Epilepsie aus esoterischer Sicht: Eine umfassende Betrachtung

Spiritualität ist seit Jahrtausenden ein integraler Bestandteil der menschlichen Existenz. Von den frühesten Höhlenmalereien über komplexe religiöse Systeme bis hin zu Ritualen durchdringt sie jede Kultur. Carl Gustav Jung, ein bekannter Psychologe, sah Spiritualität als einen Teil des kollektiven Unbewussten, in dem Archetypen wie das göttliche Licht oder der Weltenbaum universell vorhanden sind, unabhängig von Religion oder Weltanschauung.

Studien legen nahe, dass die spirituelle Offenheit des Menschen bis zu 50 % genetisch bedingt sein kann. Spirituell geprägte Umgebungen in der frühen Kindheit können die Offenheit für transzendente Fragen fördern. Der Panpsychismus geht davon aus, dass Bewusstsein eine universelle Eigenschaft ist, die in allem existiert. Menschen mit ausgeprägter Selbsttranszendenz erleben häufiger spirituelle Zustände. Der Temporallappen des Gehirns ist aktiv an Visionen und spirituellen Erfahrungen beteiligt, wie beispielsweise bei Nahtoderfahrungen, bei denen eine erhöhte Aktivität in den Hirnarealen für Halluzinationen, Erinnerungen und Emotionen festgestellt wurde.

Spiritualität ist somit eine tief verwurzelte Eigenschaft des Menschen, die sich in biologischen, psychischen und kulturellen Strukturen manifestiert. Ob Spiritualität jedoch lediglich ein Produkt neuronaler Prozesse oder Ausdruck eines höheren Bewusstseins ist, bleibt eine offene Frage. Sie bezeichnet die Verbindung zu etwas Größerem, sei es das Universum, das Göttliche oder ein inneres Wissen.

Epilepsie und Spiritualität: Eine Verbindung?

Die Frage, ob Epilepsie und Spiritualität in Verbindung stehen, ist komplex und vielschichtig. Einige Forschungsansätze deuten darauf hin, dass veränderte Gehirnaktivität oder psychologische Faktoren eine Rolle spielen könnten.

Die Aura als Vorbote und spirituelle Erfahrung

Einige Menschen mit Epilepsie erleben Auren, also Vorgefühle vor einem epileptischen Anfall. Diese Auren können auch isoliert ohne nachfolgenden Anfall auftreten. Aus epileptologischer Sicht sind Auren bereits Teil des beginnenden Anfalls oder stellen ein eigenständiges epileptisches Ereignis dar. Mittels Langzeit-EEG oder Video-EEG-Monitoring können während der Aura spezifische EEG-Veränderungen in Form von hypersynchronen elektrischen Entladungen großer Nervenzellverbände und schnellen, hochamplitudigen elektrischen Feldpotentialschwankungen an der Kopfoberfläche ("Spikes") gemessen werden.

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Ein Fallbeispiel aus einer Klinik schildert einen 33-jährigen Patienten namens X.N., der seit seinem 10. Lebensjahr an Schläfenlappenanfällen leidet. Diese äußern sich durch Starren, Bewusstseinsverlust, starke Körpertorsion nach rechts und schließlich Stürze. Trotz eines epilepsiechirurgischen Eingriffs im Jahr 2009 konnte die Anfallshäufigkeit lediglich reduziert, aber keine Anfallsfreiheit erreicht werden. X.N. erlebt weiterhin ca. 5-10 Anfälle im Monat, täglich Auren und darunter - etwa alle 1-2 Tage - besondere Auren.

Während X.N. Ärzten gegenüber lediglich von einem "komischen Gefühl" spricht, offenbarte er in einer Patientengruppe, dass er bei diesen besonderen Auren ein totales Glücksgefühl empfindet. Er beschreibt das Gefühl als komisch und sehr schwierig zu beschreiben, aber sehr angenehm und glückselig. Wenn er allein ist und nichts passieren kann, lässt er sich auf diese "Dimension" ein. Er ist dann ganz für sich und blendet alles um sich herum aus. Sogar sexuelle Aktivitäten würde er unterbrechen, da dieses Gefühl wesentlich intensiver sei. Selbst in einem Stadion mit 60.000 feiernden Menschen würde er sich in seiner eigenen "Dimension" befinden, die viel besser sei. Wenn das Gefühl zu stark wird, kann er es nicht mehr kontrollieren, was aufgrund des hohen Anfallsrisikos problematisch ist. Im Straßenverkehr würde er ab einem bestimmten Punkt nicht mehr darauf achten, sich korrekt zu verhalten. Das Gefühl sei am ehesten so, wie "unter Drogen" zu sein. Er kann die Intensität des Gefühls zu Beginn kontrollieren, es also stärker werden lassen oder eben nicht, aber bewusst auslösen kann er es nicht. Dabei würde er dieses Gefühl gerne öfter erleben, zum Beispiel vor dem Einschlafen. X.N. verneint, dass das Gefühl eine sexuelle Komponente hat oder irgendwie religiös ist. Außer dem Gefühl erlebt er keine anderen sinnlichen Eindrücke.

Dostojewski-Epilepsie: Ekstase und Mystik

Die Verbindung zwischen Epilepsie und spirituellen Erfahrungen ist nicht neu. In der Fachzeitschrift "Epilepsy & Behavior" analysierten Rayport und Kollegen Berichte des Schriftstellers Fjodor Michailowitsch Dostojewski im Abgleich mit modernen Patientenberichten. Dostojewski litt selbst an Epilepsie und beschrieb in Briefen an Freunde ein Glücksgefühl, das er kurz vor einem Anfall erlebte. Er fühlte sich vollständig in Harmonie mit sich selbst und der ganzen Welt, ein Gefühl so stark und beglückend, dass man dafür zehn Jahre seines Lebens geben würde.

In seinem Roman "Der Idiot" beschreibt Dostojewski die ekstatischen Auren des Prinzen Myshkin und verweist auf den Propheten Mohammed, der in einem solchen Moment genügend Zeit gehabt haben soll, alle Offenbarungen Allahs zu empfangen. Dostojewski erlebte jedoch auch mystische Auren, die mit tief-depressiver Stimmung und starken Schuldgefühlen einhergingen. Nach Anfällen brauchte er mehrere Tage, um seine Gedanken zu sortieren und hatte das Gefühl, sein Gedächtnis werde schlechter. Eine Epilepsie mit ekstatischen oder mystischen Auren wird heute manchmal Dostojewski-Epilepsie genannt.

Im Jahr 1980 gelang es Cirignotta und Kollegen erstmals, eine ekstatische Aura bei gleichzeitiger EEG-Aufzeichnung zu dokumentieren, was bestätigte, dass es sich bei diesem Anfallstyp am ehesten um eine Schläfenlappenepilepsie handelte - wie bei Patient X.N.

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Neurowissenschaftliche Erklärungsansätze

Die Neurotheologie, ein relativ junges Forschungsfeld, untersucht die neuronalen Grundlagen religiöser Erfahrungen. Michael Persinger geht davon aus, dass jede religiöse Erfahrung ein kleiner epileptischer Anfall im Schläfenlappen ist. Er argumentiert, dass diese Erfahrungen durch psychologische Faktoren wie Stress, Verlust oder Todesangst verursacht werden können und durch Drogen, Musik oder Bewegung beschleunigt werden können. Persinger entwickelte einen Helm, der den Schläfenlappen durch ein Magnetfeld reizen soll. Laut seinen Angaben konnten vier von fünf Probanden die so ausgelösten Empfindungen als "übernatürlich" oder "spirituell" beschreiben. Allerdings sind diese Versuche umstritten, und eine Gegenstudie konnte Persingers Ergebnisse nicht bestätigen.

Andrew Newberg und Eugene d’Aquili untersuchten die neuronale Basis mystischer Erfahrungen und stellten fest, dass diese Erfahrungen wesentlich durch die Aufhebung der Differenz zwischen Subjekt und Objekt des Bewusstseins gekennzeichnet sind. Sie führten neurologische Untersuchungen an meditierenden Buddhisten und Franziskanerinnen durch und beobachteten eine signifikante Deaktivierung des Orientierungs-Assoziations-Areals (OAA) im Gehirn während der Meditation. Das OAA ist normalerweise für die Wahrnehmung der Grenzen zwischen dem eigenen Körper und der Umwelt zuständig. Die Inaktivierung des OAA könnte erklären, warum Mystiker ozeanische Gefühle der Versenkung, Entgrenzung und Aufhebung des Ichs und des eigenen Körpers erleben.

Kritik an der neurotheologischen Deutung

Die neurotheologische Forschung ist jedoch nicht unumstritten. Kritiker bemängeln, dass die Vielfalt der berichteten religiösen Erfahrungen schwer zu erklären ist und dass neuronale Zustände nicht eindeutig spezifischen Bewusstseinsinhalten zugeordnet werden können. Es gibt keine eindeutigen Beweise für ein "Gottesmodul" im Gehirn, und scheinbar gleiche Bilder der Gehirnaktivität können bei verschiedenen Probanden unterschiedliche Bewusstseinszustände widerspiegeln.

Zudem wird kritisiert, dass die Neurotheologie religiöse Erfahrung auf mystische Erfahrung reduziert und die subjektiven Berichte der Probanden auf religiöse Konzepte und Einstellungen religiösen Inhalts zurückgreifen. Die Neurotheologie steht vor dem Problem, dass religiöse Erlebnisse keine von außen klassifizierbaren Phänomene darstellen, sondern wesentlich von der Erlebnisperspektive des Subjektes abhängen.

Alternative Sichtweisen: Ayurveda und spirituelle Heilung

Neben den neurowissenschaftlichen Ansätzen gibt es auch alternative Sichtweisen auf Epilepsie, die spirituelle Aspekte berücksichtigen.

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Ayurveda

In der ayurvedischen Medizin wird Epilepsie (Apasamara auf Sanskrit) meist von außen induziert, beispielsweise durch traumatische Geburten mit Sauerstoffmangel oder virale Infekte in den ersten Lebensmonaten. Aus neurophysiologischer Sicht wird Epilepsie als Vata-Erkrankung eingestuft, die mit plötzlichen Spasmen, Speichelfluss und Schaum vor dem Mund einhergeht. Meist sind mehrere Doshas von dieser Erkrankung betroffen, einschließlich Rajas und Tamas.

Die ayurvedische Behandlung zielt darauf ab, Unmadas (psychische Störungen) und körperliche Symptome gleichzeitig zu behandeln. Es gilt, die gestörten Bioenergien, die zu Entzündlichkeiten und Degenerationen führen, aus dem Körper zu eliminieren. Eine feinabgestimmte Ernährung, insbesondere eine sattvische Ernährung, wird empfohlen, um die Doshas zu harmonisieren und Kopfschmerzen zu lindern. Der Verzicht auf Fleisch und Eier soll die Eiweißgärung und Entzündungsneigung mindern.

Im geistigen Bereich werden Meditation, Yoga und psychoimmunisierende Pflanzen zur Doshaharmonisierung empfohlen. Ayurveda-Mittel können mit modernen Psychopharmaka kombiniert und langfristig sogar ersetzt werden.

Spirituelle Heilung

Einige spirituelle Ansätze sehen Epilepsie als Folge von Angstspeicherungen im Gehirn, die den Energie- und Gefühlsfluss im Körper blockieren. Der Betroffene versucht unbewusst, alles im Gehirn zu kontrollieren und festzuhalten, wodurch sich Spannungen aufbauen, die sich in epileptischen Anfällen entladen.

Die Heilung von Epilepsie erfordert demnach, diese unbewusste angstgesteuerte Kontrolle aufzugeben und das Leben dem höheren göttlichen Selbst zu übergeben. Es gilt, Kontrollsucht durch Vertrauen in das Leben zu ersetzen und das Angst-Ego im Kopf sterben zu lassen, damit die Verbindung vom Gehirn zum Wurzelchakra wieder frei wird. Alle Verbote und Glaubenssätze, die die Verbindung zur Erde und dem Göttlichen verhindern, müssen sterben, damit die große Verbindung zwischen Himmel und Erde wieder entstehen kann.

Energetisch kann man aus der Art der Anfälle ableiten, wo im Körper die Energieblockaden besonders hoch sind und gezielt an diesen Körperbereichen arbeiten. Das Ziel ist es, die unbewusste angstgesteuerte Kontrolle über das Leben aufzugeben und das Leben und alle Details des Lebens an das höhere göttliche Selbst zu übergeben.

Praktische Tipps und Ratschläge

Unabhängig von der gewählten Sichtweise gibt es einige praktische Tipps, die Menschen mit Epilepsie und ihren Angehörigen helfen können:

  • Ärztliche Abklärung: Ein erster epileptischer Anfall sollte immer ärztlich abgeklärt werden, um die Ursache zu finden und eine geeignete Behandlung einzuleiten.
  • EEG und MRT: Das EEG (Elektroenzephalogramm) und das MRT (Magnetresonanztomographie) sind wichtige Untersuchungen, um Epilepsie zu diagnostizieren.
  • Medikamentöse Behandlung: In den meisten Fällen ist eine dauerhafte medikamentöse Therapie erforderlich, um die Anfälle zu kontrollieren.
  • Schlaf-Wach-Rhythmus: Ein regelmäßiger Schlaf-Wach-Rhythmus ist wichtig, um Anfälle zu vermeiden.
  • Alkohol und Drogen: Übermäßiger Alkoholkonsum und Drogen können Anfälle auslösen.
  • Aura-Beobachtung: Wenn Auren auftreten, sollten diese schriftlich festgehalten werden, um den Ursprung des Anfalls leichter finden zu können.
  • Erste Hilfe: Bei einem epileptischen Anfall sollte der Betroffene in eine stabile Seitenlage gebracht und alles weggeräumt werden, wodurch er sich verletzen könnte.
  • Ernährung: Eine ausgewogene Ernährung kann helfen, Anfälle zu reduzieren. Einige Menschen berichten von positiven Erfahrungen mit einer getreidefreien Ernährung.
  • Stressmanagement: Stress kann Anfälle auslösen. Entspannungstechniken wie Meditation oder Yoga können helfen, Stress abzubauen.
  • Spirituelle Praktiken: Meditation, Yoga und andere spirituelle Praktiken können helfen, das innere Gleichgewicht wiederherzustellen und Ängste abzubauen.
  • Selbsthilfegruppen: Der Austausch mit anderen Betroffenen in Selbsthilfegruppen kann sehr hilfreich sein.

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