Entzündung des Gleichgewichtsnervs: Ursachen, Symptome und Behandlung

Andauernder Drehschwindel kann plötzlich und heftig auftreten oder periodisch in seiner Intensität wechseln. Meist liegt ihm eine Funktionsstörung des Gleichgewichtsnervs zugrunde. Die Beschwerden sind unter der Bezeichnung „Entzündung des Gleichgewichtsnervs“ bekannt und werden aufgrund des plötzlich auftretenden, intensiven Drehschwindels als sehr unangenehm empfunden.

Was ist eine Neuritis vestibularis?

Definition: Neuritis vestibularis ist eine Entzündung des Nervs (N. vestibularis), der vom Gleichgewichtsorgan im Innenohr zum Gehirn verläuft. Bei einer Entzündung des Nervs werden die Impulse (Signale) gestört, die durch den Nerv geleitet werden. Diese gestörten Signale kann das Gehirn nicht wie üblich verarbeiten. Dadurch hat die betroffene Person das Gefühl eines Drehschwindels, der Gang wird unsicher.

Die Neuritis vestibularis macht etwa 7% der Diagnosen in einer Spezialambulanz für Schwindel aus. Die Erkrankung tritt am häufigsten bei Erwachsenen im Alter zwischen 50 und 60 Jahren auf, wobei Frauen öfter betroffen sind als Männer.

Ursachen einer Entzündung des Gleichgewichtsnervs

Die genaue Ursache ist nicht bekannt. Es wird vermutet, dass der Entzündung eine Infektion durch Viren zugrunde liegt (vermutlich Herpes-Viren). Es wird vermutet, dass die Erkrankung durch die Aktivierung eines Virus ausgelöst wird, den die meisten Menschen im Körper haben (Herpes-simplex-Virus), was zu einer Entzündung des Gleichgewichtsnervs (N. vestibularis) führt. Dies wiederum verursacht eine vorübergehende Störung der Nervensignale zwischen dem Gleichgewichtsorgan im Innenohr und dem Gleichgewichtszentrum im Gehirn.

Symptome einer Entzündung des Gleichgewichtsnervs

Infolge der Entzündung gelangen die normalen Informationen des Organs nicht mehr zum Gehirn - es fällt quasi aus. So dominieren die Informationen von der gesunden Seite mit der Folge eines Ungleichgewichtes. Die Patienten klagen über ein schweres Krankheitsgefühl, es kommt zu einem heftigen, über Tage anhaltenden, Dauerdrehschwindel, zu starker Übelkeit, Erbrechen, Nystagmus und Fallneigung zur betroffenen Seite. Die Intensität des Schwindelgefühls wird durch Lageänderungen und durch rasche Bewegungen noch gesteigert, die Beschwerden bleiben auch in Ruhe bestehen.

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Klassischerweise kommt es zu einem Drehschwindel, bei dem sich die Umgebung zu drehen scheint, zu einer Fallneigung in Richtung der betroffenen Seite und Übelkeit, fast immer begleitet von Erbrechen. Unfreiwillige Bewegungen der Augen können sichtbar sein (Nystagmus). Die Augen gleiten dabei zur gesunden Seite hin und springen dann wieder zurück.

Das Gehör ist bei der Entzündung des Gleichgewichtsnervs nicht beeinträchtigt. Die akute Symptomatik dauert selten länger als ein paar Tage, manchmal bis zu ein paar Wochen.

Typischerweise kommt es zu einem plötzlich einsetzenden, heftigen Drehschwindel, der auch in Ruhe nicht aufhört. Häufig besteht eine deutliche Schwierigkeit zu gehen, verbunden mit einer Fallneigung zur Seite. Das Bild scheint aus dem Blickfeld zu einer Seite „wegzulaufen“. Begleitet werden die Symptome oftmals durch starke Übelkeit und Erbrechen. Hörprobleme treten nicht auf. Die Symptome nehmen innerhalb von wenigen Tagen an Schwere ab.

Diagnose einer Entzündung des Gleichgewichtsnervs

Die Schilderung der typischen Symptome akuter Schwindel, Übelkeit und Fallneigung zu der betroffenen Seite sind wegweisend für die Diagnose. Es können unwillkürliche Augenbewegungen (Nystagmus) beobachtet werden. Eine körperliche Untersuchung inklusive neurologischer Befunderhebung wird durchgeführt, ebenso eine Untersuchung der Gehörgänge und des Trommelfells. Das Hörvermögen muss bei HNO-Ärzt*innen durch einen Hörtest abgeklärt werden, dort erfolgen auch ggf. weitere Tests. Bei einer Neuritis vestibularis ist das Hörvermögen normal.

Der Facharzt wird bei der Ursachenklärung zunächst nach weiteren Symptomen suchen, um z.B. einen Schlaganfall, Entzündung oder eine Blutung im Gehirn auszuschließen. Andere Ursachen für einen Schwindel müssen ausgeschlossen werden, insbesondere ein Schlaganfall. Dafür sind teilweise zusätzliche Untersuchungen notwendig.

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Mögliche weitere Ursachen sind:

  • Gutartiger Lagerungsschwindel
  • Morbus Menière
  • Labyrinthitis
  • Akustikusneurinom
  • Hörsturz
  • Verletzungen
  • Schwindel durch Medikamente
  • Multiple Sklerose
  • Migräne

Eine Krankenhauseinweisung kann notwendig sein bei:

  • akutem Pflegebedarf
  • starker Übelkeit und Erbrechen
  • Sturzneigung und fehlender häuslicher Versorgungsmöglichkeit

Behandlung einer Entzündung des Gleichgewichtsnervs

Behandlungsziele sind:

  • Symptomlinderung
  • Verkürzung des Krankheitsverlaufs und
  • Verhindern von bleibenden Folgen

In den ersten Tagen kann die Gabe von Antiemetika (Medikamente gegen Übelkeit) und Antiverginosa (Medikamente gegen Schwindel) in Kombination mit Kortison sinnvoll sein. Anschließend ist es wichtig, frühzeitig ein Rehabilitationsprogramm zu beginnen:

  • Mobilisierung mit Schulung der Gleichgewichtsfunktion im Stehen und Gehen auf ebenen und unebenen Flächen
  • Training der Fähigkeiten zur Blickfixierung

Diese Aktivitäten verursachen zu Beginn erhöhtes Unwohlsein und Müdigkeit, werden aber auf längere Sicht die Symptome reduzieren, die Funktionsfähigkeit verbessern und zu einer schnelleren Heilung beitragen. Siehe auch Trainingsübungen bei Neuritis vestibularis. Manche Patient*innen benötigen eine besondere physiotherapeutische oder gleichgewichtstherapeutische Verlaufskontrolle.

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Während die Entzündung abklingt, etwa ab dem zweiten oder dritten Tag nach Einsetzen der Beschwerden, sollte schon mit vestibulärer Rehabilitationstherapie begonnen werden. Mit Hilfe der Übungen lernt das Gehirn schnell, wie es die, durch die Entzündung verlorenen Funktionen, ersetzen kann.

Prognose einer Entzündung des Gleichgewichtsnervs

So dramatisch diese Erkrankung zu Beginn auch scheinen mag, so gut ist ihre Prognose. Die Beschwerden klingen meist nach etwa ein bis zwei Wochen wieder ab. Dabei lässt sich der Heilungsprozess durch rasche Mobilisation mit gezieltem Gleichgewichtstraining und Medikamenten beschleunigen, anfangs ist Bettruhe angeraten. Rückfälle (Rezidive) sind glücklicherweise sehr selten.

Die Prognose ist im Allgemeinen sehr gut, die meisten Patientinnen erhalten ihren normalen Gleichgewichtssinn zurück. Die Mehrzahl der Patientinnen hat 1-2 Tage starke Beschwerden mit anschließend allmählicher Besserung.

Andere Formen von Schwindel

Wer unter Schwindel leidet, ist nicht allein. Neben Kopf- und Rückenschmerzen gehören Schwindel und Gleichgewichtsstörungen zu den häufigsten Beschwerden, mit denen sich Patienten an einen Arzt wenden. Mit fortschreitendem Alter nehmen Störungen des Gleichgewichtssystems noch einmal deutlich zu. In jungen Jahren tritt schwerer Schwindel nur bei jedem Sechsten bis Zehnten auf. Bei den über 75-Jährigen sind mehr als 30 Prozent betroffen. Schwindel ist keine eigenständige Krankheit, sondern ein sogenanntes multisensorisches Syndrom. Dieses Krankheitsbild macht sich durch eine gestörte Wahrnehmung verschiedener Sinne, den Verlust der körperlichen Sicherheit im Raum und die damit verbundenen Gleichgewichtsstörungen bemerkbar.

Schwindelarten

Schwindel äußert sich auf vielfältige Weise. Die Betroffenen beschreiben ihre Symptome sehr unterschiedlich. Sie erleben Scheinbewegungen, fühlen sich allgemein unsicher oder benommen. Viele haben das Gefühl, dass sich etwas in ihnen dreht oder dass die Umgebung um sie kreist (Drehschwindel). Andere haben das Gefühl zu taumeln, vor allem, wenn sie stehen, oder die Umgebung scheint sich hin und her zu bewegen (Schwankschwindel). Eine weitere Variante ist das Gefühl, wie in einem Aufzug nach oben oder unten gezogen zu werden (Liftschwindel), oder nach vorne oder zur Seite zu kippen (Fallneigung). Der Schwindel kann plötzlich und unvermutet als Schwindelanfall auftreten, oft in Form eines Drehschwindels. Solche Schwindelattacken können unterschiedlich lange andauern, von Sekunden bis zu Stunden, und dann wieder vergehen. Die Attacken setzen oft bei bestimmten Bewegungen, körperlichen Belastungen oder in bestimmten Situationen ein. Manchmal hält der Schwindel über Tage und Monate an (Dauerschwindel). Bei manchen Menschen entwickelt sich der Schwindel zu einem ständigen unangenehmen Begleiter (chronischer Schwindel). Prinzipiell unterscheiden Mediziner dabei vestibulären und nicht-vestibulären Schwindel.

Vestibulärer Schwindel

Vestibulärer Schwindel entsteht „im Kopf“ - also entweder durch widersprüchliche Reize oder eine gestörte Verarbeitung jener Informationen, die von den Gleichgewichtsorganen ans Gehirn geleitet werden. Der Auslöser dafür sind Erkrankungen oder Irritationen des Gleichgewichtssystems. Sind das Gleichgewichtsorgan bzw. der Gleichgewichtsnerv im Innenohr die Ursache, handelt es sich um einen peripheren vestibulären Schwindel. Bei Erkrankungen von Hirnstamm, Kleinhirn, oder Großhirn spricht man von einem zentralen vestibulären Schwindel.

Die häufigsten Formen und Ursachen von vestibulärem Schwindel sind:

  • Benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel (BPPV)
  • Neuritis vestibularis
  • Vestibulopathie
  • Vestibularisparoxysmie
  • Schwindel durch Morbus Menière

Nicht-vestibulärer Schwindel

Wer unter nicht-vestibulärem Schwindel leidet, kann sich nicht mehr im Raum orientieren, geht und steht unsicher, und neigt deshalb zu Stürzen. Übelkeit und Erbrechen sind bei dieser Schwindelart jedoch selten. Beim nicht-vestibulären Schwindel funktionieren die Gleichgewichtsorgane einwandfrei. Auch Nerven und Gehirn sind vollkommen intakt. Die Auslöser finden sich vielmehr in anderen Körperregionen.

Zu den Ursachen des nicht-vestibulären Schwindels gehören demnach:

  • HWS-Syndrom (Halswirbelsäulen-Syndrom)
  • Niedriger Blutdruck (Hypotonie) und orthostatische Dysregulation
  • Bluthochdruck (Hypertonie)
  • Blutarmut (Anämie)
  • Herzrhythmusstörungen
  • Herzschwäche (Herzinsuffizienz)
  • Lungenembolie: ein eher seltener Grund für Schwindel
  • Schwangerschaft
  • Niedriger Blutzuckerspiegel (Unterzucker)
  • Vegetative diabetische Polyneuropathie: Diabetes-bedingte Nervenschäden im Bereich des vegetativen Nervensystems
  • Gefäßverkalkung und -verengung (Arteriosklerose) im Bereich der hirnversorgenden Gefäße
  • Carotis-Sinus-Syndrom
  • Medikamente: Schwindel als Nebenwirkung
  • Alkohol und andere Drogen
  • Hyperventilation: übermäßig schnelles und tiefes Atmen
  • Schlecht eingestellte oder ungewohnte Brille

Diagnostik bei Schwindel

In Anbetracht der unterschiedlichen Schwindelformen, ist je nach Symptomatik eine individuelle Diagnostik von großer Bedeutung. Grundlage für die weiterführende Diagnostik ist immer eine ausführliche neurologische und/oder HNO-ärztliche Untersuchung (inklusive Gleichgewichts- und Koordinationstests, Gang- und Standprüfungen, Untersuchung der Hirnnervenfunktionen, Überprüfung der sensiblen Funktionen und Kraftprüfung). In der weiterführenden Diagnostik hat die Magnetresonanztomographie (kurz MRT) einen hohen Stellenwert. Mit Hilfe der MRT können im Rahmen der Schwindelabklärung kleinste Veränderungen der Gleichgewichts- und Hörnerven, des Innenohrs aber auch des Gehirns, der Gefäße und der Schädelkalotte sowie gegebenenfalls der Halswirbelsäule festgestellt werden. Studien zeigen, dass die MRT die diagnostische Sicherheit in der Abklärung des Schwindels deutlich erhöht. Eine eindeutige Diagnostik der Schwindelursache ist für das Patientenwohl unabdingbar, da jede Schwindelursache spezifisch behandelt werden muss. Zu den gängigsten therapeutische Maßnahmen zählen Medikamente, Physiotherapie, Psychotherapie, und in seltenen Fällen eine chirurgische Behandlung.

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