Die Fähigkeit, sich mühelos zu bewegen, ist für die meisten Menschen selbstverständlich. Doch was passiert, wenn diese Selbstverständlichkeit plötzlich durch Lähmungen oder krankhafte Muskelschwäche eingeschränkt wird, insbesondere wenn die Beine betroffen sind? Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen, Symptome und Behandlungsmöglichkeiten von Beinversagen im Zusammenhang mit einem Schlaganfall.
Einführung
Ein Schlaganfall kann vielfältige neurologische Ausfälle verursachen, darunter auch Lähmungen. Wenn die Beine betroffen sind, kann dies erhebliche Auswirkungen auf die Mobilität und Lebensqualität der Betroffenen haben. Dieser Artikel soll einen umfassenden Überblick über dieses Thema geben und Betroffenen sowie ihren Angehörigen helfen, die Situation besser zu verstehen und informierte Entscheidungen zu treffen.
Ursachen von Beinversagen nach einem Schlaganfall
Halbseitenlähmung (Hemiplegie/Hemiparese)
Die Halbseitenlähmung, auch Hemiplegie (vollständige Lähmung) oder Hemiparese (unvollständige Lähmung) genannt, ist eine Lähmung einer Körperhälfte. Sie ist Symptom einer Grunderkrankung wie z. B. eines Schlaganfalls oder einer Schädigung des Gehirns aufgrund anderer Ursachen. Eine Schädigung der rechten Gehirnhälfte oder des rechten Stammhirns führt zu einer Lähmung der linken Körperhälfte. Ist die linke Gehirnhälfte oder das linke Stammhirn geschädigt, tritt die halbseitige Lähmung rechts auf. Selten kann eine halbseitige Schädigung des Rückenmarks die Ursache sein.
Spastik
Bewegungsstörungen nach einem Schlaganfall werden häufig durch eine erhöhte Grundspannung in bestimmten Muskeln ausgelöst, die als Spastik oder Spastizität bezeichnet wird. Eine Spastik ist ein Zustand, den Menschen nach verschiedenen Verletzungen oder bei verschiedenen Erkrankungen des zentralen Nervensystems, wie dem Gehirn oder dem Rückenmark, bekommen können. Sie ist ein Spannungszustand der Muskulatur, der nur bei bestimmten Erkrankungen auftreten kann. Die häufigste Form der Spastik im Bein ist der sogenannte mobile Spitzfuß, bei dem es im Sprunggelenk zu einer Beugung Richtung Fußfläche und zugleich zu einer Inversion kommt. Von der Entstehung einer Spastik bei Schlaganfall sind grundsätzlich eher die oberen Extremitäten, die Arme betroffen, gefolgt von den Beinen.
Fußheberschwäche
Die Fußheberschwäche ist eine der häufigsten Folgeerscheinungen nach einem Schlaganfall. Dabei ist die Signalweitergabe vom zentralen Nervensystem an die Bein- und Fußmuskeln gestört, sodass der Fuß nicht mehr koordiniert gesteuert werden kann. Im Normalfall wird etwa der Peroneusnerv in der Kniekehle aktiviert, der dafür sorgt, dass sich beim Gehen die Fußspitze hebt. Wenn dieses Signal den Nerv nicht mehr erreicht, hängt die Fußspitze des betroffenen Beines nach unten - deshalb wird die Fußheberschwäche umgangssprachlich auch Fallfuß genannt.
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Weitere Ursachen
Neben den genannten Hauptursachen können auch andere Faktoren zu Beinversagen nach einem Schlaganfall beitragen:
- Muskelschwäche (Parese/Plegie): Eine Parese (Teillähmung) oder Plegie (vollständige Lähmung) kann sich darin äußern, dass Haltungen oder Bewegungen schwerer oder nur unzureichend eingenommen bzw. ausgeführt werden können.
- Empfindungsstörungen: Gefühlsstörungen (Sensibilitätsstörungen) können ebenfalls die Beweglichkeit beeinträchtigen.
- Wahrnehmungsstörungen (Neglect): Manche Betroffenen sind nicht in der Lage, sich auf die Aufforderung zu einer Bewegung zu konzentrieren.
Symptome von Beinversagen nach einem Schlaganfall
Die Symptome von Beinversagen nach einem Schlaganfall können vielfältig sein und hängen von der Art und dem Ausmaß der Schädigung ab:
- Eingeschränkte Kraft und Beweglichkeit: Einseitige Kraft- und Bewegungsstörungen (Motorik) können den Alltag erheblich einschränken.
- Muskelverkrampfungen: Muskelverkrampfungen im Gesicht oder an Armen und Beinen können den Alltag erheblich einschränken und Betroffene psychisch enorm belasten.
- Spastik-Symptome: Typische Symptome der Spastik sind neben der Anspannung, die Sie selbst spüren, unter Umständen Schmerzen. Es kann auch zu Fehlstellungen kommen und es kann sein, dass die sonst flüssigen Bewegungen nicht mehr so gut funktionieren.
- Gleichgewichts- und Koordinationsstörungen: Häufig erschweren Gleichgewichts- und Koordinationsstörungen die eigenständige Fortbewegung.
- Eingeschränkte Mimik und Sprachstörungen: Lähmungen einer Gesichtshälfte führen häufig zu eingeschränkter Mimik und Sprachstörungen.
- Fußheberschwäche-Symptome: Patienten, die an einem Fallfuß oder einer Fußheberschwäche nach einem Schlaganfall leiden, sind in ihrem Alltag massiv eingeschränkt. Jede noch so kleine Bodenwelle kann gefährlich werden und Stürze sind in diesem Zusammenhang keine Seltenheit.
- Schmerzen: Nach einem Schlaganfall kann es häufig zu Schmerzen kommen. Verschiedene Studien und Untersuchungen zeigen, dass die Spastik selbst etwa in 50% der Fälle einen Spastik assoziierten Schmerz auslöst.
Diagnose von Beinversagen nach einem Schlaganfall
Eine plötzlich auftretende Halbseitenlähmung ist immer ein Notfall und muss umgehend untersucht werden, um die ursächliche Erkrankung festzustellen. Auch bei einer Halbseitenlähmung, die sich schleichend über einen längeren Zeitraum entwickelt, suchen unsere Experten der Neurologie zunächst nach der Ursache. In einer ausführlichen Untersuchung ermitteln wir mit Ihrer Hilfe die Vorgeschichte (Anamnese) und prüfen unter anderem Kraft, Reflexe und Spannung einzelner Muskelgruppen sowie Ihre Feinmotorik. Laboruntersuchungen, Blutbild und eine Untersuchung des Nervenwassers (Lumbalpunktion) geben uns weitere Hinweise.
Bildgebende Verfahren
Mit bildgebenden Verfahren wie der Computer (CT)- oder der Magnetresonanztomografie (MRT) können wir die Hirnschädigung detailliert darstellen.
- Computertomografie (CT): Darstellung der normalen Struktur und krankhafter Veränderungen oder Verletzungen im Schädelbereich.
- Magnetresonanztomografie/Kernspintomografie (MRT): Darstellung von Struktur und krankhaften Veränderungen im Hirngewebe und im Schädelbereich.
- Funktionelle Magnetresonanztomografie (fMRT): Darstellung der Durchblutung und Stoffwechselaktivität in bestimmten Gehirnregionen während einer Aufgabe.
- Elektroenzephalografie (EEG): Darstellung der elektrischen Hirnaktivität mit hoher zeitlicher Auflösung.
Weitere diagnostische Maßnahmen
- Neurologische Untersuchung: Um eine Spastik festzustellen, ist der neurologische Status, die neurologische Untersuchung am wichtigsten. Dabei werden Sie auf eine Arztliege gelegt und es wird der Spannungszustand der Muskulatur einzeln getestet. Die Spastik wird anhand des Widerstands, den die Ärzte bei dieser Testung spüren, graduiert. Anhand einer bestimmten Skala, beispielsweise der häufig verwendeten Ashworth-Skala, kann man sagen, dass es sich um eine zweitgradige oder drittgradige Spastizität handelt.
Behandlungsmöglichkeiten von Beinversagen nach einem Schlaganfall
Die Behandlung von Beinversagen nach einem Schlaganfall ist vielfältig und zielt darauf ab, dieFunktionsfähigkeit zu verbessern,Schmerzen zu lindern und die Lebensqualität zu erhöhen.
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Physiotherapie
Krankengymnastik ist ein wichtiger Bestandteil der Therapie für Patienten mit einer Fußheberschwäche. Abgestimmt auf die individuellen Einschränkungen des Betroffenen erstellt der Therapeut einen Behandlungsplan. Mit gezielten Übungen stärkt er die Muskeln und stimuliert die Nervenbahnen. Das Wichtigste nach einem Schlaganfall ist viel Bewegung. In der Physiotherapie wird darauf geachtet, dass keine Spastik-Muster eingeübt werden.
Orthesen
Sachkundig angefertigte Orthesen geben Halt und sind in einer Vielzahl von Ausführungen erhältlich. Je nach Bedarf sind sie mehr oder weniger dünn, leicht und alltagstauglich. Während textile Orthesen sich vor allem für leichte Fälle der Fußheberschwäche eignen, können dynamische Orthesen aus Carbon den Patienten bei einem mittelstarken Funktionsverlust unterstützen. Und Silikonorthesen bieten beispielsweise nicht nur auf Teerboden, sondern auch beim Training im Wasser guten Halt. Wichtig ist, dass sich Patienten mit einer Fußheberschwäche ausführlich von ihrem Therapeuten oder im Fachhandel beraten lassen.
Funktionelle Elektrostimulation (FES)
Im Gegensatz zu klassischen Orthesen, die sich darauf beschränken, passiv ein Fallen des Fußes zu verhindern, setzt die Funktionelle Elektrostimulation (FES) auf moderne Technik. Üblicherweise handelt es sich hierbei um eine Manschette, die am Unterschenkel befestigt wird und elektronische Impulse aussendet. Auf diese Weise werden die an der Fußhebung beteiligten Muskeln animiert, ihren Dienst zu erfüllen. Diese Technik gilt als äußerst effizient, da sie Gang, Gleichgewicht und Bewegungsausmaß deutlich verbessert.
Medikamentöse Behandlung
Eine Spastizität muss behandelt und begleitet werden. Sie bildet sich dann eventuell leicht zurück, in dem Maße, wie die Willkürmotorik wiederkommt.
Chirurgische Eingriffe
Es gibt chirurgische Eingriffe, die den Muskel denervieren, also den Nerv vom Muskel trennen oder unterbrechen.
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Hilfsmittel
Sei es der Gehstock, das Paar orthopädischer Schuhe oder die bequemen Einlagen: Was immer einem Patienten hilft, sein Gangbild zu verbessern, sollte genutzt werden.
Eigenübungen
Neben den klassischen Therapieansätzen sollten Patienten mit einer Fußheberschwäche auch auf zusätzliche Übungen setzen, die sich leicht in den Alltag im heimischen Wohnzimmer integrieren lassen.
- Fußtrommeln: Schuhe ausziehen, bequem hinsetzen, Kopfhörer auf die Ohren und los geht‘s: Im Takt zur Lieblingsmusik macht das Training besonders viel Spaß. Trommeln Sie mit den Füßen rhythmisch auf den Boden. Mal auf der einen Seite, dann auf der anderen, dann gleichzeitig. Verschärft geht das Ganze natürlich auch im Stehen.
- Stift aufheben: Was Finger können, können Zehen auch. Legen Sie sich einen Stift auf den Boden und versuchen Sie, ihn mit den Zehen hochzuheben.
- Ausfallschritt: Lehnen Sie sich mit den Händen an die Wand und machen Sie einen Ausfallschritt. Wichtig ist, dass der bewegungseingeschränkte Fuß hinten steht und die Ferse so gut wie möglich am Boden bleibt.
Rehabilitation
Nach der Akuttherapie wird der Fokus auf die Ursachenforschung des Schlaganfalls gelegt. Es wird immer das Herz-Kreislauf-Monitoring gemacht, bei dem Herzfrequenz, Atemfrequenz und Blutdruck beobachtet werden. Zudem werden natürlich bei allen Schlaganfall-Patienten mithilfe bildgebender Verfahren wie MRT und CT die gehirnversorgenden Gefäße untersucht, um die Art und das Ausmaß des Schlaganfalls abzuklären.
Angehörigenunterstützung
Die Angehörigen spielen nach einem Schlaganfall mit Spastizität eine wichtige Rolle für die Patientinnen und Patienten. Sie leisten im Alltag oft an vielen Stellen kleinere oder größere Hilfestellungen. Manchmal können SchlaganfallpatientInnen aufgrund einer Aphasie nicht mehr sprechen. Dann ist es wichtig, dass die Angehörigen zu Arztterminen mitgehen und berichten, wie der Alltag abläuft und ob die PatientInnen die Medikamente gut vertragen.
Prävention von Beinversagen nach einem Schlaganfall
Die besten Tipps zur Prävention eines Schlaganfalls sind letztendlich immer die Vermeidung von Risikofaktoren. Das heißt: Maßnahmen, die effektiv einem Bluthochdruck, Übergewicht, Bewegungsmangel und letzten Endes auch Diabetes vorbeugen und verhindern. Dazu gehört im ersten Schritt, dass man sich vernünftig ernährt, das heißt eine balancierte, ausgewogene zum Beispiel mediterrane Diät zu sich führt. Also überwiegend Gemüse, nicht zu viel Fleisch, nicht zu viel Alkohol. Alkohol ist zwar nicht komplett verboten, aber nur in sehr geringen Mengen. Und natürlich ist ausreichende Bewegung sehr wichtig. 20 bis 30 Minuten Bewegung pro Tag, bei der man leicht schwitzt, ist ideal. Und wenn Risikofaktoren wie Diabetes oder Bluthochdruck vorliegen, sollte man die natürlich auch behandeln.
Leben mit Beinversagen nach einem Schlaganfall
Auch wenn sich eine Fußheberschwäche nach einem Schlaganfall nicht vollständig therapieren lässt, ist die Lebensqualität der Patienten doch deutlich beeinflussbar. Ziel jedes Hilfsmittels und jeder Therapie muss sein, Bewegungsmöglichkeiten auszubauen, damit Betroffene ihren Alltag möglichst sicher und eigenständig bestreiten können. Wenn Menschen mit einer Fußheberschwäche die Chance bekommen, ein besseres Gangbild zu entwickeln, führt das zu mehr Eigenständigkeit und unterstützt die Teilhabe am sozialen Leben.
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