Epilepsie ist eine neurologische Erkrankung, die durch wiederholte Anfälle gekennzeichnet ist. Diese Anfälle entstehen durch plötzliche, unkontrollierte elektrische Entladungen von Nervenzellen im Gehirn. Obwohl medikamentöse Behandlungen in vielen Fällen eine gute Kontrolle ermöglichen, können bestimmte Faktoren Anfälle auslösen. Einer dieser Faktoren, der besondere Aufmerksamkeit verdient, sind blinkende Lichter und Stroboskopeffekte.
Das Phänomen der fotosensitiven Epilepsie
Ein kleiner Prozentsatz der Menschen mit Epilepsie, etwa 3 %, leidet unter fotosensitiver Epilepsie. Bei dieser Form der Epilepsie können Anfälle durch visuelle Reize ausgelöst werden, insbesondere durch blinkende oder flackernde Lichter in einem bestimmten Frequenzbereich.
Wie blinkende Lichter Anfälle auslösen können
Blinkende Lichter, insbesondere solche mit einer Frequenz von etwa 15 bis 25 Hz, scheinen am ehesten Anfälle auszulösen. Es wird angenommen, dass diese Frequenzen die Aktivität der Nervenzellen im Gehirn so stark stimulieren, dass sie zu einer unkontrollierten Entladung führen können.
Temporal Light Artefacts (TLA)
Als "Temporal Light Artefacts" (TLA) bezeichnet man Wahrnehmungen, die auf zeitlichen Schwankungen der Helligkeit (der Leuchtdichte) oder der spektralen Verteilung von Licht beruhen. Diese Schwankungen können als Flimmern oder Stroboskopeffekte wahrgenommen werden. Wenn zu den Schwankungen der Leuchtdichte oder der spektralen Verteilung einer Lichtquelle noch schnelle Bewegung hinzu kommt, können spezielle visuelle Phänomene auftreten. So können beispielsweise rotierende Maschinenteile fälschlich als stillstehend wahrgenommen werden („Wagenradeffekt“) oder Lichtquellen wie z.B. LED-Autorückleuchten erscheinen scheinbar vervielfältigt mehrfach hintereinander („Perlschnureffekt“).
Flimmerverschmelzungsfrequenz (FVF)
Das menschliche Auge kann, wenn die Frequenz niedrig genug und die Veränderung groß genug ist, Schwankungen der Lichtintensität visuell als Flimmern bewusst wahrnehmen. Erhöht sich die Flimmer-Frequenz, kann das Auge diese Veränderungen nicht mehr auflösen und nimmt die Strahlung als kontinuierlich wahr. Allerdings hängt diese sogenannte "Flimmerverschmelzungsfrequenz" (FVF) von verschiedenen Faktoren ab, so dass keine für alle Lichtquellen und alle Personengruppen einheitliche FVF definiert werden kann.
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Risikofaktoren und Begleitumstände
Neben den blinkenden Lichtern selbst können weitere Faktoren das Risiko eines Anfalls erhöhen. Dazu gehören:
- Schlafentzug: Müdigkeit und Schlafmangel sind bekannte Auslöser für epileptische Anfälle.
- Alkoholkonsum: Übermäßiger Alkoholkonsum kann die Gehirnchemie beeinflussen und Anfälle provozieren. Mäßiger Alkoholkonsum (ein bis zwei Gläser pro Tag) ist normalerweise in Ordnung.
- Drogenkonsum: Viele Freizeitdrogen können die Gehirnchemie beeinflussen und möglicherweise einen Anfall auslösen.
- Stress: Stress kann das Risiko für Anfälle erhöhen.
- Dehydration: Achten Sie darauf, dass Sie immer ausreichend Flüssigkeit zu sich nehmen. Dies ist besonders wichtig, wenn Sie Sport treiben.
- Ausgelassene Mahlzeiten: Regelmäßige Mahlzeiten können dazu beitragen, dass Ihre Anfälle unter Kontrolle bleiben.
Epileptische Anfälle auf Musikfestivals
Konzerte mit elektronischer Tanzmusik sind oft von intensiven Lichteffekten begleitet, die ein besonderes Risiko für Menschen mit fotosensitiver Epilepsie darstellen können. Eine Studie aus den Niederlanden hat gezeigt, dass bei solchen Veranstaltungen epileptische Anfälle zwar selten sind, aber dennoch vorkommen können. Die Kombination aus blinkenden Lichtern, lauter Musik, Schlafmangel und möglicherweise Drogenkonsum kann das Risiko erhöhen.
Symptome und Diagnose
Symptome eines epileptischen Anfalls
Ein epileptischer Anfall kann sich auf unterschiedliche Weise äußern. Zu den häufigsten Symptomen gehören:
- Krampfartige Zuckungen: Unkontrollierte Muskelzuckungen, insbesondere in Armen und Beinen.
- Bewusstseinsverlust: Verlust des Bewusstseins oder der Kontrolle über den Körper.
- Veränderungen der Sinneswahrnehmung: Wahrnehmung von Kribbeln, Taubheitsgefühlen, Lichtblitzen, ungewöhnlichen Geräuschen oder Gerüchen.
- Aura: Ein Gefühl oder eine Erfahrung, die dem Anfall vorausgeht, wie z. B. plötzliche Angst oder Déjà-vu.
Diagnose von Epilepsie
Die Diagnose von Epilepsie umfasst in der Regel eine ausführliche Anamnese, eine körperliche Untersuchung und verschiedene diagnostische Tests. Dazu gehören:
- Elektroenzephalogramm (EEG): Misst die Hirnströme und kann Anzeichen für eine erhöhte Anfallsbereitschaft erkennen.
- Bildgebende Verfahren (CT oder MRT): Können strukturelle Veränderungen im Gehirn aufdecken, die möglicherweise Anfälle verursachen.
- Blutuntersuchungen: Können helfen, andere Ursachen für Anfälle auszuschließen.
- Genetische Tests: In einigen Fällen können genetische Tests durchgeführt werden, um die Ursache der Epilepsie zu ermitteln.
Umgang mit fotosensitiver Epilepsie
Präventive Maßnahmen
Wenn Sie wissen, dass Sie unter fotosensitiver Epilepsie leiden, können Sie verschiedene Maßnahmen ergreifen, um Anfälle zu vermeiden:
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- Vermeiden Sie blinkende Lichter: Seien Sie vorsichtig bei Veranstaltungen mit intensiven Lichteffekten, wie z. B. Konzerten, Diskotheken oder Videospielen.
- Verwenden Sie spezielle Brillen: Es gibt spezielle Brillen mit Filtern, die das schädliche Licht reduzieren können.
- Sitzen Sie in einem gut beleuchteten Raum: Wenn Sie sich in einem Raum mit blinkenden Lichtern befinden, setzen Sie sich in einen Bereich, der gut beleuchtet ist.
- Decken Sie ein Auge ab: Wenn Sie sich nicht von den blinkenden Lichtern entfernen können, decken Sie ein Auge ab, um die Stimulation zu reduzieren.
- Halten Sie sich an Ihren Behandlungsplan: Nehmen Sie Ihre Medikamente regelmäßig ein und vermeiden Sie Auslöser wie Schlafmangel, Alkohol und Drogen.
Zusätzliche Informationen für Zahnärzte
Zahnärzte sollten sich der besonderen Bedürfnisse von Patienten mit Epilepsie bewusst sein. Viele Zahnmediziner gaben an, bei Epilepsie-Patienten eine Behandlung unter kurzzeitiger Vollnarkose zu bevorzugen. Eine gleich große Anzahl empfahl Dentalkeramik als Material für Frontzahnversorgungen und 64 Prozent von ihnen würden dieser Patientengruppe keinen herausnehmbaren Zahnersatz anbieten. 21 Prozent der kontaktierten Zahnmediziner glauben, dass ihr Equipment eigentlich nicht auf die Behandlung von Anfall-Patienten abgestimmt ist. Es ist wichtig, dass Zahnärzte über mögliche Wechselwirkungen von Analgetika und Antibiotika mit den Epilepsie-Medikamenten informiert sind.
EU-Verordnung zur Begrenzung von Flimmern und Stroboskopeffekten
Die EU-Verordnung 2019/2020 zur Festlegung von Ökodesign-Anforderungen an Lichtquellen (mit Änderungsverordnung 2021/341/EU, Anhang IV) enthält erstmals Anforderungen, die Flimmern und Stroboskopeffekte bei LED-Lichtquellen, die direkt mit Strom aus dem öffentlichen Stromnetz betrieben werden können, begrenzen sollen. Die Anforderungen gelten seit dem 01.09.2021. Leuchtmittelhersteller sind zudem verpflichtet, ihre auf dem Markt befindlichen Produkte in einer EU weiten Datenbank, der European Product Database for Energy Labelling (EPREL) zu registrieren. Über einen QR-Code auf der Verpackung können die Verbraucherinnen und Verbraucher künftig zusätzliche Produktinformationen, darunter die Werte zu Flimmern und Stroboskopeffekten, abrufen.
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