Epilepsie ist eine chronische neurologische Erkrankung, die durch wiederkehrende Anfälle gekennzeichnet ist. Diese Anfälle entstehen durch plötzliche, unkontrollierte Entladungen von Nervenzellen im Gehirn. Die Auswirkungen von Epilepsie können vielfältig sein und die Lebensqualität der Betroffenen erheblich beeinträchtigen. Daher ist es wichtig zu wissen, dass Menschen mit Epilepsie unter bestimmten Voraussetzungen einen Grad der Behinderung (GdB) und einen Schwerbehindertenausweis beantragen können.
Formen der Epilepsie
Es gibt verschiedene Formen der Epilepsie, die sich in Art und Ausprägung der Anfälle unterscheiden:
- Fokale Anfälle: Diese Anfälle betreffen nur einen Teil des Gehirns. Die Symptome können je nach betroffenem Hirnbereich variieren und motorische (Zuckungen, Krämpfe, Lähmungen), sensorische (Sehstörungen, Hörstörungen, Taubheitsgefühle), geistige (Verwirrtheit, Sprachstörungen, Halluzinationen) oder autonome Symptome (Herzrasen, Schwitzen, Übelkeit) umfassen.
- Generalisierte Anfälle: Hierbei ist das gesamte Gehirn betroffen. Zu den häufigsten Formen gehören tonisch-klonische Anfälle (früher als "Grand mal" bezeichnet), Absencen (kurze Bewusstseinsaussetzer) und myoklonische Anfälle (plötzliche Muskelzuckungen).
- Idiopathische Epilepsie: Die Ursache dieser Form ist unbekannt.
- Symptomatische Epilepsie: Diese Form wird durch eine zugrunde liegende Erkrankung verursacht.
Grad der Behinderung (GdB) bei Epilepsie
Die Auswirkungen der Epilepsie auf die Lebensqualität können einen GdB rechtfertigen. Die Höhe des GdB hängt von der Häufigkeit und Schwere der Anfälle ab und kann zwischen 40 und 100 liegen.
- GdB 40-50: Leichte bis mittelschwere Epilepsie mit seltenen Anfällen oder Anfällen, die gut medikamentös kontrolliert sind.
- GdB 60-80: Mittelschwere bis schwere Epilepsie mit häufigeren Anfällen oder Anfällen, die schwer zu kontrollieren sind.
- GdB 90-100: Schwerste Epilepsie mit sehr häufigen, schweren Anfällen, die zu erheblichen Beeinträchtigungen führen. Oft liegt hier auch das Merkzeichen H für Hilflosigkeit vor, insbesondere bei Minderjährigen auch schon bei niedrigerem GdB.
Beispiele zur Festlegung des GdB
- Thomas hat eine Absence-Epilepsie mit generalisierten Anfällen ohne Krämpfe. Er hat durchschnittlich 2-3 Absencen pro Woche.
- Aya hat ebenfalls eine Absence-Epilepsie mit mehreren Absencen an einem Tag, aber nur 1-2 Mal pro Woche. Trotz Anfallsserien wird ihr GdB auf 70 festgelegt, da es sich nicht um generalisierte Krampfanfälle oder fokal betonte Anfälle handelt.
Schwerbehindertenausweis bei Epilepsie
Ab einem GdB von 50 gilt eine Person als schwerbehindert und erhält einen Schwerbehindertenausweis. Dieser Ausweis ermöglicht den Zugang zu verschiedenen Nachteilsausgleichen und Leistungen, die das Leben mit Epilepsie erleichtern sollen.
Vorteile und Leistungen
- Nachteilsausgleiche im Beruf: Unterstützung bei der Arbeitsplatzgestaltung, Kündigungsschutz, Zusatzurlaub.
- Steuerliche Vorteile: Steuerermäßigungen.
- Ermäßigungen und Vergünstigungen: Kostenlose bzw. ermäßigte Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel (mit Merkzeichen).
- Parkerleichterungen: Nutzung von Behindertenparkplätzen (mit entsprechendem Merkzeichen).
- Früherer Renteneintritt: Möglichkeit, früher in Rente zu gehen (unter bestimmten Voraussetzungen). Hier ist jedoch zu beachten, dass Menschen mit Schwerbehinderung zwar unter gewissen Voraussetzungen früher in Rente gehen können, aber nicht automatisch mehr Rente bekommen. Durch den Nachteilsausgleich ist es möglich, zwei Jahre früher in die Regelrente zu gehen, ohne Abzüge befürchten zu müssen.
Nachteile
Ein Schwerbehindertenausweis kann auch Nachteile mit sich bringen, wie z.B. Schwierigkeiten bei der Jobsuche, da möglicherweise nicht jeder Betrieb auf die besonderen Bedürfnisse von Menschen mit Schwerbehinderung ausgelegt ist. Auch soziale Ausgrenzung oder Diskriminierung können auftreten.
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Voraussetzungen für einen Schwerbehindertenausweis
Nicht jede Person mit Epilepsie wird automatisch als schwerbehindert eingestuft. Voraussetzung ist eine Beeinträchtigung im Alltag, die durch die Anfälle verursacht wird. Bei wöchentlich auftretenden Anfällen ist es jedoch durchaus möglich, einen Schwerbehindertenausweis zu beantragen. Es lohnt sich, bereits bei einer leichten Form der Epilepsie einen Antrag zu stellen.
Antragstellung
Der Antrag auf Feststellung des GdB und Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises wird beim zuständigen Versorgungsamt oder Kommunalamt gestellt.
Benötigte Unterlagen
In der Regel müssen keine Unterlagen selbst bereitgestellt werden. Das Versorgungsamt fordert die notwendigen Berichte von den behandelnden Ärzten an.
Ablauf der Feststellung
Das Versorgungsamt wertet die eingegangenen ärztlichen Berichte aus und beurteilt den Schweregrad der Epilepsie. Oft geben die Ärzte in ihren Berichten bereits eine Einschätzung des Schweregrades an.
Gültigkeit des Schwerbehindertenausweises
Der Schwerbehindertenausweis ist in der Regel auf 5 Jahre befristet und muss dann verlängert werden. Die Verlängerung sollte etwa drei Monate vor Ablauf der Gültigkeit beantragt werden. Es ist nicht möglich, den Ausweis direkt auf dem vorhandenen Ausweis zu verlängern.
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Aberkennung des GdB
Eine Aberkennung des GdB ist möglich, wenn sich der Gesundheitszustand verbessert hat, z.B. durch erfolgreiche Operationen oder Medikamente. Nach einer Heilungsbewährung von 5 Jahren wird der GdB erneut festgelegt. Bei etwa 20-30% der Menschen tritt eine spontane Heilung der Epilepsie ein (Spontanremission). Je nach Ausprägung der Epilepsie nach der Spontanremission kann der GdB niedriger ausfallen oder ganz entfallen.
Unbefristeter Schwerbehindertenausweis
Einen unbefristeten Schwerbehindertenausweis für Epilepsie gibt es aktuell nicht. Der Ausweis ist auf 5 Jahre befristet, da innerhalb weniger Jahre oder Jahrzehnte bei 20-30% der Betroffenen eine Spontanremission eintreten kann, die zu einem niedrigeren GdB oder dem Wegfall des GdB führt.
Epilepsie im Arbeitsleben
Epilepsie kann sich auf die berufliche Teilhabe auswirken. Viele Unternehmen beschäftigen jedoch bereits Menschen mit Epilepsie, oft ohne ausreichend über die tatsächlichen Gefahren und Chancen informiert zu sein.
Informationen für Arbeitgeber
Die Broschüre „Wenn die Neuronen Sonderschicht machen″ ist eine umfassende Publikation, die sich auf Epilepsie und dessen Folgen im Arbeitskontext konzentriert. Sie richtet sich an Arbeitgeber, Arbeitsmediziner, Betroffene sowie deren Vorgesetzte und Kollegen. Die Broschüre bietet praktische Lösungen und unterstützende Maßnahmen zur Verbesserung der beruflichen Teilhabe von Menschen mit Epilepsie.
Arbeitsgestaltung
Es können technische Lösungen wie spezielle Arbeitsmittel oder Anpassungen der Arbeitsumgebung zum Einsatz kommen. Auslöser von Anfällen wie Flackerlichteffekte oder Schlafentzug sollten vermieden werden.
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Gefährdungsbeurteilung
Arbeitgeber sind verpflichtet, alle mit der Arbeit verbundenen Gefährdungen zu beurteilen und die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes zu treffen. Dies gilt auch für Beschäftigte mit Epilepsie.
Informationspflicht
Arbeitnehmer sind grundsätzlich nicht verpflichtet, ihren Arbeitgeber über ihre Erkrankung zu informieren. Wenn aber das Unternehmen bei der Auswahl oder der Gestaltung des Arbeitsplatzes auf wesentliche Funktionseinschränkungen Rücksicht nehmen muss, sind die Beschäftigten verpflichtet, ihre Arbeitgeber auf die Erkrankung hinzuweisen.
Geeignete Tätigkeiten
Ob eine betroffene Arbeitskraft für eine bestimmte Tätigkeit geeignet ist, muss individuell beurteilt werden. Dabei spielen die Anfallsart, die Anfallshäufigkeit und mögliche Auslöser eine Rolle. Ein pauschales Verbot bestimmter Tätigkeiten ist nicht sinnvoll.
Fahrerlaubnis
Für bestimmte Tätigkeiten, die das Führen eines Fahrzeugs erfordern, gelten besondere Regelungen. Die Fahrerlaubnis kann von einer anfallsfreien Beobachtungszeit abhängig sein.
Arbeitsunfall
Ein Anfall während der Arbeitszeit oder auf dem Weg zur Arbeit gilt in der Regel nicht als Arbeitsunfall, es sei denn, betriebliche Umstände haben wesentlich zum Eintritt und zur Schwere des Unfalls beigetragen.
Nachteilsausgleiche im Überblick
Menschen mit Behinderung haben Anspruch auf verschiedene Nachteilsausgleiche, die ihnen die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben erleichtern sollen. Diese Nachteilsausgleiche sind in der Regel an den GdB gekoppelt.
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