Beatmungstherapie nach Schlaganfall: Ein umfassender Überblick

Ein Schlaganfall stellt eine akute Bedrohung für die Gesundheit dar, die durch eine plötzliche Unterbrechung der Blutzufuhr zum Gehirn verursacht wird. Dies führt zu einer Mangelversorgung der Nervenzellen mit Sauerstoff und Nährstoffen, was wiederum zu neurologischen Ausfällen führen kann. Die anschließende Behandlung und Rehabilitation sind entscheidend für die Wiederherstellung von Funktionen und die Verbesserung der Lebensqualität der Betroffenen. Ein wichtiger Aspekt dabei ist die Beatmungstherapie, insbesondere bei Patienten, die aufgrund der Schwere des Schlaganfalls oder Komplikationen wie einer Aspirationspneumonie beatmungspflichtig sind.

Schlaganfall: Ursachen, Risiken und Akutbehandlung

Ein Schlaganfall, auch Apoplex oder Insult genannt, entsteht entweder durch den Verschluss einer Hirnarterie (ischämischer Schlaganfall) oder durch das Reißen einer solchen (hämorrhagischer Schlaganfall). In beiden Fällen kommt es zu einer Unterversorgung des Gehirns, die zu Ausfällen wie Lähmungen, Sprachstörungen, Sehstörungen oder Gleichgewichtsstörungen führen kann.

Risikofaktoren für einen Schlaganfall sind vielfältig. Einige, wie Alter, Vererbung oder ein bereits erlittener Schlaganfall, sind nicht beeinflussbar. Andere, wie Bluthochdruck, Diabetes, Rauchen, Übergewicht, Dauerstress und hohe Luftverschmutzung, können durch einen gesunden Lebensstil und entsprechende medizinische Behandlung reduziert werden. Bestimmte Risiken betreffen speziell Frauen, wie z.B. Bluthochdruck in der Schwangerschaft, hormonelle Verhütung oder Hormonersatztherapie.

Die Akutbehandlung eines Schlaganfalls muss so schnell wie möglich erfolgen, idealerweise in einer spezialisierten Stroke Unit. Dort wird zunächst die Ursache des Schlaganfalls mittels Computertomographie (CT) und CT-Angiographie festgestellt. Bei einem ischämischen Schlaganfall können Medikamente zur Auflösung von Blutgerinnseln eingesetzt oder diese operativ entfernt werden (Thrombektomie). Bei einer Hirnblutung werden Medikamente zur Blutdrucksenkung und Operationen zur Blutstillung eingesetzt.

Neurologische Frührehabilitation: Ein wichtiger Schritt zur Genesung

Unmittelbar nach der Akutbehandlung beginnt die neurologische Frührehabilitation, auch Phase B der Behandlung genannt. Sie ist ein wesentlicher Bestandteil der qualifizierten neurologischen Akutversorgung und zielt darauf ab, die durch den Schlaganfall verursachten Funktionsstörungen zu minimieren und die Patienten wieder in den Lebensalltag zurückzuführen. Die Frührehabilitation findet in der Regel im Krankenhaus statt und umfasst eine intensive Behandlung mit aktivierender und stimulierender Pflege.

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Ziele und Methoden der Frührehabilitation

Die Frührehabilitation hat mehrere Ziele:

  • Minimierung von Langzeitbehinderungen: Durch gezielte Therapien sollen motorische, kognitive und sprachliche Fähigkeiten wiederhergestellt oder verbessert werden.
  • Wiederherstellung der Selbstständigkeit: Die Patienten sollen so weit wie möglich in der Lage sein, ihren Alltag selbstständig zu bewältigen.
  • Verbesserung der Lebensqualität: Durch die Wiedererlangung von Funktionen und Selbstständigkeit soll die Lebensqualität der Patienten gesteigert werden.

Zur Erreichung dieser Ziele werden verschiedene Therapieformen eingesetzt:

  • Physiotherapie: Sie dient der Wiederherstellung motorischer Funktionen, wie z.B. Gehen, Greifen und Bewegen. Dabei kommen auch computergestützte Verfahren wie der Lokomat® (zur Unterstützung des Gehens) oder der Armeo® (zur Erleichterung von Armbewegungen) zum Einsatz.
  • Ergotherapie: Sie zielt darauf ab, die Selbstständigkeit im Alltag zu fördern, indem Alltagsaktivitäten geübt werden.
  • Logopädie: Sie behandelt Sprach-, Sprech- und Schluckstörungen.
  • Neuropsychologie: Sie behandelt kognitive Defizite, wie z.B. Aufmerksamkeits-, Gedächtnis- oder Orientierungsstörungen.
  • Atmungstherapie: Sie unterstützt Patienten bei der Beatmungsentwöhnung und verbessert die Atemfunktion.

Ein interdisziplinäres Team aus Ärzten, Pflegekräften, Therapeuten und Neuropsychologen arbeitet eng zusammen, um einen individuellen Rehabilitationsplan für jeden Patienten zu erstellen. Dabei werden die Fortschritte kontinuierlich überwacht und die Therapieziele gegebenenfalls angepasst. Die Familie der Patienten wird ebenfalls in den Rehabilitationsprozess einbezogen, um die Motivation zu fördern.

Beatmungsentwöhnung in der Frührehabilitation

Ein besonderer Schwerpunkt der Frührehabilitation liegt auf der Beatmungsentwöhnung (Weaning). Viele Schlaganfallpatienten sind aufgrund von Bewusstseinsstörungen, Schluckstörungen oder einer Schwäche der Atemmuskulatur auf eine künstliche Beatmung angewiesen. Die Beatmungsentwöhnung ist ein komplexer Prozess, bei dem die Atemunterstützung durch das Beatmungsgerät schrittweise reduziert wird, bis der Patient wieder selbstständig atmen kann.

Die Beatmungsentwöhnung erfordert eine engmaschige Betreuung durch ein spezialisiertes Team, bestehend aus Ärzten, Pflegekräften, Atmungstherapeuten, Physio- und Ergotherapeuten sowie Logopäden. Dabei spielen die Pflegekräfte eine zentrale Rolle, da sie die Patienten rund um die Uhr betreuen und den Wiederaufbau von Sinneswahrnehmung, Ausdrucksfähigkeit, Bewusstheit und Beweglichkeit fördern.

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Die Beatmungsentwöhnung wird individuell auf den Zustand des Patienten abgestimmt und kann mehrere Wochen dauern. Ziel ist es, die Spontanatmung wiederzuerlangen und die Trachealkanüle (ein Kunststoffschlauch, der durch einen Luftröhrenschnitt in die Luftröhre eingebracht wird) zu entfernen.

Herausforderungen in der Frührehabilitation

Der Verlauf der Frührehabilitation ist individuell unterschiedlich und hängt von der Schwere und Art der neurologischen Schädigung ab. Eine häufige Herausforderung ist die Schluckstörung (Dysphagie), die bei vielen Schlaganfallpatienten auftritt. Sie erhöht das Risiko für Aspirationen (Verschlucken), die zu Lungenentzündungen führen können. Daher wird der Behandlung von Schluckstörungen in der Frührehabilitation ein hoher Stellenwert eingeräumt.

Weitere Herausforderungen sind:

  • Motorische Defizite: Lähmungen und Bewegungseinschränkungen können die Selbstständigkeit der Patienten stark beeinträchtigen.
  • Kognitive Defizite: Aufmerksamkeits-, Gedächtnis- oder Orientierungsstörungen können die Rehabilitation erschweren.
  • Psychische Belastungen: Depressionen, Angstzustände oder andere psychische Probleme können den Rehabilitationserfolg beeinträchtigen.

Um diesen Herausforderungen zu begegnen, ist eine individuell angepasste und interdisziplinäre Therapie erforderlich.

Spezielle Therapieansätze zur Verbesserung der Schluckfunktion

Eine fortbestehende Schluckstörung ist ein Hauptgrund, warum sich die Entwöhnung von der Trachealkanüle verzögert. Um die Schluckfunktion zu verbessern, werden verschiedene Therapieansätze eingesetzt, darunter die pharyngeale elektrische Stimulation (PES).

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Pharyngeale elektrische Stimulation (PES)

Bei der PES wird eine dünne Sonde mit Ringelektroden über die Nase in die Speiseröhre eingeführt. Über die Elektroden wird ein Bereich in der Rachenhinterwand elektrisch stimuliert. Die Stimulation erfolgt an drei aufeinanderfolgenden Tagen für jeweils zehn Minuten mit einer Stromstärke von 1-50 mA bei einer Frequenz von 5 Hz.

Es wird vermutet, dass die PES die sensiblen Leitungsbahnen aktiviert, die das Schlucken steuern, und so das komplex strukturierte Schlucknetzwerk moduliert und eine neuronale Reorganisation induziert.

Eine Studie hat gezeigt, dass die PES die Möglichkeit, die Trachealkanüle sicher zu entfernen, signifikant erhöht. Zudem konnte der Krankenhausaufenthalt bei den Patienten, die auf die PES ansprachen, im Vergleich zu den Patienten, die nicht auf die PES ansprachen, um durchschnittlich 22 Tage verkürzt werden.

Einfluss der Beatmungsdauer auf die Prognose nach Thrombektomie

Die mechanische Thrombektomie ist eine effektive Methode zur Behandlung von ischämischen Schlaganfällen. Allerdings wird sie häufig unter Vollnarkose durchgeführt, was eine künstliche Beatmung erforderlich macht. Studien haben gezeigt, dass eine kürzere Beatmungszeit nach einer Thrombektomie mit einer besseren Prognose und geringeren Langzeitfolgen des Schlaganfalls verbunden ist. Eine längere Beatmungszeit war zudem mit einem höheren Risiko für Lungenentzündungen während des Aufenthalts auf der Intensivstation bzw. der Stroke Unit verbunden.

Sauerstoffgabe bei Schlaganfallpatienten ohne Hypoxämie

Die routinemäßige Beatmung von Schlaganfallpatienten mit Sauerstoff ohne Vorliegen einer Hypoxämie (Sauerstoffsättigung von weniger als 93 Prozent) hat in einer Studie keine Verbesserung der Behandlungsergebnisse gezeigt. Dies deutet darauf hin, dass eine zusätzliche Sauerstoffgabe bei Patienten mit bereits guter Sauerstoffsättigung keinen zusätzlichen Nutzen bringt.

Nachsorge und Weiterführung der Therapie

Nach der Frührehabilitation ist eine kontinuierliche Nachsorge und Weiterführung der Therapie entscheidend, um die erzielten Fortschritte zu erhalten und weiter zu verbessern. In der Regel beginnt die Nachsorge mit einer ambulanten oder teilstationären Rehabilitation. Die in der Frührehabilitation begonnenen Therapieansätze werden fortgesetzt und an den aktuellen Genesungsstand angepasst. Auch zu Hause sollten die Patienten weiter trainieren. Regelmäßige Kontrolltermine bei einem Arzt sind wichtig, um den Rehabilitationsfortschritt zu überwachen und den Therapieplan gegebenenfalls anzupassen.

Auch nach der Frührehabilitation ist eine psychosoziale Unterstützung wichtig. Das langfristige Ziel ist es, die Patienten in ein möglichst selbstbestimmtes Leben zu entlassen.

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