Epilepsie ist eine neurologische Erkrankung, die durch wiederholte Anfälle gekennzeichnet ist. Für Menschen mit Epilepsie und ihre Familien ist es entscheidend, Hilfsmittel und Technologien zu finden, die die Sicherheit erhöhen und die Lebensqualität verbessern. In den letzten Jahren haben spezielle Uhren und andere Geräte zur Anfallserkennung an Bedeutung gewonnen. Dieser Artikel beleuchtet die Möglichkeiten der Kostenerstattung für solche Geräte durch die Krankenkasse und gibt einen Überblick über verfügbare Technologien.
Anfallserkennungssysteme: Ein Überblick
Anfallserkennungssysteme dienen dazu, epileptische Anfälle zu erkennen und Betreuer oder medizinische Fachkräfte zu alarmieren. Diese Systeme können in verschiedene Kategorien unterteilt werden:
- Wearable Seizure Detection Devices (WSDD): Tragbare Geräte, die Anfälle durch die Messung von Bewegung, Herzfrequenz oder anderen physiologischen Parametern erkennen. Ein bekanntes Beispiel ist die NightWatch.
- Bett-Sensoren: Diese Sensoren werden unter der Matratze platziert und erkennen Anfälle während des Schlafs. Ein Beispiel hierfür ist der Epi-Care 3000.
- Apps zur Anfallserkennung: Diese Apps nutzen die Sensoren von Smartphones oder Smartwatches, um Anfälle zu erkennen und Alarme auszulösen. Allerdings ist die Qualität und Sicherheit dieser Apps oft unklar, da sie selten in klinischen Studien geprüft wurden.
- Notrufsysteme mit Sturzerkennung: Diese Systeme sind besonders für Menschen mit eingeschränkter Mobilität geeignet und erkennen Stürze automatisch.
NightWatch: Ein zertifiziertes Medizinprodukt zur Anfallserkennung
Die NightWatch ist ein zertifiziertes Medizinprodukt, das speziell zur Erkennung nächtlicher epileptischer Anfälle entwickelt wurde. Studien haben gezeigt, dass die NightWatch eine hohe Erkennungsrate für schwere motorische Anfälle aufweist. Betreuer berichten von einer deutlichen Verringerung ihres Stresslevels innerhalb von nur zwei Monaten nach dem Einsatz der NightWatch.
Funktionsweise und Vorteile
Die NightWatch ist ein WSDD, das während des Schlafs getragen wird und Betreuer alarmiert, wenn es epileptische Anfälle mit hohem Risiko feststellt. Zu den Vorteilen gehören:
- Hohe Erkennungsrate: In der PROMISE-Studie erkannte die NightWatch 492 von 552 aufgetretenen schweren motorischen Anfällen mit einer mittleren Erkennungsempfindlichkeit von 100%.
- Stressreduktion: Betreuer berichten von einer deutlichen Verringerung ihres Stresslevels innerhalb von nur zwei Monaten nach dem Einsatz.
- Frühzeitige Warnung: Die NightWatch warnt Betreuer frühzeitig, sodass sie rechtzeitig Hilfe leisten können.
Kostenerstattung durch die Krankenkasse
Deutsche und österreichische Ärzte verordnen die NightWatch häufig als Standard-Anfallserkennungssystem im häuslichen Umfeld. Die Kostenerstattung erfolgt zum Großteil über die Krankenversicherungen. Es ist ratsam, bei der Krankenkasse einen Antrag auf Kostenerstattung zu stellen. In manchen Fällen kann ein Widerspruch und ein Attest vom Neurologen erforderlich sein, um die Kostenübernahme zu erreichen.
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Epi-Care: Verschiedene Produkte zur Anfallserkennung
Epi-Care bietet verschiedene Produkte zur Anfallserkennung an, die auf unterschiedliche Bedürfnisse zugeschnitten sind:
- Epi-Care 3000: Ein Bettsensor, der nachts während des Schlafens tonisch-klonische Anfälle registriert. Besonders geeignet für Kinder, da er sogar schwache Anfälle erkennt.
- Epi-Care free: Ein Epilepsie-Armband, das im Haus getragen wird und nachts und tagsüber epileptische Anfälle registrieren kann.
- Epi-Care mobile: Sorgt für noch mehr Mobilität und kann auch außerhalb des Hauses getragen werden.
Funktionsweise und Vorteile
Die Epi-Care Produkte nutzen einen Sensor, der Bewegungen wahrnimmt und normale Bewegungen von Bewegungen unterscheidet, die charakteristisch für tonisch-klonische Epilepsieanfälle sind. Zu den Vorteilen gehören:
- Frühzeitige Warnung: Bezugspersonen werden durch Ton- und Lichtsignale der Basiseinheit oder durch eine Alarmweiterleitung an Pieper, Rufanlagen oder Telefone alarmiert.
- Flexibilität: Es gibt verschiedene Produkte für unterschiedliche Situationen und Bedürfnisse.
- Zusatzmaterial: Für Epi-Care free und Epi-Care 3000 gibt es die Möglichkeit, Zusatzmaterial zu verwenden, um die Alarmierung zu verbessern.
Alarmweiterleitung
Die Epi-Care Geräte bieten verschiedene Möglichkeiten zur Alarmweiterleitung:
- Pieper/externe Rufanlagen: Die Basiseinheit kann über den AUX-Anschluss mit einem Pager oder einem externen Rufsystem verbunden werden.
- GSM: Durch das eingebaute GSM sendet das Gerät Alarmanrufe und SMS an das Telefon der Bezugsperson.
Gewährleistung
Die Epi-Care Geräte haben eine gesetzliche Gewährleistung von 2 Jahren. Bei fehlerhaften Produkten werden diese kostenfrei repariert oder ersetzt.
Weitere Hilfsmittel und Technologien
Neben speziellen Anfallserkennungssystemen gibt es weitere Hilfsmittel und Technologien, die für Menschen mit Epilepsie hilfreich sein können:
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- Digitale Anfallskalender: Diese Kalender dienen zur Dokumentation von epileptischen Anfällen, Medikation, Nebenwirkungen und Befinden. Ein Beispiel ist EPI-Vista®.
- Web-basierte Anwendungen: Diese Anwendungen bieten Informationen, Unterstützung und therapeutische Techniken, um den Umgang mit der Erkrankung zu erleichtern. Ein Beispiel ist emyna®.
- Notruf mit Sturzerkennung: Diese Geräte verfügen über Sensoren, die schnelle, ruckartige Bewegungen registrieren und im Falle eines Sturzes automatisch einen Notruf absetzen.
- Smartwatches mit Sturzerkennung: Viele moderne Smartwatches bieten eine Sturzerkennung und Zusatzfunktionen wie GPS-Tracking, Herzfrequenzmessung und Notrufknopf.
Kostenerstattung durch die Krankenkasse: Allgemeine Informationen
Die Krankenkasse übernimmt die Kosten für Hilfsmittel, die die Behandlung unterstützen, ein dauerhaftes Handikap verhindern oder ausgleichen. Die Versorgung mit dem Hilfsmittel muss in der Regel innerhalb von 28 Kalendertagen nach der Verordnung erfolgen.
Zuzahlung
Die gesetzliche Zuzahlung beträgt in der Regel zehn Prozent der Kosten, mindestens fünf und maximal zehn Euro. Bei Produkten zum Verbrauch wie Absaugkatheter, Kunststoffspritzen oder Inkontinenzhilfen beträgt die Zuzahlung im Monat für alle Hilfsmittel zusammen höchstens zehn Euro.
Eigenanteile
Für einige Hilfsmittel fällt zusätzlich ein Eigenanteil an, insbesondere für solche, die zum Teil normale Gebrauchsgegenstände sind, wie zum Beispiel orthopädische Schuhe.
Vertragspartner
Die Krankenkassen haben mit vielen Vertragslieferanten Vereinbarungen getroffen, die die Kosten direkt mit der Krankenkasse abrechnen. Es ist ratsam, einen Vertragslieferanten der eigenen Krankenkasse zu wählen, um die Kostenübernahme zu erleichtern.
Zuschüsse von der Pflegekasse
Wenn ein Notruf mit Sturzerkennung an ein Hausnotrufsystem angeschlossen ist, kann die Pflegekasse einen Zuschuss für technische Pflegehilfsmittel gewähren. Die Pflegekasse zahlt dann bis zu 25,50 Euro pro Monat für die Notruflösung.
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Antragstellung
Um die Kostenübernahme für ein Hilfsmittel zu beantragen, benötigt man eine ärztliche Verordnung. Mit der Verordnung kann man sich an einen Vertragslieferanten der Krankenkasse wenden oder einen Online-Antrag stellen.
Wichtige Überlegungen bei der Auswahl eines Anfallserkennungssystems
Bei der Auswahl eines Anfallserkennungssystems sollten folgende Aspekte berücksichtigt werden:
- Art der Anfälle: Nicht alle Systeme erkennen alle Arten von Anfällen. Es ist wichtig, ein System zu wählen, das die spezifischen Anfallsformen des Betroffenen erkennt.
- Tragekomfort: Das Gerät sollte bequem zu tragen sein, insbesondere während des Schlafs.
- Zuverlässigkeit: Die Erkennungsrate und die Anzahl der Fehlalarme sollten möglichst gering sein.
- Benutzerfreundlichkeit: Das System sollte einfach zu bedienen und zu warten sein.
- Kosten: Die Kosten für das Gerät und eventuelle laufende Kosten sollten im Budget liegen.
- Kostenerstattung: Es ist ratsam, sich vor dem Kauf über die Möglichkeiten der Kostenerstattung durch die Krankenkasse zu informieren.
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