Die Lyme-Borreliose, eine bakterielle Infektionskrankheit, die durch Zeckenstiche übertragen wird, kann in seltenen Fällen das Nervensystem befallen und zu einer Neuroborreliose führen. Als eine der möglichen Folgen einer Neuroborreliose kann Epilepsie auftreten. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen von Epilepsie im Zusammenhang mit Zeckenbissen, die Diagnosemethoden und die Bedeutung einer frühzeitigen Erkennung und Behandlung.
Neuroborreliose und ihre Auswirkungen auf das Nervensystem
Etwa 15 Prozent der Borreliosefälle breiten sich auch auf das Nervensystem aus und verursachen Symptome wie Schwindel und Kopfschmerzen oder sogar Lähmungen im Gesicht und Epilepsie. Die Neuroborreliose ist eine Verlaufsform der Lyme-Borreliose. Sie entwickelt sich, wenn sich die Borrelien-Bakterien im Körper ausbreiten und dabei das Hirn oder die Nervenbahnen befallen.
Symptome der Neuroborreliose
Eine Neuroborreliose zeigt sich durch Kopfschmerzen, Nervenschmerzen und Schwindel. Auch Lähmungen und epileptische Anfälle sind möglich. In seltenen Fällen entwickeln sich die Beschwerden schleichend über Monate bis Jahre. Mediziner unterscheiden eine frühe (akute) und eine späte (chronische) Neuroborreliose. Bei der frühen Neuroborreliose dauert es wenige Wochen bis Monate, bis nach der Infektion mit Borrelien erste Beschwerden auftreten. Bei der späten Neuroborreliose liegen hingegen Monate bis Jahre zwischen Infektion und eindeutigen Symptomen.
Frühe Neuroborreliose
Bei vermutlich mehr als 98 Prozent aller Neuroborreliose-Patienten liegt eine frühe Neuroborreliose vor. Die ersten Symptome treten innerhalb von wenigen Wochen bis einigen Monaten nach der Infektion mit dem Borreliose-Erreger (über einen Zeckenstich) auf. Typischerweise entwickelt sich eine schmerzhafte, nicht-eitrige Entzündung der Hirnhäute und der Nervenwurzeln des Rückenmarks. Mediziner sprechen hier von einer Meningopolyradikulitis. Sie äußert sich mit quälenden Nervenschmerzen. Betroffene beschreiben die Schmerzen als brennend, bohrend, beißend oder reißend. Sie leiden vor allem nachts darunter. Zusätzlich können Missempfindungen und schlaffe Lähmungen auftreten. Beispielsweise ist die frühe Neuroborreliose oft verbunden mit einer ein- oder beidseitigen Gesichtslähmung (Fazialisparese). Sie beruht auf einer Entzündung des 7. Hirnnervs (Gesichts- oder Fazialisnerv). Seltener sind bei einer Neuroborreliose andere Hirnnerven entzündet. Zu den möglichen Folgen zählen unter anderem Lähmungen der Augenmuskeln, Hörminderung und Schwindel. Bei Kindern mit früher Neuroborreliose beobachtet man oft nur eine isolierte Gesichtslähmung oder eine akute Hirnhautentzündung (Meningitis). Letztere kann mit Symptomen wie Kopfschmerzen, Nackensteife, Lichtscheu, Übelkeit, Erbrechen und emotionaler Labilität einhergehen.
Späte Neuroborreliose
Die späte (chronische) Neuroborreliose ist selten. Bei den Betroffenen entwickeln sich die neurologischen Beschwerden schleichend über Monate bis Jahre. Typischerweise kommt es zu einer chronisch fortschreitenden Entzündung des Gehirns und Rückenmarks (Enzephalomyelitis). Die Betroffenen haben meist keine Schmerzen, leiden aber unter Gangstörungen und Problemen bei der Blasenentleerung. Außerdem kann die späte Neuroborreliose Symptome wie Sprach- und Sprechbeschwerden, Hörminderung, Koordinationsschwierigkeiten, Sensibilitätsstörungen und Lähmungserscheinungen hervorrufen. Selten entwickelt sich bei später Neuroborreliose eine Epilepsie oder ein organisches Psychosyndrom (mit Konzentrations- und Bewusstseinsstörungen sowie Halluzinationen). Ebenfalls selten entzünden sich Blutgefäße im Gehirn (zerebrale Vaskulitis), was einen Schlaganfall zur Folge haben kann. Sehr selten tritt eine isolierte Hirnhautentzündung (Meningitis) auf.
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Neuroborreliose bei Kindern
Bei Kindern überwiegen leichte Krankheitsverläufe. Nur bei etwa 3-10% treten neurologische Folgen auf, wie Konzentrationsstörungen, Lähmungserscheinungen oder Epilepsie. Etwa 1% entwickeln schwere Verläufe mit tödlichem Ausgang.
Diagnose der Neuroborreliose
Die Diagnose der Neuroborreliose kann schwierig sein und erfordert eine Kombination verschiedener Methoden. Zu den bisherigen Diagnosemethoden gehörten unterschiedliche Methoden wie die Identifikation neurologischer Auffälligkeiten, die Messung der weißen Blutkörperchen in der Cerebrospinalflüssigkeit (CSF) und der Nachweis verschiedener Antikörper ebenfalls in der CSF. Doch aufgrund der ungenauen Aussagekraft dieser Methoden ist die korrekte Diagnose schwierig.
CXCL13 als Biomarker
Ein vielversprechender Ansatz zur Diagnose der Neuroborreliose ist die Messung des Proteins CXCL13 in der Cerebrospinalflüssigkeit (CSF). Das CXCL13 zählt zu den sogenannten Chemokinen. Das sind kleine Eiweiße, die als Reaktion auf eine Infektion oder Verletzung ausgeschüttet werden und an der Steuerung einzelner Abwehrzellen des Immunsystems beteiligt sind. Bei fast allen Patienten mit akuter Neuroborreliose steigt der CXCL13-Spiegel im Nervenwasser deutlich an - noch bevor der Körper spezifische Antikörper gegen den Borreliose-Erreger gebildet hat. Und er fällt in der Regel mit Beginn einer antibiotischen Behandlung. Allerdings erhöht sich der CXCL13-Spiegel auch bei anderen Erkrankungen. Zudem gibt es noch kein standardisiertes Verfahren für die Bestimmung dieses Proteins im Liquor. Deshalb ist die CXCL13-Messung im Nervenwasser nur empfohlen, wenn jemand Symptome einer frühen Neuroborreliose zeigt, aber die Anzahl der weißen Blutkörperchen (noch) unauffällig ist und/oder sich (noch) keine Borrelien-Antikörper nachweisen lassen.
Ermittlung des Schwellenwerts für CXCL13
Nach genauer Analyse der Daten auf einen Wert von CXCL13, der eine genaue Diagnose ermöglicht, ermittelten die Forschenden einen Schwellenwert von 271 Piktogramm pro Milliliter. Bei diesem Wert ergibt sich eine Genauigkeit von 97,2 Prozent und eine Sensitivität von 95,2 Prozent. Dabei eignet sich das Zytokin besonders für eine frühe Diagnose, da es erst freigesetzt wird, wenn Oberflächenproteine von B. burgdoferi mit Zellen des Immunsystems reagieren, noch bevor Antikörper gebildet werden.
Weitere Untersuchungen zur Diagnose
Zur Abklärung des Verdachts kann der Arzt verschiedene Labortests durchführen. Dieser Test kann das Blut und die Gehirn-/Rückenmarksflüssigkeit (Nervenwasser oder Liquor) des Patienten auf spezifische Antikörper gegen Borrelien-Bakterien untersuchen. Die Ergebnisse solcher Tests lassen sich aber nicht immer eindeutig interpretieren. Das liegt unter anderem daran, dass sich auch dann noch Borrelien-Antikörper nachweisen lassen, wenn die Infektion schon lange zurückliegt und längst ausgeheilt ist. Finden sich in der Nervenwasser-Probe (Liquor-Probe) tatsächlich Borrelien-Antikörper, reicht das aber noch nicht für eine sichere Diagnose. Es müssen sich auch entzündliche Veränderungen im Nervenwasser nachweisen lassen. Dazu zählen etwa eine erhöhte Anzahl an weißen Blutkörperchen sowie eine Erhöhung des Gesamteiweißes. Zur Unterstützung der Neuroborreliose-Diagnose kann man den Erreger auch direkt im Nervenwasser nachweisen (in speziell dafür geschulten Laboratorien). Dazu nimmt man eine Liquor-Probe des Patienten und versucht, damit Borrelien-Bakterien anzuzüchten (Kultur) oder Erbgut-Schnipsel der Erreger nachzuweisen (mittels Polymerase-Kettenreaktion = PCR). Das gelingt aber nur in relativ wenigen Fällen. Außerdem ist eine Borrelien-Kultur sehr zeitaufwendig. Hinzu kommt, dass nur spezielle Labore diese Tests zuverlässig durchführen können. Deshalb ist der Direktnachweis von Borreliose-Erregern bei Verdacht auf Neuroborreliose meist nur in Ausnahmefällen empfohlen. Er kann etwa hilfreich sein, wenn ein Patient aufgrund eines Immundefekts kaum Antikörper produzieren kann, sodass Antikörper-Tests wenig aussagekräftig sind. Routinemäßig werden bei Verdacht auf Neuroborreliose auch gängige Blutparameter bestimmt. Dazu zählen unter anderem die Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit (BSG), die weißen Blutkörperchen (Leukozyten) und das C-reaktive Protein (CRP). Diese Werte sind bei einer Neuroborreliose normal oder leicht erhöht und können allgemein auf eine den ganzen Körper betreffende (systemische) Infektion hindeuten. Die Bestimmung solcher Blutparameter dient vor allem dazu, andere Ursachen für die möglichen Neuroborreliose-Anzeichen auszuschließen. In bestimmten Fällen führt der Arzt noch weitere Untersuchungen durch. Hat er etwa den Verdacht, dass die Borrelien eine Entzündung von Hirngefäßen (zerebrale Vaskulitis) verursacht haben, veranlasst er zur Abklärung eine Magnetresonanztomografie (MRT, Kernspintomografie). In den MRT-Bildern sind mitunter Hinweise auf eine Neuroborreliose sichtbar. Das ist beispielsweise eine Hirnhautentzündung, Hirnentzündung, Hirnnervenentzündung oder Entzündungen der Gefäße.
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Bedeutung der Anamnese
Keine dieser Methoden reicht alleine als Beweis für eine Neuroborreliose. Die Kombination mehrerer Faktoren sichert die Diagnose. Vor allem im Zusammenhang mit einer entsprechenden Anamnese stellen Ärzte die Diagnose der Neuroborreliose. Das nimmt in der Regel aber mehrere Untersuchungen in Anspruch.
Epilepsie als Folge von Neuroborreliose
Epilepsie kann als eine der möglichen Spätfolgen einer Neuroborreliose auftreten. Die Entzündungsprozesse im Gehirn, die durch die Borrelien-Bakterien verursacht werden, können zu strukturellen Veränderungen und einer erhöhten Erregbarkeit der Nervenzellen führen, was das Auftreten von epileptischen Anfällen begünstigt.
Ursachen von Epilepsie
Grundsätzlich gilt, dass jedes Ereignis, das einen Schaden im Gehirn verursacht, ein potenzieller Auslöser für ein epileptisches Anfallsleiden sein kann. Die Medizin unterscheidet hier zurzeit strukturelle, infektiöse, metabolische, genetische und immunologische Ursachen. Infektionen des Gehirns können unter anderem durch Borreliose hervorgerufen werden.
Epilepsie-Ursachen im Überblick
- Strukturelle Epilepsie: Entsteht als Folge einer bekannten Ursache wie einem Schlaganfall, Hirntumor oder einer Kopfverletzung bzw. Hirnverletzung. Die strukturellen Veränderungen können mitunter zu einem erhöhten Hirndruck oder Durchblutungsstörungen führen, die dann epileptische Anfälle begünstigen.
- Infektiöse Epilepsie: Ihnen liegt eine infektiöse Erkrankung (hervorgerufen durch Viren oder Bakterien) des Gehirns zugrunde, wie z. B. Borreliose.
- Metabolische Epilepsie: Sie gehen aus Veränderungen im Stoffwechsel (Metabolismus) hervor.
- Immunologische Epilepsie: Ihnen liegt eine chronische Entzündung des Gehirns zugrunde. Verursacht wird die Entzündung durch eine Autoimmunkrankheit, also eine Krankheit, bei der das Immunsystem den eigenen Körper angreift.
- Genetische Epilepsie: Es wird eine genetische Ursache vermutet. Häufig ist der Gendefekt schon identifiziert.
- Unbekannte Ursache: Früher auch als kryptogen bezeichnet.
Behandlung der Neuroborreliose und Epilepsie
Die Neuroborreliose wird (wie die normale Borreliose) mit Antibiotika behandelt. Zur Verfügung stehen folgende Antibiotika: Doxycyclin (als Tablette), Ceftriaxon (als Infusion), Cefotaxim (als Infusion) und Penicillin G (als Infusion). Welches Antibiotikum der Arzt im Einzelfall für die Neuroborreliose-Therapie auswählt, hängt von den individuellen Gegebenheiten ab. Eine Rolle spielt unter anderem, wie alt der Patient ist, ob er bekanntermaßen allergisch auf eines der Antibiotika reagiert oder ob eine Schwangerschaft vorliegt. So dürfen beispielsweise schwangere Frauen und Kinder unter neun Jahren nicht mit Doxycyclin behandelt werden. Die Dauer der Antibiotikatherapie richtet sich danach, ob eine frühe oder späte Neuroborreliose vorliegt: Bei früher Neuroborreliose werden die Antibiotika im Regelfall über 14 Tage gegeben, bei später Neuroborreliose meist 14 bis 21 Tage lang. Bei Patienten, die sechs Monate nach der Antibiotika-Therapie immer noch beeinträchtigende Beschwerden haben, untersuchen Ärzte erneut eine Probe der Hirn-Rückenmarksflüssigkeit. Wenn die Anzahl der weißen Blutkörperchen immer noch erhöht ist und es keine andere Erklärung als die Neuroborreliose dafür gibt, wiederholen sie die Antibiotikatherapie.
Behandlung von Epilepsie
Die Behandlung von Epilepsie zielt darauf ab, die Anfallshäufigkeit zu reduzieren und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. Dies kann durch Medikamente (Antiepileptika), eineOperation oder eine spezielle Ernährung erreicht werden.
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Prävention von Zeckenbissen und Borreliose
Um das Risiko einer Borreliose-Infektion und damit auch einer Neuroborreliose und Epilepsie zu verringern, sind folgende Maßnahmen empfehlenswert:
- Tragen Sie bei Aufenthalten in der Natur schützende Kleidung (lange Hosen, langärmelige Oberteile, geschlossene Schuhe).
- Verwenden Sie Insektenschutzmittel, die Zecken abwehren.
- Suchen Sie Ihren Körper nach Zecken ab, nachdem Sie sich in der Natur aufgehalten haben.
- Entfernen Sie Zecken so schnell wie möglich mit einer Pinzette oder einem Zeckenentferner.
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