Epilepsie bei Jugendlichen: Ursachen, Symptome und Behandlung

Epilepsie ist eine neurologische Erkrankung, die durch wiederholte unprovozierte Anfälle gekennzeichnet ist, die auf einer plötzlichen, abnormalen elektrischen Aktivität im Gehirn beruhen. Die Diagnose wird nach den Vorgaben der International League Against Epilepsy (ILAE) anhand des Anfallgeschehens und durch Zusatzbefunde erhoben, die auf eine Prädisposition für weitere epileptische Anfälle hindeuten. Die Behandlung basiert nahezu immer auf einer medikamentösen Therapie, gegebenenfalls begleitet von nicht pharmakologischen Maßnahmen wie ketogener Diät und Psychotherapie.

Einführung

Epilepsie, oft auch als Fallsucht bezeichnet, ist eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen. Bei Jugendlichen kann sie erhebliche Auswirkungen auf den Alltag haben. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen, Symptome, Diagnose und Behandlungsmöglichkeiten von Epilepsie bei Jugendlichen, um Betroffenen und ihren Familien ein besseres Verständnis der Erkrankung zu ermöglichen.

Was ist Epilepsie?

Epilepsie (ICD-10 G40) ist der Oberbegriff für zerebrale Funktionsausfälle aufgrund einer neuronalen Netzstörung. Leitsymptom sind wiederholte Anfälle. Definiert ist ein epileptischer Anfall als ein vorübergehendes Auftreten von subjektiven Zeichen und/oder objektivierbaren Symptomen aufgrund einer pathologisch exzessiven und/oder synchronisierten neuronalen Aktivität im Gehirn.

Die Epilepsie, auch Fallsucht genannt, hat viele Gesichter: Von einem nur für den Patienten spürbaren Vorgefühl bis zu bedrohlich erscheinenden sogenannten Grand Mal Anfällen. Von Epilepsie spricht man, wenn zwei epileptische Anfälle ohne erkennbare Auslöser stattgefunden haben oder ein Anfall, bei dem es Hinweise für eine Neigung zu weiteren Anfällen gibt.

Einordnung und Häufigkeit

Epilepsien gehören zu den häufigsten neurologischen Erkrankungen. Die Prävalenz in Industrieländern wird mit 0,5-0,9 Prozent angegeben. Die jährliche kumulative Inzidenz aller Epilepsien beträgt über alle Altersgruppen hinweg 67,77/100.000 Personen. Schätzungsweise erleiden circa 5 Prozent der Bevölkerung mindestens einmal im Leben einen Krampfanfall, ohne dass sich daraus eine aktive Epilepsie entwickelt.

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Etwa 0,5 % aller Kinder und Jugendlichen haben eine Epilepsie. Viele Epilepsieformen beginnen bereits in der Kindheit und halten bis ins Erwachsenenalter an.

Ursachen von Epilepsie bei Jugendlichen

Die Ursachen für Epilepsie sind vielfältig und können in verschiedene Kategorien eingeteilt werden: strukturelle, genetische, infektiöse, metabolische, immunologische und unbekannte Ursachen.

Strukturelle Ursachen

Eine strukturelle Epilepsie ist mit umschriebenen pathologischen Hirnveränderungen assoziiert. Diese können erworben oder genetisch bedingt sein. Epileptogene Läsionen sind beispielsweise Hirntumore und Hirninfarkte, Kontusionsdefekte, vaskuläre Malformationen, Enzephalozelen, fokale kortikale Dysplasien, Polymikrogyrie der kortikalen Neurone, hypothalamische Hamartome oder eine Hippocampussklerose. Ebenso kann eine perinatale Hirnschädigung, oft infolge von Sauerstoffmangel während des Geburtsvorgangs, eine Epilepsie verursachen [2,8].

Genetische Ursachen

In den letzten Jahren wurden mehrere Hundert Gene und Gen-Veränderungen identifiziert, die vermutlich oder sicher eine Epilepsie (mit)verursachen. Die Mehrzahl der Fälle der idiopathischen generalisierten Epilepsien (IGE) sind polygenetische Erkrankungen. Das Erkrankungsrisiko hängt von verschiedenen genetischen Suszeptibilitätsfaktoren und Umwelteinflüssen ab.

Infektiöse Ursachen

Infektionen sind die weltweit häufigste Ursache von Epilepsie. Eine infektiöse Ätiologie bezieht sich auf Patienten mit Epilepsie und nicht auf Patienten, die Anfälle im Verlauf einer akuten Infektion erleiden. Infektiöse Ursachen können regional variieren; typische Beispiele sind Neurozystizerkose, Tuberkulose, HIV, zerebrale Malaria, subakute sklerosierende Panenzephalitis, zerebrale Toxoplasmose und kongenitale Infektionen - etwa durch das Zika- oder Zytomegalie-Virus. Zudem sind post-infektiöse Entwicklungen einer Epilepsie möglich, beispielsweise nach einer viralen Enzephalitis [2,8].

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Metabolische Ursachen

Eine metabolisch verursachte Epilepsie ist direkte Folge einer Stoffwechselstörung, die epileptische Anfälle als Kernsymptomatik aufweist. Es wird angenommen, dass die meisten metabolisch bedingten Epilepsien einen genetischen Hintergrund haben und nur selten erworben sind.Mit einer Epilepsie assoziierte Erkrankungen/Situationen sind u.a. [2,8]: Hypoparathyreoidismus, Hämochromatose, Porphyrie, Störungen des Aminosäurestoffwechsels, Pyridoxin-abhängige Epilepsie (PDE), Hyponatriämie beim Syndrom der inadäquaten ADH-Sekretion (SIADH), Urämie, Hyper-/Hypoglykämiezerebraler Folsäuremangel.

Immunologische Ursachen

Eine immunologische Epilepsie ist auf eine autoimmun vermittelte Entzündung des ZNS zurückzuführen. Hierzu gehören vor allem die Kalium-Kanal-Antikörper (LGI1)-bedingte limbische Enzephalitis und die NMDA-Rezeptor-Antikörper assoziierte Enzephalitis (NMDA = N-Methyl-D-Aspartat) [2][8].

Unbekannte Ursachen

Neben den zuverlässig differenzierbaren Epilepsien gibt es Formen, deren Ursache (noch) nicht bekannt ist. Eine spezifischere Diagnose als die elektro-klinische Einordnung, etwa als Frontallappenepilepsie, ist bei diesen Patienten nicht möglich.

Weitere Faktoren

Bei Säuglingen und Kleinkindern können Schwangerschaftskomplikationen oder eine Störung der Entwicklung des Gehirns ursächlich sein. Zudem zeigen neuere Untersuchungen, dass es auch genetische Risikofaktoren für die Entwicklung einer Epilepsie gibt. Ein wichtiger Unterschied zwischen Epilepsie und Krampfanfall: Es gibt keinen akuten Auslöser für epileptische Anfälle, sondern eine dauerhafte Ursache wie eine strukturelle Veränderung im Gehirn oder eine chronische Grunderkrankung, die immer wieder zu epileptischen Anfällen führt.

Symptome von Epilepsie bei Jugendlichen

Die Symptome einer Epilepsie können sehr vielfältig sein und hängen von der Art des Anfalls ab. Es gibt generalisierte und fokale Anfälle, die sich unterschiedlich äußern können.

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Die Symptome eines epileptischen Anfalls sind vielseitig und können von Zuckungen und Krämpfen bis hin zu Bewusstseinsverlust reichen.

Die bei der Diagnose Epilepsie am häufigsten beklagten Beschwerden sind einerseits die epileptischen Anfälle, die manchmal ohne, meist aber mit Bewusstseinsverlust einhergehen. Andere Beschwerden sind Störungen der Befindlichkeit, Merkfähigkeit und Konzentration.

Generalisierte Anfälle

Bei generalisierten Anfällen ist das ganze Gehirn am Bild des Krampfanfalls beteiligt. Häufig ist das Bewusstsein hierbei beeinträchtigt bzw. nicht vorhanden.

  • Absencen: Bei Absencen kommt es zu einer plötzlichen Bewusstseinsstörung, sodass der Patient bzw. die Patientin seine oder ihre momentane Tätigkeit für die Dauer des Anfalls unterbricht. Die Betroffenen starren bei dieser Form eines epileptischen Anfalls oft ins Leere. Diese Anfälle können mehrere Sekunden dauern und sich stark gehäuft über den Tag wiederholen. Betroffene können sich an den Anfall nicht erinnern und fahren mit ihrer Tätigkeit nach dem Anfall wieder fort.
  • Myoklonische Anfälle: Ein myoklonischer Anfall verursacht keine Bewusstseinsstörungen, sondern äußert sich mit Muskelzuckungen.
  • Tonisch-klonische Anfälle (Grand-mal-Anfälle): Der tonisch-klonische Anfall oder auch Grand-mal-Anfall ist die Anfallsform, die am häufigsten mit der Krankheit Epilepsie in Verbindung gebracht wird. Die Symptome dieses Anfalls äußern sich meist in einem initialen Schrei des Betroffenen, gefolgt von einer Anspannung der Körpermuskulatur, die dann in Zuckungen des Körpers über geht (siehe oben). Ferner kommt es zu einem Bewusstseinsverlust, sodass sich der Patient bzw. die Patientin im Nachhinein nicht mehr an den Anfall erinnern kann. Auch die Blaufärbung der Lippen ist typisch. Sie entsteht durch die Verkrampfung der Atemmuskulatur während des Anfalls, sodass der oder die Betroffene keine Luft bekommt. Der Atemstillstand kann bis zu 30 Sekunden andauern, führt aber nicht zum Ersticken.
  • Atonische Anfälle: Verliert man die Muskelkraft, spricht man von einem atonischen Anfall.

Fokale Anfälle

Das Gegenteil des generalisierten epileptischen Anfalls ist der fokale Anfall bzw. die fokale Epilepsie. Dabei sind klar zu identifizierende Teilbereiche des Gehirns an der Symptomen des Anfalls beteiligt. Jedoch können sich fokale Anfälle auch zu generalisierten Anfällen ausweiten.

Fokale Anfälle werden auch als partielle oder lokalisationsbezogene epileptische Anfälle bezeichnet. Diese Anfälle gehen immer von einem bestimmten Bereich des Gehirns aus und betreffen in der Regel nur eine Gehirnhälfte. Man unterscheidet fokale Anfälle mit Bewusstseinseinschränkung (früher auch komplex-fokal genannt) und fokale Anfälle ohne Bewusstseinseinschränkung (früher einfach fokale Anfälle). Im ersten Fall nimmt der Patient oder die Patientin den epileptischen Anfall nicht bewusst wahr und kann sich später an nichts erinnern. Bei Erwachsenen ist dies die am häufigsten beobachtete Anfallsform.

Die Symptome fokaler Anfälle richten sich nach dem Ursprungsort im Gehirn. Eine häufige Anfallsform fokalen Ursprungs sind vegetative fokale Anfälle. Auch plötzliche Angst, Wut oder Halluzinationen werden in der Literatur beschrieben. Die Sinneswahrnehmung kann durch einen fokalen Anfall gestört werden. So kann Sehen, Hören, Schmecken, Riechen oder Tasten durch den Anfall so beeinträchtigt sein, dass Betroffene Blitze sehen, Geräusche oder Stimmen hören, einen komischen Geschmack im Mund haben, etwas Merkwürdiges riechen oder Temperatur-Missempfindungen, Kribbeln oder Lähmungserscheinungen spüren.

Fokale Anfälle mit Bewusstseinsverlust sind häufig durch sogenannte Automatismen geprägt. Patienten wiederholen im Anfall bestimmte Handlungsmuster, wie z. B. Kauen oder Schmatzen.

Aura

Vor dem sichtbaren Anfall berichtet der Patient manchmal über eine sogenannte Aura, ein Anfallsvorgefühl, das bereits Teil des epileptischen Anfalls ist und sich z.B. als aufsteigendes Unwohlsein, Sprachstörung, Schwindel oder Gedächtnisstörung zeigen kann. Manchmal ist die Aura aber auch das einzige spürbare Zeichen eines epileptischen Anfalls.

Akut symptomatische Anfälle (ASA)

Die ILAE definiert einmalige Krampfanfälle als sogenannte ASA. Sie werden nicht als Teil einer epileptischen Erkrankung eingestuft, sondern sind den epileptischen Anfällen lediglich ähnlich. Die Ursachen für einen solchen akut symptomatischen Anfall sind jedoch andere. ASA treten in engem zeitlichen Zusammenhang mit anderen Erkrankungen auf, wie z. B. als Folge einer Unterzuckerung, einer Hirnschädigung oder eines Schlaganfalls. Des Weiteren gibt es epileptische Anfälle, die keiner der genannten Klassen zuzuordnen sind. Diese gruppiert die ILAE als Anfälle mit mutmaßlicher Ursache (idiopathische Epilepsie).

Weitere mögliche Symptome

Auch Gefühls- und Verhaltensänderungen können Teil eines epileptischen Anfalls sein und werden als Krankheitszeichen der Epilepsie verstanden. Zwar sind die Anfallsformen vielfältig, jedoch treten bei einzelnen Epilepsie-Patientinnen und Patienten in der Regel nur ein bis maximal drei verschiedene Formen epileptischer Anfälle auf. Treten bestimmte Symptome, Abläufe und aktivierte Gehirnregionen regelmäßig zusammen in Erscheinung, kann man diese zu fest definierten Epilepsiesyndromen zusammenfassen.

Epilepsieformen im Kindesalter

Einige Epilepsieformen treten speziell im Kindes- und Jugendalter auf:

  • Absence-Epilepsie des Schulkindalters: Diese Form zeigt sich meist im Alter von fünf bis acht Jahren. Die kleinen Patienten erleben bis zu 100 Absencen am Tag.
  • Juvenile Absence-Epilepsie: Eine Absence-Epilepsie bei Kindern zwischen dem neunten und 15. Lebensjahr bezeichnen Neurologen als juvenile Absence-Epilepsie.
  • Rolando-Epilepsie: Die Rolando-Epilepsie zählt zu den häufigsten Formen von Kinderepilepsie. Sie zeigt sich durch oft nächtliche Anfälle, die meist nur sporadisch auftreten.
  • West-Syndrom (BNS-Epilepsie): Das West-Syndrom ist eine seltene, ernst zu nehmende Epilepsie bei Babys. Sie beginnt meist im Alter von zwei bis acht Monaten.
  • Lennox-Gastaut-Syndrom: Das Lennox-Gastaut-Syndrom (LGS) ist eine weitere seltene Form von Epilepsie bei Kindern. Es tritt meist zwischen dem dritten und fünften Lebensjahr erstmals in Erscheinung.
  • Juvenile myoklonische Epilepsie: Typischerweise tritt die juvenile myoklonische Epilepsie bei Kindern/Jugendlichen im Alter von zwölf bis 18 Jahren zum ersten Mal auf.
  • Dravet-Syndrom: Eine sehr seltene und schwere Form der Epilepsie bei Kindern ist das Dravet-Syndrom. Es wird auch myoklonische Frühenzephalopathie oder frühe infantile epileptische Enzephalopathie genannt. Meist erkranken Kinder zwischen dem dritten und zwölften Lebensmonat daran, selten später.

Diagnose von Epilepsie bei Jugendlichen

Die Diagnose einer Epilepsie basiert auf einer sorgfältigen Anamnese, neurologischen Untersuchung und verschiedenen technischen Untersuchungen.

Anamnese und neurologische Untersuchung

Die erste und wichtigste Untersuchung ist die Befragung des Patienten und der Augenzeugen des Anfallsereignisses, welche Vorgefühle eventuell den Anfall angekündigt haben, was der Patient noch selbst von dem Ereignis weiß, welche sichtbaren Phänomene sich abspielten. Dabei werden wichtige Informationen erhoben, die manchmal schon allein eine Verdachtsdiagnose begründen können, aber weiter ergänzt werden müssen durch neurologische und technische Untersuchungen.

Technische Untersuchungen

Die wichtigsten technischen Untersuchungen bei Verdacht auf Epilepsie sind:

  • Hochauflösende Magnetresonanztomografie des Gehirns: In der Magnetresonanztomografie des Gehirns (craniales MRT oder cMRT, veraltet: Kernspintomographie) werden die Bilder durch starke Magnetfelder erzeugt. Für spezielle Fragestellungen steht die funktionelle Magnetresonanztomografie (fMRT) zur Verfügung. Insbesondere können dabei vor einer Epilepsiechirurgie (siehe unten) spezielle Hirnfunktionen den zugehörigen Rindenarealen zugeordnet werden.
  • EEG-Diagnostik, Ableitung von Hirnströmen: Durch eine Elektroenzephalographie (EEG) kann die Bereitschaft des Gehirns zu epileptischen Entladungen direkt gezeigt werden. Je schneller nach einem Anfall eine EEG durchgeführt wird, umso höher die Chancen, Epilepsiepotentiale aufzuzeichnen. Dazu bekommt der Patient eine Haube mit Elektroden aufgesetzt, von denen die elektrische Oberflächenaktivität der Hirnrinde abgeleitet wird.
  • Liquordiagnostik und Labordiagnostik: Zur Bestätigung eines Verdachts auf einen sogenannten Grand-Mal-Anfall werden bestimmte Blutwerte herangezogen (CK-Wert, Prolaktin), aber auch bei bekannter Epilepsie sind regelmäßige Blutuntersuchungen (Blutspiegelkontrollen) unverzichtbar, da einige der eingesetzten Medikamente den Stoffwechsel von Leber oder Niere beeinflussen. Die Hirnwasser-Entnahme (Liquordiagnostik) wird immer bei Verdacht auf ein akut entzündliches Geschehen (z.B. Gehirnentzündung) durchgeführt, aber auch im Verlauf der Erkrankung, wenn die Anfälle medikamentös nicht einstellbar sind oder andere Beschwerden wie Gedächtnisstörungen oder Depression hinzu treten.
  • Spezielle Diagnostik: Sind Kernspintomographie und EEG-Untersuchungen unauffällig, gibt es weitere bildgebende Verfahren zur Lokalisierung des Epilepsieherdes. Diese sollten bei schwer behandelbarer Epilepsie angewendet werden und spezialisierten Einrichtungen vorbehalten sein, da die Interpretation der Ergebnisse einer großen Expertise bedarf.
  • Neuropsychologische Tests: Einbußen in Gedächtnis und Konzentration durch die individuelle Behandlung können erfasst und im Verlauf kontrolliert werden. Darüber hinaus können die Auswirkungen der Erkrankung auf den Lebensalltag der Patienten in Tests gemessen und im Verlauf immer wieder kontrolliert werden. Diese Untersuchungen der Gedächtnis- und Sprachleistungen dienen der Beurteilung einer vorgeschlagenen Maßnahme, wie die eines epilepsiechirurgischen Eingriffs oder der Vertretbarkeit einer medikamentösen Behandlung.
  • Eigene Videodokumentation per Smartphone: Im Zeitalter der Smartphones plädieren die Experten sehr dafür, dass Familienangehörige oder enge Freunde den Anfall des Betroffenen als Video aufnehmen und den behandelnden Ärzten zukommen lassen. Denn: Allein durch die Aufzeichnungen der sichtbaren Anfallsphänomene kann der Verdacht auf eine bestimmte Lokalisation des Epilepsieherds im Gehirn geäußert werden. Manchmal muss die Verdachtsdiagnose aber auch in Frage gestellt werden.

Behandlung von Epilepsie bei Jugendlichen

Prinzipiell ist Epilepsie eine gut behandelbare Erkrankung. Circa 60-70 Prozent der Erkrankten werden durch eine für sie passende Behandlung langfristig anfallsfrei. Nach dem ersten Anfall kann, nach mehreren Anfällen sollte eine Therapie der Epilepsie begonnen werden.

Akutbehandlung beim Anfall

Ein epileptischer Anfall ist normalerweise nach ca. 2-3 Minuten beendet und bedarf keiner Notfallmedikation. Dauert er länger, ist in jedem Fall professionelle Hilfe erforderlich. Als Außenstehender, der zu einem krampfenden Patienten kommt, ist es zunächst wichtig, Ruhe zu bewahren und den Patienten zu "sichern". Das kann bedeuten, spitze Gegenstände außer Reichweite zu bringen und den Notarzt zu rufen. Krampflösende Medikamente aus der Gruppe der Benzodiazepine werden zur Unterbrechung eines länger dauernden Anfalls oder einer Anfallsserie durch den Notarzt eingesetzt.

Medikamentöse Behandlung

Antiepileptika (Medikamente gegen Epilepsie) wirken nicht anti-epileptisch im eigentlichen Sinne, sondern sind "nur" Anfallsblocker und sorgen dafür, dass die Krampfschwelle des Gehirns nicht mehr so niedrig ist wie im unbehandelten Zustand. Setzt man sie ab, sind im Allgemeinen erneut Anfälle zu erwarten. Daher ist es oft lebenswichtig, Medikamente nur in Absprache mit dem behandelnden Neurologen um- oder abzusetzen. Die ausführliche Aufklärung über Risiken und Nebenwirkungen, über Wirkung und Chancen mit dem Präparat ist Grundlage für eine langfristig erfolgreiche Therapie. Gerade spezielle Patientengruppen, wie Schwangere, ältere Patienten oder Kinder, bedürfen einer besonderen Überprüfung der Medikation hinsichtlich Verträglichkeit, Nebenwirkung und Wechselwirkung mit anderen Präparaten - vor allem, wenn weitere Erkrankungen vorliegen.

Bei schwer behandelbaren Epilepsien oder Epilepsiesyndromen existieren noch alternative medikamentöse Behandlungsansätze aus der Gruppe der Immunsuppressiva. Die Indikationsgebiete hierfür sind streng begrenzt. Diagnosestellung und Einsatz solcher Medikamente ist spezialisierten Epilepsiezentren vorbehalten.

Ketogene Diät

Bei schwer behandelbaren Epilepsien empfehlen Ärztinnen und Ärzte manchmal eine bestimmte Ernährungsform - die ketogene Diät. Dabei werden nur wenig Kohlenhydrate und stattdessen vor allem Fette aufgenommen. Diese Diät hat zur Folge, dass sich der Stoffwechsel umstellt: Um Energie zu gewinnen, wird Fett statt Zucker abgebaut. Der erhöhte Gehalt an Fettsäuren im Blut soll wiederum die Signalübertragung der Nervenzellen im Gehirn beeinflussen und zu weniger Anfällen führen.

Mögliche Nebenwirkungen der ketogenen Diät sind Übelkeit, Erbrechen, Verstopfung und Durchfall. Eine weitere Hürde: Vielen Kindern fällt es schwer, die Ernährungsumstellung durchzuhalten.

Neurostimulation

  • Vagusnervstimulation (VNS): Die Vagusnervstimulation beruht auf der regelmäßigen Reizung des linken Vagusnervs, die über einen implantierten Generator unterhalb des linken Schlüsselbeins standardisiert alle 5 Minuten für 30 Sekunden abgegeben und ins Gehirn weitergeleitet wird, wo epileptische Aktivität regional unterdrückt werden kann. Diese Methode ist seit fast 20 Jahren weltweit etabliert und zeigt gute Erfolge bei den schwer betroffenen Epilepsiepatienten. Langzeit-Untersuchungen zeigen, dass mehr als die Hälfte der Patienten eine deutliche Anfallsverbesserung um mehr als 50 Prozent zeigt und dass die Lebensqualität durch deutliche Stimmungsverbesserungen sowie Verbesserungen der Aufmerksamkeit und der motorischen Fähigkeiten steigt.
  • Tiefe Hirnstimulation: Die tiefe Hirnstimulation ist ein Verfahren, das erst seit wenigen Jahren zur Behandlung zur Verfügung steht. Dabei werden Elektroden in bestimmten Hirnbereichen operativ eingepflanzt, die regelmäßig elektrische Impulse aussenden und damit eine Verbesserung der Anfallssituation erzielen können.
  • Transcutane Vagusnervstimulation (T-VNS): Die Wirksamkeit der transcutanen Vagusnervstimulation wird derzeit in Deutschland und Österreich im Rahmen einer Studie untersucht und Versicherten der Barmer mit schwer behandelbarer Epilepsie in einem aktuell laufenden Projekt mit der Universitätsklinik Bonn angeboten. Diese Methode beruht auf der äußeren Reizung eines Nerves, der die Ohrmuschel versorgt und ein Teilast des "Vagusnerven" ist. Eine Untersuchung der Universitätsklinik Erlangen konnte zeigen, dass regelmäßige Stimulationen über die Ohrelektrode, die der Patient selbst ein- und ausschalten sowie fein regulieren kann, die Anfallsaktivität unterdrücken kann.

Epilepsiechirurgie

Bei schwer von Epilepsie Betroffenen kann im Rahmen eines stationären Aufenthaltes in einem Epilepsiezentrum geklärt werden, ob ein operativer Eingriff zur Behandlung der Epilepsie möglich ist und mit welchen Chancen auf Heilung oder Besserung der Symptome, aber auch mit welchen Risiken (Sprachstörungen, Lähmungen, usw.) zu rechnen ist.

Ziel der Operation ist, den Epilepsieherd vollständig zu entfernen, ohne wichtige Gehirnfunktionen zu schädigen. Eine frühe Entscheidung für eine Operation kann den weiteren Lebensverlauf eines Patienten sehr positiv beeinflussen, vorausgesetzt, die Bedingungen für eine Operation sind erfüllt. Gerade im Kindesalter bedeutet eine Anfallsreduktion oder Anfallsfreiheit eine günstigere Entwicklung. Daher sollte die Abklärung, ob ein chirurgischer Eingriff für den Patienten in Betracht kommt, so früh wie möglich in einem dafür spezialisierten Zentrum vorgenommen werden.

Beratungsbedarf

Die Lebensqualität der Patienten ist nicht nur durch die Anfälle selbst, sondern auch durch deren Auswirkungen auf den Alltag beeinträchtigt. Eine besondere Beratung und Aufklärung zu vielfältigen Themenkreisen ist daher notwendig, z. B. Erste Hilfe, Auslöser von Anfällen, Risiken im Alltag, Mobilität, Reisefähigkeit, Behandlung, Beruf, Sexualität, Begleiterkrankungen, usw.

Auswirkungen auf den Alltag

Die Diagnose der Erkrankung Epilepsie hat oft weit reichende Folgen für das alltägliche Leben:

  • Die Berufswahl kann eingeschränkt sein, insbesondere Berufskraftfahrer sind mit einem Schlag berufsunfähig.
  • Die Mobilität mit dem PKW ist durch zunächst begrenztes Fahrverbot erst einmal aufgehoben.
  • Ein Kinderwunsch muss nun - hauptsächlich aufgrund der eventuell notwendigen Medikation - geplant werden.
  • Begleiterkrankungen, wie Depressionen, Angststörungen oder Gedächtnisstörungen sind bei Epilepsie häufig. Eine psychiatrische und/oder psychotherapeutische Mitbehandlung ist in vielen Fällen zur Erhaltung der Lebensqualität notwendig.

Erste Hilfe bei einem epileptischen Anfall

Die Symptome einer Epilepsie treten meist ganz plötzlich und unvermittelt auf, weshalb es entscheidend ist, dass Angehörige genau wissen, wie man schnell und präzise Erste Hilfe während eines Anfalls leistet. Das kann Angehörigen und Betroffenen große Angst machen. Denn meistens sind epileptische Anfälle zwar erschreckend, aber nicht gefährlich. Zumindest dann nicht, wenn sie gut kontrolliert und behandelt werden. Weder drohen durch akute Anfälle Hirnschäden, noch führt ein Anfall selbst zum Tod. Plötzliche und unerwartete Todesfälle durch einen epileptischen Anfall (SUDEP) sind sehr selten. Die weitaus größere Gefahr sind plötzliche Anfälle während des Autofahrens oder Stürze aus großer Höhe. Aufklärung und Vorbeugung, sowie eine konsequente Einnahme der Medikamente, sind hier mit Abstand der beste Weg, dieses Risiko zu reduzieren.

Als Außenstehender, der zu einem krampfenden Patienten kommt, ist es zunächst wichtig, Ruhe zu bewahren und den Patienten zu "sichern". Das kann bedeuten, spitze Gegenstände außer Reichweite zu bringen und den Notarzt zu rufen. Krampflösende Medikamente aus der Gruppe der Benzodiazepine werden zur Unterbrechung eines länger dauernden Anfalls oder einer Anfallsserie durch den Notarzt eingesetzt.

Prognose

Die Epilepsie gilt als eine der am besten zu behandelnden neurologischen Erkrankungen der Welt und bis zu zwei Drittel der Patientinnen und Patienten werden durch die medikamentöse Therapie mit Antikonvulsiva anfallsfrei. Da Epilepsie jedoch nicht heilbar ist, gilt die Anfallskontrolle als wichtigstes Ziel. Diese ist oft nur durch eine lebenslange Einnahme der Anfallssuppressiva möglich, welche dann aber oft ein uneingeschränktes und selbstständiges Leben bis ins hohe Alter ermöglicht.

Bei vielen Kindern und Jugendlichen lässt sich eine Epilepsie gut behandeln. Manchmal legt sich die Erkrankung nach einigen Jahren ganz, dann treten keine Anfälle mehr auf. Es gibt aber auch Epilepsien, die ein Leben lang bleiben und kaum auf Medikamente ansprechen.

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