Epilepsie ist eine chronische Erkrankung des zentralen Nervensystems, die durch wiederholte, unprovozierte Anfälle gekennzeichnet ist. Diese Anfälle entstehen durch plötzliche, unkontrollierte elektrische Entladungen von Nervenzellen im Gehirn. Die Auswirkungen auf die Lebensqualität der Betroffenen sind erheblich, da die Angst vor dem nächsten Anfall ständige Begleiter ist und Tätigkeiten wie Autofahren oder Arbeiten mit Fingerspitzengefühl beeinträchtigen kann.
Schätzungsweise leiden in Deutschland 0,5 bis 1 % der Bevölkerung an aktiver Epilepsie. Die Ursachen sind vielfältig und reichen von genetischer Veranlagung über strukturelle Veränderungen im Gehirn bis hin zu Stoffwechselerkrankungen, Tumoren oder traumatischen Hirnverletzungen.
Die übliche Behandlung von Epilepsie besteht in der Verabreichung von Antiepileptika, die die Hyperaktivität im zentralen Nervensystem reduzieren, indem sie meist auf die Aktivierung des GABA-Rezeptors im Gehirn abzielen und so das Nervensystem beruhigen. Allerdings sind diese Medikamente oft mit Nebenwirkungen verbunden.
Ketogene Ernährung als alternative Behandlungsmöglichkeit
Eine vielversprechende alternative Behandlungsmöglichkeit, insbesondere bei Kindern mit Epilepsie, ist die ketogene Ernährung. Diese Ernährungsform ahmt biochemisch das Fasten nach, ohne dass der Patient vollständig auf Nahrung verzichten muss.
Ursprünge und Funktionsweise der ketogenen Ernährung
Die Behandlungsmethode hat ihren Ursprung im frühen 20. Jahrhundert. Man entdeckte zufällig, dass epileptische Kinder weniger Anfälle erlitten, wenn sie fasteten. Da ein dauerhaftes Fasten nicht praktikabel ist, entwickelte man eine Ernährungsform, die den Zustand des Fastens imitiert.
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Die ketogene Ernährung ist eine sehr fettreiche, ballaststoffreiche sowie kohlenhydrat- und proteinarme Ernährungsform, die darauf abzielt, den Insulinspiegel ganztägig niedrig zu halten. In diesem Zustand produziert die Leber Ketonkörper als alternative Energiequelle zu Glukose für verschiedene Gewebearten, darunter Nervenzellen, Herzzellen, Leberzellen und Muskeln. Dieser Zustand wird als Ketose bezeichnet.
Wirkmechanismen der ketogenen Ernährung
Die Wirksamkeit der ketogenen Ernährung bei Epilepsie beruht vermutlich auf mehreren Faktoren:
- Niedriger Insulin- und Blutzuckerspiegel: Dies schützt die Nervenzellen und die sie umgebenden Glia-Zellen vor Schäden. Der oxidative Stress in den Zellen sinkt, wodurch sie robuster und widerstandsfähiger werden.
- Erhöhung des GABA-Spiegels: Die ketogene Ernährung erhöht die Bildung des hemmenden Neurotransmitters GABA im Gehirn, ähnlich wie es viele Antiepileptika tun.
Studien zur Wirksamkeit der ketogenen Ernährung
Zahlreiche Studien belegen die Wirksamkeit der ketogenen Ernährung bei Epilepsie, insbesondere bei Kindern:
- Experiment 1: Eine Studie mit 55 Kindern und 4 Erwachsenen mit schwerer, medikamentenresistenter Epilepsie zeigte, dass eine dreimonatige ketogene Ernährung zu einer signifikanten Reduktion der Anfallshäufigkeit führte.
- Experiment 2: In einer Studie mit etwa 100 Kindern mit Epilepsie, die entweder eine klassische ketogene Ernährung oder eine ketogene Ernährung mit MCT-Öl erhielten, sank die Anzahl epileptischer Anfälle im Schnitt um 50-60 % innerhalb von zwölf Monaten.
- Meta-Analyse: Eine Analyse von sieben Studien mit insgesamt 427 Kindern ergab eine Reduktion der Anfallshäufigkeit von 55-85 % durch die ketogene Ernährung.
- Modifizierte Atkins Diät: Eine Studie argumentierte, dass eine modifizierte Atkins Diät mit zusätzlichen Ketonen oder MCT-Öl für Kinder verträglicher und einfacher durchzuführen sei als eine klassische ketogene Ernährung, wobei weniger Darmprobleme beobachtet wurden. Nach nur einem Monat hatten 80 % der Kinder mindestens 50 % weniger epileptische Anfälle, und 37 % sogar 90 % weniger Anfälle.
Langzeitwirkungen der ketogenen Ernährung bei Kindern
Studien haben gezeigt, dass Kinder die ketogene Ernährung problemlos längerfristig durchführen können, ohne Beeinträchtigungen in ihrer körperlichen oder geistigen Entwicklung. Lediglich ein geringfügig geringeres Höhenwachstum wurde beobachtet (durchschnittlich 0,2 - 0,6 cm kleiner als Gleichaltrige). Auf der anderen Seite ermöglichte die dramatische Reduktion der Anfallshäufigkeit den Kindern oft ein normales Leben. Es ist zu beachten, dass bei Kindern das Risiko für Nierensteine erhöht sein kann.
Empfehlung
Wenn Sie an Epilepsie leiden oder ein Kind mit Epilepsie haben, sprechen Sie mit Ihrem Arzt oder Neurologen über die Möglichkeit einer ketogenen Ernährung. Bringen Sie am besten die genannten Studien mit, um die Diskussion zu erleichtern.
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Cannabis und Epilepsie: Eine kontroverse Option
Die Frage, ob Cannabis eine Option zur Behandlung von Epilepsie darstellen könnte, wird in der medizinischen Fachwelt zunehmend diskutiert. Insbesondere Cannabidiol (CBD), ein nicht psychoaktiver Bestandteil der Cannabispflanze, steht im Fokus der Forschung.
Studienlage zu CBD und Epilepsie
Bisherige Studien zeigen ein konsistentes Bild: CBD kann die Häufigkeit epileptischer Anfälle signifikant reduzieren. Diese Datenlage wird von Fachkreisen inzwischen als ausreichend belastbar angesehen, um CBD als sinnvolle Ergänzung zur Standardtherapie zu bewerten.
Eine randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstudie aus dem Jahr 2017 untersuchte den Einsatz von CBD beim Dravet-Syndrom. Das Ergebnis: Die monatliche Häufigkeit epileptischer Anfälle sank unter CBD von 12,4 auf 5,9, während sie in der Placebo-Gruppe nur leicht von 14,9 auf 14,1 zurückging. Auch der subjektive Gesundheitszustand besserte sich unter CBD signifikant.
THC: Vorsicht geboten
Während CBD in Studien als gut verträglich und krampflösend gilt, ist die Wirkung von THC weniger klar. Einige Untersuchungen deuten auf krampflösende Effekte hin, andere zeigen eine mögliche Zunahme von Anfällen. Daher ist vom Rauchen von THC-haltigem Cannabis ("Kiffen") bei Epilepsie abzuraten.
Nebenwirkungen und Wechselwirkungen von CBD
CBD gilt als grundsätzlich gut verträglich, doch mögliche Wechselwirkungen mit anderen Antiepileptika sind nicht zu unterschätzen. Häufige Nebenwirkungen sind Durchfall und Sedierung. Zudem wurde eine erhöhte Leberenzymaktivität beobachtet, insbesondere bei Patienten, die gleichzeitig Valproat einnahmen. Es gibt auch Hinweise auf Wechselwirkungen mit weiteren Antiepileptika wie Rufinamid, Zonisamid, Topiramat und Eslicarbazepin.
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Fazit zu Cannabis und Epilepsie
Die derzeitige Studienlage legt nahe, dass CBD im Zentrum des Interesses steht, wenn es um Cannabinoide in der Epilepsiebehandlung geht. Für Kinder und Jugendliche mit bestimmten Epilepsieformen - insbesondere dem Dravet- und dem Lennox-Gastaut-Syndrom - liegen vielversprechende Daten vor. Bei Erwachsenen hingegen ist die Forschung noch lückenhaft.
Rauchentwöhnung bei Epilepsie: Zusätzliche Risiken und besondere Medikamente
Rauchen erhöht das Risiko für epileptische Anfälle um das Dreifache. Daher ist eine Rauchentwöhnung für Menschen mit Epilepsie besonders wichtig. Allerdings ist bei der Wahl der geeigneten Methode Vorsicht geboten, da einige Medikamente, die zur Rauchentwöhnung eingesetzt werden, das Risiko für Anfälle erhöhen können.
Vareniclin (Champix)
Vareniclin ist ein partieller Agonist am Nikotinrezeptor, der die Wirkung des Rauchens imitiert und gleichzeitig die Bindung von Nikotin am Rezeptor verhindert. Studien haben gezeigt, dass Vareniclin effektiver ist als Placebo und Bupropion bei der Rauchentwöhnung. Allerdings liegen keine Daten zur Behandlung von Patienten mit Epilepsie vor, weshalb die Anwendung in diesem Fall nicht empfohlen wird.
Bupropion (Zyban)
Bupropion ist ein Antidepressivum, das ebenfalls zur Rauchentwöhnung eingesetzt wird. Es gibt Studienergebnisse zur Tabakentwöhnung bei COPD-Patienten mit Bupropion, die zeigen, dass es die Entwöhnungsraten nach 6 Monaten mehr als verdoppeln kann. Allerdings erhöht Bupropion das Risiko für epileptische Anfälle und sollte daher bei Patienten mit Krampfanfällen oder Alkoholabhängigkeit nicht angewendet werden.
Nikotinersatztherapie
Die Nikotinersatztherapie mit Nikotinpflastern, -kaugummis, -lutschtabletten, -sublingualtabletten, -inhalern oder -nasensprays kann eine Option für Menschen mit Epilepsie sein, da sie das Risiko für Anfälle nicht erhöht. Allerdings sollte die Anwendung immer in Absprache mit dem behandelnden Arzt erfolgen.
Verhaltenstherapie
Verhaltenstherapeutische Rauchentwöhnungsprogramme sind eine wirksame und sichere Methode zur Rauchentwöhnung bei Epilepsie. Sie helfen, die psychische Abhängigkeit vom Nikotin zu überwinden und alternative Verhaltensweisen zu entwickeln.
Alkohol und Epilepsie
Ein riskantes Trinkverhalten (z.B. exzessiver Alkoholkonsum) sollte von Epilepsiepatienten vermieden werden, da Alkohol epileptische Anfälle akut provozieren kann. Studien haben gezeigt, dass das Risiko für Anfälle im Zusammenhang mit Alkohol bei Patienten mit generalisierter Epilepsie, verglichen mit partieller Epilepsie, erhöht ist. Auch scheint das Risiko für Alkohol-bedingte Anfälle bei Patienten mit Epilepsie im Vergleich zur Gesamtbevölkerung vierfach erhöht.