Epilepsie: Der Grad der Behinderung (GdB) und seine Bedeutung

Epilepsie ist eine neurologische Erkrankung, die durch wiederholte epileptische Anfälle gekennzeichnet ist. Diese Anfälle können das tägliche Leben der Betroffenen erheblich beeinträchtigen. In Deutschland haben Menschen mit Epilepsie die Möglichkeit, beim Versorgungsamt einen Grad der Behinderung (GdB) feststellen zu lassen und einen Schwerbehindertenausweis sowie sogenannte Merkzeichen zu beantragen. Dieser Artikel beleuchtet die Kriterien für die Feststellung des GdB bei Epilepsie, die damit verbundenen Nachteilsausgleiche und Hilfen sowie weitere wichtige Aspekte im Umgang mit dieser Erkrankung.

Feststellung des Grades der Behinderung (GdB)

Der Grad der Behinderung (GdB) ist ein Maß für die Beeinträchtigung einer Person aufgrund einer Krankheit oder Behinderung. Er wird auf einer Skala von 20 bis 100 in Zehnerschritten angegeben, wobei 100 den schwersten Grad der Behinderung darstellt. Ab einem GdB von 50 gilt ein Mensch als schwerbehindert. Der GdB wird vom Versorgungsamt (in einigen Bundesländern auch Amt für Soziale Angelegenheiten oder Amt für Soziales und Versorgung genannt) auf Antrag festgestellt.

Kriterien für die Feststellung des GdB bei Epilepsie

Die Höhe des GdB bei Epilepsie richtet sich nach der Schwere, Häufigkeit, Art und tageszeitlichen Verteilung der Anfälle. Anfälle, die tagsüber auftreten, werden in der Regel höher bewertet als Anfälle im Schlaf, da sie meist mehr Probleme verursachen. Die Versorgungsmedizinverordnung enthält als Anhang die sogenannten Versorgungsmedizinischen Grundsätze, die Anhaltspunkte zur Höhe des GdB bei verschiedenen Krankheiten geben. Es ist wichtig zu beachten, dass die Versorgungsmedizinischen Grundsätze andere (veraltete) Bezeichnungen für die Anfallsarten verwenden als die aktuelle Klassifizierung der Internationalen Liga gegen Epilepsie (ILAE). Dies kann die Zuordnung der Anfallsarten erschweren.

Anfallsarten und ihre Bedeutung für den GdB

Bei der Beurteilung des GdB werden verschiedene Anfallsarten berücksichtigt:

  • Generalisierte (große) Anfälle: Diese Anfälle, früher als "Grand mal" bezeichnet, sind bilateral tonisch-klonische Anfälle. Sie beginnen entweder in beiden Gehirnhälften (generalisierte Anfälle) oder breiten sich von einer Gehirnhälfte auf die andere aus (fokal zu bilateral tonisch-klonisch). Betroffene werden bewusstlos, versteifen sich und stürzen.
  • Komplex-fokale Anfälle: Hierbei handelt es sich um fokal beginnende Anfälle, die nicht bewusst erlebt werden und sich nicht zu einem bilateral tonisch-klonischen Anfall ausweiten.
  • Kleine Anfälle: Diese Anfälle, früher als "Petit mal" bezeichnet, sind generalisiert beginnende Anfälle mit kurzen Bewusstseinsaussetzern ohne Verkrampfungen. Betroffene wirken verträumt oder unkonzentriert und können sich hinterher nicht daran erinnern.
  • Einfach-fokale Anfälle: Dies sind bewusst erlebte fokal beginnende Anfälle, die sich z.B. durch Zuckungen oder seltsame Empfindungen äußern.
  • Serien von Anfällen: Bei einer Anfallsserie treten mehrere Anfälle an einem Tag auf. Dabei können generalisierte Krampfanfälle (mit Verkrampfungen), fokal betonte oder multifokale Anfälle auftreten.

Zusammenspiel verschiedener Funktionseinschränkungen

Der GdB berücksichtigt alle Funktionseinschränkungen eines Menschen gemeinsam. Das bedeutet, dass neben der Epilepsie auch andere Beeinträchtigungen, wie z.B. neuropsychologische, psychiatrische oder körperliche Begleitsymptome, in die Bewertung einfließen. Es ist wichtig, dass bei der Antragstellung alle relevanten Beeinträchtigungen angegeben werden, um eine realistische Einschätzung des GdB zu ermöglichen.

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Beispiele für die Festlegung des GdB

Um die Festlegung des GdB zu veranschaulichen, können folgende Beispiele dienen:

  • Thomas hat eine Absence-Epilepsie mit 2-3 Absencen pro Woche. Sein GdB wird möglicherweise niedriger ausfallen als bei Aya, die ebenfalls eine Absence-Epilepsie hat, aber Anfallsserien mit mehreren Absencen an 1-2 Tagen pro Woche erlebt. Ayas GdB wurde auf 70 festgelegt.

Nachteilsausgleiche und Hilfen für Menschen mit Epilepsie

Ein festgestellter GdB und ein Schwerbehindertenausweis ermöglichen den Zugang zu verschiedenen Nachteilsausgleichen und Hilfen. Diese sollen die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben erleichtern und die Lebensqualität verbessern.

Leistungen zur sozialen Teilhabe

Menschen mit Behinderungen haben Anspruch auf Leistungen zur sozialen Teilhabe, die im SGB IX - Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen geregelt sind. Diese Leistungen umfassen z.B. Hilfen im Beruf, Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und zur Teilhabe am Arbeitsleben.

Schwerbehindertenausweis und Merkzeichen

Mit einem Schwerbehindertenausweis können Menschen mit einem GdB von mindestens 50 ihre Schwerbehinderung im Alltag nachweisen. Der Ausweis kann auch Merkzeichen enthalten, die weitere Nachteilsausgleiche ermöglichen. Einige Beispiele für Merkzeichen sind:

  • G (Gehbehinderung): Berechtigt zur Nutzung von Behindertenparkplätzen und zur unentgeltlichen Beförderung im öffentlichen Personennahverkehr.
  • B (Begleitperson): Berechtigt zur Mitnahme einer Begleitperson im öffentlichen Personennahverkehr.
  • H (Hilflosigkeit): Wird bei Personen festgestellt, die dauernd hilflos sind und einen außergewöhnlich hohen Pflegebedarf haben.
  • aG (außergewöhnliche Gehbehinderung): Berechtigt zur Nutzung von Behindertenparkplätzen und zur unentgeltlichen Beförderung im öffentlichen Personennahverkehr.

Steuervorteile

Menschen mit Behinderungen können verschiedene Steuervorteile geltend machen, z.B. einen Behinderten-Pauschbetrag, eine behinderungsbedingte Fahrtkostenpauschale und Steuerermäßigungen für bestimmte Aufwendungen. Die Höhe der Steuervorteile richtet sich nach dem GdB und den Merkzeichen.

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Hilfen im Berufsleben

Epilepsie kann sich auf die berufliche Teilhabe auswirken. Es gibt jedoch verschiedene Hilfen und Nachteilsausgleiche, die Menschen mit Epilepsie im Berufsleben unterstützen sollen. Dazu gehören z.B. der besondere Kündigungsschutz für schwerbehinderte Arbeitnehmer, Leistungen zur begleitenden Hilfe im Arbeitsleben und die Möglichkeit einer Umschulung oder Qualifizierung. Arbeitgeber sind verpflichtet, die Arbeitsplätze behindertengerecht zu gestalten und die erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen zu treffen.

Führerschein und Epilepsie

Die Begutachtung der Kraftfahreignung bei Epilepsie ist in den Leitlinien des Bundesamtes für Straßenwesen festgelegt. Die Fahrerlaubnis kann unter bestimmten Voraussetzungen erteilt oder entzogen werden. Dabei spielen die Anfallsfreiheit, die Anfallsart und die Medikamenteneinnahme eine Rolle.

Epilepsie im Alltag und im Berufsleben

Epilepsie ist eine chronische Erkrankung, die den Alltag und das Berufsleben der Betroffenen beeinflussen kann. Es gibt jedoch viele Möglichkeiten, mit der Erkrankung umzugehen und ein erfülltes Leben zu führen.

Umgang mit Anfällen

Es ist wichtig, dass Menschen mit Epilepsie und ihre Angehörigen über die verschiedenen Anfallsarten, ihre Symptome und dieNotfallmaßnahmen informiert sind. Im Falle eines Anfalls sollten folgende Maßnahmen ergriffen werden:

  • Ruhe bewahren und den Betroffenen nicht allein lassen.
  • Den Betroffenen aus einem Gefahrenbereich entfernen.
  • Beengende Kleidungsstücke am Hals lösen.
  • Den Kopf polstern.
  • Krampferscheinungen nicht unterdrücken und keine Gegenstände zwischen die Zähne schieben.
  • Nach dem Anfall den Betroffenen in stabile Seitenlage bringen.
  • Die Dauer des Anfalls registrieren.
  • Nach dem Anfall Hilfe und Begleitung anbieten.

Epilepsie und Arbeit

Viele Menschen mit Epilepsie können dank einer Therapie anfallsfrei leben und benötigen in der Regel keine besondere Unterstützung am Arbeitsplatz. Solange aber mit Anfällen gerechnet werden muss und die Leistungsfähigkeit eingeschränkt ist, bestehen Risiken für die erkrankte Person selbst und für andere Personen im Arbeitsumfeld. Arbeitgeber sind verpflichtet, die Gefährdungen am Arbeitsplatz zu beurteilen und die erforderlichen Schutzmaßnahmen zu treffen. Es ist wichtig, dass Arbeitnehmer ihre Arbeitgeber über ihre Erkrankung informieren, wenn diese die Eignung für die Tätigkeit dauerhaft einschränkt.

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Epilepsie und Freizeit

Menschen mit Epilepsie können grundsätzlich allen Freizeitaktivitäten nachgehen, solange sie bestimmte Vorsichtsmaßnahmen beachten. Bei Sportarten mit einem erhöhten Verletzungsrisiko, wie z.B. Schwimmen oder Klettern, ist eine Beaufsichtigung ratsam. Auch bei Flugreisen sollten einige Punkte beachtet werden, z.B. die Mitnahme ausreichender Medikamente und die Anpassung der Medikamenteneinnahme an die Zeitverschiebung.

Epilepsie und Schwangerschaft

Frauen mit Epilepsie können grundsätzlich schwanger werden und gesunde Kinder zur Welt bringen. Es ist jedoch wichtig, dass sie sich vor und während der Schwangerschaft von einem Arzt beraten lassen, um die Medikamenteneinnahme optimal einzustellen und das Risiko von Komplikationen zu minimieren.

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