Epilepsie ist die häufigste chronisch neurologische Erkrankung des Gehirns bei Hunden, von der etwa einer von 111 Hunden betroffen ist. Die richtige Ernährung spielt eine entscheidende Rolle im Management von Epilepsie bei Hunden. Während die medikamentöse Einstellung im Vordergrund steht, hat sich die Forschung in den letzten Jahren intensiv mit der Rolle der Ernährung und speziellen Fettsäuren auseinandergesetzt.
Was ist Epilepsie?
Bei der Epilepsie kommt es zu unregelmäßigen und abnormalen Impulsen von Nervenzellen, die sich in sogenannten epileptiformen Krampfanfällen äußern. Diese Anfälle sind häufig mit Bewusstseinsverlust und Muskelkrämpfen verbunden, es kann zu unkontrollierten Bewegungen, Urin- und Kotabsatz sowie zu vermehrtem Speicheln kommen. Betroffene Tiere können aber auch nur Muskelkontraktionen oder abnormale Bewegungen zeigen (zum Beispiel typisches Fliegen schnappen ohne vorhandene Fliegen).
Phasen eines epileptischen Anfalls
Der epileptiforme Anfall wird in vier Phasen unterteilt:
- Prodromalphase: Diese Phase beschreibt den Zeitpunkt vor dem Anfall. Hierbei kann oft schon ein verändertes Verhalten, wie zum Beispiel Unruhe, Nähe suchen usw., beobachtet werden.
- Aura: Mit der Aura beginnt der eigentliche Anfall. Diese Phase ist durch ein stereotypes Verhalten der Tiere geprägt, welches den kommenden Anfall ankündigt. Sichtbar können Speicheln, Schmatzen und Lecken, hin und herlaufen und anderes nicht normales Verhalten sein.
- Iktale Phase: Diese Phase beschreibt den eigentlichen Anfall. Dabei können viele und unterschiedliche Symptome auftreten. Häufig geht der Anfall mit Bewusstseinsverlust oder -trübung, Muskelkontraktionen, Kot- und Urinabsatz und anderem einher.
- Postiktale Phase: Diese Phase beschreibt den Zustand nach dem Anfall. Die Tiere sind hierbei meist noch desorientiert und können vorübergehend blind sein oder andere sensorische Einschränkungen haben.
Formen der Epilepsie
Die Epilepsie kann angeboren oder erworben sein. Man unterscheidet zwei Hauptformen: die primäre und die sekundäre Epilepsie.
- Primäre Epilepsie: Diese Form kommt am häufigsten beim Hund vor. Da die genaue Ursache bisher noch unklar ist und hierbei keine Läsionen am Gehirn feststellbar sind, spricht man auch von idiopathischer Epilepsie. Eine genetische Komponente konnte für einige Rassen nachgewiesen werden (z.B. Border Collie, Golden Retriever) und wird auch bei anderen Rassen vermutet. Bei ca. 80% der Epileptiker bleibt die Ursache jedoch unbekannt.
- Sekundäre Epilepsie: Bei der sekundären oder auch erworbene Epilepsie sind strukturelle Veränderungen am Gehirn zu finden, welche im MRT dargestellt werden können. Sie wird daher auch als strukturelle Epilepsie bezeichnet.
- Reaktive Epilepsie: Von diesen beiden Formen muss die reaktive Epilepsie (metabolisch) unterschieden werden, bei der es durch organische Erkrankungen zu epileptiformen Anfällen kommt. Die Unterscheidung ist wichtig, da die Therapie gänzlich anders ist. Beispiele dafür sind Schwäche oder Ohnmacht durch Unterzuckerung (Hypoglykämie), Synkopen (Bewusstseinsverlust) durch Herz-Kreislaufprobleme und damit einhergehend eine Minderversorgung des Gehirns mit Sauerstoff, Elektrolytimbalancen durch bestimmte Stoffwechselerkrankungen.
Diagnose
Die richtige Diagnose ist für die Unterscheidung und auch Eingrenzung der Epilepsie sehr wichtig. Der erste Schritt zur Diagnosefindung ist neben der klinischen Vorgeschichte die allgemeine und neurologische Untersuchung. Diese dient der Lokalisation der Läsion. Anschließend werden Blutuntersuchungen und je nach Fall weitere Untersuchungen und Tests durchgeführt. Die bisherigen Anfälle sollten genau dokumentiert werden (Videos und Tagebücher sind dabei sehr hilfreich).
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Ernährung als wichtiger Therapiebaustein
Neben der medikamentösen Behandlung ist die Ernährung die zweitwichtigste Säule des Epilepsie-Managements. Die Forschung bezüglich möglicher Zusätze, insbesondere spezieller Fettsäuren, hat sich in den letzten Jahren sehr positiv entwickelt.
Mittelkettige Fettsäuren (MCT-Öle)
Der Einsatz mittelkettiger Fettsäuren (MCT-Öle) hat vielversprechende Ergebnisse gebracht. Eine Studie von Dr. Dr. Benjamin-Andreas Berk und Kollegen belegte, dass MCT-Öle, die unter anderem in Kokosöl enthalten sind, die Häufigkeit epileptischer Anfälle reduzieren können. Zudem können Anfälle insgesamt weniger stark ausfallen oder begleitende Verhaltensveränderungen weniger ausgeprägt sein.
MCT-Öl besteht ausschließlich aus mittelkettigen Fettsäuren (Medium-Chain Triglycerides), die in hohem Maß in Kokos- oder Palmöl vorkommen. In Verbindung mit einer stark kohlenhydratreduzierten Ernährung, der sogenannten ketogenen Diät, wirken sich diese Fettsäuren positiv auf den Stoffwechsel aus und können so epileptische Anfälle deutlich reduzieren oder sogar ganz verhindern. Beim Hund spricht man dabei von der „ketotischen Fütterungsweise", da sich sein Stoffwechsel deutlich von dem des Menschen unterscheidet.
Ketogene oder ketotische Ernährung
Eine kohlenhydratarme und gleichzeitig fettreiche Ernährung kann sich positiv auf Anfallshäufigkeit und Anfallsintensität auswirken. Bereits vor fast 100 Jahren entdeckten amerikanische Forscher, dass eine ketogene Diät beim Menschen epileptische Anfälle reduzieren kann. Erst 2015 wiesen Forscher erstmals auch beim Hunde-Epileptiker nach, dass sich eine ketogen ausgerichtete Ernährung, bei der der Körper seine Energie nicht aus Kohlenhydraten gewinnt, sondern in Ermangelung dessen auf das angebotene Fett zurückgreift, positiv auf die Krankheit auswirkt.
Anwendung von MCT-Öl in der Praxis
In einer Studie mit 36 Hunden, die trotz Medikamente noch immer unter mindestens einem Anfall im Monat litten und als „medikamentenresistent“ galten, testete Dr. Berk die Folgen einer dreimonatigen Fütterung mit reinem MCT-Öl als tägliche Zugabe im Vergleich zu einem durchschnittlichen Kontroll-Öl.
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Die Ergebnisse zeigten, dass über 75 Prozent der Hunde auf das MCT-Öl reagierten. Sie bekamen weniger Anfälle, die Anfälle fielen weniger schwer aus und die Hunde steckten die Nebenwirkungen der Medikamente besser weg. Auch im Verhalten änderten sie sich zum Positiven, waren weniger ängstlich oder geistig fitter. Und das alles ohne Nebenwirkungen.
In der Praxis ist MCT-Öl inzwischen zum festen Bestandteil in der Therapie von Hunden mit genetisch bedingter Epilepsie geworden. In einigen Fällen konnte die Medikamentengabe sogar reduziert oder ganz abgesetzt werden.
Vorsicht bei unkontrollierter Anwendung
Es ist wichtig zu beachten, dass die Gabe von MCT-Öl immer in Absprache mit dem Tierarzt erfolgen sollte. Die Dosierung muss individuell auf den Hund abgestimmt werden. Unkontrollierte Anwendungen können zu unerwünschten Nebenwirkungen führen.
Rohfütterung (BARF)
Auch die Rohfütterung, das sogenannte Barfen, kann eine gute Option für Hunde mit Epilepsie sein. Sie bietet generell eine gute Ausgangsbasis im Sinne des Ketogenen oder Ketotischen, weil sie fleischdominiert ist und wenig Kohlenhydrate enthält. Zudem hat der Besitzer die Kontrolle über die Rohstoffe.
Allerdings ist das Risiko, etwas falsch zu machen, viel größer. Vitamine, Kalzium, Aminosäuren - damit der epileptische Hund auch bekommt, was sein Körper und Gehirn brauchen, müssen alle Zutaten genauestens aufeinander abgestimmt sein. Ist das der Fall, kann auch Rohfütterung einen positiven Beitrag bei Epilepsie leisten. Studien deuten darauf hin, dass Barfen sich auf das Metabolom beziehungsweise das Mikrobiom auswirkt und die Zusammensetzung der hundlichen Darmflora verändert, wodurch Substanzen produziert werden, die sich positiv aufs Gehirn auswirken und damit die Epilepsie beeinflussen könnten.
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Nahrungsergänzungen
Eine Studie von Dr. Berk aus dem Jahr 2018 beschäftigte sich mit dem tierarztunabhängigen Einsatz, den Gründen und Auswirkungen einer „diätetischen Supplementierung beim Hunde-Epileptiker“ durch den Besitzer. Interessanterweise waren Öle wie mittelkettige Fettsäuren, Lachsöl, Kokosöl und Leinsamenöl in den Top 5 der am häufigsten verwendeten Nahrungsergänzungen. Pflanzen wie Mariendistel, Baldrian, Kurkuma, Grüner Tee, Knoblauch und spezielle chinesische Kräutermischungen hingegen schnitten weniger gut ab, da es für diese Produkte keinen wissenschaftlich fundierten Nachweis beim Epileptiker gibt.
No-Gos bei Epilepsie
Bestimmte Inhaltsstoffe in Futtermitteln können sich negativ auf Epilepsie auswirken. Dazu gehören:
- Zusatzstoffe: Aspartam und Mononatriumglutamat sollten vermieden werden.
- Bestimmte Medikamente: Die gleichzeitige Gabe von Magnesiumchlorid und Kaliumbromid kann zu Serienanfällen führen, da Chlorid den Kaliumbromidspiegel senkt.
Weitere wichtige Nährstoffe
Neben MCT-Ölen und einer kohlenhydratarmen Ernährung können auch andere Nährstoffe eine positive Wirkung auf Epilepsie haben:
- Magnesium, Taurin, Mangan und Omega-3-Fettsäuren: Diese Nährstoffe können die Nervenfunktion unterstützen.
- B-Vitamine, Vitamin E, Zink und Taurin: Diese Nährstoffe sind wichtig für die Unterstützung bei neurologischen Problemen.
Hypoallergenes Hundefutter
Ein hypoallergenes Hundefutter kann in Verdachtsfällen sinnvoll sein, da statistisch gesehen viele allergische Hunde gegen Getreide wie Weizen reagieren.
Risiken bei bestimmten Fütterungsarten
- Barfen: Bei Rohfütterung besteht das Risiko einer Infektion mit Toxoplasma gondii oder Neospora caninum, die durch rohes Fleisch übertragen werden können.
- Ketogene Diät: Bei einer ketogenen Diät wird die Bauchspeicheldrüse vermehrt belastet.
Allgemeine Ernährungsempfehlungen
- Hochwertige Öle: Setzen Sie hochwertige Öle als Fettlieferant in der Nahrung ein.
- Getreidefrei: Achten Sie auf eine getreidefreie Ernährung.
- Kalzium- und magnesiumreiche Produkte: Füttern Sie Ihrem Hund verstärkt kalzium- und magnesiumreiche Produkte.