Gehirnläsionen sind abnormale Bereiche, die auf der Oberfläche oder innerhalb der tiefen Gewebe des Gehirns gefunden werden. Sie können durch verschiedene Ursachen entstehen, unterschiedliche Symptome hervorrufen und erfordern eine individuelle Behandlungs- und Überwachungsstrategie. Dieser Artikel beleuchtet die verschiedenen Aspekte von Gehirnläsionen, von den Ursachen und Symptomen bis hin zu Diagnose- und Behandlungsansätzen, einschließlich der neuesten Erkenntnisse über die Plastizität des Gehirns und seine Fähigkeit zur Kompensation nach Schädigungen.
Was sind Gehirnläsionen?
Gehirnläsionen sind strukturelle Veränderungen oder Verletzungen im Gehirn, die durch innere oder äußere Einflüsse entstehen. Diese Läsionen können einzelne Hirnareale oder mehrere Bereiche betreffen und Funktionen wie Bewegung, Sprache, Denken oder Bewusstsein beeinträchtigen. Sie werden häufig zufällig bei Bildgebungstests wie Magnetresonanztomographie (MRT) oder Computertomographie (CT) entdeckt, die aus anderen Gründen durchgeführt werden.
Ursachen von Gehirnläsionen
Die Ursachen für Gehirnläsionen sind vielfältig und können in folgende Kategorien eingeteilt werden:
- Traumatisch: Schädel-Hirn-Trauma, Hirnkontusion, Gehirnerschütterung
- Vaskulär: Hirninfarkt (Schlaganfall), Hirnblutung, Gefäßmissbildungen
- Entzündlich oder infektiös: Enzephalitis, Multiple Sklerose, neurodegenerative Erkrankungen
- Tumorös: Primäre Hirntumoren (z. B. Gliome), Hirnmetastasen
- Toxisch/metabolisch: Alkoholmissbrauch, Drogen, Sauerstoffmangel, Hypoglykämie
- Kongenital: Hirnfehlbildungen, perinatale Schädigungen
Vaskuläre Ursachen im Detail
Die vaskuläre Demenz wird durch eine Schädigung der Blutgefäße im Gehirn verursacht. Die Gefäße können das Gehirn nicht mehr ausreichend mit Nährstoffen und Sauerstoff versorgen, wodurch wichtige kognitive Funktionen eingeschränkt werden.
Zu den typischen Ursachen einer vaskulären Demenz gehören:
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- Schlaganfälle, die eine Hirnarterie verschließen, können eine ganze Reihe von Symptomen verursachen, zu denen auch eine vaskuläre Demenz gehören kann.
- Stille Schlaganfälle, die ohne spürbare Symptome verlaufen, erhöhen ebenfalls das Demenzrisiko. Sind Arterienverkalkung (Arteriosklerose) oder Bluthochdruck die Ursache, machen sich die Beschwerden meist eher schleichend bemerkbar.
Multiple Sklerose (MS) als Ursache
Multiple Sklerose (MS) ist die häufigste autoimmunvermittelte, chronische entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems (ZNS). Entzündliche Läsionen in Gehirn und Rückenmark beeinträchtigen die Weiterleitung von Nervenimpulsen. Je nachdem, in welchen ZNS-Regionen die MS-bedingten entzündlichen Läsionen auftreten, äußert sich die Erkrankung in ganz unterschiedlichen Beschwerden. Auch wenn die MS bei allen Patient:innen individuell verläuft, beginnt sie häufig mit Sensibilitätsstörungen, Sehstörungen und/oder motorischen Störungen.
Hirnstammläsionen: Ursachen und Besonderheiten
Hirnstammläsionen sind Schädigungen von Nervengewebe im Bereich des Mittelhirns, der Pons oder der Medulla oblongata. Meist liegt der Schädigung des Gewebes und der Nerven eine Durchblutungsstörung des entsprechenden Bereichs zugrunde. Diese wiederum kann durch verschiedene Faktoren hervorgerufen werden:
- Hirninfarkte: Eine der häufigeren Ursachen einer Hirnstammläsionen ist der Schlaganfall.
- Traumata: Eine weitere mögliche Ursache für Hirnstammläsionen sind Unfälle mit Beteiligung des Kopfes, medizinisch spricht man auch von einem Schädel-Hirn-Trauma.
- Entzündliche Prozesse: Auch verschiedene Entzündungsprozesse können eine Läsion von Strukturen des Hirnstammes nach sich ziehen. Ein relativ häufiges Krankheitsbild, im Rahmen dessen eine solche Läsion auftreten kann, ist die Multiple Sklerose.
- Tumorerkrankungen: Ein Tumor im Bereich des Hirnstammes kann auf diese Weise eine Hirnstammläsion verursachen.
Winzige Gehirnverletzungen und Demenz
Winzige Gehirnverletzungen, sogenannte Läsionen der weißen Substanz, sind eine häufige Ursache für Demenzen und können im MRT nachgewiesen werden. Bluthochdruck und ein hoher Body-Mass-Index (BMI) sind die stärksten Risikofaktoren für die Entstehung dieser Läsionen.
Symptome von Gehirnläsionen
Die Symptome von Gehirnläsionen sind vielfältig und hängen von der Lokalisation, Größe und Ursache der Läsion ab. Einige Läsionen verursachen keine Symptome und werden zufällig entdeckt. Andere können zu folgenden neurologischen Symptomen führen:
- Lähmungen oder Bewegungsstörungen
- Sprach- oder Schluckstörungen
- Sehstörungen, Gesichtsfeldausfälle
- Gedächtnis-, Konzentrations- oder Aufmerksamkeitsprobleme
- Persönlichkeitsveränderungen
- Krampfanfälle
- Bewusstseinsstörungen oder Koma
- Kopfschmerzen, Schwindel, sensorische Verluste, Muskelschwäche oder Koordinationsstörungen
Symptome von Hirnstammläsionen
Die Symptomkombination einer Hirnstammläsion wird als Hirnstamm-Syndrom bezeichnet. Da sich im Hirnstamm die verschiedenen Kerngebiete der Hirnnerven befinden, zeigt sich eine entsprechende Läsion meist in einem Ausfall bestimmter Hirnnerven. Ein typisches Erscheinungsbild der Hirnstammläsion ist die sogenannte gekreuzte Hirnstammsymptomatik. Es zeigt sich dabei eine Schädigung von Hirnnerven auf der Seite der Läsion in Kombination mit sensiblen und motorischen Beeinträchtigungen auf der Gegenseite.
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Die Hirnnerven erfüllen vielfältige Aufgaben, sodass es im Rahmen einer Läsion beispielsweise zu Ausfällen im Bereich der Gesichtsmuskulatur, des Berührungsempfindens, des Geschmackes, des Sehens und Hörens oder des Gleichgewichtssinnes kommen kann. Auch Störungen des Schluckvorganges können auf Schädigungen von Hirnnerven hinweisen. Da einige Hirnnerven aber auch vegetative Funktionen erfüllen, kann es auch hier zu Funktionsstörungen kommen. Der Hirnstamm beinhaltet wichtige regulatorische Zentren wie das Atem- und Kreislaufzentrum. Kommt es zu Läsionen in einem dieser Bereiche, kann dies unter Umständen lebensbedrohlich sein.
Diagnostik von Gehirnläsionen
Die Diagnostik von Gehirnläsionen umfasst verschiedene Verfahren, um die Ursache, Lokalisation und Ausdehnung der Läsion zu bestimmen:
- Bildgebung:
- CT (Computertomographie): Besonders bei akuten Blutungen oder Verletzungen
- MRT (Magnetresonanztomographie): Höhere Auflösung bei entzündlichen, ischämischen oder tumorösen Läsionen
- Neurologische Untersuchung: Überprüfung von Reflexen, Muskelkraft, Koordination, Sprache und Orientierung
- EEG (Elektroenzephalogramm): Bei Verdacht auf epileptische Aktivität
- Laborwerte: z. B. bei Infekten oder Stoffwechselentgleisungen
Diagnostik bei Verdacht auf vaskuläre Demenz
Bei einem Verdacht auf eine vaskuläre Demenz wird vor allem das Herz-Kreislauf-System untersucht, also Blutdruck, Herzgeräusche und Herzgröße. Ebenso wichtig ist der neurologische Status, der die Koordination, Motorik, den Tastsinn und den Gleichgewichtssinn umfasst. Medizinische Demenztests dienen der Beurteilung der geistigen Leistungsfähigkeit. Dabei werden bestimmte geistige Leistungsbereiche, wie Gedächtnis und die Konzentrationsfähigkeit getestet.
Diagnostik bei Hirnstammläsionen
Bei Verdacht auf eine Hirnstammläsion ist eine ausführliche Diagnostik unerlässlich. Dabei folgt auf eine Anamnese, in der vor allem Fragen zu möglichen Unfällen und dem genauen zeitlichen Verlauf des Beschwerdebildes gestellt werden, die körperliche Untersuchung. Auch bildgebende Verfahren kommen bei der Diagnostik von Hirnstammläsionen zum Einsatz. An erster Stelle steht dabei die Magnetresonanztomographie, in der vor allem das Hirngewebe gut dargestellt werden kann. Ein sogenanntes Elektroenzephalogramm, kurz EEG, kann die elektrischen Signale von Nerven messen und somit auch zur Diagnostik von Hirnstammläsionen eingesetzt werden.
Therapie von Gehirnläsionen
Die Behandlung richtet sich nach der Ursache der Läsion:
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- Medikamentös: z. B. Antikonvulsiva, Kortikosteroide, Antibiotika, Thrombolytika
- Chirurgisch: z. B. Entfernung von Tumoren oder Blutungen
- Rehabilitation: gezielte Physio-, Ergo- und Sprachtherapie
- Pflege und Überwachung: bei neurologischen Ausfällen oder Bewusstseinsstörungen
Therapie der vaskulären Demenz
Eine vaskuläre Demenz ist nicht heilbar. Die im Gehirn entstandenen Schäden können nicht rückgängig gemacht werden. Ziel der Therapie ist es, weiteren Schäden vorzubeugen und eine Verschlimmerung der Beschwerden aufzuhalten, beziehungsweise zu verlangsamen. Bei der vaskulären Demenz werden Durchblutungsstörungen im Gehirn mit blutverdünnenden Medikamenten behandelt. So kann weiteren Schlaganfällen vorgebeugt werden. Bluthochdruck, erhöhter Cholesterinspiegel und erhöhter Blutzucker können ebenfalls medikamentös behandelt werden. Behandlungsmöglichkeiten wie Physiotherapie, Ergotherapie oder Logopädie können helfen, die kognitiven Fähigkeiten und somit die Lebensqualität der Patientin oder des Patienten zu verbessern. Auch Musiktherapie, Erinnerungsarbeit und Krankengymnastik können Betroffenen helfen.
Therapie von Hirnstammläsionen
Die Therapie der Hirnstammsyndrome richtet sich stets nach der Ursache der Läsion. Liegt ein Hirninfarkt als Ursache für die Läsion vor, dann sollte dringend abgeklärt werden, ob es sich um einen Gefäßverschluss oder eine Blutung handelt. Auch bei schwerwiegenden Schädigungen des Hirnstammes mit Beeinträchtigung der Atmung und des Kreislaufs müssen sofort Gegenmaßnahmen eingeleitet werden. Ausfälle der Muskulatur können auch nach Behandlung der Ursache der Hirnstammläsion ein langfristiges Problem für die Betroffenen darstellen. Daher können verschiedene Therapiekonzepte zur Anwendung kommen, die sowohl physiotherapeutische als auch logopädische und ergotherapeutische Behandlungen beinhalten.
Pflegeaspekte bei Gehirnläsionen
Die Pflege von Patienten mit Gehirnläsionen umfasst folgende Aspekte:
- Beobachtung neurologischer Funktionen (z. B. Pupillenreaktion, Bewusstsein, Beweglichkeit)
- Lagerung und Mobilisation zur Dekubitus- und Pneumonieprophylaxe
- Unterstützung bei Alltagsaktivitäten bei kognitiven oder motorischen Einschränkungen
- Emotionale Begleitung und Kommunikation mit Angehörigen
- Früherkennung von Komplikationen (z. B. epileptische Anfälle, Hirndruckzeichen)
Die Plastizität des Gehirns: Hoffnung auf Kompensation
Bis Ende des letzten Jahrhunderts ging man davon aus, dass Schädigungen im Gehirn irreparabel sind. Inzwischen ist klar, dass dies ein Irrtum war. Denn das Gehirn besitzt bis ins hohe Alter eine große Plastizität und kann durch neue Verknüpfungen und Verschaltungen Funktionsverluste nach Läsionen weitgehend kompensieren.
Wie das Gehirn sich selbst repariert
Das menschliche Gehirn galt lange als relativ unflexibles Organ, wenn es darum geht, nach Abschluss der individuellen Entwicklung auf sich verändernde Situationen mit strukturellen Anpassungen zu reagieren. In den vergangenen Jahren und Jahrzehnten aber mehrten sich die Hinweise darauf, dass das Zentralnervensystem sowohl im Rückenmark als auch in den Hirnkernen und sogar in der Hirnrinde beachtliche Fähigkeiten besitzt, nach Verletzungen Reparaturmechanismen in Gang zu setzen und die resultierenden Defizite zu kompensieren. Dabei werden aber keine Strukturen neu gebildet, sondern es werden vorhandene Strukturen anders genutzt. Im Rahmen solcher Reparaturprozesse können die vorhandenen Zellen durchaus auch neu vernetzt werden, eine Fähigkeit, die das Gehirn offenbar von Geburt an besitzt und bis ins Greisenalter hinein nicht verliert.
Therapeutische Nutzung der Plastizität
Die neuen Erkenntnisse lassen sich wahrscheinlich in verschiedenen Bereichen therapeutisch nutzen. So besteht eine gewisse Hyperaktivität in den Hirnregionen, in denen Strukturen neu organisiert werden. Besonders erfolgreich könnten damit Reha-Maßnahmen gestaltet werden, wenn sie genau diese Regionen ansprechen. Zum Beispiel ist bekannt, dass das Bewegen einer Extremität die Aktivität zur Steuerung von Bewegungsprozessen in der gegenseitigen Extremität hemmt. Die logische Konsequenz müsste darin bestehen, bei krankengymnastischen Übungen zur Rehabilitation nach Schlaganfall den gesunden Arm zu fixieren, während versucht wird, die Beweglichkeit im gelähmten Arm zu verbessern.
Prognose von Gehirnläsionen
Die Prognose hängt von Lokalisation, Ausmaß und Ursache der Läsion ab. Leichte Läsionen können folgenlos ausheilen. Schwere Läsionen können bleibende Einschränkungen oder Behinderungen hinterlassen. Frühe Rehabilitation verbessert die Genesungschancen deutlich.
Prävention von Gehirnläsionen
Einige Risikofaktoren für Gehirnläsionen können beeinflusst werden, um das Risiko zu verringern:
- Vorbeugung von Schlaganfällen: Regelmäßige Bewegung, gesunde Ernährung, Kontrolle von Bluthochdruck, Cholesterinspiegel und Blutzucker
- Vermeidung von Schädel-Hirn-Traumata: Tragen von Schutzhelmen beiRisikoaktivitäten, sicheres Autofahren
- Gesunder Lebensstil: Vermeidung von Alkoholmissbrauch und Drogenkonsum
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