Epilepsie und geistige Behinderung: Ursachen und Behandlungsansätze

Epilepsie ist eine der häufigsten Begleiterkrankungen bei Menschen mit geistiger Behinderung, neben spastischen Paresen und psychischen Verhaltensauffälligkeiten. Diese Patientengruppe wird oft von Epilepsiezentren betreut, was auf historisch gewachsene Versorgungsstrukturen zurückzuführen ist. Inklusive Behandlungsansätze sowie neue Erkenntnisse über pathophysiologische Krankheitsprozesse und innovative Therapieoptionen stellen diese Strukturen jedoch vor Herausforderungen.

Prävalenz und Anfallsformen

Im Vergleich zur allgemeinen Bevölkerung, bei der die Prävalenz von Epilepsie bei etwa 0,7 % liegt, ist die Prävalenz bei Menschen mit Intelligenzminderung bis zu 20-fach höher. Bei ausgeprägter geistiger Behinderung und zusätzlicher motorischer Störung steigt die Prävalenz weiter an, sodass bei etwa der Hälfte aller Menschen mit geistiger Behinderung und Zerebralparese eine Epilepsie vorliegt.

Die Anfallsformen werden in fokale und generalisierte Anfälle unterteilt, wobei die Epilepsien auch nach symptomatischen und idiopathischen fokalen und generalisierten Formen eingeordnet werden. Bei Kindern mit Autismus und geistiger Behinderung sind primär fokale oder multifokale Anfallsformen (wie BNS) häufiger zu beobachten. Ursache hierfür sind überwiegend symptomatisch fokale Epilepsien, während der Anteil idiopathisch fokaler Epilepsien sich im Vergleich zu einem Kollektiv ohne Autismus wenig ändert.

Lokalisation epileptischer Herde

Bei symptomatisch fokalen Epilepsien, die häufig bei gemeinsamem Auftreten von Epilepsie, Autismus und geistiger Behinderung zu finden sind, stellt sich die Frage nach der Lokalisation der epileptischen Herde. Der Anteil nur rechts lokalisierbarer Foci bleibt trotz geistiger Behinderung weitgehend gleich. Mit abnehmender Intelligenz wird jedoch eine Lokalisation links seltener, während bihemisphärische fronto-temporale Foci häufiger auftreten.

Das gemeinsame Auftreten von Epilepsie, Autismus und geistiger Behinderung findet sich häufiger, wenn die oben beschriebenen Charakteristika vorliegen. Diese Kinder sind besonders schwer in ihrer psychosozialen Anpassung beeinträchtigt und weisen häufig weitere begleitende psychiatrische Störungen (wie ADHS oder Depression) und Symptome (wie Selbst- oder Fremdaggression oder Schlafstörungen) auf.

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Therapieansätze

Da keine Behandlungsverfahren zur Linderung von Autismus und geistiger Behinderung zur Verfügung stehen, hat die erfolgreiche Behandlung der Epilepsie und der begleitenden Symptomatik einen besonderen Stellenwert. Studien unterstützen die Hypothese, dass eine Besserung der besonders beeinträchtigenden psychiatrischen Symptome durch chirurgische Eingriffe möglich ist. Das Outcome bezüglich der Epilepsie war jedoch mit nur 52 % Anfallsfreiheit schlechter als bei Kollektiven ohne Autismus und geistige Behinderung.

Auch für die Wahl des Antiepileptikums können nur Einzelfall-Aussagen getroffen werden. Veränderungen psychiatrischer Symptome infolge von Medikationsänderungen wurden beschrieben, wobei Levetiracetam relativ häufig in Zusammenhang mit einer Verbesserung von Sprache, Kontakt und Aggressivität genannt wurde, während Topiramat häufiger mit einer Verschlechterung der Komorbidität in Verbindung gebracht wurde. Es überwiegen jedoch Angaben zu einer Besserung der psychiatrischen Symptomatik nach Optimierung der antiepileptischen Therapie. Die Konsultation eines Psychiaters führte bei etwa 10-15 % der gemeinsam behandelten Fälle zu einer Änderung der Medikation und damit teils auch zu einer Besserung der psychiatrischen Symptome.

Neben den Antiepileptika werden bei den schwer beeinträchtigten Kindern nicht selten zusätzlich Methylphenidat und Neuroleptika eingesetzt. Ebenso wichtig ist die Optimierung der Versorgung durch adäquate Kommunikationsförderung, Vermeidung von Überforderung bei der Wahl des Förderortes und die Reduktion von Stressoren in den versorgenden heilpädagogischen Gruppen.

Zusammenfassung der Forschungsergebnisse

Epilepsie, Autismus und geistige Behinderung zeigen eine enge Assoziation. Das zusätzliche Auftreten eines Autismus bei Epilepsien bedeutet, dass auch eine schwere geistige Behinderung deutlich häufiger zu erwarten ist. Die geistige Behinderung ist besonders häufig bei einem Epilepsiebeginn in einem Alter unter einem Jahr zu finden. In diesen Fällen handelt es sich deutlich häufiger als sonst im Kindesalter um fokale und multifokale Epilepsien und Syndrome. Bei ihnen ist häufig eine substantielle kortikale Schädigung oder kortikale Dysplasie nachweisbar.

Diagnostik und Behandlungsgrundsätze

Menschen mit geistiger Behinderung erkranken im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung häufiger an Epilepsie. Hinsichtlich Diagnostik und Behandlung gelten prinzipiell die gleichen Grundsätze wie bei nichtbehinderten Epilepsiekranken. Bei der pharmakologischen Therapie ist eine verbesserte Anfallskontrolle über eine Monotherapie anzustreben, um unerwünschte Wirkungen zu minimieren. Wo dies nicht möglich ist, bringt oft bereits eine Reduktion und Vereinfachung einer bestehenden Polytherapie für den Patienten eine erhebliche Verbesserung seiner psychischen, kognitiven und motorischen Möglichkeiten.

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Die der Epilepsie zugrunde liegende Hirnschädigung oder Hirnentwicklungsstörung selbst und die für eine bestmögliche Anfallskontrolle eventuell notwendige Kombination von Antiepileptika können das Risiko des Auftretens von Nebenwirkungen erhöhen. Diese sind bei Menschen mit Behinderung viel schwieriger erfassbar als bei gesunden. Dabei geht es nicht nur um ZNS-typische Nebenwirkungen wie Schwindel, Doppeltsehen, Ataxie und Müdigkeit, sondern auch um psychische und kognitive Nebenwirkungen. Bei pharmakoresistenten Patienten spielen nichtmedikamentöse Maßnahmen zur Verhinderung von Anfällen oder anfallsbedingtem Schaden eine wichtige Rolle, zum Beispiel der Vagusnervstimulator oder auch Schulungsprogramme. Behinderung und epilepsiechirurgischer Eingriff schließen sich nicht aus, sofern die dazu notwendige aufwendige Diagnostik möglich ist.

Besondere Aspekte der Behandlung von Menschen mit geistiger Behinderung

Für die Behandlung von an Epilepsie erkrankten Menschen gelten grundsätzlich die gleichen Prinzipien, gleichgültig ob sie zusätzlich intelligenzgemindert sind oder nicht. Trotzdem bringt die Therapie von Menschen mit geistiger Behinderung einige Besonderheiten mit sich, auf die es zu achten gilt. Menschen mit Intelligenzminderung vertragen Antiepileptika anders, manchmal auch schlechter; ein gutes Beispiel dafür ist Levetiracetam, das in dieser Gruppe von Betroffenen deutlich häufiger zu Verhaltensauffälligkeiten führt.

Auch bei geistig behinderten Menschen bildet eine möglichst genaue Diagnose der Anfälle und des Epilepsiesyndroms die Grundlage für eine erfolgreiche Therapie. Gerade bei der Erhebung der Anamnese und Anfallsbeschreibung ist man in besonderem Maße auf Informationen von anderen Personen (z.B. Angehörige, Betreuer) sowie gegebenenfalls weitere Quellen (z.B. Videoaufnahmen, Anfallskalender) angewiesen. So lässt sich eine Aura oft nur indirekt durch fremdanamnestisch beschriebene Verhaltensänderungen vor Beginn der eigentlichen Anfallssymptomatik diagnostizieren. Bei schwer mehrfachbehinderten Patienten bereitet nicht selten die Differenzialdiagnose zwischen epileptischen und nichtepileptischen anfallsartigen Störungen (z.B. Verhaltensstereotypien, autistisches Verhalten, Hyperkinesen, extrapyramidale Dyskinesien, dissoziative Anfälle, Muskelspasmen, Tics, Synkopen) erhebliche Schwierigkeiten, auch bei Patienten, bei denen eine Epilepsie gesichert ist. Fast immer ist hier eine Videoaufzeichnung hilfreich. Oft ist eine stationäre Abklärung, gegebenenfalls mit Video-EEG-Ableitung, nicht zu umgehen, die aber bei Menschen mit Behinderung komplizierter durchzuführen ist, weil die Mitarbeit manchmal schwierig ist.

Bildgebende Verfahren

Bei jeder Epilepsie-Erstdiagnose, bei der eine symptomatische Genese zu vermuten ist, ist eine bildgebende Untersuchung erforderlich, heutzutage ein kraniales Kernspintomogramm (cMRT), das oft nur in Narkose möglich ist, um sowohl Ätiologie der Epilepsie, aber auch der Behinderung zu klären. Eine kraniale Computertomographie ist nicht ausreichend, es sei denn, man kennt einen genetischen Defekt als Ursache der Epilepsie (Trisomie 21, Dravet-Syndrom). Beim cMRT geht es zum einen um die Erfassung einer neurochirurgisch behandelbaren Läsion, zum anderen um den Nachweis einer genetisch determinierten Grunderkrankung (z.B. tuberöse Sklerose, subkortikale bandförmige Heterotopie), die für die genetische Beratung der Angehörigen von Bedeutung sein kann. Eine präzise Einordnung des Schädigungszeitpunktes (prä-, peri-, postnatal) und die Art der Schädigung (Blutung, Asphyxie, Trauma) sollte festgelegt werden können, mit cMRT und Anamnese sowie Daten aus dem Geburtspass.

Nichtmedikamentöse Maßnahmen

Zur Behandlung der Epilepsie gehören auch und gerade bei geistig behinderten Patienten nichtmedikamentöse Maßnahmen, (z.B. Tagesstrukturierung, Regulierung des Schlaf-Wach-Rhythmus) sowie Maßnahmen, die anfallsbedingten Schaden verhüten sollen. Dies betrifft besonders den Umgang mit Sturzgefahr im Rahmen von Anfällen. Welche Vorkehrungen notwendig sind, hängt von verschiedenen Faktoren (z.B. Sturzablauf, frühere Verletzungsmuster, vorübergehende Gefährdung - etwa im Rahmen einer medikamentösen Umstellung - oder Gefährdung auf unbestimmte Zeit) ab. Als suffizienter Kopfschutz hat sich ein handelsüblicher Eishockeyhelm erwiesen, allerdings ist auch hiermit kein vollständiger Schutz gegenüber beispielsweise Gesichtsverletzungen zu gewährleisten. In jedem Fall ist das individuelle Vorgehen mit dem Betroffenen und seinen Angehörigen oder Betreuern eingehend zu erörtern und sollte aus juristischen Gründen schriftlich fixiert werden. Flackerlicht als reflektorischer Auslöser von Anfällen spielt in dieser Gruppe von Anfallskranken fast keine Rolle mit Ausnahme der Menschen mit Ceroidlipofuszinosen, die bei Einzelblitzen Anfälle bekommen können. Sehr viel häufiger spielt Schreck als Auslöser eine Rolle, besonders bei Menschen mit großen frontalen Läsionen.

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Pharmakologische Therapie

Die pharmakologische Therapie der Anfälle unterscheidet sich prinzipiell nicht von der Behandlung von Patienten ohne Intelligenzminderung. Es ist also eine Monotherapie mit dem Ziel der Anfallsfreiheit anzustreben. Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass dies erfolgreich möglich ist und eine Kombinationstherapie bei geistig behinderten Patienten nicht häufiger notwendig ist. Es kommt im Gegenteil nicht selten bereits durch das Absetzen einer Substanz aus einer Kombinationstherapie zu einer Verbesserung der Anfallskontrolle, während sich Nebenwirkungen regelhaft und zum Teil in ungeahntem Maße bessern. Das Absetzen von Barbituraten birgt aber auch Gefahren; nicht nur Anfallszunahme, auch Status epilepticus und Psychosen treten auf.

Bei der Substanzauswahl ist zu bedenken, dass einige Antiepileptika bei Patienten mit geistiger Behinderung erfahrungsgemäß ein erhöhtes Risiko insbesondere psychiatrischer Nebenwirkungen bergen, wobei diese häufiger in Kombinationstherapie zu beobachten sind und selbstverständlich keine Kontraindikation darstellen, sondern zu vermehrter Aufmerksamkeit beim Einsatz der jeweiligen Substanz Anlass geben sollten. Keine antiepileptische Substanz sollte prinzipiell ausgeschlossen werden. Lamotrigin scheint gelegentlich eher positive Begleiterscheinungen (z.B. vermehrte Wachheit, Stimmungsstabilisierung, Antriebsvermehrung) zu zeigen, und zwar auch unabhängig vom Effekt gegen die Anfälle. Levetiracetam ist zwar pharmakologisch günstig und effektiv, aber eben oft mit Verhaltensstörungen assoziiert bei Menschen, nicht nur bei solchen, die schon vor der Gabe von Levetiracetam verhaltensauffällig waren. Topiramat ist sehr effektiv, die kognitiven Einschränkungen aber sind in der Gruppe von Menschen mit Behinderung schwerer erfassbar und nur über gute Fremdbeobachtung klärbar. Pregabalin hat in dieser Gruppe von Patienten keine besondere Stellung. Aus einer Untersuchung zur Langzeit-Retention von Antiepileptika bei Menschen mit Epilepsie und Behinderung weiß man, dass Oxcarbazepin das Antiepileptikum mit der höchsten Retention, also der Kombinationsquote aus Wirksamkeit und Verträglichkeit, sein soll.

Einigen Patienten, insbesondere mit schweren Mehrfachbehinderungen, ist es nicht möglich, Tabletten oder Kapseln zu schlucken. Hier muss frühzeitig an andere Applikationsformen gedacht werden, vor allem Tropfen oder Säfte, auch wenn diese zum Teil deutlich teurer sind. Retard-Tabletten lassen sich in der Regel in Wasser auflösen. Auf diese Weise bleibt im Gegensatz zum Zermörsern die Mikroverkapselung des Wirkstoffs und damit der Retardcharakter des Medikaments erhalten. Antiepileptika, die weder als Tropfen oder Saft verfügbar sind noch in Wasser gelöst werden können, müssen zermörsert werden (Clobazam, Gabapentin, Felbamat, Methosuximid, Oxcarbazepin, Phenobarbital, Sultiam, Tiagabin und Topiramat); Substanzen, die man als Lösung oder Saft zur Verfügung hat, sind hier besonders günstig (z.B. Lamotrigin, Carbamazepin, Oxcarbazepin, Ethosuximid, Levetiracetam, Lacosamid).

Überdosierung und Nebenwirkungen

Beim Aufdosieren eines Antiepileptikums ist daran zu erinnern, dass zum einen die Überdosierungsgrenze bei geistig oder körperlich behinderten Menschen aufgrund ihrer Hirnschädigung schon bei Serumkonzentrationen erreicht sein kann, die man bei der Behandlung nichtbehinderter Patienten als in der Regel noch gut verträglich erlebt hat. Zum anderen kann sich eine beginnende Überdosierung durch eine unspezifisch erscheinende Zunahme einer vorbestehenden motorischen Störung, eine zunehmende Verlangsamung oder auch eine Änderung des Verhaltens (z.B. Rückzug, Änderung von Schlaf-Wach-Rhythmus oder Ernährungsgewohnheiten, Umtriebigkeit, Reizbarkeit, Inkontinenz) bemerkbar machen, ohne dass die sonst üblichen ZNS-Symptome wie Ataxie, Blickrichtungsnystagmus, Müdigkeit nachzuweisen wären. Gefragt sind hier neben sorgfältiger Beobachtung auch ausreichende Informationen über das gesamte Behinderungsbild des Patienten. Tagesschwankungen, die unabhängig von der gerade eingesetzten Medikation bestehen, sind zu berücksichtigen und nicht vorschnell als vermeintliche Medikamenten-bedingte Verschlechterung zu deuten. In solchen Situationen können im ambulanten Bereich zum Beispiel Einschätzungen von Mitarbeitern aus der Werkstatt für Behinderte, im stationären Bereich aus den Abteilungen der Ergotherapie oder der Krankengymnastik neben denen von Eltern und Betreuern und Pflegepersonal sehr nützlich sein. Fremdbeobachtung und -einschätzung sind umso wertvoller, je weniger der Patient selbst in der Lage ist, seine Befindlichkeit einzuschätzen und sie insbesondere auch in ausreichendem Maße mitzuteilen. Sind auch verlässliche Fremdinformationen nicht ausreichend zu erhalten, ist man bisweilen mehr auf eine Serumspiegelkontrolle angewiesen als bei nichtbehinderten Patienten, um zumindest orientierend eine Einschätzung zu bekommen.

Patienten mit geistiger und insbesondere zusätzlicher körperlicher Behinderung sind wegen des häufigeren Bewegungsmangels oder einer Immobilisierung und oft verminderter Sonnenexposition besonders gefährdet, eine Antiepileptika-induzierte Osteoporose zu entwickeln. Regelmäßige Kontrollen von alkalischer Phosphatase und Serum-Calcium bzw. der Serumspiegel von 25-OH- und 1,25-OH-Vitamin-D3 und eine frühzeitige Vitamin-D-Substitution sind angezeigt. Allerdings ist nur eine DXA-Knochendichtemessung sicher in der Frage einer beginnenden Osteoporose, wird aber nur dann von den Krankenversicherungen erstattet, wenn ein Ereignis eingetreten ist, das eine Osteoporose vermuten lässt (z.B. Fraktur nach einem harmlosen Sturz).

Kosmetisch störende Nebenwirkungen wie etwa einen Hirsutismus oder eine Adipositas können einen Patienten, der nicht selten durch seine Behinderung bereits stigmatisiert ist, zusätzlich sehr belasten, auch wenn er es nicht immer angemessen zu äußern vermag. Bei einem u.a. in seiner Kommunikation behinderten Patienten muss der Arzt zusammen mit den betreuenden Personen diese Entscheidung unter sorgfältigem Abwägen von Nutzen und Risiken treffen.

Differenzialdiagnostik und Komorbidität

Bei einer zunehmenden Verhaltensauffälligkeit oder kognitiven Einschränkung unter der Aufdosierung eines Antiepileptikums ist differenzialdiagnostisch auch ein non-konvulsiver Status epilepticus zu erwägen, der nicht notwendigerweise mit der bei dem Patienten bekannten Anfallssymptomatik einhergehen muss. In diesen Fällen ist eine Video-EEG-Ableitung notwendig, sofern nicht möglich oder nicht verfügbar, ist auch an die einmalige probatorische Gabe eines ausreichend hoch dosierten Benzodiazepins zu denken. Natürlich sind auch andere Ursachen in die differenzialdiagnostischen Überlegungen mit einzubeziehen (z.B. sub- oder epidurales Hämatom nach länger zurückliegendem Sturz, metabolische Störungen, Komedikation). Psychiatrische Komorbidität ist bei Menschen mit Epilepsien häufig, besonders depressive Störungen. Besondere Probleme bei geistig behinderten Menschen sind deren Verhaltensstörungen und deren Entwicklung zu psychotischen Symptomen, oft in Verbindung mit Anfällen. Man sollte in jedem Fall antidepressiv oder antipsychotisch therapieren, wenn eine Indikation vorliegt; die „anfallsfördernde“ Wirkung von Antidepressiva und Antipsychotika ist bei den meisten Neuroleptika und Antidepressiva als sehr gering einzuschätzen. Dagegen ist der Nutzen hoch.

Ursachen von Epilepsie

Die Ursachen der Epilepsie sind vielfältig. Jedes Ereignis, das einen Schaden im Gehirn verursacht, kann ein potenzieller Auslöser für ein epileptisches Anfallsleiden sein. Die Medizin unterscheidet hier strukturelle, infektiöse, metabolische, genetische und immunologische Ursachen. Strukturelle Veränderungen am Gehirn entstehen beispielsweise durch Schlaganfälle oder Tumore. Infektionen des Gehirns können unter anderem durch Borreliose hervorgerufen werden. Metabolische Veränderungen, also solche, die den Stoffwechsel betreffen, stehen z. B. mit seltenen Stoffwechselerkrankungen, wie der Phenylketonurie in Verbindung. Bei den immunologischen Ursachen handelt es sich um Entzündungsvorgänge im Gehirn, z. B. wenn die eigene Körperabwehr (Immunsystem) das Hirngewebe angreift und es zu einer Hirnhautentzündung kommt. Zusätzlich gibt es sogenannte kryptogene Epilepsien, die heute schlichtweg als Epilepsie mit unbekannter Ursache bezeichnet werden.

Genetische Ursachen

Genetisch bedingt haben manche Menschen eine stärkere Veranlagung zu epileptischen Anfällen als andere. Die Forschung geht heute davon aus, dass bei diesen Patienten ein oder mehrere Gene defekt sind, die als Ursache der Epilepsie anzusehen sind. Häufig sind die betroffenen Gene nicht bekannt, und es müssen bestimmte Gen-Konstellationen vorliegen, damit es zu einer Epilepsie kommt. Daher sind diese Epilepsie-Ursachen meist nicht vererbbar, auch wenn sie neuerdings als genetische Epilepsien bezeichnet werden.

Strukturelle Ursachen

Strukturelle Ursachen von Epilepsie lassen sich meist mittels Magnetresonanztomographie (MRT) feststellen. Hier findet man eine Läsion, also eine Auffälligkeit der Hirnstruktur. So kann z. B. eine Narbe im Gehirn zu einer Übererregbarkeit mit fokalen Anfällen aus genau dieser Region führen. Häufige Ursachen für strukturelle Epilepsien sind Narben nach Geburtsschaden, Schlaganfall, Unfall oder Entzündung. Ein Teil dieser Fehlbildungen betrifft beide Hirnhälften und manchmal die gesamte Hirnrinde (Pachygyrie, Lissenzephalie, beidseitige Polymirkogyrie, Bandheterotopie). Die Betroffenen sind meist schwer behindert und haben schwierig zu behandelnde Epilepsien. Andere Fehlbildungen sind regional begrenzt und verursachen fokale Anfälle aus dieser Region (umschriebene Polymikrogyrie, noduläre Heterotopie). Eine besondere Rolle spielen die fokalen kortikalen Dysplasien (fokal= nicht überall, umschrieben; kortikal= die Hirnrinde betreffend; Dysplasie= Fehlanlage). Diese sind eine häufige Ursache schwer behandelbarer fokaler Epilepsien im Kindesalter und entgehen häufig einer Routine-MRT-Untersuchung, vor allem im Alter unter 2 Jahren. Bei Kindern mit entsprechend schwierigem Verlauf sollte unbedingt eine hochauflösende MRT mit gezielten Sequenzen zur Darstellung fokaler kortikaler Dysplasien durchgeführt und ggf. nach Abschluss der Hirnreifung wiederholt werden. Da das Gehirn nicht repariert werden kann und sich Nervenzellen nicht im Nachhinein umorganisieren können, ist eine Ausheilung der Epilepsie (also ein Leben ohne Anfälle und ohne Therapie) bei den Betroffenen unwahrscheinlich. Allerdings kann sich in einzelnen Fällen bei einem schweren Verlauf die Möglichkeit einer Epilepsiechirurgie mit Entfernung der anfallsauslösenden Läsion ergeben.

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