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