Wenn im Gehirn plötzlich verschiedenste Neuronen synchron und unkontrolliert Impulse abgeben, herrscht sozusagen ein Gewitter. Die Ursachen dafür sind zahlreich und bis heute nicht abschließend erforscht. Die Erkrankung dahinter, also die Epilepsie, kann sehr beunruhigend für Patientinnen und Patienten und Angehörige sein. Dieser Artikel soll helfen, die Definition der Erkrankung zu verstehen, Behandlungsmethoden kennenzulernen und über das Leben mit Epilepsie zu informieren. Außerdem werden interessante Zahlen und Fakten rund um die Häufigkeit, Betroffenen und Risikogruppen der Epilepsie erläutert.
Was ist Epilepsie? Eine Definition
Epilepsie (ICD-10 G40) ist der Oberbegriff für zerebrale Funktionsausfälle aufgrund einer neuronalen Netzstörung. Leitsymptom sind wiederholte Anfälle. Definiert ist ein epileptischer Anfall als ein vorübergehendes Auftreten von subjektiven Zeichen und/oder objektivierbaren Symptomen aufgrund einer pathologisch exzessiven und/oder synchronisierten neuronalen Aktivität im Gehirn.
Abgrenzung zu einmaligen Anfällen
Dringend abzugrenzen ist die Epilepsie von einmaligen Krampfanfällen (akut symptomatischen Anfällen) wie zum Beispiel Fieberkrämpfen. Man spricht von Epilepsie, wenn unter Berücksichtigung der ärztlichen Befunde, des EEGs, der Symptomatik des Krampfanfalls und weiterer Aspekte durch die Ärztinnen und Ärzte ein spezifisches Epilepsie-Syndrom diagnostiziert wird. Auch ca. 10% der Erwachsenen erleben mindestens einmal im Leben einen Krampfanfall, während die Wahrscheinlichkeit ab dem 60. Lebensjahr immer weiter steigt. Man spricht dann aber noch nicht von Epilepsie. Jedes fünfte Kind erlebt mindestens einmal im Leben einen solchen Anfall, was aber noch nicht gleichbedeutend mit der Diagnose Epilepsie ist.
Ursachen von Epilepsie: Ein komplexes Zusammenspiel
Ein epileptischer Anfall ist ein Zusammenspiel verschiedener neurologischer Vorgänge im Gehirn. Eine eindeutige und allgemeine Ursache gibt es nicht, jedoch verschiedene bekannte Auslöser, nach denen Epilepsien in die Kategorien strukturell, immunologisch, infektiös, genetisch und metabolisch eingeteilt werden. Es gibt mehr als 30 Formen von Epilepsien. Jede/r Betroffene hat in der Regel nur eine Epilepsieform mit ein bis drei verschiedenen Anfallsformen.
Die aktualisierte ILAE- Klassifikation besitzt eine dreistufige Grundstruktur:
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- Bestimmung des Anfallstyps bzw. der Anfallsform: Hier unterscheidet man zwischen generalisiertem, fokalem und unklarem Beginn. Innerhalb der generalisierten Epilepsien wurde die Untergruppe der idiopathisch generalisierten Epilepsien wieder eingeführt. Dazu zählen Absence-Epilepsien des Kindes- und Jugendalters, juvenile myoklonische Epilepsien und Epilepsieformen mit ausschließlich generalisierten tonisch-klonischen Anfällen.
- Art der Epilepsie: Epilepsien und die damit verbundenen Anfälle sind auf eine Vielzahl von Ursachen zurückzuführen. Aktuell werden folgende Ätiologien unterschieden: strukturelle, genetische, infektiöse, metabolische und immunologische Ursachen.
- Ursache der Epilepsie: Neben den zuverlässig differenzierbaren Epilepsien gibt es Formen, deren Ursache (noch) nicht bekannt ist.
Kategorien von Epilepsie-Ursachen im Detail
- Genetische Epilepsie: Wurde früher auch als idiopathische Epilepsie bezeichnet. Hier wird eine genetische Ursache als Auslöser der Erkrankung vermutet. In den letzten Jahren wurden mehrere Hundert Gene und Gen-Veränderungen identifiziert, die vermutlich oder sicher eine Epilepsie (mit)verursachen. Die Mehrzahl der Fälle der idiopathischen generalisierten Epilepsien (IGE) sind polygenetische Erkrankungen.
- Strukturelle Epilepsie: Wurde ursprünglich mal als symptomatische Epilepsie bezeichnet. Die Erkrankung ist in diesem Fall als Folge einer bekannten Ursache, wie einem Schlaganfall oder einer Kopfverletzung. Eine strukturelle Epilepsie ist mit umschriebenen pathologischen Hirnveränderungen assoziiert. Diese können erworben oder genetisch bedingt sein. Epileptogene Läsionen sind beispielsweise Hirntumore und Hirninfarkte, Kontusionsdefekte, vaskuläre Malformationen, Enzephalozelen, fokale kortikale Dysplasien, Polymikrogyrie der kortikalen Neurone, hypothalamische Hamartome oder eine Hippocampussklerose.
- Infektiöse Epilepsie: Wurde früher zu den strukturellen Epilepsien gezählt. Wird durch eine infektiöse Erkrankung des Gehirns (hervorgerufen durch Viren oder Bakterien) verursacht. Infektionen sind die weltweit häufigste Ursache von Epilepsie. Eine infektiöse Ätiologie bezieht sich auf Patienten mit Epilepsie und nicht auf Patienten, die Anfälle im Verlauf einer akuten Infektion erleiden.
- Metabolische Epilepsie: Wurde ebenfalls lange zu den strukturellen Epilepsien gezählt. Sie geht aus Veränderungen im Stoffwechsel (Metabolismus) hervor. Eine metabolisch verursachte Epilepsie ist direkte Folge einer Stoffwechselstörung, die epileptische Anfälle als Kernsymptomatik aufweist. Es wird angenommen, dass die meisten metabolisch bedingten Epilepsien einen genetischen Hintergrund haben und nur selten erworben sind.
- Immunologische Epilepsie: Wurde bis vor Kurzem ebenfalls zu den strukturellen Epilepsien gezählt. Heute erkennt man die immunologischen Epilepsien an einer chronischen Entzündung des Gehirns. Eine immunologische Epilepsie ist auf eine autoimmun vermittelte Entzündung des ZNS zurückzuführen.
Die Rolle von Neurotransmittern und neuronaler Erregbarkeit
Die neurobiologischen Zusammenhänge der Epileptogenese sind nicht bis ins letzte Detail verstanden. Man weiß allerdings, dass eine neuronale intra- und transzelluläre Übererregung (Hyperexzitabilität) einzelner Nervenzellen, Fehlkoordinationen von Erregung und Hemmung neuronaler Zellverbände, veränderte Zellmembraneigenschaften und eine fehlerhafte Erregungsübertragung synaptischer Netzwerke zu einer abnormen exzessiven neuronalen Entladung führen. Die dem epileptischen Anfall zugrunde liegenden paroxysmalen Depolarisationsstörungen sind meist auf ein Ungleichgewicht bzw. einer fehlerhaften Verteilung von exzitatorischen und inhibitorischen Neurotransmitterwirkungen zurückzuführen. Dabei spielen die Aminosäuren Glutamat und Aspartat als erregende Neurotransmitter sowie Gamma-Aminobuttersäure (GABA) als hemmende Signalsubstanz eine entscheidende Rolle. Zudem können Neurotransmitter-Synthesestörungen und ein gesteigerter Abbau oder eine Rezeptor-Blockade von GABA-Rezeptoren anfallsauslösend wirken. Pathologische Veränderungen an spannungsabhängigen Ionenkanälen (Kalium, Natrium, Calcium) beeinflussen ebenfalls die neuronale Erregbarkeit.
Paroxysmale Depolarisationsshift (PDS)
Nach international gängiger Lehrmeinung ist der sogenannte paroxysmale Depolarisationsshift (PDS) als gemeinsamer Nenner der fokalen Epileptogenese anzusehen. Elektrophysiologisch handelt es sich um eine Serie hochfrequenter Aktionspotenziale, die durch eine sich anschließende Hyperpolarisation beendet wird. Auf zellulärer Ebene korreliert der PDS mit interiktalen eleptiformen Signalen (sogenannte Spikes) im EEG. Während eines epileptischen Anfalls wird der PDS in eine anhaltende Depolarisation der Zellen überführt.
Symptome von Epilepsie: Vielfältige Erscheinungsformen
Die Symptome einer Epilepsie sind ebenso vielseitig wie die verschiedenen Anfallsformen. Insgesamt gibt es mehr als 30 bekannte Formen der Epilepsie. Die Symptome der unterschiedlichen Epilepsieformen variieren stark. Das klinische Bild richtet sich nach der Lokalisation und dem Ausmaß der neuronalen Fehlerregung sowie nach der Art des Anfallgeschehens.
Epileptische Anfälle sind relativ kurz andauernde, plötzliche Änderungen des Bewusstseins, Denkens, Verhaltens, Gedächtnisses, Fühlens, Empfindens oder der Anspannung der Muskulatur. Grund dafür ist eine vorübergehende Funktionsstörung von Nervenzellen im Gehirn in Form vermehrter und einander gegenseitig aufschaukelnder elektrischer Entladungen.
Klassifizierung nach Anfallsbeginn: Fokal, Generalisiert, Unbekannt
Die ILAE unterscheidet grundsätzlich zwischen Anfällen mit fokaler, generalisierter oder unbekannter Ausbreitung. Darüber hinaus werden diese in Formen mit motorischen und nicht-motorischen Bewegungsstörungen eingeteilt. Bei fokal beginnenden Anfällen wird zusätzlich unterschieden, ob der Patient bei Bewusstsein ist oder nicht. Fokale und generalisierte Anfälle können einzeln (inklusive mehrerer fokaler oder generalisierter Ereignisse) oder zusammen auftreten.
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Anfälle mit fokalem Beginn
Epileptische Anfälle mit fokalem Beginn haben ihren Ursprung in einem begrenzten Neuronensystem innerhalb einer Hemisphäre. Sie werden entsprechend der motorischen Initialsymptomatik klassifiziert und in Anfälle mit und ohne Bewusstseinsstörung eingeordnet.
- Fokal beginnende Anfälle mit motorischer Initialsymptomatik: Ein Beginn mit motorischen Störungen kann gekennzeichnet sein durch Automatismen, atonische Anfälle, klonische Anfälle, epileptische Spasmen, hyperkinetische Anfälle, myoklonische Anfälle oder tonische Anfälle. Wie jeder epileptische Anfall kann auch ein fokal beginnender Anfall mit motorischen Symptomen in einen Status epilepticus (SE) übergehen und stunden- oder sogar tage- bis wochenlang andauern (Epilepsia partialis continua, Koževnikov-Status).
- Fokal beginnende Anfälle ohne motorische Initialsymptomatik: Fokale Anfälle ohne initial-motorische Störungen können folgenden Charakter haben: autonom, mit Arrest-Symptomatik, kognitiv, emotional oder sensorisch. Daneben gibt es fokal beginnende und zu bilateral tonisch-klonischen Anfällen übergehende Ereignisse.
Fokal beginnende Anfälle ohne Bewusstseinseinschränkung
Fokal beginnende Anfälle ohne Bewusstseinseinschränkung entsprechen den bisher als „einfach-fokal“ bezeichneten Anfällen. Die Anfälle weisen häufig auf eine intrazerebrale Läsion hin. Sie können im Verlauf zu einer Bewusstseinsstörung führen oder in generalisierte Anfälle übergehen.
Wesentliche Formen im klinischen Alltag sind:
- Fokal beginnende Anfälle mit motorischen Symptomen und Ausbreitungstendenz (Jackson-Anfälle): beginnen mit rhythmischen klonischen Muskelkontraktionen in einem Körperabschnitt (am häufigsten in Hand und Fingern, seltener in Gesicht, Bein und Rumpf).
- Fokal beginnende Anfälle mit motorischen Symptomen ohne Ausbreitungstendenz: lokalisierte motorische Anfälle, die sich klonisch äußern.
Generalisierte Anfälle
Bei generalisierten Anfällen sind von Beginn an beide Hirnhälften betroffen.
- Absencen: sind kurze Bewusstseinsaussetzer (Sekunden).
- Myoklonische Anfälle: sind kurze, unwillkürliche Muskelzuckungen.
- Klonische Anfälle: gehen mit rhythmischen Zuckungen einher.
- Tonische Anfälle: verursachen eine plötzliche Muskelversteifung.
- Atonische Anfälle: führen zu einem plötzlichen Verlust der Muskelspannung.
- Tonisch-klonische Anfälle: beginnen mit einer Versteifung des Körpers (tonische Phase), gefolgt von rhythmischen Zuckungen (klonische Phase). Dies ist die bekannteste Form, oft auch als "Grand Mal" bezeichnet.
Es ist wichtig zu beachten, dass nicht jeder Anfall gleich verläuft und die Vielfalt der Symptome die Diagnose erschweren kann.
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Warnzeichen und Auren
Manche Menschen erleben vor einem Anfall eine sogenannte Aura, die sich durch verschiedene Empfindungen äußern kann, wie z.B. Angst, Geruchswahrnehmungen, visuelle Störungen oder ein Déjà-vu-Gefühl.
Diagnose von Epilepsie: Ein mehrstufiger Prozess
Wenn Sie selbst oder Angehörige das erste Mal einen Krampfanfall erlitten haben, dann ist die Sorge groß. Schnell steht der Verdacht auf Epilepsie im Raum und dieser sollte auch zügig untersucht werden. Denn ein Anfall kann ein Hinweis auf eine entzündliche Hirnerkrankung oder strukturelle Veränderungen des Gehirns sein, etwa durch Kopfverletzungen. Nur so kann die optimale Behandlung eingeleitet werden. Die Diagnose wird nach den Vorgaben der International League Against Epilepsy (ILAE) anhand des Anfallgeschehens und durch Zusatzbefunde, die auf eine Prädisposition für weitere epileptische Anfälle hindeuten - zum Beispiel epilepsietypische Potenziale im Elektroenzephalogramm (EEG) und/oder zum Anfallsereignis passende strukturelle Läsionen in der Bildgebung - erhoben.
Nach einer anfallsartigen Episode sind drei wichtige Fragen zu klären:
- Handelt es sich um einen epileptischen Anfall?
- Gibt es eine akut zu behandelnde Ursache?
- Besteht ein erhöhtes Risiko auf weitere Anfälle?
Anamnese: Die Grundlage der Diagnose
Die genaue Anamnese bzgl. Das ist enorm wichtig, denn während Laien bei der bekannten Symptomatik sich verkrampfender oder zuckender Muskelgruppen, die bei einem generalisierten tonisch-klonischen Anfall (Grand-mal) auftritt, sofort an Epilepsien denken, so kann bei herdförmigen (fokalen) Anfällen genau das Gegenteil der Fall sein. Da es bei Letzteren nicht immer zu Muskelzuckungen oder anderen (für Laien) „typischen“ Epilepsiesymptomen kommen muss, werden sie sehr häufig fälschlicherweise mit Kreislaufproblemen assoziiert und Betroffene suchen keinen Arzt auf.
Bei einer Fremdanamnese werden auch Angehörige z. B. Bewährt hat sich auch die Aufnahme eines Anfalls auf dem Smartphone durch Angehörige. Dieses Video kann dann den Ärztinnen und Ärzte vorgespielt werden. Eine möglichst genaue Dokumentation der Symptome erleichtert den Ärztinnen und Ärzte die Diagnose oft erheblich.
Technische Untersuchungen: EEG und Bildgebung
- EEG (Elektroenzephalographie): Eine Messung der Hirnströme (Elektroenzephalografie, EEG): Manchmal lässt sich eine Epilepsie anhand typischer Kurvenveränderungen im EEG erkennen. Allerdings ist das EEG bei Epilepsie manchmal auch unauffällig. Nach einem ersten Anfall muss anhand der Ergebnisse des EEGs festgestellt werden, ob ein erhöhtes Risiko auf weitere epileptische Anfälle besteht.
- MRT (Magnetresonanztomografie): Sehr wichtig für die Abklärung eines epileptischen Anfalls ist die Magnetresonanztomografie (MRT oder Kernspintomografie). Dabei werden detaillierte Schnittbilder des Gehirns erstellt. Darauf erkennt der Arzt eventuelle Schäden oder Fehlbildungen des Gehirns als mögliche Ursache des Anfalls.
- CT (Computertomografie): Ergänzend zum MRT wird manchmal ein Computertomogramm des Schädels (CCT) angefertigt. Vor allem in der Akutphase (kurz nach dem Anfall) ist die Computertomografie hilfreich, um beispielsweise Hirnblutungen als Auslöser des Anfalls zu entdecken.
Weitere Untersuchungen
Bei Verdacht auf eine Gehirnentzündung (Enzephalitis) oder eine andere Grunderkrankung als Ursache des epileptischen Anfalls bringen Laboruntersuchungen oft Klarheit. So gibt eine Blutuntersuchung gegebenenfalls Hinweise auf Entzündungen oder Stoffwechselveränderungen. Wenn der Arzt Drogenkonsum als Auslöser des Anfalls vermutet, werden entsprechende Bluttests gemacht. Außerdem entnimmt der Arzt eventuell mithilfe einer feinen Hohlnadel aus dem Wirbelkanal eine Probe der Hirn-Rückenmarksflüssigkeit (Liquor- oder Lumbalpunktion).
Behandlung von Epilepsie: Anfallskontrolle und Lebensqualität
Oberstes Ziel der Therapie ist Anfallsfreiheit oder zumindest eine gute Anfallskontrolle. Anfallskontrolle oder Anfallsfreiheit mit spezifischen Medikamenten, sogenannten Anfallssuppressiva, zu erreichen, ist nämlich nur eins von weiteren möglichen Behandlungszielen. Die Behandlung basiert nahezu immer auf einer medikamentösen Therapie, ggf. begleitet von nicht pharmakologischen Maßnahmen wie ketogener Diät und Psychotherapie.
Medikamentöse Therapie: Antiepileptika
Am häufigsten werden zu Behandlungen von Epilepsien Medikamente eingesetzt, sogenannte Anfallssuppressiva. Es stehen zahlreiche verschiedene Wirkstoffe zur Verfügung. Die Wahl des Medikaments richtet sich zum einen nach dem vorliegenden Epilepsiesyndrom sowie nach den persönlichen Merkmalen, die ein Patient mit sich bringt. Die langfristige Behandlung von Epilepsie-Patienten übernimmt meist ein niedergelassener Neurologe beziehungsweise Kinder- und Jugendneurologe.
Als erste Therapieoption steht eine große Auswahl an Medikamenten zur Verfügung, die über Beeinflussung der Erregbarkeit des Gehirns das Auftreten von Anfällen unterdrücken können. Eingesetzt werden sogenannte Antiepileptika. Sie hemmen die übermäßige Aktivität von Nervenzellen im Gehirn. Damit senken sie das Risiko für einen Krampfanfall. Deshalb spricht man auch von Antikonvulsiva (= krampfhemmenden Mitteln). Gegen die Ursache der Epilepsie helfen die Medikamente allerdings nicht. Das bedeutet: Antiepileptika wirken nur symptomatisch, ohne die Epilepsie zu heilen.
- Monotherapie vs. Kombinationstherapie: In der Regel verschreibt der Arzt bei Epilepsie nur ein einziges Antiepileptikum (Monotherapie). Wenn dieses Medikament nicht die gewünschte Wirkung zeigt oder starke Nebenwirkungen verursacht, ist es meist einen Versuch wert, mit ärztlicher Rücksprache auf ein anderes Präparat umzustellen. Bei manchen Patienten lässt sich die Epilepsie mit einer Monotherapie nicht ausreichend in den Griff bekommen. Dann verschreibt der Arzt womöglich zwei (oder mehr) Antiepileptika. Eine solche Kombinationstherapie wird sorgfältig geplant und überwacht.
- Regelmäßige Einnahme ist entscheidend: Antiepileptika helfen nur dann zuverlässig, wenn sie regelmäßig angewendet werden. Es ist also sehr wichtig, sich genau an die entsprechenden Anweisungen des Arztes zu halten!
- Dauer der Einnahme: Antiepileptika werden meist über mehrere Jahre eingenommen. Wenn über einen langen Zeitraum keine epileptischen Anfälle mehr aufgetreten sind, ist manchmal in Absprache mit dem Arzt ein Absetzversuch möglich. Das darf aber nicht abrupt geschehen. Stattdessen empfiehlt es sich, die Dosierung nach ärztlicher Anweisung schrittweise zu verringern. Setzen Sie Ihre Epilepsie-Medikamente niemals auf eigene Faust ab - das hat unter Umständen lebensgefährliche Konsequenzen!
Epilepsiechirurgie: Wenn Medikamente nicht ausreichen
Bei manchen Patienten ist die Epilepsie mit Medikamenten nicht ausreichend behandelbar. Gehen die Anfälle immer von einer begrenzten Hirnregion aus (fokale Anfälle), ist es in manchen Fällen möglich, diesen Teil des Gehirns operativ zu entfernen (Resektion, resektive Operation). In vielen Fällen verhindert dies zukünftige epileptische Anfälle. Eine resektive Operation kommt aber nur unter bestimmten Voraussetzungen in Frage: Also dann, wenn das Entfernen der betreffenden Hirnregion relativ gefahrlos möglich ist. Außerdem darf es keine inakzeptablen Nachteile für den Patienten nach sich ziehen, etwa eine ernste Beeinträchtigung bestimmter Hirnfunktionen.
Stimulationsverfahren: Vagusnervstimulation und tiefe Hirnstimulation
Neben einer Operation kommen sogenannte Stimulationsverfahren infrage, wenn Medikamente bei Epilepsie nicht ausreichend wirken. Dabei werden bestimmte Strukturen im Gehirn oder solche, die dorthin führen (Vagusnerv), mit niedriger Stromstärke stimuliert. Das wirkt epileptischen Anfällen zum Teil entgegen. Am weitesten verbreitet ist die Vagusnerv-Stimulation (VNS): Dabei pflanzt der Chirurg dem Betroffenen ein kleines, batteriebetriebenes Gerät unterhalb des linken Schlüsselbeins unter die Haut. Es handelt sich um eine Art Schrittmacher, der über ein Kabel, das ebenfalls unter der Haut verläuft, mit dem linken Vagusnerv am Hals verbunden wird. Ein anderes Stimulationsverfahren ist die tiefe Hirnstimulation: Dabei werden dem Patienten kleine Elektroden an bestimmten Stellen im Gehirn implantiert, zum Beispiel am Thalamus oder Hippocampus. Sie stimulieren das Nervengewebe mit elektrischen Impulsen.
Behandlung bei Status epilepticus: Ein Notfall
Wenn jemand einen Status epilepticus erleidet, ist es wichtig, sofort den Notarzt zu rufen - es besteht Lebensgefahr! Der Patient erhält als erstes ein Beruhigungsmittel (Benzodiazepin). Trägt der Epileptiker das Notfallmedikament bei sich, lässt es sich auch von medizinischen Laien verabreichen: Es wird entweder in eine Wange gelegt (Buccaltablette) oder als Creme über eine kleine Tube in den After des Patienten eingeführt.
Nicht-medikamentöse Behandlungen
Neben der medikamentösen Therapie können auch andere Behandlungsansätze hilfreich sein:
- Ketogene Diät: Eine spezielle, fettreiche und kohlenhydratarme Diät kann bei manchen Epilepsieformen, insbesondere bei Kindern, die Anfallshäufigkeit reduzieren.
- Psychotherapie: Ergänzend kann eine Psychotherapie hilfreich sein. Sie kann dabei unterstützen, mit den Folgen der Erkrankung umzugehen und die Lebensqualität zu verbessern.
Was tun bei einem epileptischen Anfall? Erste Hilfe
Man sollte auf jeden Fall Erste Hilfe leisten. Patientinnen und Patienten sollten zudem immer einen Notfallausweis bei sich tragen. Was sollte man bei einem epileptischen Anfall tun? Bei einem epileptischen Anfall ist es am wichtigsten, dass Helferinnen und Helfer Ruhe bewahren und Betroffene vor Verletzungen schützen. Dauert der Anfall länger als fünf Minuten an oder treten mehrere Anfälle kurz hintereinander auf, sollte der Rettungsdienst (Notruf 112) informiert werden. Bei einem schweren Anfall kann ein Krankenhausaufenthalt notwendig sein.
Leben mit Epilepsie: Herausforderungen und Perspektiven
Die Diagnose Epilepsie bedeutet nicht automatisch, dass Betroffene kein selbstbestimmtes und zufriedenes Leben führen können. Die Auswirkungen auf den Alltag sind meist wesentlich geringer als man auf den ersten Blick denken mag. Die Diagnose Epilepsie bedeutet also nicht automatisch, dass Betroffene kein selbstbestimmtes und zufriedenes Leben führen können.
Alltag und Beruf
Epilepsie beeinflusst den Alltag: Beruf, Mobilität und soziale Aktivitäten. Wichtig ist es, Auslöser zu kennen und zu meiden. Fahreignung und Arbeitssicherheit müssen ärztlich geprüft werden. In der Regel ist nach einem ersten Anfall bereits die Fahreignung (insbesondere für Fahrzeuge der Gruppe 2) nicht mehr gegeben. Auch andere Tätigkeiten, bei denen das Auftreten eines Anfalls gefährlich wäre, müssen gemieden werden. Es ergeben sich also Folgen für die Ausübung der Arbeit, die Berufswahl und die Lebensführung und -planung.
Prognose und Heilung
Zunächst sei gesagt, dass die Prognose von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich ist und bei vielen Betroffenen die Anfallsfreiheit erreicht werden kann (siehe Prognose). Demnach gilt eine Epilepsie als überwunden oder geheilt, wenn Patientinnen und Patienten 10 Jahre anfallsfrei sind, davon mindestens 5 Jahre ohne die Einnahme von Anfallssuppressiva.
Häufigkeit und Risikogruppen
Etwa 0,5% bis 1% der Deutschen sind betroffen (bis zu 800.000 Menschen). Die Wahrscheinlichkeit, im Laufe des Lebens an Epilepsie zu erkranken, liegt bei über 5 %. Kinder und ältere Menschen sind häufiger betroffen; etwa 2/3 aller Epilepsien treten bis zum 20. Lebensjahr auf. Ab dem 60. Lebensjahr erhöht sich das Risiko, an Epilepsie zu erkranken, bedingt durch z.B.
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